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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 06.02.2009
Aktenzeichen: 13 TaBV 138/08
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 23 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 04.07.2008 - 4 BV 35/08 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die Arbeitgeberin begehrt die Auflösung des Betriebsrates, hilfsweise (noch) den Ausschluss von vier der fünf Betriebsmitglieder.

Die Arbeitgeberin betreibt in B1 einen Senioren-Wohnpark, in dem stationäre Pflegeleistungen erbracht werden. Im Betrieb besteht ein Betriebsrat, der sich aus den Mitgliedern P1 (Betriebsratsvorsitzende), M1, K2, N2 sowie K3 (vormals G3) zusammensetzt.

Bereits im Jahre 2007 leitete die Arbeitgeberin ein Beschlussverfahren ein mit dem Ziel, den Betriebsrat aufzulösen und hilfsweise die Betriebsmitglieder auszuschließen. Die Anträge, gestützt auf Aussagen des Betriebsrates in einer "Beschwerdemitteilung" vom 18.04.2007, wurden durch eine rechtskräftige Entscheidung des Arbeitsgerichts Paderborn vom 10.10.2007 (3 BV 18/07) abgewiesen mit der Begründung, dass ein ausreichend schwerwiegender Verstoß gegen die Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz nicht vorliege.

Am 07.02.2008 stellte die Einrichtungsleiterin L3 fest, dass auf drei Stationen die zuvor ausgehängten Dienstpläne für den Monat Februar 2008 fehlten. Das Betriebsratsmitglied N2 hatte sie mitgenommen. Daraufhin ging Frau L3 zusammen mit dem gerade anwesenden Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin, D1. K1, in das Büro des Betriebsrats. Trotz mehrmaliger Aufforderung gab dieser die Dienstpläne nicht heraus mit dem Hinweis, sie würden noch benötigt; schließlich fing man an, sich über das Faxgerät Kopien der Dienstpläne zu erstellen.

Für den Monat Februar 2008 sah der Dienstplan für die Mitarbeiterin G2 den Abbau von 0,5 Überstunden vor. Bei 126 Soll-Stunden ergaben sich also 125,5 Ist-Stunden. Der Betriebsrat lehnte den Dienstplan ab mit dem Hinweis "falsche Ist-Zeit".

Unstimmigkeiten zwischen den Beteiligten ergaben sich auch daraus, dass das Betriebsratsmitglied K2 nach der Teilnahme an einer Fortbildung zum Thema "Mobbing" anschließend nach Dienstbeginn den Mitarbeitern darüber berichten wollte.

Es kam auch zu Meinungsverschiedenheiten, weil der Betriebsrat den Einsatz der Auszubildenden R7 auf Station IV, den Diensttausch H7/S7 sowie Fortbildungen, z. B. im Falle G2, ablehnte.

Zudem streiten die Beteiligten über den Inhalt der Äußerungen des Betriebsratsmitgliedes K2 im Zusammenhang mit einer ihr am 28.11.2007 erteilten Abmahnung.

Es gibt auch ein von 24 Mitarbeitern unterzeichnetes Schreiben vom 16.01.2008, in dem sie den Betriebsrat auffordern, die Amtstätigkeit einzustellen.

Am 04. bzw. 07.02.2008 wurden die vier Betriebsratsmitglieder P1, K2, M1 und N2 mit sofortiger Wirkung widerruflich von der Erbringung ihrer Arbeitsleistung freigestellt, was bis heute andauert. Zugleich wurden sie aufgefordert, mindestens einen Tag zuvor schriftlich mitzuteilen, wenn sie den Betrieb zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben aufsuchen wollten. Daraufhin begehrte der Betriebsrat am 14.02.2008 per einstweiliger Verfügung (Arbeitsgericht Paderborn - 1 BVGa 1/08) u. a. den uneingeschränkten Zugang seiner Mitglieder zum Betrieb. Im Laufe des Anhörungstermins am 19.02.2008, in dem es u. a. um die Modalitäten der Anmeldung der Betriebsratsmitglieder ging, erklärte die Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrates in Gegenwart der sich davon nicht distanzierenden Betriebsratsmitglieder P1 und M1, die geforderte Zugangskontrolle der Arbeitgeberin stelle eine Schikane dar.

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, wegen der zahlreichen neuen Pflichtverletzungen sei unter Berücksichtigung des vorangegangenen Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG der Betriebsrat nunmehr aufzulösen, hilfsweise zumindest ein Großteil seiner Mitglieder auszuschließen. Hinsichtlich des weiteren Vortrages wird verwiesen auf die Wiedergabe im erstinstanzlichen Beschluss, Seite 4 ff. (Bl. 94 ff. d. A.).

