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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 25.04.2008
Aktenzeichen: 13 TaBV 132/07
Rechtsgebiete: BetrVG, BGB


Vorschriften:

BetrVG § 99
BetrVG § 100
BGB § 339
Der Betriebsrat und der Arbeitgeber können wirksam vereinbaren, dass im Falle der Verletzung der Beteiligungsrechte des Betriebsrates nach den §§ 99, 100 BetrVG eine Vertragsstrafe an das Deutsche Rote Kreuz zu zahlen ist.
Tenor:

Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 19.09.2007 - 2 BV 37/07 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt lautet:

Der Arbeitgeber wird verpflichtet, an das Deutsche Rote Kreuz Kreisverband H4 e. V. 1.000,00 € zu zahlen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

A.

Nach einer teilweisen Antragsrücknahme streiten die Beteiligten (noch) darum, ob sie in einem gerichtlichen Vergleich für den Fall eines Verstoßes gegen die §§ 99 f. BetrVG wirksam die Zahlung eines "Ordnungsgeldes" vereinbart haben und gegebenenfalls ob in dem erfolgten anderweitigen Einsatz einer Fachärztin für Allgemeinmedizin betriebsverfassungs-rechtlich eine Versetzung lag.

Der Arbeitgeber ist Träger eines Gemeinschaftskrankenhauses, in dem mehr als 1000 Arbeitnehmer tätig sind.

Der in dem Unternehmen bestehende Betriebsrat hatte Mitte des Jahres 2005 vor dem Arbeitsgericht Hagen (Aktenzeichen 2 BV 22/05) ein auf § 23 Abs. 3 BetrVG gestütztes Beschlussverfahren eingeleitet, in dem er vom Arbeitgeber verlangte, es zu unterlassen, namentlich Einstellungen und Versetzungen ohne vorherige ordnungsgemäße Beteiligung nach den §§ 99, 100 BetrVG vorzunehmen. Am 16.02.2006 kam es zum Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs folgenden Inhalts:

1. Der Beteiligte zu 2. verpflichtet sich, es zu unterlassen, Einstellungen und Versetzungen im Sinne des § 99 BetrVG vorzunehmen, solange nicht der Beteiligte zu 1. die Zustimmung hierzu erteilt hat oder im Verweigerungsfall die fehlende Zustimmung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ersetzt worden ist, es sei denn, der Antragsgegner macht sachliche Gründe, die eine personelle Einzelmaßnahme im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG dringend erforderlich machen, geltend und leitet, falls der Beteiligte zu 1. diese bestreitet, hiernach innerhalb von 3 Tagen das arbeitsgerichtliche Verfahren nach § 100 BetrVG ein.

2. Der Antragsgegner verpflichtet sich, für den Fall der Zuwiderhandlung der Verpflichtung in Ziffer 1. dieses Vergleichs - bezogen auf jeden Verstoß im Rahmen einer Einstellung und Versetzung im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG - ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000,00 € an den DRK Kreisverband H4 zu zahlen, für Verstöße, die nach dem 01.04.2006 eintreten.

3. Damit ist das Verfahren 2 BV 22/05 erledigt.

Unter dem 22.01.2007 richtete der Arbeitgeber durch die "Bereichsleitung Operative Medizin" eine schriftliche "Mitteilung über eine kurzfristige Versetzung" an den Betriebsrat, in der dieser darüber informiert wurde, dass die als "Assistenzärztin Akutambulanz" tätige Fachärztin für Allgemeinmedizin K5 im Zeitraum vom 23.01.2007 bis zum 19.02.2007 im Bereich der Chirurgischen Stationen zum Einsatz kommen sollte. Zuvor war diese dort nur im Rahmen von Bereitschaftsdiensten tätig geworden.

Sodann arbeitete die genannte Arbeitnehmerin in der Zeit ab 23.01.2007 bis zum 06.03.2007 durchgehend wegen urlaubs- und krankheitsbedingter Unterbesetzung im Bereich der Chirurgie, wobei sie diesen Einsatz in den Dienstplänen der "Zentralambulanz/Notaufnahme" (im Folgenden kurz: Zentralambulanz) dokumentierte.

