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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 06.02.2009
Aktenzeichen: 13 TaBV 142/08
Rechtsgebiete: BetrVG, KSchG


Vorschriften:

BetrVG § 25 Abs. 1 S. 2
BetrVG § 103
KSchG § 15 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 07.08.2008 - 2 BV 20/07 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die Arbeitgeberin gegehrt die Ersetzung der vom Betriebsrat nicht erteilten Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des beteiligten Arbeitnehmers S3.

Der am 18.12.1954 geborene, ledige Beteiligte S3 trat mit Wirkung ab 01.01.1984 in die Dienste der Arbeitgeberin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin. Er kam zuletzt als Kundenberater zu einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von 4.935,04 € zum Einsatz; daneben ist er das fünfte Ersatzmitglied im bestehenden 15-köpfigen Betriebsrat.

Nach dem Anstellungsantrag vom 28.04./03.05.2004 trifft den Beteiligten S3 eine Verschwiegenheitspflicht. Hinsichtlich der Einzelheiten wird verwiesen auf § 10 des Vertrages als Anlage zum Antragsschriftsatz vom 17.08.2007 (Bl. 25 d. A.).

Im Zuge eines Studiums an der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel reichte der Beteiligte S3 dort am 15.03.2007 eine Masterarbeit zum Thema "Entwicklung einer Konzeption für ein prozessorientiertes Qualitätsmanagement am Beispiel der Abteilung Kunden-Servicecenter-Technik im Vertrieb einer genossenschaftlichen Rechenzentrale" ein. Auf Seite 102 der Arbeit befindet sich ein vom Beteiligten S3 selbst gefertigter "Sperrvermerk" folgenden Inhalts:

Diese Arbeit enthält vertrauliche Daten der G1 eG - IT für Banken, 12345 M1, W2 S1 51. Veröffentlichungen oder Vervielfältigungen dieser Arbeit - auch auszugsweise - sind ohne ausdrückliche Genehmigung der Geschäftsleitung der G1 eG nicht gestattet.

Am 27.06.2007 beantragte er bei der Arbeitgeberin einen finanziellen Zuschuss und übergab ihr auf Anforderung ein Exemplar der Masterarbeit.

Nach Durchsicht des Werks und Anhörung des Beteiligten S3 am 09.08.2007 wandte sich die Arbeitgeberin am 13.08.2007 an den Betriebsrat mit dem Antrag auf Zustimmung zu dessen außerordentlicher Kündigung. Darin heißt es unter anderem:

1. Herr S3 ist mit Wahl vom 15.03.2006 zum Ersatzmitglied des Betriebsrats der G1 eG gewählt worden. Zuletzt hat Herr S3 für den Betriebsrat an der Sitzung am 02.08.2007 teilgenommen.

...

3. ...

Nach Durchsicht der Masterarbeit stellte sich heraus, dass Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der G1 eG von Herrn S3 in seiner Arbeit dargestellt wurden. Dabei handelt es sich unter anderem um folgende Komplexe:

1. Komplex: Detaillierte Beschreibung der Organisationsstruktur und der internen Prozesse der Organisationseinheit KST

2. Komplex: Beschreibung des Informationsmanagements und insbesondere von Störungen in der Callbearbeitung über OCTOHelp anhand von Einzelbeispielen und zum Teil auch unter Benennung von externen Geschäftspartnern.

3. Komplex: Detaillierte Beschreibung der von der G1 eG durchgeführten telefonischen Kundenbefragung inkl. der Ergebnisse der Auswertung

Nachdem der Betriebsrat mit Schreiben vom 16.08.2007 seine Zustimmung verweigert hatte, leitete die Arbeitgeberin am 17.08.2007 das vorliegende Zustimmungsersetzungsverfahren ein. Im Laufe des Verfahrens teilte der Beteiligte S3 durch Schriftsatz vom 15.10.2007, der Arbeitgeberin zugegangen am 19.10.2007, mit, dass er am 17.08.2007 nicht als Ersatzmitglied nachgerückt sei.

Daraufhin hörte die Arbeitgeberin am 28.10.2007 den Betriebsrat "für den Fall, dass (der Beteiligte S3) nicht durchgehend im Zeitpunkt der Anhörung als Ersatzmitglied zur Betriebsratsarbeit herangezogen wurde", rein vorsorglich zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung an, die sie sodann am 30.10.2007 aussprach.

Die Arbeitgeberin hat darauf verwiesen, wegen der sommerlichen Urlaubszeit habe der Beteiligte S3 praktisch ständig ein abwesendes Betriebsratsmitglied vertreten. Wegen der damit verbundenen Ungewissheit hinsichtlich des Amtsschutzes sei es gerechtfertigt, das vorliegende Ersetzungsverfahren durchzuführen.