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

1. den im Betrieb der Firma Senioren-Wohnpark B1 GmbH bestehenden Betriebsrat aufzulösen,

2. hilfsweise die Betriebsratsmitglieder I. P1, L1 M1, A3 G3, G1 K2 und I3 N2 aus dem Betriebsrat zu entlassen.

Der Betriebsrat und die weiteren Beteiligten haben beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Sie haben herausgestrichen, dass weder der Betriebsrat noch seiner Mitglieder ihre Pflichten verletzt hätten; in jedem Fall läge kein grober Pflichtverstoß vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auch insoweit verwiesen auf die Wiedergabe im erstinstanzlichen Beschluss, Seite 6 f. (Bl. 96 f. d. A.).

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 04.07.2008 die Anträge abgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird Bezug genommen auf II. der Gründe (Bl. 98 - 105 d. A.).

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Arbeitgeberin mit ihrer Beschwerde.

Sie rügt, das Arbeitsgericht habe im Rahmen der Gesamtabwägung nicht berücksichtigt, dass es bereits im Jahre 2007 ein auf § 23 Abs. 1 BetrVG gestütztes Verfahren gegeben habe.

Im Übrigen sei der Schikanevorwurf ein gravierender Pflichtverstoß.

Auch die Wegnahme der Dienstpläne im Wege der Selbstjustiz stelle eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar.

Daneben gebe es zahlreiche weitere Vorfälle, wie sie bereits erstinstanzlich vorgetragen worden seien.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 04.07.2008 - 4 BV 35/08 - abzuändern und den Betriebsrat im Betrieb der Firma S1-W1 B1 GmbH aufzulösen,

hilfsweise

die Betriebsratsmitglieder I. P1, L1 M1, G1 K2 und I3 N2 aus dem Betriebsrat auszuschließen.

Unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens beantragen der Betriebsrat und die weiteren Beteiligten,

die Beschwerde zurückzuweisen.

B.

Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet.

Zu Recht hat nämlich das Arbeitsgericht die Anträge, gerichtet auf Auflösung des Betriebsrates und hilfsweise auf Ausschluss von (nunmehr noch) vier der fünf Betriebsratsmitglieder, abgewiesen.

Die Beschwerdekammer folgt in allen Punkten den zutreffenden Gründen der äußerst sorgfältig begründeten Entscheidung des Arbeitsgerichts und nimmt auf sie zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug.

Die Ausführungen in der Beschwerdebegründung geben lediglich zu folgenden ergänzenden Ausführungen Anlass:

I.

Soweit die Arbeitgeberin die Ansicht vertritt, der Sachverhalt aus dem vorangegangenen Beschlussverfahren im Jahre 2007 (Arbeitsgericht Paderborn - 3 BV 18/07) müsse im Rahmen der nach § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG vorzunehmenden Gesamtwürdigung einbezogen werde, steht dem zum Einen entgegen, dass das Arbeitsgericht rechtskräftig festgestellt hat, dass die dem Betriebsrat vorgehaltenen Verfehlungen nicht so gravierend waren, um Maßnahmen der geforderten Art zu rechtfertigen. Davon abgesehen ging es in dem genannten Verfahren um die Bewertung schriftlicher Äußerungen des Betriebsrates gegenüber der Arbeitgeberin über vermeintliche Missstände. Dabei vorgekommene Verletzungen betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten können mangels Vergleichbarkeit nicht in die hier vorzunehmenden Erwägungen zu ganz anders gelagerten Sachverhalten einbezogen werden.

II.

Was den Schikanevorwurf der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates in der mündlichen Anhörung am 19.02.2008 (Arbeitsgericht Paderborn - 1 BVGa 1/08) angeht, kommt dieser von vornherein nicht in Betracht, um eine grobe Pflichtverletzung zu begründen. Denn die Verfahrensbevollmächtigte trat in der Situation erkennbar ausschließlich im Namen des Betriebsrates und nicht einzelner Betriebsratsmitglieder auf. Deshalb kam es der anwesenden Betriebsratsvorsitzenden P1 und auch dem Betriebsratsmitglied M1 ohne einen entsprechenden Betriebsratsbeschuss gar nicht zu, sich gegebenenfalls von Äußerungen im Namen des Betriebsrates zu distanzieren. Im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass in der konkreten Situation die Arbeitgeberin kurz zuvor die Mehrheit der Betriebsratsmitglieder dauerhaft von der Arbeit freigestellt hatte und von ihnen verlangte, sich zur Ausübung von Betriebsratstätigkeit im Betrieb mindestens einen Tag vorher schriftlich bei der Einrichtungsleiterin L3 anzumelden. Wenn in dieser Situation eines erkennbar betriebsverfassungswidrigen Verhaltens der Arbeitgeberin, das erst durch den am 19.02.2008 geschlossenen Vergleich beendet wurde, die Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrates sich, wie angegeben, geäußert haben sollte, kann daraus jedenfalls kein im Rahmen des § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG relevantes Fehlverhalten des Betriebsrates bzw. seiner Mitglieder abgeleitet werden.

