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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 17.04.2008
Aktenzeichen: 13 TaBV 130/07
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 99
BetrVG § 100
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bocholt vom 19.10.2007 - 1 BV 12/07 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt lautet:

Die Anträge werden abgewiesen.

Es wird festgestellt, dass die vorläufige Versetzung der Arbeitnehmerin S5 A3 mit Wirkung ab 11.06.2007 als B-Kundenberaterin in die Filiale B5 offensichtlich nicht dringend erforderlich war.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die Beteiligten streiten um die Wahrung der Beteiligungsrechte des Betriebsrates im Zusammenhang mit einer Versetzung.

Die Arbeitgeberin, bei der ca. 440 Arbeitnehmer beschäftigt sind, veröffentlichte am 01.12.2006 eine "Interne Stellenausschreibung", mit der sie "Kundenberater/innen" suchte - unter anderem für das Kompetenzzentrum B5, weil der dort tätige Arbeitnehmer R1 in den Bereich Baufinanzierung wechselte. Es bewarb sich auf die Stelle - neben sieben anderen Personen - die bis dahin als Gruppenleiterin in S6 tätige Mitarbeiterin A3.

Mit Schreiben vom 03.05.2007 beantragte die Arbeitgeberin bei dem ihn ihrem Betrieb bestehenden Betriebsrat die Zustimmung zur Versetzung der genannten Arbeitnehmerin zum 11.06.2007 auf die Stelle einer "Beraterin B5".

Mit Schreiben vom 09.05.2007 bat der Betriebsrat um Beantwortung verschiedener Fragen, auf die die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 18.05.2007 auszugsweise wie folgt antwortete:

...

auf unsere Stellenausschreibung zum Kundenberater liegen weitere externe Bewerbungen vor, die zur Zeit noch nicht berücksichtigt wurden. Die bisherigen Aufgaben von Frau A3 werden zum Großteil vom Verkaufsleiter Herr K3 übernommen; Frau A3 hatte keine Kundenverantwortung.

Frau A3 ist zukünftig im Kompetenzzentrum in B5 tätig. Die Ertragsverantwortung sowie das entsprechende Personalcoaching am Standort S6 wird durch den entsprechenden Verkaufsleiter übernommen.

Eventuelle negative Auswirkungen auf andere Beschäftigte ergeben sich aus dieser Versetzung nicht, auch von einem Personalabbau kann hier nicht die Rede sein.

...

Darauf reagierte der Betriebsrat mit Schreiben vom 23.05.2007, in dem er unter anderem um die Überlassung der vollständigen Bewerbungsunterlagen bat.

Unter dem 31.05.2007 antwortete die Arbeitgeberin namentlich mit Ausführungen dazu, wie der Weggang in S6 kompensiert werden und dass die betroffene Arbeitnehmerin in B5 den Kundenbereich des Mitarbeiters R1 übernehmen sollte.

Mit Schreiben vom 06.06.2007 rügte der Betriebsrat, er habe bislang Informationen nicht oder nur unvollständig erhalten; beispielsweise seien nicht die Unterlagen sämtlicher Bewerber vorgelegt worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des geschilderten Schriftverkehrs wird auf die mit Arbeitgeberschriftsatz vom 25.06.2007 eingereichten sechs Schreiben verwiesen (Bl. 28 - 35 d. A.).

Mit Schreiben vom 15.06.2007 (Bl. 36 f. d. A.) setzte die Arbeitgeberin den Betriebsrat davon in Kenntnis, dass man zum 11.06.2007 die Versetzung der Arbeitnehmerin A3 vorläufig durchgeführt habe. Der Betriebsrat wiedersprach der Dringlichkeit der Maßnahme mit Schreiben vom 20.06.2007 (Bl. 38 d. A.).

