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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 17.02.2006
Aktenzeichen: 13 TaBV 130/05
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 99
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Minden vom 12.01.2005 - 2 BV 42/04 - abgeändert.

Der Antrag wird abgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Beschlussverfahren darüber, ob eine Einstellung im Sinne des § 99 BetrVG vorliegt.

Antragsteller ist der im Betrieb der Beteiligten zu 2) bestehende Betriebsrat.

Die Beteiligte zu 2), die zur bundesweit tätigen Unternehmensgruppe P1xxx gehört, betreibt in P1xxx W1xxxxxxxx-B3xxxxxxxx mit 130 Beschäftigten, darunter 84 Verkaufsmitarbeitern, ein Verkaufshaus für Möbel. Im Erdgeschoss befindet sich eine Boutique-Abteilung, in der Haushaltswaren und sonstige Wohnaccessoires verkauft werden, unter anderem Besteck der Firma Württembergische Metallwarenfabrik AG (im folgenden kurz: Fa. WMF).

Die Beteiligte zu 2) ist mit der Firma WMF übereingekommen, dass diese Verkaufspersonal zur Verfügung stellt, um die rückläufigen Umsatzzahlen zu verbessern. Daraufhin hat die Firma WMF im Jahre 2004 Frau N1xxxx M5xxx, die daneben auch für andere Hersteller von Haushaltswaren tätig ist, in das Verkaufshaus entsandt. Laut Vertrag kommt sie dort freiberuflich als Propagandistin zum Einsatz, um den Verkauf der einschlägigen Artikel zu fördern. Die Beteiligte zu 2) zahlt dafür an die Firma WMF 12 Prozent vom erzielten Bruttoumsatz mit WMF-Produkten.

Im Einzelnen gestaltet sich der Einsatz von Frau M5xxx, die jederzeit ausgetauscht werden kann, wie folgt: Mit einem entsprechend ausgestatteten Namensschild wird sie während der üblichen Öffnungszeiten ausschließlich im Bereich der WMF-Waren tätig, um Kunden zu beraten und so den Umsatz dieser Produktgruppe zu fördern. Dabei kommt ihr unter anderem die Aufgabe zu, das Sortiment aufzufüllen. In diesem Rahmen verzeichnet sie fehlende Bestände auf einem Zettel und faxt diesen dem zentralen Einkauf der Beteiligten zu 2) in V3xxxxxxx zu, der die Bestellung veranlasst; angelieferte Ware holt sie sodann aus dem Lager ab, zeichnet sie aus und sortiert sie ein.

In den Wochenplänen für die Boutique (Bl. 7 f. der Akten) ist sie verzeichnet; bei ihr werden aber - im Gegensatz zu den Arbeitnehmern der Beteiligten zu 2) - keine konkreten Arbeitszeiten eingesetzt, sondern es wird nur ausgewiesen, an welchem Wochentag sie dienstfrei hat.

Der von Frau M5xxx erzielte Umsatz im Bereich WMF wird dem Gesamtumsatz des Bereichs Boutique zugerechnet und findet somit Eingang in die Berechnung der von der Beteiligten zu 2) an ihre Arbeitnehmer gezahlten Teamprämie.

Mit Schreiben vom 26.03.2004 nahm der Betriebsrat zu einem arbeitgeberseitigen Antrag "gemäß § 99 BetrVG" betreffend die "Mitarbeiterin ... M5xxx" auszugsweise wie folgt Stellung:

Eine interne Stellenausschreibung hat nicht stattgefunden (eine Begründung hierfür wurde nicht gegeben.

Es besteht der begründete Verdacht, dass durch die geplante Maßnahme andere in der Boutique beschäftigte Mitarbeiterinnen Nachteile erleiden könnten.

Es ist nicht erkennbar, ob es sich bei der beantragten Person um eine zukünftige Mitarbeiterin oder eine Leiharbeiterin handelt.

Wer ist gegenüber der beantragten Person weisungsbefugt?

Welche Arbeiten soll die Person verrichten?

Wessen bisheriger Arbeitsplatz ist in welcher Weise von der geplanten Maßnahme betroffen?

Eine umfassende Information, wie diese gemäß § 99 BetrVG vorgeschrieben ist, hat nicht stattgefunden.

Darauf antwortete die Beteiligte zu 2) mit Schreiben vom 29.03.2004 auszugsweise wie folgt:

Frau M5xxx wird den WMF Bereich selbstständig bearbeiten.

Ansprechpartner, und somit weisungsbefugt ist nur Herr H6xx.

Von dieser Maßnahme ist auch kein bisheriger Arbeitsplatz betroffen.

Frau M5xxx soll beratend für WMF interessierte Kunden Ansprechpartner sein.

Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, bei dem Einsatz von Frau M5xxx handele es sich in jedem Fall um eine mitbestimmungspflichtige Einstellung. Ihre Eingliederung in den Arbeitsbereich der Boutique ergebe sich bereits aus der Aufnahme in die Wochenpläne; so müsse zum Beispiel der Verkauf auch von WMF-Produkten an den dienstfreien Tagen der Frau M5xxx sichergestellt werden.

Vielfältige weitere Berührungspunkte ergäben sich unter anderem daraus, dass Frau M5xxx in der Vergangenheit Mitarbeiter der Beteiligten zu 2) aufgefordert habe, Produkte zu bestellen, bei angelieferten Waren den "P1xxx-Teil" zu übernehmen und bei der EDV-mäßigen Bestellung zu helfen. Die Gebundenheit an Weisungen des Geschäftsleiters H6xx habe die Beteiligte zu 2) selbst in ihrem Schreiben vom 29.03.2004 zum Ausdruck gebracht.

Der Betriebsrat hat beantragt,

der Antragsgegnerin aufzugeben, die Einstellung der Frau N1xxxx M5xxx aufzuheben.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, mangels Weisungsgebundenheit liege keine Einstellung vor. Soweit im Schreiben vom 29.03.2004 von einer Weisungsbefugnis des Geschäftsleiters H6xx die Rede sei, handele es sich dabei - als Ausfluss des Hausrechts - um keine weitergehende als zum Beispiel gegenüber im Betrieb tätigen Handwerkern.

Die Aufnahme in die Wochenpläne erfolge lediglich für die Abteilung. Frau M5xxx gestalte ihre Arbeitszeiten völlig frei. Soweit es zu Kontakten mit Mitarbeitern komme, handele es sich lediglich um eine lose Zusammenarbeit.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 12.01.2005 dem Antrag stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es liege eine Einstellung vor, weil Frau M5xxx in den Betrieb der Beteiligten zu 2) eingegliedert sei. Dafür spreche schon die Aufnahme in die Wochenpläne, um eine Betreuung der entsprechenden Produkte auch in Abwesenheitszeiten zu gewährleisten. Im Übrigen werde Frau M5xxx wie alle anderen fest angestellten Verkäuferinnen und Verkäufer tätig.

Gegen diesen ihr am 30.06.2005 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 2) am 13.07.2005 Beschwerde eingelegt und diese am 30.08.2005 begründet.

Sie streicht heraus, die Aufnahme in die Wochenpläne erfolge nur nachrichtlich, damit die Abwesenheitszeiten von Frau M5xxx bekannt seien. Davon getrennt erfolge die Koordination und Planung der angestellten Kräfte in der Abteilung.

Die Tätigkeit der Frau M5xxx beschränke sich - im Gegensatz zu den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern - ausschließlich auf WMF-Produkte, wobei sie notwendige Hilfstätigkeiten mangels Zugriffsmöglichkeit auf das EDV-System nicht erledigen könne; hierbei sei sie auf die Hilfe angestellter Kräfte angewiesen.

Die Beteiligte zu 2) beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Minden vom 12.01.2005 - 2 BV 42/04 - abzuändern und den Antrag abzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er weist darauf hin, für Zeiten der Abwesenheit von Frau M5xxx müsse ein Koordinierung der Arbeiten im Bereich der WMF-Produkte vorgenommen werden. Frau M5xxx selbst unterliege Vorgaben hinsichtlich der Art der Tätigkeit (Verkauf im Bereich Boutique) sowie des Ortes und der Zeit (Möbelhaus zu den üblichen Öffnungszeiten); deshalb unterscheide sie sich nicht von den übrigen Mitarbeitern. Zwischenzeitlich habe sie auch Zugang zur EDV. Sie werde auch in anderen Bereichen tätig.

II.

Die zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 2) ist begründet.

Denn entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ist der Einsatz von Frau M5xxx im Möbelverkaufshaus der Beteiligten zu 2) nicht als Einstellung im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG einzustufen.

Nach der zutreffenden ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt z. B. BAG AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 43, 35, 34; zustimmend z.B. Fitting, § 99 Rdnr. 33 ff.; GK-Kraft/Raab, § 99 Rdnr. 31 f., jeweils m. w. N.) liegt betriebsverfassungsrechtlich eine Einstellung vor, wenn Personen in den Betrieb eingegliedert werden, um zusammen mit den dort beschäftigten Mitarbeitern den arbeitstechnischen Zweck durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen. Dabei müssen die Personen so in die Arbeitsorganisation eingebunden sein, dass der Betriebsinhaber die für eine weisungsabhängige Tätigkeit typischen Entscheidungen über Art, Zeit und Ort der Tätigkeit zu treffen hat und in diesem Sinne die Personalhoheit besitzt. Auf das Rechtsverhältnis, in dem diese Personen zum Betriebsinhaber stehen, kommt es nicht entscheidend an. Maßgeblich ist, ob die zu erledigenden Aufgaben ihrer Art nach weisungsgebunden und dazu bestimmt sind, der Verwirklichung des Betriebszwecks zu dienen und deshalb vom Betriebsinhaber organisiert werden müssen.