Nach dem Organigramm des Arbeitgebers (Bl. 69 d. A.) besteht innerhalb der sogenannten Medizinischen Bereiche unter anderem der Operative Bereich unter der ärztlichen Leitung des Privatdozenten Dr. G4. Dieser Bereich teilt sich wiederum auf in sieben gleichrangige Abteilungen, darunter die ebenfalls von Privatdozent Dr. G4 geleitete Zentralambulanz und die "Chirurgie". Beide Abteilungen haben Dienstpläne, wobei die Zentralambulanz, in der alle Notfälle mit Ausnahme des internistischen Bereichs behandelt werden, im Rotationsverfahren auch von Assistenzärzten der Chirurgie besetzt sind, die dienstplanmäßig aber durchgehend in der Chirurgie geführt werden.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, in dem für vier Wochen angekündigten und tatsächlich sechs Wochen angedauerten Einsatz der Arbeitnehmerin K5 im Bereich der Chirurgie liege eine beteiligungspflichtige Versetzung. So erfordere die Zentralambulanz mit den anfallenden Notfallbehandlungen eine interdisziplinäre Tätigkeit. Demgegenüber seien im Bereich der Chirurgie ausschließlich stationär aufgenommene Patienten auf Operationen und sonstige Eingriffe vorzubereiten und im Rahmen der Nachversorgung zu betreuen.

Weil der Arbeitgeber es versäumt habe, ihn, den Betriebsrat, im Vorfeld ordnungsgemäß zu beteiligen, sei er aufgrund des wirksam zustande gekommenen Vergleichs verpflichtet, das darin vereinbarte Ordnungsgeld in Höhe von 1.000,00 € zu zahlen.

Soweit hier noch von Interesse, hat der Betriebsrat beantragt,

den Antragsgegner zu verpflichten, wegen der vorgenommenen Versetzung der Arbeitnehmerin S4 K5 1.000,00 EURO an den DRK-Kreisverband H4 zu zahlen.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat gemeint, es liege keine beteiligungspflichtige Versetzung vor. Die Arbeitnehmerin K5 führe entsprechend ihrer Befähigung in der Zentralambulanz hauptsächlich notfall- und allgemeinchirurgische Behandlungen an elektiven und Unfallpatienten durch. Dem habe ihre vorübergehende Tätigkeit in der Chirurgie mit den dort stationär aufgenommenen Patienten entsprochen. Nur der Status der zu behandelnden Patienten habe sich geändert.

Im Übrigen sei die getroffene gerichtliche Vereinbarung über die Zahlung einer Vertragsstrafe unwirksam. Die Vereinbarung verstoße gegen allgemeine betriebsverfassungsrechtliche Grundsätze und sei im Übrigen auch zu unbestimmt.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 19.09.2007 dem Antrag stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Betriebsparteien hätten im Rahmen ihrer Regelungskompetenz im gerichtlichen Vergleich vom 16.02.2006 wirksam die Zahlung einer Vertragsstrafe bei der Verletzung des Beteiligungsverfahrens nach den §§ 99 f. BetrVG vereinbart.

Der sechswöchige Einsatz der Arbeitnehmerin K5 im Bereich der Chirurgie sei betriebsverfassungsrechtlich als Versetzung einzustufen. Da der Betriebsrat dazu im Vorfeld nicht ausreichend gehört worden sei, habe der Arbeitgeber die begehrte Vertragsstrafe zu zahlen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Arbeitgeber mit seiner Beschwerde.

Er ist unverändert der Ansicht, die Vertragsstrafenvereinbarung sei unwirksam, weil anderenfalls zwingende betriebsverfassungsrechtliche Grundsätze unterlaufen würden. So sei das Sanktionsverfahren bei einem mitbestimmungswidrigen Verhalten gesetzlich abschließend geregelt; es bedürfe daneben nicht auch noch des Instruments der Vertragsstrafe. Im Übrigen gebe es keine gesetzliche Grundlage für die Zuerkennung einer partiellen Vermögensfähigkeit des Betriebsrates, gerichtet darauf, die Zahlung von Vertragsstrafen an Dritte zu erwirken. Es bestehe die Gefahr des "Abkaufens" von Mitbestimmungsrechten. Abgesehen davon sei die vereinbarte Unterlassungsverpflichtung auch zu unbestimmt.

Letztlich habe im Falle der Arbeitnehmerin K5 auch gar keine beteiligungspflichtige Versetzung vorgelegen.

Der Arbeitgeber beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 19.09.2007 - 2 BV 37/07 - abzuändern und den Antrag abzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er meint, die vereinbarte Zahlung an den DRK-Kreisverband H4 e.V. wiederspreche weder seiner nur partiellen Vermögensfähigkeit noch seiner Unabhängigkeit und auch nicht den Grenzen des Ehrenamtes. Durch den geschlossenen Vergleich könne er seine Beteiligungsrechte effektiv durchsetzen, ohne auf ein Unterlassungsverfahren namentlich nach § 23 Abs. 3 BetrVG angewiesen zu sein.

