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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 16.09.2005
Aktenzeichen: 13 TaBV 66/05
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 40 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Herford vom 12.10.2004 - 3 BV 9/04 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Anträge abgewiesen werden.

A. Die Beteiligten streiten darum, ob die Arbeitgeberin verpflichtet ist, den im Betriebsratsbüro vorhandenen PC an das betriebsinterne E-Mail-System und an das Internet anzuschließen. Die Arbeitgeberin, ein Zulieferbetrieb der Möbelindustrie, beschäftigt zur Zeit 152 Arbeitnehmer. Davon sind 27 Mitarbeiter als Angestellte im Verwaltungsbereich tätig, während die anderen 125 Mitarbeiter im gewerblichen Bereich zum Einsatz kommen. Im Verwaltungsbereich (z.B. Geschäftsleitung, Ein- und Verkauf, Buchhaltung) sind die Arbeitsplätze mit PC ausgestattet, um die dort anfallenden Aufgaben bewältigen zu können. Demgegenüber gibt es weder in den Produktionshallen noch an den einzelnen Maschinenarbeitplätzen PC; dies gilt für nahezu den gesamten Bereich der gewerblich tätigen Arbeitnehmer. Das vorhandene Netzwerk verfügt über ein E-Mail-System. Daneben haben der Geschäftsführer und der Leiter der Abteilung Konstruktion als leitender Angestellter unmittelbaren Zugriff auf das Internet - neben dem Systemadministrator zur Wartung und Pflege des gesamten Systems. Mit Schreiben vom 14.10.2003 hat der Betriebsrat die Nutzung des E-Mail-Systems sowie den Zugang zum Internet beantragt. Dies hat die Arbeitgeberin in der Folgezeit abgelehnt. Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Nutzung des E-Mail-Systems sei erforderlich, um die Belegschaft schneller und direkter als durch Aushänge an den fünf schwarzen Brettern informieren zu können. Zwar verfügten die Mitarbeiter im Produktionsbereich über keinen eigenen PC; sie könnten aber in der Regel einen in ihrer jeweiligen Abteilung vorhandenen PC nutzen. Es sei auch ein Anschluss an das Internet vorzunehmen, weil auf diese Art und Weise ein Zugriff bestehe auf arbeitsrechtliche Gesetzestexte, Kommentare, Zeitschriften und sonstige Fachliteratur. Der Betriebsrat hat beantragt, 1. die Arbeitgeberin zu verpflichten, den bereits im Betriebsratsbüro vorhandenen Personalcomputer an das betriebsinterne Intranet (betriebsinternes E-Mail-System) anzuschließen und etwaige laufende Kosten zu übernehmen, 2. die Arbeitgeberin zu verpflichten, den bereits im Betriebsratsbüro vorhandenen Personalcomputer an das Internet anzuschließen und etwaige laufende Kosten zu übernehmen. Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Sie hat darauf hingewiesen, das vorhandene E-Mail-System würde nicht dazu genutzt, betriebliche Belange, namentlich im Bereich der Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrats, zu vermitteln, zumal ein Großteil der Belegschaft über einen PC gar nicht erreichbar sei. Davon abgesehen wäre es mit einem erheblichen Kostenaufwand verbunden, den PC des Betriebsrats entsprechend nachzurüsten. Vergleichbare Erwägungen würden auch für den Internet-Anschluss gelten. Insoweit komme hinzu, dass im gesamten Betrieb nur an drei Arbeitsplätzen ein Internetzugang vorhanden sei. Das Internet werde also nicht zu Kommunikationszwecken und zur Informationsverbreitung genutzt. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 12.10.2004 die Anträge des Betriebrats "zurückgewiesen". Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Arbeitgeberin die nachvollziehbare unternehmerische Entscheidung getroffen habe, dass auf das Internet - neben der Geschäftsleitung und dem Leiter der Abteilung Konstruktion - nur der Systemadministrator Zugriff habe. Bei einer derartigen betrieblichen Struktur stehe dem Betriebsrat kein solcher Anspruch zu. Entsprechendes gelte auch für das E-Mail-System. Denn selbst wenn man zugunsten des Betriebsrats davon ausgehe, 25% der Gesamtbelegschaft verfügten über einen PC, dann könne der Betriebsrat mit seinen Informationen regelmäßig nur einen geringen Teil von Mitarbeitern über das System erreichen. Gegen diesen ihm am 18.03.2005 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat am 11.04.2005 Beschwerde eingelegt und diese am 10.05.2005 begründet.

