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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 09.11.2005
Aktenzeichen: 13 TaBV 148/05
Rechtsgebiete: RVG, BetrVG


Vorschriften:

RVG § 23
RVG § 33
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Herford vom 17.08.2005 - 1 (4) BVGa 1/05 - teilweise abgeändert.

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfahren im Allgemeinen bis zum Termin der mündlichen Anhörung am 20.05.2005 auf 6000 € und für die Zeit danach auf 3000 € festgesetzt.

Gründe: A. Im Ausgangsverfahren hat der Betriebsrat im Wege der einstweiligen Verfügung verlangt, der Arbeitgeberin aufzugeben, 1) es zu unterlassen, ohne Wahrung des entsprechenden Mitbestimmungsrechts im Betrieb, in dem mindestens 10 Raucher beschäftigt sind, Rauchverbote zu erlassen, und 2) zu erklären, dass das bereits verhängte Rauchverbot keine Gültigkeit habe. Nach übereinstimmender Erledigungserklärung stellte das Arbeitsgericht am 26.06.2005 das Verfahren hinsichtlich des Antrages zu 1) ein, während der Antrag zu 2) bereits zuvor mit einem inzwischen rechtskräftigen Beschluss des Arbeitsgerichts vom 20.05.2005 abgewiesen worden war. Auf Antrag des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 17.08.2005 den Gegenstandswert für das Verfahren im Allgemeinen bis zum 19.05.2005 auf 4000 € und ab dem 20.05.2005 auf 1000 € festgesetzt. Dagegen hat der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats - auch in dessen Namen - mit Schriftsatz vom 22.08.2005 Beschwerde eingelegt. Er ist der Ansicht, beide Anträge müssten jeweils mit 4000 € bewertet werden. Unter Berücksichtigung eines Abschlags von 25 Prozent wegen des einstweiligen Verfügungsverfahrens sei deshalb der Gegenstandswert bis zum mündlichen Anhörung am 20.05.2005 auf 6000 € und danach auf 3000 € festzusetzen. B. Die gem. § 33 RVG zulässige Beschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Bei der Bemessung des Gegenstandswertes ist von § 23 Abs. 3 S. 2, 2 Hs. RVG auszugehen. Danach ist der Gegenstandswert auf 4000 €, je nach Lage des Falles aber auch niedriger oder höher bis zu 500.000 € anzunehmen, sofern es sich um nichtvermögensrechtliche Gegenstände handelt. Hiervon ist im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren immer dann auszugehen, wenn um das Bestehen und die Beachtung betriebsverfassungsrechtlicher Beteiligungsrechte gestritten wird, weil die Begehren weder auf Geld noch auf eine geldwerte Leistung gerichtet sind und auch ihre Grundlage nicht in einem Verhältnis haben, dem ein Vermögenswert zukommt (vgl. BAG NZA 2005, 70; LAG Hamm LAGE Nr. 50 zu § 8 BRAGO; GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rn. 313). I. Vorliegend handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit, weil sich die Beteiligten im Zusammenhang mit dem Ausspruch eines innerbetrieblichen Rauchverbots über die Wahrung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auseinandergesetzt haben. II. Die danach einschlägige Auffangvorschrift des § 23 Abs.3 S. 2, 2 Hs. RVG mit ihrem außerordentlich weiten Bewertungsrahmen und dem Hilfswert in Höhe von derzeit 4000 € stellt die Rechtsprechung vor die Aufgabe, die in Beschlussverfahren infrage kommenden Streitgegenstände in ein Bewertungssystem einzubinden, das falladäquate Abstufungen zulässt und zugleich tragenden Grundsätzen des Arbeitsgerichtsprozesses ausreichend Rechnung trägt; erforderlich ist die Herausarbeitung typisierender Bewertungsgrundsätze, um zu einer gleichförmigen und damit den Gleichbehandlungsgrundsatz wahrenden Rechtsanwendung zu gelangen (LAG Hamm EzA Nr. 70 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; Schneider, Anm. zu BAG EzA Nr. 36 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rn 443). Maßgebend ist allerdings immer die "Lage des Falles"; es bedarf also einer auf die konkreten Umstände des einzelnen Verfahrens abgestellten Wertfestsetzung. Was die maßgeblichen Einzelfallumstände angeht, kann auf die vergleichbare Regelung zur Bewertung nichtvermögensrechtlicher Streitigkeiten in § 37 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG zurückgegriffen werden, wonach es in erster Linie auf die Bedeutung der Angelegenheit ankommt; daneben kann im Einzelfall der Umfang sowie die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit eine Rolle spielen (vgl. BVerfG NJW 1989, 2047; siehe