In dem letztlich sechs Wochen angedauerten Einsatz der Arbeitnehmerin K5 im Bereich der Chirurgie sei betriebsverfassungsrechtlich eine Versetzung zu sehen.

B.

Die zulässige Beschwerde des Arbeitgebers ist unbegründet.

Zu Recht ist das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass der Arbeitgeber aufgrund der Ziffer 2. in Verbindung mit der Ziffer 1. des wirksam zustande gekommenen gerichtlichen Vergleichs vom 16.02.2006 (Arbeitsgericht Hagen, AZ.: 2 BV 22/05) verpflichtet ist, an den DRK-Kreisverband H4 e.V. eine Vertragsstrafe in Höhe von 1.000,00 € zu zahlen, weil er die betriebsverfassungsrechtlich als Versetzung einzustufende Maßnahme gegenüber der Arbeitnehmerin K5 ohne vorherige ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrates durchgeführt hat.

I. Wie bereits das Arbeitsgericht ausgeführt hat, beinhaltet der am 16.02.2006 zwischen den Beteiligten geschlossene Vergleich ein Vertragsstrafenversprechen im Sinne der §§ 339 ff. BGB, und zwar zugunsten eines Dritten, nämlich des DRK-Kreisverband H4 e.V. Dabei sprechen alle Umstände dafür, dass der Dritte selbst nicht forderungsberechtigt sein soll, der Arbeitgeber aber aufgrund eines entsprechenden Verlangens des Betriebsrates gehalten ist, die Leistung an den Dritten zu erbringen (sogenannter unechter Vertrag zugunsten Dritter; vgl. Palandt/Grüneberg, 67. Aufl., Einf v § 328 Rdnr. 1).

II. Eine solche Abrede mit der Maßgabe, dass die Vertragsstrafe ein außenstehender Dritter erhalten soll, wiederspricht nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschl. v. 29.09.2004 - 1 ABR 30/03 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 81) weder der nur partiellen Rechts- und Vermögensfähigkeit des Betriebsrates noch dessen Unabhängigkeit und auch nicht den Grundsätzen der Unentgeltlichkeit des Ehrenamtes, weil zu erbringende Zahlungen nicht dem Betriebsrat und/oder seinen Mitgliedern direkt oder indirekt zugute kommen.

Andere zwingende betriebsverfassungsrechtliche Grundsätze stehen dem konkret abgegebenen Vertragsstrafenversprechen ebenfalls nicht entgegen.

So räumt das Gesetz dem Betriebsrat namentlich bei personellen Einzelmaßnahmen durch § 101 BetrVG die Befugnis ein, bei einer Verletzung seiner insoweit bestehenden Beteiligungsrechte die Aufhebung der jeweiligen Maßnahme zu verlangen und letztlich den Arbeitgeber durch Zwangsgeld zur Erfüllung seiner Verpflichtungen anzuhalten. In letzter Konsequenz führt dies zur Befugnis des Betriebsrates, als Gläubiger bewirken zu können, dass der Arbeitgeber ein Zwangsgeld in Höhe von bis zu 250,00 €, und das für jeden Tag der Zuwiderhandlung, zugunsten der Staatskasse, also einer dritten Stelle, zu entrichten hat (vgl. § 101 S. 2 und S. 3 BetrVG).

Eine vergleichbare Konstellation entsteht, wenn der Betriebsrat, wie hier im Verfahren 2 BV 22/05 (Arbeitsgericht Hagen) geschehen, bei groben Verstößen gegen die §§ 99 f. BetrVG nach § 23 Abs. 3 BetrVG vorgeht, um den Arbeitgeber letztlich zu verpflichten, ein Ordnungsgeld bis zu 10.000,00 € zugunsten der Staatskasse zu zahlen.

Darin wird deutlich, dass der Gesetzgeber dem Betriebsrat auch im Zusammenhang mit der Einhaltung seiner Rechte nach den §§ 99 f. BetrVG eine partielle Rechts- und Vermögensfähigkeit zugestanden hat, in letzter Konsequenz gerichtet darauf, den Arbeitgeber zur Zahlung von Zwangs- bzw. Ordnungsgeld an einen Dritten zu zwingen.

