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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 26.08.2005
Aktenzeichen: 13 TaBV 147/04
Rechtsgebiete: BetrVG, AÜG


Vorschriften:

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2
AÜG § 14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 15.10.2004 - 1 BV 11/04 - teilweise abgeändert.

Die Arbeitgeberin wird bei Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 10.000,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung verpflichtet, es zu unterlassen, nach dem AÜG überlassene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu beschäftigen, ohne zuvor eine Festlegung über deren Einordnung in den bestehenden Dienstplan mit dem Betriebsrat oder eine diese Festlegung ersetzende Entscheidung der Einigungsstelle erzielt zu haben, sofern es sich nicht um einen Notfall oder eine Arbeitskampfmaßnahme handelt.

Gründe: A. Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Unterlassungsanspruches (noch) um das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats. Der antragstellende Betriebsrat vertritt etwa 230 Beschäftigte des Einzelhandelsbetriebes der Arbeitgeberin in B2xxxx-W2xxxxxxxxxx. Am 10.03.2004 beschloss er, am 23.03.2004 ab 8.30 Uhr eine Betriebsversammlung abzuhalten, wovon er die Arbeitgeberin am 12.03.2004 unterrichtete. Um während der Betriebsversammlung, an der 104 Mitarbeiter teilnahmen, den Geschäftsbetrieb ab 9.00 Uhr aufrecht erhalten zu können, setzte die Arbeitgeberin - neben Beschäftigten aus anderen Warenhäusern - vier Leiharbeitnehmer im Kassenbereich ein. Davon machte sie dem Betriebsrat am 23.03.2004 um 8.40 Uhr durch Einlegung schriftlicher Mitteilungen über beabsichtigte "vorläufige Einstellungen gem. §§ 99, 100 BetrVG" in das Betriebsratsfach Mitteilung. Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, unter anderem durch den Einsatz der vier Leiharbeitnehmer seien seine Mitbestimmungsrechte verletzt worden. Soweit vorliegend noch von Interesse, hat der Betriebsrat beantragt: 1. Der Beteiligten zu 2. wird aufgegeben, es zu unterlassen, im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes überlassene Arbeitnehmer einzusetzen ohne vorherige Zustimmung des Beteiligten zu 1. oder eine diese ersetzende Entscheidung des Arbeitsgerichts bzw. ohne dass es sich um vorübergehende Maßnahmen handelt, deren betriebliche Notwendigkeit dem Beteiligten zu 1. gegenüber unverzüglich angezeigt wurde. 2. ... 3. Der Beteiligten zu 2. wird aufgegeben, es zu unterlassen, Arbeitnehmer des Betriebs oder überlassene Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes oder Arbeitnehmer aus fremden Betrieben zu beschäftigen, ohne vorherige Festlegung über deren Arbeitszeiten mit dem Beteiligten zu 1. oder eine diese ersetzende Entscheidung einer Einigungsstelle, sofern es sich nicht um leitende Angestellte oder um Notfälle handelt. 4. Der Beteiligten zu 2. wird aufgegeben, vor dem Einsatz betriebsfremder Arbeitnehmer den Betriebsrat unter Vorlage der entsprechenden Schreiben unverzüglich darüber zu informieren, dass der Fremdpersonaleinsatz beauftragt wurde bzw. beabsichtigt ist. 5. ... 6. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Vorgaben der Anträge der Ziffern 1- 3 wird dem Beteiligten zu 1. ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zum 250.000,-- €, ersatzweise Zwangshaft angedroht. 7. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Vorgaben der Anträge zu Ziffer 4 und 5 wird dem Arbeitgeber ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000,-€ angedroht. Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Sie hat behauptet, sie habe schon am 18.03.2004 vorsorglich mit zwei Arbeitnehmerüberlassungsfirmen Kontakt aufgenommen und am Folgetag Bedarf für vier Mitarbeiter der Firma A3x Sicherheits-Service Agentur festgestellt zu haben. Am Nachmittag des 22.03.2004 habe man die Namen der vier Leiharbeitnehmer erfahren. Erst am 23.03.2004 um 8.00 Uhr nach dem Erscheinen der vier Personen sei man dann in der Lage gewesen, die Einstellungsanträge vollständig auszufüllen. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 15.10.2004 die Anträge "zurückgewiesen". Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Arbeitgeberin zwar gegen Beteiligungsrechte gemäß §§ 99 f. BetrVG verstoßen habe; ein grober Verstoß im Sinne § 23 Abs. 3 BetrVG könne darin ab (noch) nicht gesehen werden. Der allgemeine Unterlassungsanspruch sei nicht gegeben, weil mangels Änderung des mit dem Betriebsrat abgestimmten Dienstplans keine Verletzung des Mitbestimmungsrechts gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG gegeben sei. Gegen diesen ihm am 15.11.2004 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat am 13.12.2004 Beschwerde eingelegt und diese am Montag, den 17.01.2005, begründet. Er ist der Meinung, sein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG sei verletzt, weil dienstplanwidrig vier Leiharbeitnehmer zum Einsatz gekommen seien. Der Betriebsrat beantragt, den Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 15.10.2004 - 1 BV 11/04 - teilweise abzuändern und 1. der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, nach dem AÜG überlassene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu beschäftigen, ohne zuvor eine Festlegung über deren Einordnung in den bestehenden Dienstplan mit dem Betriebsrat oder eine diese Festlegung ersetzende Entscheidung der Einigungsstelle erzielt zu haben, sofern es sich nicht um einen Notfall oder eine Arbeitskampmaßnahme handelt, 2. für jeden Fall der Zuwiderhandlung der Arbeitgeberin ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000,00 € anzudrohen. Die Arbeitgeberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie meint, der kurzzeitige Fremdarbeitereinsatz habe zu keiner Veränderung der Lage der täglichen Arbeitzeit geführt. B. Die zulässige Beschwerde des Betriebsrats ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. I. Im Anschluss an die grundlegende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 03.05.1994 (BAG AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972) ist nunmehr allgemein anerkannt, dass dem Betriebsrat bei einer Verletzung seines Mitbestimmungsrechts aus § 87 BetrVG ein eigenständiger, allgemeiner Unterlassungsanspruch zusteht (z.B. Fitting, 22. Aufl., § 23 Rdnr. 98 ff. m.w. N.). Dessen Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (AP Nr. 7 zu § 14 AÜG; AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Leiharbeitnehmer ) regeln die Vorschriften des § 14 Abs. 2 und Abs. 3 AÜG die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung von Leiharbeitnehmern nicht abschließend. Vielmehr bestimmt sich die Zuständigkeit für die Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten im Bezug auf Leiharbeitnehmer nach dem konkret zu regelnden Gegenstand und der darauf bezogenen Entscheidungsmacht des jeweiligen Arbeitgebers. So kommt es im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG darauf an, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage ihrer Arbeitszeit und damit der freien Zeit für die private Lebensgestaltung zu wahren. Dieser Normzweck begründet, soweit Mitarbeiter im Entleiherbetrieb tätig werden, die Zuständigkeit des dortigen Betriebsrates. Denn der Entleiher hat die Befugnis, innerhalb seiner Betriebsorganisation an Stelle des verleihenden Vertragsarbeitgebers Beginn und Ende der Arbeitszeit auch für die Leiharbeitnehmer festzulegen. Die macht auch der vorliegende Fall deutlich. Hier stand es der Arbeitgeberin zu, am Morgen des 23.03.2004 den Beginn und das Ende der Arbeitzeit der vier Leiharbeitnehmer zur Aufrechterhaltung eines geordneten Geschäftsbetriebes im Kassenbereich während des Laufs der Betriebsversammlung festzulegen. Da dies ohne Zustimmung des Betriebsrates erfolgte, hat die Arbeitgeberin gegen das Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG verstoßen. Dem steht die Kurzfristigkeit der erfolgten Personalanforderung nicht entgegen. Denn das genannte Mitbestimmungsrecht ist auch dann zu wahren, wenn die beabsichtigte Maßnahme eilbedürftig ist. Die damit verbundenen Probleme können die Betriebsparteien durch eine, ggfls. über einen Einigungsstelle erreichbare, vorsorgliche Regelung lösen (BAG AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Leiharbeitnehmer). Nach alledem war dem Unterlassungsantrag des Betriebsrates stattzugeben. II. Die Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 10.000,00 € folgt aus §§ 87 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG und § 890 Abs. 2 ZPO sowie § 23 Abs. 3 Satz 5 BetrVG. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.

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