Nach einem Gespräch zwischen dem Vertreter der Arbeitgeberin, dem Zeugen W4, und dem Betriebsratsvorsitzenden am 02./03.07.2007, dessen Einzelheiten zwischen den Beteiligten streitig ist, sandte der Zeuge dem Betriebsratsvorsitzenden am 03.07.2007 eine E-Mail mit den Namen aller insgesamt acht internen und externen Bewerber sowie weitere Informationen.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird verwiesen auf die mit Arbeitgeberschriftsatz vom 16.07.2007 eingereichte Kopie der E-Mail (Bl. 57 d. A.).

Die Arbeitgeberin hat die Ansicht vertreten, dass sie ihre Informationspflichten ausreichend erfüllt habe und damit das Verfahren ordnungsgemäß eingeleitet worden sei. Spätestens mit dem Antwortschreiben vom 31.05.2007 sei die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 S. 1 BetrVG in Gang gesetzt worden. Damit gelte die Zustimmung als erteilt. Anderenfalls sei sie zu ersetzen, da keine Verweigerungsgründe geltend gemacht worden seien.

Die Arbeitgeberin hat behauptet, der Betriebsratsvorsitzende habe in einem Telefonat Anfang Juli 2007 gegenüber dem Zeugen W4 zum Ausdruck gebracht, dass eine Liste der übrigen Bewerber reiche. Daher könne sich jetzt der Betriebsrat nicht mehr darauf berufen, dass Bewerbungsunterlagen fehlten.

Aufgrund des Weggangs des Arbeitnehmers R1 seien in der Filiale B5 erhebliche Probleme bei der Sicherstellung der Kundenberatung zu befürchten gewesen; deshalb habe man die Maßnahme vorläufig durchführen müssen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Zustimmung des Antragsgegners zur Versetzung von Frau S5 A3 als Kundenberaterin in die Filiale B5 gem. § 99 Abs. 3 BetrVG als erteilt gilt,

2. hilfsweise die Zustimmung des Antragsgegners zur Versetzung von Frau S5 A3 als Beraterin in die Filiale B5 zu ersetzen,

3. festzustellen, dass die die vorläufige Versetzung von Frau S5 A3 zum 11.06.2006 aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat die Meinung vertreten, dass schon die Frist für eine Zustimmungsverweigerung nicht zu laufen begonnen habe, da es von Seiten der Arbeitgeberin keine ausreichenden Informationen auf die gestellten Fragen gegeben habe. Namentlich sei nicht auf die übrigen Bewerbungsunterlagen verzichtet worden; vielmehr habe man in dem Telefonat wenigstens einmal die Liste der Bewerber angefordert.

Was die Dringlichkeit der Maßnahme angehe, liege insoweit schon keine unverzügliche Unterrichtung vor.

Das Arbeitsgericht habe Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen W4. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird verwiesen auf die Sitzungsniederschrift vom 19.10.2007 (Bl. 72 f. d. A.).

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 19.10.2007 dem Begehren der Arbeitgeberin nicht stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, diese sei ihrer Unterrichtungspflicht insoweit nicht nachgekommen, als sie dem Betriebsrat nicht alle Bewerbungsunterlagen zur Verfügung gestellt habe. Der Betriebsrat habe darauf auch nicht verzichtet. Der Antrag auf Feststellung der Dringlichkeit der vorläufigen Versetzung sei unbegründet, weil der Betriebsrat nicht unverzüglich unterrichtet worden sei.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Arbeitgeberin mit ihrer Beschwerde.

Sie ist der Ansicht, dass der Betriebsrat nach dem Gespräch seines Vorsitzenden mit dem Zeugen W4 Anfang Juli 2007 eine listenmäßige Erfassung aller Bewerber für ausreichend erachtet habe. Anderenfalls hätte er auf entsprechende Mängel bei der Unterrichtung hinweisen müssen.