Angesichts dieses dem Betriebsrat eingeräumten rechtlichen Wirkungskreises bestehen auch keine grundsätzlichen Bedenken dagegen, wenn er sich als potentieller Gläubiger mit dem Arbeitgeber als potentiellem Schuldner darauf verständigt, dass im Falle eines - im Streitfall gerichtlich festzustellenden - Verstoßes gegen die §§ 99 f. BetrVG eine Vertragsstrafe an einen neutralen Dritten zu zahlen ist (vgl. ArbG Kiel, Beschl. v. 13.12.2007 - 5 BV 62a/07; a.A. ArbG Frankfurt, Beschl. v. 24.03.2004 - 2 BV 690/03).

Von einer solchen Neutralität des bedachten Dritten ist im Falle des Kreisverbandes H4 des DRK ohne weiteres auszugehen, wie namentlich § 1 Abs. 5 der Satzung des DRK als anerkanntem Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege ausweist und auch vom Arbeitgeber nicht in Frage gestellt wird.

In dieser Konstellation besteht deshalb nicht die von Willemsen/Ballering (BAG EWiR § 339 BGB 1/05, S. 693,694) in Einzelfällen für möglich gehaltene Gefahr des "Abkaufens" von Beteiligungsrechten, wenn nämlich der Betriebsrat unter Beeinträchtigung seiner Unabhängigkeit statt eines Anspruchs auf Unterlassung die Zahlung von Vertragsstrafen zugunsten ihm nahestehender Institutionen anstrebt und damit die Gefahr der direkten oder indirekten Rückgewähr von Mitteln an ihn bzw. seine Mitglieder gegeben ist (vgl. auch Bepler, JurisPR-ArbR 43/2004, Anm. 2; Bertzbach, JurisPR-ArbG 6/2005, Anm. 1; Reichold, Anm. zu BAG AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 81; Sasse, ArbRB 2005, 78,79).

III. Die getroffene Vereinbarung ist auch bestimmt genug.

Anders als in einem gerichtlichen Verfahren nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, in dem ein vollstreckbarer Titel angestrebt wird, reicht es bei einer individuell ausgehandelten Abrede über die Zahlung von Vertragsstrafen - wie hier - aus, wenn die Voraussetzungen für deren Verwirkung bestimmbar sind, also im Wege der Auslegung nach den §§ 133, 157 BGB ermittelt werden können - und zwar ggfls. unter gerichtlicher Zuhilfenahme (vgl. BAG, Urt. v. 05.02.1986 - 5 AZR 564/84 - AP BGB § 339 Nr. 12; ErfK/Müller-Glöge, 8. Aufl., §§ 339 - 345, Rdnr. 12; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 339 Rdnr. 11).

Hier haben die Betriebspartner unter Anknüpfung an die Begrifflichkeit in den §§ 99 f. BetrVG in Ziffer 1 des Vergleichs im einzelnen geregelt, dass Einstellungen und Versetzungen zu unterlassen sind, solange nicht die Zustimmung des Betriebsrates erteilt bzw. ersetzt worden ist oder der Arbeitgeber die in § 100 BetrVG bestimmten Schritte vorgenommen hat. Damit sind namentlich dem Arbeitgeber seine bereits gesetzlich bestehenden Verpflichtungen nochmals deutlich gemacht worden. Im Einzelfall ermöglicht es die getroffene Regelung, zu ermitteln, ob der Vertragsstrafentatbestand verwirklicht worden ist oder nicht.

Auch ist in Ziffer 2 des Vergleichs klar geregelt worden, in welchen Fällen nach dem 01.04.2006 jeweils 1.000,00 € an den DRK-Kreisverband H4 e.V. zu zahlen sind.

IV. Die Voraussetzungen der danach wirksam vereinbarten Vertragsstrafe sind vorliegend auch erfüllt. Denn in dem ab 23.01.2007 vorgenommenen Wechsel der Ärztin K5 von der Zentralambulanz zur Chirurgie ist betriebsverfassungsrechtlich eine Versetzung (§ 95 Abs. 3 S. 1 BetrVG) zu sehen, zu der der Betriebsrat entgegen den Regelungen in Ziffer 1 des Vergleichs vom 16.02.2006 im Vorfeld nicht ordnungsgemäß nach den § 99 f. BetrVG beteiligt worden ist.

1. Es liegt die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches im Sinne des § 95 Abs. 3 S. 1 BetrVG vor.

Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt BAG, Beschl. v. 27.06.2006 - 1 ABR 35/05 - AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 47) wird der Begriff des Arbeitsbereichs in § 81 Abs. 1 S. 1 BetrVG durch die Aufgabe und Verantwortung sowie die Art der Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs umschrieben. Arbeitsbereich ist danach der konkrete Arbeitsplatz und seine Beziehung zur betrieblichen Umgebung in räumlicher, technischer und organisatorischer Hinsicht. Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs ist namentlich anzunehmen, wenn der Arbeitsort sich ändert, der Arbeitnehmer aus einer betrieblichen Einheit herausgenommen und einer anderen zugeordnet wird oder sich die Umstände ändern, unter denen die Arbeit zu leisten ist.

