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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 10.09.2004
Aktenzeichen: 13 TaBV 57/04
Rechtsgebiete: BetrVG
Vorschriften:
BetrVG § 1 Abs. 2 | |
BetrVG § 1 Abs. 2 Nr. 1 | |
BetrVG § 1 Abs. 2 Nr. 2 |
Tenor:
Die Beschwerde des Gesamtbetriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 30.01.2004 - 1 BV 25/03 - wird zurückgewiesen.
Gründe: A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die zu 2), 4) und 6) beteiligten Arbeitgeberinnen einen gemeinsamen Betrieb führen. Die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin betreibt in Deutschland mehrere Multiplex-Kinos, in denen zum großen Teil Betriebsräte bestehen. Es wurde ein Gesamtbetriebsrat gebildet, der Antragsteller im vorliegenden Verfahren. Ursprünglich waren die Kinos in G1xx und G3xx G4xxxx (bei C2xxxxx) Teile des Unternehmens der zu 2) beteiligten Arbeitgeberin. Ihr Sitz befindet sich in B1xxxx, ca. 450 km von G1xx und ca. 600 km von G3xx G4xxxx entfernt. Am 01.06.2000 wurde das K2xx G1xx gesellschaftsrechtlich verselbständigt in eine GmbH, der zu 4) beteiligten Arbeitgeberin. Geschäftsführer sind die Herren B3xxxx und R6xxxxx. Zum 01.08.2003 geschah Entsprechendes mit dem K2xx L1xxxxxxxxx in G3xx G4xxxx. Zu Geschäftsführern der Betriebsgesellschaft mbH, der zu 6) beteiligten Arbeitgeberin, wurden die Herren H4xxxxx und R6xxxxx bestellt. An der Organisation und den Arbeitsabläufen in den beiden Häusern änderte sich dadurch nichts. Nach wie vor sind die Theaterleiter S7xxxxxx und B4xxxxxx, die als leitende Angestellte geführt werden und den Geschäftsführern direkt unterstehen, jeweils für die personellen und sozialen Angelegenheiten zuständig. Der Gesamtbetriebsrat hat die Auffassung vertreten, die zu 2), 4) und 6) beteiligten Arbeitgeberinnen bildeten einen gemeinsamen Betrieb. So würden die Dienstpläne zur Genehmigung nach B1xxxx gefaxt. Dort nehme man auch zentral die Lohnabrechnungen vor. Die Programmgestaltung einschließlich der Durchführung von Sonderaktionen, die Werbung und die Beschaffung von Lebensmitteln wie Eis und Getränke gingen zentral von B1xxxx aus; der Umsatz werde dort auch kontrolliert. Die Dienstkleidung sei in allen Kinos einheitlich. Der Gesamtbetriebsrat hat beantragt, festzustellen, 1. dass die Beschäftigten des Betriebs der Firma K2xx G1xx Betriebsgesellschaft mbH in der R4xxxxxxxxxx 31 in 01xxx G1xx in einem von dieser und der Beteiligten zu 2) geführten Gemeinschaftsbetrieb eingesetzt werden, 2. dass der im K2xx G1xx, R4xxxxxxxxxx 31, 01xxx G1xx gebildete Betriebsrat Mitglieder in den bei der Beteiligten zu 2) gebildeten Gesamtbetriebsrat entsenden kann, 3. dass die Beschäftigten des Betriebs der Firma K2xx L3x-s8xxxxxx Betriebsgesellschaft mbH, A2 S6xxxxxxx 21, 02xxx G3xx G4xxxx in einem von dieser und der Beteiligten zu 2) geführten Gemeinschaftsbetrieb eingesetzt werden, 4. dass der im K2xx in G3xx G4xxxx (C2xxxxx), A2 S6xxxxxxx 22 gebildete Betriebsrat Mitglieder in dem bei der Beteiligten zu 2) gebildeten Gesamtbetriebsrat entsenden kann. Die Arbeitgeberinnen zu 2), 4) und 6) haben beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Sie haben behauptet, ohne Genehmigung durch die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin stelle der jeweilige Theaterleiter die Dienstpläne selbst auf und setze sie um. Die Theaterleiter seien auch für die Einstellung des Personals zuständig. Auch würden sämtliche Betriebsmittel ausschließlich in den jeweiligen Kinos genutzt. Dienstleistungs-, Einkaufs- und Werbeverträge würden im Rahmen von Kooperationsverträgen zwischen den verschiedenen Gesellschaften abgeschlossen. Der jeweilige Theaterleiter sei jedoch verantwortlich für den gesamten Warenverkehr. Er müsse selbständig entscheiden, wann und in welcher Menge die Waren bestellt würden. Er verwalte auch selbständig die Einnahmen. Mit Beschluss vom 30.01.2004 hat das Arbeitsgericht die Anträge "zurückgewiesen". Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es liege kein gemeinsamer Betrieb vor, weil weder Betriebsmittel noch Arbeitnehmer koordiniert eingesetzt würden. Der jeweilige Theaterleiter setze für seinen Kinobetrieb eigenes Personal ein, ohne dass eine Absprache zwischen den zu 2), 4) und 6) beteiligten Arbeitgeberinnen erfolge; schon wegen der räumlichen Entfernung sei das auch ausgeschlossen. Entsprechendes gelte für die Betriebsmittel. Auch hier habe jeder Kinobetrieb seine eigenen Vorführräume und -geräte, seine eigenen Kinokassen sowie sein eigenes Warensortiment und alles andere, was für die Betreibung eines Kinos notwendig sei. Dass die Programmgestaltung, die Werbung und die Sonderaktionen abgestimmt seien, die Warenbestellungen zentral über B1xxxx liefen und eine zentrale Lohnbuchhaltung bestehe, führe noch nicht zur Annahme eines gemeinsamen Betriebes. Gegen diesen ihm am 21.04.2004 zugestellten Beschluss hat der Gesamtbetriebsrat am 19.05.2004 Beschwerde eingelegt und diese am 11.06.2004 begründet. Er ist der Meinung, dass aufgrund des Erhalts der Leistungsstrukturen weiterhin ein gemeinsamer Betrieb vorliege. Dafür spreche indiziell auch die einheitliche Lohnbuchhaltung sowie die werbemäßige Betreuung. Zentrale Entscheidungen über die Programmgestaltung und Sonderaktionen wirkten sich auf die betriebliche Arbeitszeitgestaltung aus - ebenso wie zentrale Warenbestellungen sich auf personelle Einzelmaßnahmen auswirken würden. Der Gesamtbetriebsrat beantragt, den Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 30.01.2004 - 1 BV 25/03 - abzuändern und festzustellen, 1. dass die Beschäftigten des Betriebs der Firma K2xx G1xx Betriebsgesellschaft mbH in der R4xxxxxxxxxx 31 in 01xxx G1xx in einem von dieser und der Beteiligten zu 2) geführten Gemeinschaftsbetrieb eingesetzt werden, 2. dass der im K2xx G1xx, R4xxxxxxxxxx 31, 01xxx G1xx gebildete Betriebsrat Mitglieder in den bei der Beteiligten zu 2) gebildeten Gesamtbetriebsrat entsenden kann, 3. dass die Beschäftigten des Betriebs der Firma K2xx L3x-s8xxxxxx Betriebsgesellschaft mbH, A2 S6xxxxxxx 21, 02xxx G3xx G4xxxx in einem von dieser und der Beteiligten zu 2) geführten Gemeinschaftsbetrieb eingesetzt werden,
4. dass der im K2xx in G3xx G4xxxx (C2xxxxx), A2 S6xxxxxxx 22 gebildete Betriebsrat Mitglieder in dem bei der Beteiligten
zu 2) gebildeten Gesamtbetriebsrat entsenden kann.
Die zu 2), 4) und 6) beteiligten Arbeitgeberinnen beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie sind der Auffassung, die erforderliche einheitliche Leitungsmacht liege nicht vor. Der jeweilige Theaterleiter treffe unverändert alle wesentlichen Entscheidungen allein vor Ort und verfüge über völlig getrenntes Personal. Die Kinos in G1xx und in G3xx G4xxxx seien schon immer selbständige Betriebe gewesen. Sie seien jeweils nur dem Vermögen eines neuen Rechtsträgers zugeordnet worden.
B.
Die zulässige Beschwerde des Gesamtbetriebsrates ist unbegründet.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die Anträge abgewiesen, weil die zu 2), 4) und 6) beteiligten Arbeitgeberinnen keinen gemeinsamen Betrieb bilden und dementsprechend die zu 3) und 5) beteiligten Betriebsräte nicht berechtigt sind, in den bei der zu 2) beteiligten Arbeitgeberin bestehenden Gesamtbetriebsrat Mitglieder zu entsenden.
