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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 25.05.2007
Aktenzeichen: 13 TaBV 119/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 05.12.2006 - 5 BV 41/06 - abgeändert.

Die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers F1 B3 wird ersetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die Arbeitgeberin begehrt die Ersetzung der vom Betriebsrat versagten Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsmitgliedes F1 B3 (Beteiligter zu 3).

Die Arbeitgeberin betreibt in H1 ein Akutkrankenhaus mit ca. 260 Beschäftigten.

Der Beteiligte zu 3), geboren am 04.08.1972 und ledig, ist bei ihr seit dem 01.10.1994 zu einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung von aktuell 2.833,33 € als Krankenpfleger tätig, zuletzt auf der Station C (Chirurgie), wo insgesamt ca. 12 Vollzeitkräfte beschäftigt sind.

Bei der Arbeitgeberin kommen - neben eigenen - auch Krankenpflegeschülerinnen aus anderen Krankenhäusern zu Ausbildungszwecken zum Einsatz, um unter anderem ihre Pflichtstunden im Fach Chirurgie abzuleisten. So waren auf der Station C in der Vergangenheit die Zeuginnen M2, K5, S4 und T1 tätig - neben der bei der Arbeitgeberin selbst beschäftigten Zeugin S5.

Nach Abschluss ihres Einsatzes bzw. Ablegung des Examens wandten sich vier der fünf genannten Zeuginnen mit Beschwerden über sexuelle Belästigungen (teilweise) zunächst an die Praxisanleiterin G1 sowie die Leiterin der Station C, H6.

Sodann beschwerten sich die Schülerinnen M2, K5, S4 und S5 am 19., 20. und 28.06.2006 schriftlich beim Pflegedienstleiter H4.

In ihrem Schreiben vom 19.06.2006 führt die Zeugin M2 unter anderem aus:

Während ich im Dienstzimmer saß und meine Pflege dokumentierte, kam Herr B3 rein und sagte:

"Schau mal, was ich hier habe!"

Dabei hielt er eine Peitsche und einen Katalog für Sexartikel in der Hand.

Anschließend sagte er:

"Ich glaube, du stehst drauf!"

Darauf hin antwortete ich, dass mich so etwas nicht interessieren würde und dass er es wegpacken sollte.

Während Herr B3 und ich in einem Patientenzimmer zum Lagern waren, sagte er in Anwesenheit der Patientin:

"Was ich dir sagen wollte, du hast schöne Beine!"

Dazu sagte ich nichts, sondern ignorierte seinen Kommentar.

Als ich ein Patientenzimmer aufgrund einer Entlassung säuberte, betrat Herr B3 dieses Zimmer, um mir bei der Arbeit zu helfen. Als er sah, dass ich bereits fertig war, sagte er:

"Oh, du bist schon fertig! Na ja, Handschuhe habe ich schon an, da fehlt nur die Vaseline und du musst dich bücken!"

Daraufhin antwortete ich in scharfem Ton: "Bestimmt nicht!"

Immer wieder versuchte er mich in das Wäschelager zu ziehen, jedoch leistete ich jedes Mal Widerstand. Ich hatte das Gefühl, dass es dabei um Annäherungsversuche handelte!

Die Zeugin K5 erklärt in ihrem Schreiben ebenfalls vom 19.06.2006:

Als ich ins Dienstzimmer ging, um Herrn B3 zu sagen, dass wir einen Patienten aus dem Aufwachraum abholen sollten, nahm er mich ohne Kommentar und gegen meinen Willen fest in den Arm und ließ mich zunächst nicht los. Diese Handlung war mir äußerst unangenehm und nicht nachvollziehbar.

Die Zeugin S4 gibt in ihrem Schreiben vom 20.06.2006 unter anderem folgende zwei Vorfälle wieder:

Während ich im Dienstzimmer saß, außerhalb meiner Dienstzeit und meinen Stundenzettel vervollständigte, kam Herr B3 rein, zieht mein T-Shirt hoch und schaut sich mein Tattoo an, ohne mich zu fragen. Ich erwiderte daraufhin, dass er das sofort unterlassen soll und das nicht noch mal versuchen solle.