Dem Antrag nach § 100 BetrVG hätte wegen der gegebenen Dringlichkeit stattgegeben werden müssen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Bocholt vom 19.10.2007 - 1 BV 12/07 - abzuändern und

1. festzustellen, dass die Zustimmung des Betriebsrates zur Versetzung der Arbeitnehmerin S5 A3 als B-Kundenberaterin in die Filiale B5 als erteilt gilt,

2. hilfsweise

a. die Zustimmung des Betriebsrates zur Versetzung der Arbeitnehmerin S5 A3 als B-Kundenberaterin in die Filiale B5 zu ersetzen und

b. festzustellen, dass die vorläufige Versetzung der Arbeitnehmerin S5 A3 als B-Kundenberaterin in die Filiale B5 aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens beantragt der Betriebsrat,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens beider Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.

B.

Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist in vollem Umfang unbegründet.

I. Die Zustimmung des Betriebsrates zur Versetzung der Arbeitnehmerin A3 gilt weder als erteilt noch ist sie nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu ersetzen, weil die Arbeitgeberin den Betriebsrat über die personelle Einzelmaßnahme nicht ordnungsgemäß unterrichtet hat und deshalb die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 S. 1 BetrVG nicht in Lauf gesetzt wurde.

1. Nach zutreffender Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z. B. Beschl. v. 19.05.1981 - 1 ABR 109/78 - AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 18; Beschl. v. 14.03.1989 - 1 ABR 80/87 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 64; Beschl. v. 28.06.2005 - 1 ABR 26/04 - AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 49; zustimmend DKK/Kittner/Bachner, 11. Aufl., § 99 Rdnr. 129; Fitting, 24. Aufl., § 99 Rdnr. 167; Richardi/Thüsing, 11. Aufl., § 99 Rdnr. 143 - vgl. auch BT-Drucksachen 715/70 und IV/1786, jew. S. 51, und BVerwG, Beschl. v. 11.02.1981 - 6 P 44/79 - BVerwGE 61, 325) sind dem Betriebsrat im Falle mehrerer Interessenten für eine Stelle im Rahmen des § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG die Unterlagen aller Bewerber zur Verfügung zu stellen. Nur dann ist er nämlich in der Lage, im Rahmen des § 99 Abs. 2 BetrVG seiner Prüfungspflicht ordnungsgemäß nachzukommen, z. B. ob bei der getroffenen Auswahlentscheidung gesetzliche Vorgaben beachtet worden sind, wie z.B. die Förderung der Eingliederung schwerbehinderter und älterer Arbeitnehmer (§ 80 Abs. 1 Nr. 4 u. 6; BAG, Beschl. v. 06.04.1973 - 1 ABR 13/72 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 1; Beschl. v. 28.06.2005 - 1 ABR 26/04 - AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 49). Zudem muss dem Betriebsrat die Möglichkeit eröffnet werden, Anregungen für die Auswahl zu geben und Gesichtspunkte vorzubringen, die aus seiner Sicht für einen anderen Bewerber sprechen - auch wenn darauf nicht die Verweigerung der Zustimmung nach § 99 Abs. 2 BetrVG gestützt werden kann (BAG, Beschl. v. 28.06.2005 - 1 ABR 26/04 - AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 49 m. w. N.).

Der genannten Unterrichtungspflicht ist die Arbeitgeberin hier trotz wiederholter Aufforderungen des Betriebsrates in den Schreiben vom 23.05. und 06.06.2007 bis zum Schluss der letzten mündlichen Anhörung nicht nachgekommen. Statt diesem unberechtigterweise ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorzuwerfen, wäre es Aufgabe der Arbeitgeberin gewesen, schon bei Einleitung des Beteiligungsverfahrens unaufgefordert die vollständigen Unterlagen aller insgesamt acht internen und externen Bewerber vorzulegen und sich nicht in einer E-Mail, die erst vom 03.07.2007 datiert, auf wenige, unzureichende Angaben zu beschränken. So war es dem Betriebsrat nicht möglich, im gesetzlich vorgegebenen Rahmen die weiteren Bewerbungen von G3, T1, K4, C2, E2, H1 und L1 einer sachgerechten Überprüfung zu unterziehen.