Nach der zutreffenden neuesten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (NZA 2004, 618; zustimmend z.B. Fitting, 22. Aufl., § 1 Rdn. 80 ff.) liegt ein Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes vor bei einer organisatorischen Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe technischer und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Dabei kann ein Betrieb auch von mehreren Unternehmen als gemeinsamer Betrieb geführt werden. Davon ist auszugehen, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Dabei müssen sich die beteiligten Unternehmen zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbinden. Die einheitliche Leitung muss sich auf die wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten erstrecken. Eine lediglich unternehmerische Zusammenarbeit genügt nicht. Vielmehr müssen die Funktionen des Arbeitgebers institutionell einheitlich für die beteiligten Unternehmen wahrgenommen werden.
In diesem Zusammenhang hat der Gesetzgeber durch die Neuregelung des § 1 Abs. 2 BetrVG den Begriff des gemeinsamen Betriebes nicht eigenständig definiert, sondern "nur" bestimmt, dass unter den in der Norm genannten Voraussetzungen ein gemeinsamer Betrieb - widerlegbar - vermutet wird (BAG, a.a.O.).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kann vorliegend nicht festgestellt werden, dass sich die zu 2), 4) und 6) beteiligten Arbeitgeberinnen zur Führung eines gemeinsamen Betriebes verbunden haben.
Der Vermutungstatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG greift nicht ein, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die drei Unternehmen mit Sitz in B1xxxx, G1xx und G3xx G4xxxx über eine Entfernung von ca. 450 bzw. 600 km ihre Arbeitnehmer gemeinsam einsetzen. Im Gegenteil ist unstreitig, dass die jeweiligen Theaterleiter vor Ort, die als leitende Angestellte geführt werden und nur den jeweiligen GmbH-Geschäftsführern unterstehen, den erforderlichen Personaleinsatz einschließlich der damit verbundenen personellen Einzelmaßnahmen selbst vornehmen und die sozialen Angelegenheiten mit "ihrem" jeweiligen Betriebsrat regeln.
Diese Gesichtspunkte sprechen entscheidend gegen das Vorliegen eines einheitlichen Leitungsapparates, wobei hinzukommt, dass die drei Geschäftsführer der zu 2) beteiligten Arbeitgeberinnen personenverschieden sind von den jeweils zwei Geschäftsführern der zu 4) und 6) beteiligten Arbeitgeberinnen. Es liegen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Personalakten einschließlich der Arbeitsverträge und sonstige Schriftstücke einheitlich geführt werden. Die zentrale Lohnbuchhaltung stellt demgegenüber kein wesentliches Indiz für das Vorliegen eines einheitlichen Betriebes dar, weil diese Aufgabe auch als Serviceleistung Dritter denkbar ist und deshalb nicht zwangsläufig auf einen einheitlichen Leitungsapparat schließen lässt.
Die in der Kooperationsvereinbarung getroffenen Absprachen über ein abgestimmtes Filmangebot und die Durchführung von Sonderaktionen sowie eine gemeinsame Werbung und einen gemeinsamen Einkauf verhalten sich "lediglich" über eine unternehmerische Zusammenarbeit, sagen aber nichts Entscheidendes darüber, ob die einheitliche Leitung sich (auch) auf die wesentlichen Funktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten erstreckt. Diese Aufgaben nehmen vorliegend für G1xx der Theaterleiter S7xxxxxx und für G3xx G4xxxx der Theaterleiter B4xxxxxx wahr, ohne dass untereinander und mit der zu 2) beteiligten Arbeitgeberin in B1xxxx ein koordiniertes Vorgehen in Gestalt eines institutionell einheitlichen Leitungsapparates erfolgt.
Schon deshalb kann sich der Betriebsrat auch nicht mit Erfolg auf die Vermutungsregel des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG berufen - abgesehen davon, dass die Tatbestandsmerkmale dieser Norm nicht erfüllt sind. So gesteht der Gesamtbetriebsrat selbst zu, dass es auch seiner Ansicht nach zu keiner Spaltung eines Unternehmens gekommen ist und keine Betriebsteile einem spaltungsbeteiligten Unternehmen zugeordnet worden sind.
Nach alledem war der Antrag in vollem Umfang abzuweisen.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache war die Rechtsbeschwerde gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
Ende der Entscheidung
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