An einem Dienstwochenende hatte ich Sonntags mit dem Herrn B3 zusammen Dienst und mir fiel erst nach längerer Zeit auf, dass ich ein Loch in meiner Diensthose hatte und ging dann sofort zu Herrn B3 um ihn zu informieren, dass ich mich mal eben umziehe. Er fragte mich warum, daraufhin erzählte ich ihm, dass mir das erst jetzt aufgefallen ist. Mir war das sehr peinlich. Doch Herr B3 lachte nur, und meinte dass ich eh schon die ganze Zeit damit rumlaufen würde. Es würde ihn nicht stören, ganz im Gegenteil, das waren seine Worte. Doch ich erwiderte nur, dass er mir ja mal bitte hätte bescheid sagen können. Daraufhin meinte Herr B3 "Wieso, ein Loch ist doch schon drin, da geht`s doch viel schneller und einfacher" Herr B3 fand das lustig, doch ich errötete und sagte nur zu ihm das ich mich umziehe und sofort wieder da bin. Als ich wieder zurückkam, meinte er nur "Schade, dass du dich schon umgezogen hast.

Hinsichtlich des weiteren Inhalts dieser Schreiben sowie des Inhalts des Schreibens der Zeugin S5 wird verwiesen auf die mit Antragsschriftsatz vom 18.07.2006 eingereichten Kopien (Bl. 39, 44, 47 - 49 u. 52 d.A.).

Am 10.07.2006 wurden dann alle vier genannten Zeuginnen durch die Arbeitgeberin nochmals schriftlich angehört. Insoweit wird Bezug genommen auf die ebenfalls mit Antragsschriftsatz vom 18.07.2006 eingereichten Aufzeichnungen (Bl. 40 - 42, 45 - 46, 50 - 51, 53 - 54 d.A.).

Zwischenzeitlich hatte die Zeugin T1 anlässlich einer Befragung durch den Pflegedienstleiter H4 am 21.06.2006 erklärt, dass es einmal vorgekommen sei, "dass er (= Beteiligter zu 3) sie unvermittelt auf den Arm genommen habe, was sie sich verbeten habe und ihn sofort aufgefordert habe, sie wieder abzusetzen". Hinsichtlich des weiteren Inhalts des gefertigten Aktenvermerks wird verwiesen auf die mit Antragsschriftsatz vom 18.07.2006 eingereichte Kopie (Bl. 56 d. A).

Der Verwaltungsdirektor der Arbeitgeberin, R1, erfuhr erstmals am 26.06.2006 von den genannten Einlassungen der Schwesternschülerinnen. Am Folgetag fand eine Besprechung zwischen R1, H4 und dem Beteiligten zu 3) statt. Daraufhin nahm dieser mit Schreiben vom 30.06.2006 zunächst wie folgt Stellung:

...die mir in der gemeinsamen Besprechung vorgeworfenen Beschuldigungen - Ihrer Meinung nach - sexuellen Belästigung gegenüber den Schülerinnen A4 M2, N2 K5 und M3 S4 weise ich zurück. Es hat keine sexuelle Belästigung stattgefunden.

Was ist überhaupt eine sexuelle Belästigung??

Flachsen ist keine sexuelle Belästigung!

Nach einem weiteren Gespräch am 07.07.2006 nahm der Beteiligte zu 3) mit einem dreiseitigen Schreiben vom 09.07.2006, bei der Arbeitgeberin am Folgetag eingegangen, zu den erhobenen Vorwürfen abschließend Stellung. Darin räumte er ein, aus "humoristischen Gründen" einmal eine Peitsche mitgebracht zu haben, um damit zu demonstrieren, dass die Schwesternschülerinnen "auf Trab gebracht" werden sollten. Es könne auch sein, dass er einmal eine Mitarbeiterin an der Hüfte umfasst habe; dies habe jedoch keinen sexuellen Hintergrund gehabt, und er habe nicht beabsichtigt, damit jemanden zu belästigen.

Wegen des weiteren Inhalts wird verwiesen auf die mit Antragsschriftsatz vom 18.07.2006 eingereichte Kopie (Bl. 60 - 62 d. A.).

Am 12.07.2006 beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Bet. zu 3). Insoweit wird verwiesen auf das mit Antragsschriftsatz vom 18.07.2006 eingereichte Anhörungsschreiben (Bl. 23 ff. d. A.).

In der Folgezeit stimmte der Betriebsrat der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung nicht zu.

Daraufhin leitete die Arbeitgeberin am 18.07.2006 das vorliegende Verfahren zur Ersetzung der Zustimmung ein.