Die genannten Voraussetzungen sind hier gegeben.

Zwar wurde die Arbeitnehmerin K5 auch in der Chirurgie mit ärztlichen Aufgaben betraut. Ein gravierender Unterschied ergab sich aber bereits daraus, dass in der genannten Abteilung im Regelfall länger untergebrachte Patienten "nur" aus der genannten Fachdisziplin vor und nach einer Operation oder sonstigen Eingriffen zu betreuen sind. Demgegenüber hatte sich die Fachärztin für Allgemeinmedizin in der Zentralambulanz um Patienten mit jeglicher Art akuter Beschwerden zu kümmern, sofern diese nicht einen internistischen Hintergrund hatten. Die Arbeitnehmerin K5 war dort fast in allen medizinischen Fachrichtungen gefordert, um sachgerechte Diagnosen erstellen und sodann die Patienten ambulant versorgen oder die Verlegung auf eine Fachstation veranlassen zu können.

Neben der darin liegenden Änderung in der Art der Aufgabe war sie nach dem Organigramm des Arbeitgebers auch einer anderen Abteilung des "Operativen Bereichs" zugeordnet und hatte dort zumindest zum Teil mit anderen Kollegen und Kolleginnen und in jedem Fall mit anderem Pflegepersonal zusammenzuarbeiten (vgl. BAG, Beschl. v. 29.02.2000 - 1 ABR 5/99 - AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 36).

Nach alledem wurde der Arbeitnehmerin K5 für den Zeitraum ab 23.01.2007 ein anderer Arbeitsbereich zugewiesen.

2. Entgegen der Ansicht des Arbeitgebers erfolgte die Zuweisung auch für einen Zeitraum von voraussichtlich länger als einem Monat (§ 95 Abs. 3 S. 1 1. Fall BetrVG).

Zwar ist in der an den Betriebsrat gerichteten Mitteilung vom 22.01.2007 nur von einem vierwöchigen Zeitraum ab dem 23.01. bis zum 19.02.2007 die Rede. Entscheidend ist aber, mit welcher Dauer im Zeitpunkt der Zuweisung an Hand der objektiv erwartbaren Entwicklung wahrscheinlich zu rechnen war (DKK/Kittner/Bachner, 11. Aufl., § 99 Rdnr. 108; Fitting, 24. Aufl., § 99 Rdnr. 154).

Auf die diesbezügliche Frage der Kammer zur angestellten Zeitprognose hat der Arbeitgeber in der mündlichen Anhörung am 25.04.2008 zu Protokoll erklärt, man habe die vierwöchige Frist nur gewählt, um aus der Maßnahme keine beteiligungspflichtige Versetzung zu machen. Der darin zum Ausdruck kommende rechtlich fragwürdige Wille, Personalentscheidungen am Wirkungszeitraum von Rechten des Betriebsrates auszurichten, rechtfertigt zugunsten des Arbeitgebers keine verlässliche Prognose über die Verweildauer der Arbeitnehmerin K5 von lediglich vier Wochen. Vielmehr ergibt eine objektive Beurteilung, dass ihr Einsatz zur Urlaubs- und Krankheitsvertretung in der Chirurgie voraussichtlich auf länger als einen Monat ausgerichtet war. Dies zeigt nicht zuletzt die tatsächliche Dauer von sechs Wochen bis zum 06.03.2007, ohne dass der Arbeitgeber Gründe vorgebracht hat, warum es aus seiner Sicht unvorhergesehen zu der Verlängerung gekommen ist (vgl. Fitting, a.a.O., § 99 Rdnr. 155).

Die damit gegebenen gesetzlichen Beteiligungsrechte des Betriebsrates im Falle einer Versetzung, beginnend mit einer ordnungsgemäßen Unterrichtung nach § 99 Abs. 1 S. 1, S. 2 BetrVG über die Gewährung einer einwöchigen Frist zur Stellungnahme (§ 99 Abs. 3 S. 1 BetrVG) bis zur Einhaltung des Verfahrens nach § 100 BetrVG, hat der Arbeitgeber nicht gewahrt und so eine auch der Höhe nach angemessene Vertragsstrafe von 1.000,00 € verwirkt.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage war die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§§ 92 Abs. 1 S. 1, S. 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

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