Von diesen Grundsätzen ausgehend, liegt hier im Falle der Frau M5xxx keine Einstellung vor. Sie unterfällt nämlich nicht der Weisungsgebundenheit der Beteiligten zu 2). Vielmehr wird sie im Bereich der im Verkaufshaus angesiedelten Boutique als freiberufliche Propagandistin ausschließlich im Auftrag der Firma WMF tätig, von der sie insoweit auch ihr Entgelt erhält.

Anders als bei den angestellten Verkäuferinnen und Verkäufern trifft die Beteiligte zu 2) im Falle der Propagandistin M5xxx keine für eine weisungsabhängige Arbeit typischen Entscheidungen über Art, Zeit und Ort ihrer Tätigkeit. Vielmehr sind die Vorgaben, den Verkauf von WMF-Produkten in der Boutique des Verkaufshauses in B3xxxxxxxx zu den üblichen Öffnungszeiten zu fördern, Ausfluss der vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Firma WMF auf der einen Seite und der Beteiligten zu 2) sowie der Propagandistin M5xxx auf der anderen Seite, ohne dass die Beteiligte zu 2) darauf personalhoheitlich Einfluss nehmen kann oder tatsächlich auch nimmt. So bestimmt zum Beispiel Frau M5xxx selbst, wann sie ihren freien Wochentag nimmt. Wenn dies zur Information der Beteiligten zu 2) in die Wochenpläne aufgenommen wird, dient dies sinnvollerweise dazu, den Einsatz des vorhandenen angestellten Verkaufspersonals während der Abwesenheitszeiten besser steuern zu können, führt aber nicht zu einer Eingliederung der Frau M5xxx in den betrieblichen Geschehensablauf. Bezeichnenderweise ist sie nämlich auch nicht in das gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitbestimmungspflichtige rollierende System wechselnder freier Tage aufgenommen worden.

Auch was die Art und Weise der Ausführung ihrer Tätigkeit angeht, trifft insoweit die Beteiligte zu 2) keine arbeitgebertypischen Entscheidungen. So tritt Frau M5xxx, äußerlich durch ein entsprechendes Namensschild ausgewiesen, im Bereich der Boutique ausschließlich als Propagandistin der Firma WMF auf und gestaltet ihrer Arbeitszeit einschließlich der Pausen ohne Einflussnahme der Beteiligten zu 2). Wenn sie in dem Zusammenhang angestellte Kräfte einschaltet, um zum Beispiel Bestellungen per EDV zu veranlassen, ändert dies nichts an ihrem freiberuflichen Status als Propagandistin; es kann allenfalls Einfluss haben auf den entgeltlichen Inhalt des Marketingvertrages zwischen der Beteiligten zu 2) und der Firma WMF.

Entsprechende Erwägungen gelten für die Tatsache, dass der von der Propagandistin M5xxx erzielte Umsatz auch in die Bemessung der Teamprämie für die Angestellten einfließt. Hierbei handelt es sich um eine von der Beteiligten zu 2) getroffene Entscheidung zugunsten der bei ihr angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die keinerlei Rückschlüsse auf die für eine Einstellung erforderliche Weisungslage gegenüber Frau M5xxx zulässt.

Selbst wenn diese in der Vergangenheit auch in anderen Produktbereichen tätig geworden sein sollte, ändert dieser - überobligationsmäßige - Einsatz ebenfalls nichts daran, dass die Beteiligte zu 2) ihr gegenüber zu keiner Zeit zumindest einen Teil der typischen Arbeitgeberstellung, wozu Entscheidungen über den konkreten Arbeitseinsatz gehören, für sich eingenommen hat.

Nach alledem bleibt es bei der für freie Mitarbeiter regelmäßig anzunehmenden Feststellung, dass ihre Beschäftigung, von atypischen Sachverhalten abgesehen, keine nach § 99 BetrVG beteiligungspflichtige Einstellung darstellt (vgl. BAG AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 6). Damit im Einklang steht auch der Gesichtspunkt, dass es nicht Sinn und Zweck des § 99 BetrVG ist, der vom Betriebsrat im Schreiben vom 26.03.2004 beschriebenen Gefahr zu begegnen, dass ein Arbeitgeber Arbeitsplätze abbaut und stattdessen freiberuflich tätige Personen zum Einsatz kommen lässt (vgl. BAG BetrVG 1972 § 99 Nr. 90, 94).

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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