auch § 48 Abs. 2 S. 1 GKG). Mit der Bedeutung der Angelegenheit als Ausgangspunkt der Bewertung ist die Tragweite der gerichtlichen Entscheidung für die materielle und ideelle Stellung der Betroffenen angesprochen, was ihnen selbst die Sache "wert" ist. Die daneben zu berücksichtigenden Gesichtspunkte des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit müssen in Relation zur Bedeutung der Sache gewichtet werden. Entspricht also der anwaltliche Arbeitsaufwand von seinem Umfang und seiner Schwierigkeit her typischerweise der Bedeutung der Sache, bleibt es bei deren Bewertung; die Bedeutung ist also letztlich das ausschlaggebende Moment für die vorzunehmende Wertfestsetzung (BVerfG, a.a.O.; LAG Hamm LAGE Nr. 50 zu § 8 BRAGO). Andererseits ist der in Beschlussverfahren zum Ausdruck kommenden Grundtendenz Rechnung zu tragen, wonach die dem Arbeitgeber gem. § 40 Abs. 1 BetrVG obliegende Verpflichtung, die außergerichtlichen Kosten zu tragen, nicht zu einer unangemessenen Belastung führen darf (LAG Hamm EzA Nr. 70 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rn. 444; vgl. auch § 37 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG und § 48 Abs. 2 S. 1 GKG). Damit steht wiederum die Sonderbestimmung des § 2 Abs. 2 GKG in Einklang, wonach in Beschlussverfahren keine Gerichtskosten erhoben werden. Nach alledem ist also ein Wert zu finden, der für den Rechtsanwalt angemessene und für den Arbeitgeber tragbare Gebühren ergibt (LAG Hamm LAGE Nr. 50 zu § 8 BRAGO). Unter Anwendung dieser Grundsätze ist es im vorliegenden Verfahren sachgerecht, den Antrag zu 1), gerichtet auf die Unterlassung, mitbestimmungswidrig Rauchverbote auszusprechen, angesichts der davon mindestens betroffenen 10 Beschäftigten mit dem Hilfswert des § 23 Abs. 3 S. 2 2. Hs. RVG in Höhe von 4000 € in Ansatz zu bringen. Demgegenüber ist der auf eine "bloße" Störungsbeseitigung gerichtete Antrag zu 2) mit der Hälfte des genannten Ausgangswertes, also mit 2000,00 €, sachgerecht bemessen. Von dem danach sich ergebenen Gesamtgegenstandswert in Höhe von 6000 € für das Verfahren im Allgemeinen bis zum 20.05.2005 war trotz des einstweiligen Verfügungsverfahrens kein Abschlag zu machen. Regelmäßig werden nämlich - wie auch hier - in Beschlussverfahren, gerichtet auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung, nicht nur vorläufige Regelungen getroffen; vielmehr ist die Streitigkeit mit Abschluss eines solchen Verfahrens beendet. Zur Einleitung eines Hauptsacheverfahrens kommt es gar nicht mehr, was nicht zuletzt daran liegt, dass aus darin ergangenen Beschlüssen - anders als bei einstweiligen Verfügungen (vgl. § 85 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ArbGG) - regelmäßig erst nach Rechtskraft vollstreckt werden kann ( § 85 Abs. 1 S. 1 ArbGG). Sollten demnach - wie sehr oft im Beschlussverfahren - auch hier die geltend gemachten Ansprüche vollständig gesichert werden, kommt ein Wertabzug nicht in Betracht (vgl. z. B. LAG Hamm LAGE BRAGO § 8 Nr. 50; NZA-RR 2005, 435). Trotzdem waren für das Verfahren im Allgemeinen nach dem 20.05.2005 "nur" die im Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats vom 18.07.2005 begehrten 3000 € statt der eigentlich sich ergebenden 4000 € in Ansatz zu bringen. Denn wie die erkennende Kammer im Beschluss vom 02.08.2005 - 13 TaBV 17/05 - zum Ausdruck gebracht hat, findet gemäß § 33 Abs. 2 S. 2 RVG eine Festsetzung des Gegenstandswertes nur auf Antrag der dort genannten Personen ausschließlich in deren Interesse statt. Es handelt sich nicht nur um ein Begehren zur Verfahrenseinleitung, sondern der Antrag enthält auch die maßgebliche Sachbitte, die das Ziel der Höhe nach begrenzt (vgl. Fraunholz in: Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Aufl., § 33 Rdnr. 8). Entsprechendes gilt für die gemäß § 33 Abs. 3, 4 RVG eingelegte Beschwerde. Auf dieses Art und Weise bleibt es dem jeweiligen Antragsteller - wie auch im Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103 ff. ZPO - überlassen, ob und inwieweit eine gerichtliche Entscheidung ergehen soll (vgl. § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO). Vor diesem Hintergrund war die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Verfahren im Allgemeinen nach dem 20.05.2005 auf die beantragten 3000 € zu begrenzen.

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