III.

Was den Vorfall am 07.02.2008 angeht, hat die Arbeitgeberin trotz eines entsprechenden Vorhalts des Betriebsrates bis zuletzt nicht belegt, dass sie hinsichtlich der Dienstpläne für den Monat Februar 2008 ihrer Vorlagepflicht gegenüber dem Betriebsrat überhaupt ordnungsgemäß nachgekommen ist. Nach dem Sitzungsprotokoll der Einigungsstelle vom 24.08.2007, Seite 3, sollte die Betriebsvereinbarung über das Verfahren zur Erstellung und Änderung von Dienstplänen "bereits jetzt" praktiziert werden. Dementsprechend war die Arbeitgeberin gemäß 3. c) der Betriebsvereinbarung gehalten, jeden Dienstplanvorschlag dem Betriebsrat spätestens am 08. des Vormonats, hier also am 08.01.2008, vorzulegen. Hätte sie diese Verpflichtung tatsächlich erfüllt, wäre es unverständlich, warum dann noch der Betriebsrat am 07.02.2008 eigenmächtig Dienstpläne an sich nahm, um sie zu kopieren. Selbst wenn darin also eine Pflichtverletzung liegen sollte, war diese in Anbetracht des Vorverhaltens der Arbeitgeberin in keinem Falle grob.

IV.

Was die weiteren Vorhaltungen im Beschwerdeschriftsatz vom 08.09.2008, Seite 6 ff., angeht, ist entweder schon nicht erkennbar, worin konkret Pflichtverletzungen des Betriebsrates bzw. seiner Mitglieder liegen sollen, oder es handelt sich - auch in der Gesamtschau - jedenfalls nicht um objektiv erhebliche und offensichtlich schwerwiegende Verstöße gegen die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung. Beispielhaft ergibt sich folgendes:

1. Es ist nicht erkennbar, welche Pflicht das Betriebsratsmitglied K2 verletzt hat, als es über die Mobbing-Veranstaltung berichten wollte, es dazu aber während der Dienstzeit tatsächlich gar nicht kam.

2. Willkür des Betriebsrates im Zusammenhang mit der Personalie R7 ist nicht ersichtlich; im Übrigen hätte die Arbeitgeberin nach den §§ 99 f. BetrVG vorgehen können. - Entsprechendes gilt bezüglich des Diensttausches H7/S7.

3. Auch im Falle der Ablehnung von Fortbildungen steht der Arbeitgeberin der Rechtsweg offen.

4. Äußerungen von Frau K2 im Zusammenhang mit der Übergabe einer Abmahnung können erkennbar nur in ihrer Position als Arbeitnehmerin, nicht aber als Amtsträgerin erfolgt sein.

5. Im Übrigen können allgemeine (negative) Aussagen über die Bewertung der Aktivitäten des Betriebsrates auf Seiten der Arbeitgeberin, in der Belegschaft, bei den Bewohnern und ihren Angehörigen sowie in der Öffentlichkeit keine nur auf konkrete Tatsachen zu stützende grobe Verletzung der betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten begründen. Beispielsweise gilt dies für den (zeitlichen) Umfang der Prüfung von Dienstplänen und für den mit dem Gesetz in Einklang stehenden Hinweis, ein Betriebsratsmitglied mit zur Heimleitung nehmen zu können.

Im Übrigen ist es die Aufgabe der Arbeitgeberin, bei einem betriebsverfassungsrechtlich bedingten Arbeitsausfall für Ersatz zu sorgen. In dem Zusammenhang hat bei der Kammer Erstaunen hervorgerufen, dass seit nunmehr einem Jahr mehrere Betriebsratsmitglieder unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit freigestellt sind und nur zur Ableistung von Betriebsratstätigkeiten die Pflegeeinrichtung, in der insgesamt "nur" ca. 60 Personen tätig sind, betreten dürfen.

Was die Bevorzugung "eigener Leute" angeht, wird dies nicht ausreichend substantiiert; im Übrigen wäre es in der genannten Konstellation der unterschiedlichen Einteilung zu Wochenenddiensten Aufgabe der Arbeitgeberin gewesen, für eine gerechte Verteilung zu sorgen.

Nach alledem war die Beschwerde in vollem Umfang zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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