In der Sache sei die beabsichtigte außerordentliche Kündigung gerechtfertigt - namentlich wegen der gravierenden Verstöße gegen die Verschwiegenheitspflicht und weil der Beteiligte S3 auch während der Arbeitszeit an seiner Masterarbeit gearbeitet habe.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Zustimmung des Betriebsrates der G1 eG zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Ersatzmitgliedes des Betriebsrats Herrn W3 S3 zu ersetzen.

Der Betriebsrat und der Beteiligte S3 haben beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie haben die Auffassung vertreten, das Zustimmungsersetzungsverfahren sei von vornherein nicht erforderlich gewesen, weil er, der Beteiligte S3, letztmals am 02.08.2007 eine Amtstätigkeit ausgeübt habe. Vor dem Hintergrund hätte die Arbeitgeberin nach einer bloßen Anhörung des Betriebsrates kündigen können.

Davon abgesehen bestehe auch kein Grund für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 07.08.2008 den Antrag zurückgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der besondere Kündigungsschutz gemäß § 103 BetrVG für ein Ersatzmitglied nur dann und solange bestehe, wie dieses ein zeitweilig verhindertes Betriebsratsmitglied vertrete. Im konkreten Falle habe der Beteiligte S3 letztmals am 02.08.2007 an einer Betriebsratssitzung teilgenommen. Eine fortdauernde Amtstätigkeit über diesen Zeitpunkt hinaus sei nicht erkennbar.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Arbeitgeberin mit ihrer eingelegten Beschwerde. Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens beantragt sie,

den Beschuss des Arbeitsgerichts Münster vom 07.08.2008 - 2 BV 20/07 - abzuändern und die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers W3 S3 zu ersetzen.

Ebenfalls unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrages beantragt der Betriebsrat,

die Beschwerde zurückzuweisen.

B.

Die zulässige Beschwerde war zurückzuweisen, weil das Arbeitsgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung dem auf § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG gestützten Antrag der Arbeitgeberin nicht stattgegeben hat.

Nach § 103 Abs. 1 BetrVG bedarf die außerordentliche Kündigung im hier relevanten Zusammenhang nur dann der Zustimmung des Betriebsrates, wenn und solange es sich um ein Mitglied des Betriebsrates handelt.

Im Falle des als Ersatzmitglied gewählten Beteiligten S3 war das zu den Zeiten gegeben, in denen er gemäß § 25 Abs. 1 S. 2 BetrVG als Stellvertreter eines zeitweilig verhinderten Mitglieds des Betriebsrates fungierte. Nach Beendigung des Vertretungsfalles und damit der Amtszeit besaß er "nur noch" nachwirkenden Kündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 1 S. 2 KSchG; insoweit bedurfte es dann keiner Zustimmung des Betriebsrates mehr (vgl. zuletzt BAG, 18.05.2006 - 6 AZR 627/05 - AP KSchG 1969 § 15 Ersatzmitglied Nr. 2).

Hier ergibt sich bereits aus dem Antrag der Arbeitgeberin an den Betriebsrat vom 13.08.2007, Seite 2, wiederholt in der Antragsschrift vom 17.08.2007, Seite 2, dass der Beteiligte S3 letztmals für ein verhindertes Betriebsratsmitglied als Amtsträger an der Betriebsratssitzung am 02.08.2007 teilgenommen hat, also namentlich nicht mehr in den folgenden turnusmäßigen Sitzungen am 09. und 16.08.2007. Es ist auch nichts dafür er-sichtlich, dass der Beteiligte S3 außerhalb der genannten Sitzungen als Vertreter eines verhinderten Betriebsratsmitgliedes fungiert hat. Dementsprechend geht die Arbeitgeberin selbst auch bei der Berechnung der Jahresfrist für den nachwirkenden Kündigungsschutz bis zum 06.08.2008 (Schriftsatz vom 07.08.2008, Seite 2, in 13 Sa 1420/08) davon aus, dass der Beteiligte S3 nach dem 02.08.2007 keinerlei Amtstätigkeit mehr entfaltet hat. Dies deckt sich wiederum mit dessen Erklärung in der mündlichen Verhandlung am 06.02.2009 (13 Sa 1420/08), wonach er durchgehend seit dem 03.08.2007 keinerlei Betriebsratstätigkeit mehr ausgeübt hat.

Nach alledem steht fest, dass im Zeitpunkt der Einleitung des Beschlussverfahrens am 17.08.2007 (und auch danach) kein Betriebsratsmandat des Beteiligten S3 mehr bestand, eine außerordentliche Kündigung also ohne die Zustimmung des Betriebsrates erfolgen konnte. Vor dem Hintergrund fehlte dem Zustimmungsersetzungsantrag gemäß § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG von vornherein das Rechtschutzbedürfnis, so dass er unzulässig ist (vgl. z. B. BAG, 27.06.2002 - 2 ABR 22/01 - AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 47).

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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