Die Arbeitgeberin hat behauptet, dass der Beteiligte zu 3) die von den Zeuginnen glaubhaft wiedergegebenen Verfehlungen begangen habe. So habe er sich in vielfacher und erheblicher Weise der sexuellen Belästigung von Mitarbeiterinnen schuldig gemacht, die aufgrund der Ausbildungssituation von ihm abhängig gewesen seien. Dies zeige sich auch darin, dass sie sich erst nach Abschluss des praktischen Examens offenbart hätten, weil sie zuvor eine Verschlechterung des Betriebsklimas und negative Auswirkungen auf die Benotung befürchtet hätten. Die Vertrauensgrundlage zum Beteiligten zu 3) sei damit gerade auch angesichts der Häufigkeit der Vorfälle zerstört. Deshalb habe man ihn auch - unstreitig - seit dem 07.07.2006 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die vom Betriebsrat nicht erteilte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) zu ersetzen.

Der Betriebsrat und der Beteiligte zu 3) haben beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie haben vorgetragen, dass der Beteiligte zu 3) zwar mal eine Peitsche, hingegen keinen Erotikkatalog mit zum Dienst gebracht habe. Dies sei ein Spaß gewesen, um zu demonstrieren, dass er die Auszubildenden zu mehr Arbeit anstacheln müsste.

Eine Bemerkung des Inhalts gegenüber der Zeugin M2, es fehle nur noch die Vaseline, sei nicht gefallen. - Vielleicht habe er sie auch einmal am Arm berührt, es aber nie versucht, sie in das Wäschelager zu ziehen.

Der Zeugin K5 habe er einmal den Arm um die Schulter gelegt, um ihr Glück für die Prüfung zu wünschen.

Das T-Shirt der Zeugin S4 habe er zu keinem Zeitpunkt hochgezogen; wegen der knappen Kleidung sei dies auch überhaupt nicht nötig gewesen, um ihr Tattoo zu sehen. Auch habe er anlässlich der Entdeckung des Lochs in ihrer Hose die behauptete Bemerkung, so ginge es schneller, nicht gemacht.

Selbst wenn alle Vorwürfe zutreffen würden, hätte es einer vorherigen Abmahnung bedurft.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 05.12.2006 den Antrag abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Vorfälle eindeutig sexuellen Inhalts gegenüber den Zeuginnen M2 und S4, sollten sie tatsächlich stattgefunden haben, rechtfertigten den Ausspruch von Abmahnungen, aber keine außerordentliche Kündigung. Was den Komplex "Wäschekammer" bei der Zeugin M2 und die Geschehnisse gegenüber den Zeuginnen K5 und T1 angehe, seien die Sachverhalte in zeitlicher und tatsächlicher Hinsicht arbeitgeberseits zu wenig aufgearbeitet worden.

Gegen diesen der Arbeitgeberin am 15.12.2006 zugestellten Beschluss hat sie am 27.12.2006 Beschwerde eingelegt und diese am 13.02.2007 begründet.

Die Arbeitgeberin ist der Ansicht, es sei vom Arbeitsgericht völlig übersehen worden, dass dem Beteiligten zu 3) ein wiederholtes und erhebliches Fehlverhalten von beträchtlichem Gewicht zur Last gelegt werde; es fehle eine Gesamtbetrachtung der begangenen sexuellen Verfehlungen. Unberücksichtigt geblieben sei auch die besondere Verantwortung für die Krankenpflegeschülerinnen. Im Übrigen sei es nicht erforderlich, dass die Vorfälle nach Zeit und Ort noch näher präzisiert werden müssten; der Beteiligte zu 3) wisse genau, um welche Geschehnisse es gehe, die er nur zum Teil anders darstelle.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 05.12.2006 - 5 BV 41/06 - abzuändern und die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers F1 B3 zu ersetzen.

Der Betriebsrat und der Beteiligte zu 3) beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie bekräftigen ihre Ausführungen aus der I. Instanz und weisen darauf hin, dass nicht durchgehend genau genug vorgetragen worden sei, wann die Vorfälle gewesen seien und was man an Vorwürfen erhebe.

Die erkennende Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen M2, K5, S4, S5 und T1. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 25.05.2007 (Bl. 275 ff. d. A.).

B.

Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist begründet.

Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsmitgliedes F1 B3 war entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts zu ersetzen.

Nach § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG i. V. m. § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG besteht ein Anspruch der Arbeitgeberin auf Ersetzung der erforderlichen Zustimmung des Betriebsrates, wenn die beabsichtigte außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. Dies setzt einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB voraus, der im konkreten Fall vorliegt.