2. Es sind auch keine hinreichenden Tatsachen dafür ersichtlich, dass der Betriebsrat in einem Gespräch am 02./03.07.2007 durch seinen Vorsitzenden gegenüber dem Zeugen W4 auf weitere Informationen verzichtet hat. So hat der Zeuge erstinstanzlich nur ausgesagt, er sei davon ausgegangen, dass die Aufstellung genüge. Er hat aber nicht ausgeführt, dass von Seiten des Betriebsratsvorsitzenden definitiv erklärt worden ist, eine Aufstellung sei ausreichend, zumal diese bis zum Ende des Gesprächs auch noch gar nicht vorlag. In dem Zusammenhang darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Betriebsrat in zwei vorangegangenen Schreiben vom 23.05. und 06.06.2007 ausdrücklich die Vorlage der vollständigen Unterlagen aller Bewerber gefordert hatte. Vor diesem Hintergrund ergaben sich für die Arbeitgeberin keine verlässlichen Anhaltspunkte dafür, dass nicht einmal einen Monat später der Betriebsrat aufgrund eines entsprechenden Beschlusses darauf ohne erkennbaren Anlass verzichten wollte; gegebenenfalls hätte die Arbeitgeberin nachfragen müssen, um zu ihren Gunsten zu klären, ob tatsächlich der Betriebsrat an seiner zuvor wiederholt eingenommenen Position, alle Bewerbungsunterlagen zu erhalten, wider Erwarten nicht mehr festhalten wollte.

Davon abgesehen bliebe der gute Glaube der Arbeitgeberin daran, dass der Betriebsratsvorsitzende im Rahmen eines vom Betriebsrat (tatsächlich nicht) gefassten Beschlusses gehandelt hat (vgl. § 26 Abs. 2 S. 1 BetrVG), ungeschützt (vgl. BAG, Urt. v. 24.02.2000 - 8 AZR 180/99 - AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 7).

So waren der Haupt- sowie der Hilfsantrag zu 2.a) abzuweisen, ohne dass es noch auf die weiteren Einwendungen des Betriebsrates zum Umfang der vorzunehmenden Unterrichtung, namentlich zu den Auswirkungen der personellen Maßnahme, ankam.

II. Auch dem hilfsweise zu 2.b) gestellten Feststellungsantrag der Arbeitgeberin, gestützt auf § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG, war der Erfolg zu versagen.

Aus Sicht der Kammer ist schon äußerst zweifelhaft, ob eine personelle Maßnahme vorläufig durchgeführt werden darf, wenn der Arbeitgeber - wie hier - seiner Unterrichtungspflicht gemäß § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG in der vorgegebenen Zeit nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist.

Selbst wenn man dies grundsätzlich für möglich halten sollte (vgl. GK-BetrVG/Kraft/Raab, 8. Aufl., § 100 Rdnr. 16 m. w. N.), sind die Voraussetzungen hier nicht erfüllt.

Nach § 100 Abs. 2 S. 1 BetrVG ist es die Pflicht des Arbeitgebers, im Falle einer beabsichtigten vorläufigen Durchführung der personellen Maßnahme den Betriebsrat davon unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB), zu unterrichten. Dabei hat er - für den Betriebsrat nachvollziehbar - die sachliche Dringlichkeit darzulegen (DKK/Kittner/Bachner, a.a.O., § 100 Rdnr. 6; Fitting, a.a.O., § 100 Rdnr. 8; GK-BetrVG/Kraft/Raab, a.a.O. § 100 Rdnr. 23; Richardi/Thüsing a.a.O., § 100 Rdnr. 15), um sicherzustellen, dass nur unaufschiebbare personelle Maßnahmen vor Abschluss des Regelverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG einstweilen durchgeführt werden (vgl. BT-Drucksache IV/1786, S. 52).

Diesen Anforderungen ist die Arbeitgeberin hier nicht gerecht geworden. Sie hat es namentlich unterlassen, den Betriebsrat im Sinne des § 100 Abs. 2 S. 1 BetrVG unverzüglich zu unterrichten. Im dem Zusammenhang folgt die Kammer den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter II. 2.b) der Gründe und nimmt auf sie zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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