Nach zutreffender allgemeiner Meinung (z. B. BAG AP BGB § 626 Nr. 198; BAG AP BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 20; Sächsiches LAG LAGE BGB § 626 Nr. 130; LAG Hamburg LAGE BSchG § 4 Nr. 3; LAG Hamm LAGE BGB § 626 Nr. 110; LAG Hamm LAGE BSchG § 4 Nr. 1; ErfK/Müller-Glöge, 7. Aufl., § 626 BGB Rdnr. 94; KR/Fischermeier, 8. Aufl., § 626 BGB Rdnr. 443; Schaub/Linck, 11. Aufl., § 125 Rdnr. 113) können sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz je nach Umfang und Intensität einen wichtigen Grund für die sofortige Beendigung eines Arbeitsverhältnisses bilden. In dem Zusammenhang sind bestehende Altersunterschiede und die Dienststellung des beschuldigten Arbeitnehmers erschwerend zu berücksichtigen.

Nach diesen Maßstäben ist die beabsichtigte außerordentliche Kündigung des Beteiligten zu 3) gerechtfertigt, weil er über eine längere Zeit verschiedene Krankenpflegeschülerinnen durch körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts und in einem Fall durch Zeigen sexueller Darstellungen in gravierendem Umfang sexuell belästigt hat (s. § 2 Abs. 2 BSchG, der hier noch einschlägig ist, weil die Handlungen vor dem 18.08.2006 begangen wurden: § 33 Abs. 1 AGG).

So hat die Zeugin M2 bei ihrer zweitinstanzlichen Vernehmung glaubhaft bekundet, dass der Beteiligte zu 3) sie einmal in einem von außen einsehbaren Zimmer mit einer Peitsche und einem Sexkatalog aufgesucht und ihr dabei sinngemäß gesagt hat, dass gefalle ihr doch, darauf stehe sie. Der Vorfall hat sie, wie sie überzeugend zum Ausdruck gebracht hat, gerade angesichts der Tatsache, dass es in einem für Patienten einsehbaren Dienstzimmer geschah, geschockt.

Eine entsprechende Reaktion hat bei der Zeugin der Ausspruch des Beteiligten zu 3) "Oh, du bist schon fertig, na ja, die Handschuhe habe ich schon an, dann fehlt nur noch die Vaseline, und du musst dich bücken" ausgelöst. Auch wenn sie sich selbst dadurch nicht sexuell belästigt fühlte, hat sie dem im geschockten Zustand sinngemäß ein "Bestimmt nicht" entgegengehalten und das Zimmer verlassen. Bemerkenswerterweise sah die Zeugin dann später noch die Notwendigkeit, darüber mit ihrer Praxisanleiterin G1 zu sprechen.

Die Zeugin hat auch überzeugend zum Ausdruck gebracht, dass der Beteiligte zu 3) in zwei oder drei Fällen durch Griffe an den Arm versucht hat, sie in ein Wäschelager zu schieben.

Sie hat alle geschilderten Handlungen gut nachvollziehbar als Annäherungsversuche eingestuft.

Die Zeugin K5 hat anschaulich geschildert, dass der Beteiligte zu 3) einmal vor der am 19.05.2006 erfolgten Ablegung ihres praktischen Examens mit dem Stuhl auf sie zugerollt ist und sie unvermittelt fest umfasst hat. Diese Verhaltensweise hat sie als dreist empfunden und auch daran gedacht, ihm dafür eine Ohrfeige zu geben.

Nach der überzeugenden Aussage der Zeugin S4 muss weiter davon ausgegangen werden, dass der Beteiligte zu 3) einmal unvermittelt im von außen einsehbaren Dienstzimmer von hinten auf sie zugegangen ist und ihr T-Shirt angehoben hat, um das Tattoo auf dem Rücken zu sehen. Das hat aus Sicht der Zeugin die Grenzen dessen, was sie bereit gewesen ist zu akzeptieren, überschritten.

Des Weiteren hat der Beteiligte zu 3), als er ein Loch vorn in der Hose der Zeugin entdeckt hatte, sie darauf hingewiesen und dabei den aus ihrer Sicht dummen Spruch folgen lassen "So geht es auch schneller", was sie ein bisschen lustig, aber zugleich auch unangenehm fand.

Auch die Zeugin T1 hat sehr anschaulich beschrieben, wie sie der Beteiligte zu 3) einmal unvermittelt auf den Arm genommen hat, und zwar in der Art, wie man eine Frau über die Schwelle trägt. Dieser vom Beteiligten zu 3) im Kern zugestandene Vorfall einer gravierenden körperlichen Belästigung hat sich auf dem Krankenhausflur ereignet und hätte deshalb leicht von Dritten beobachtet werden können, die daraus für die Zeugin T1 unerwünschte Schlussfolgerungen hätten ziehen können.

Die Tatsache, dass die Zeuginnen nach so langer Zeit nicht alle Modalitäten der Geschehnisse exakt wiedergeben konnten, steht der Überzeugungskraft ihrer Angaben nicht entgegen. Denn der Beteiligte zu 3) hat zugestanden, dass es fasst alle von den Zeuginnen wiedergegebenen Situationen tatsächlich gegeben hat; er hat nur ihren konkreten Ablauf (teilweise) anders wiedergegeben bzw. bewertet. Vor diesem Hintergrund kam es auf unbedeutende Nebendetails, wie z. B. den genauen Zeitpunkt der Geschehnisse, nicht an (vgl. LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.09.2006 - 3 Sa 163/06; siehe auch BAG NZA 2006,175; BGH NJW 1984, 2888).

Für alle geschilderten Verhaltensweisen, für die die Zeuginnen nicht den geringsten Anlass geliefert haben, gibt es keinerlei nachvollziehbare Erklärungen. Besonders gravierend fallen dabei die mit körperlichen Einwirkungen verbundenen Vorfälle gegenüber den Zeuginnen M2 ("Wäschelager"), K5 und T1 ins Gewicht - ebenso wie das unvermittelte Anheben des T-Shirts der Zeugin S4. Aber auch die alles andere als harmlosen Bemerkungen eindeutig sexuellen Inhalts gegenüber den Zeuginnen M2 und S4 gehen über den Rahmen dessen hinaus, was in einem Arbeitsverhältnis noch hingenommen werden kann.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich die Betroffenen noch in der Ausbildung befanden und sich deshalb in den geschilderten Situationen verständlicherweise zurückhielten, um die Erreichung ihres Ausbildungszieles nicht zu gefährden. Gerade im Verhältnis zum Beteiligten zu 3) galt dies um so mehr, als ihm die Aufgaben zukamen, die Schülerinnen anzulernen und - wenn auch nur als Vertreter - ihre Praxisarbeiten zu benoten (vgl. Sächsisches LAG, a.a.O.).

Wenn sich der zum damaligen Zeitpunkt 33 Jahre alte, ledige Beteiligte zu 3) trotzdem, obwohl er wiederholt zurückgewiesen worden war, nicht davon abhalten ließ, ihm in gewisser Weise anvertraute und von ihm abhängige Krankenpflegeschülerinnen im Alter zwischen 20 und 22 Jahren jeweils unter vier Augen nicht nur verbal, sondern auch körperlich sexuell zu belästigen und sie damit in ihrer Würde zu verletzen, kann das nur die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge haben, auch wenn es bis heute mehr als 12 Jahre bestanden hat. Dies gilt um so mehr, als die sexuellen Belästigungen zum Teil in Bereichen geschahen, die von außen und damit unter anderem von Patienten des Krankenhauses einsehbar waren und deshalb hätten beobachtet werden können; auch die damit verbundenen Gefahren namentlich auch für den Ruf des Krankenhauses hat den Beteiligten zu 3) nicht dazu veranlasst, sein rechtswidriges Verhalten umgehend einzustellen.

Es ist auch zu beachten, dass es für die Arbeitgeberin, in deren Krankenhaus auch Auszubildende anderer Einrichtungen im Rahmen der praktischen Ausbildung zum Einsatz kommen (so auch die vier Zeuginnen M2, K5, S4 und T1), zur Wahrung ihres Rufs als verlässliche Ausbildungsstätte (vgl. Sächsisches LAG, a.a.O.) unverzichtbar ist, alle Krankenpflegeschülerinnen vor weiteren ungerechtfertigten sexuellen Belästigungen ihres Arbeitnehmers F1 B3 zu schützen. Dies kann effektiv nur dadurch geschehen, dass das Arbeitverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet wird, auch wenn damit gerechnet werden muss, dass der Beteiligte zu 3) nicht (umgehend) wieder eine adäquate Anschlussbeschäftigung finden wird.

Eine vorherige Abmahnung war entbehrlich, weil der Beteiligte zu 3) nicht mit vertretbaren Gründen davon ausgehen konnte, sein Verhalten sei vertragsgemäß oder werde zumindest als kein gravierendes Fehlverhalten eingestuft (vgl. BAG AP BGB § 626 Ausschlußfrist Nr 20; BAG AP BGB § 626 Nr. 189, Sächsisches LAG, a.a.O.).

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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