Der Betriebsrat ist der Ansicht, unter Berücksichtigung der technischen Ausstattung im Verwaltungsbereich wäre er zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass der Zugang zum Internet der Erledigung seiner gesetzlichen Aufgaben diene. Um mit der Geschäftsleitung, die das Internet nutze, auf "Augenhöhe" zu bleiben, müsse auch ihm diese Möglichkeit eröffnet werden. Die Nutzung des E-Mail-Systems gewährleiste ihm im Rahmen der gesetzlichen Aufgaben die rechtzeitige und umfassende Information der Belegschaft - namentlich auch der Kolleginnen und Kollegen im Verwaltungsbereich, für die eine Hemmschwelle bestehe, sich am schwarzen Brett, das sich auf dem Flur der Geschäftsleitung befinde, zu informieren. Der Betriebsrat beantragt, den Beschluss des Arbeitsgerichts Herford vom 12.10.2004 - 3 BV 9/04 - abzuändern und die Arbeitgeberin zu verpflichten, den bereits im Betriebsratsbüro vorhandenen Personalcomputer

1. an das betriebsinterne E-Mail-System und 2. an das Internet anzuschließen. Die Arbeitgeberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie streicht heraus, es bestehe bei ihr keine elektronische Infrastruktur, die es gebiete, dem Betriebsrat einen Internet-Zugang zu gewähren. So verfügten auch weder der Betriebsleiter noch der kaufmännische Leiter und der Personalleiter über einen solchen Zugang. Für das E-Mail-System sei daneben wesentlich, dass es nicht als Medium zur Verbreitung von Informationen innerhalb des Betriebs genutzt werde. Wegen der nur etwa zu 20% mit einem PC ausgestatteten Arbeitsplätze wäre der Betriebsrat auch faktisch nicht in der Lage, den Großteil der Mitarbeiter zu erreichen. B. Die zulässige Beschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht entschieden, dass ihm gegenüber der Arbeitgeberin kein aus § 40 Abs. 2 BetrVG ableitbarer Anspruch zusteht, an das Internet und an das betriebsinterne E-Mail-System angeschlossen zu werden. Nach § 40 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat für die laufende Geschäftsführung in erforderlichem Umfang sachliche Mittel zur Verfügung zu stellen. In der ab dem 28.07.2001 geltenden Gesetzesfassung ist nunmehr ausdrücklich bestimmt, dass dazu auch Informations- und Kommunikationstechnik zählt. Die in jedem Einzelfall vorzunehmende Prüfung, ob das verlangte Sachmittel für die Erledigung von Betriebsratsaufgaben erforderlich ist, obliegt dem Betriebsrat. Die Entscheidung darf er nicht allein an seinen subjektiven Bedürfnissen ausrichten, sondern muss einerseits die sich ihm stellenden Aufgaben und andererseits die betrieblichen Verhältnisse berücksichtigen. Dabei hat er die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts und die berechtigten Belange des Arbeitgebers, auch soweit sie auf eine Begrenzung seiner Kostentragungspflicht gerichtet sind, im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums gegeneinander abzuwägen (zuletzt z. B. BAG AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 65, 79). Ausgehend von diesen Erwägungen, sind die Ansprüche des Betriebsrats hier ungerechtfertigt. I. Zwar handelt es sich beim Internet um Kommunikationstechnik im Sinne des § 40 Abs. 2 BetrVG. Der Betriebsrat durfte aber den Zugang zu diesem Medium angesichts der konkreten betrieblichen Verhältnisse und der sich ihm stellenden Aufgaben als Mittel zur Informationsbeschaffung nicht für erforderlich halten. Allerdings ist das Internet geeignet, dem Betriebsrat auf schnellem Weg über arbeits- und betriebsverfassungsrechtliche Entwicklungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung zu unterrichten und ihn über Suchmaschinen in den Stand zu versetzen, sich über einzelne betriebliche Problemstellungen umfassend zu informieren. Trotzdem ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die konkreten betrieblichen Verhältnisse einen Einsatz des Internet als Mittel zur Informationsbeschaffung erforderlich machen (vgl. hier und im folgenden: BAG AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 79). Insoweit ergibt sich hier, dass zwar der Geschäftsführer und der Leiter der Abteilung Konstruktion sowie der Systemadministrator im Rahmen ihrer Aufgabenstellungen Zugang zum Internet haben. Sie verfolgen damit aber andere Ziele als die laufende Geschäftsführung des Betriebsrats. Soweit sich die Aufgaben von Betriebsrat und Arbeitgeber berühren, etwa bei der betrieblichen Mitwirkung und Mitbestimmung, sind die dazu auf Arbeitgeberseite berufenen Vertreter, namentlich der Personal- und der Betriebsleiter, nicht an das Internet angeschlossen - ebenso wenig wie alle anderen mit einem PC ausgestatteten Arbeitsplätze. Anders als in dem vom BAG (a.a.O.) entschiedenen Fall mit einer fortgeschrittenen elektronischen Infrastruktur hat sich also hier im Betrieb der Arbeitgeberin die technische Entwicklung (noch) nicht der Gestalt niedergeschlagen, dass das Internet als Mittel zur Informationsbeschaffung des Betriebsrats für erforderlich gehalten werden durfte. II. Entsprechende Erwägungen gelten für das Begehren des Betriebsrats auf Zugang zum betriebsinternen E-Mail-System. Nach den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen der Arbeitgeberin wird nämlich das installierte System ausschließlich dazu genutzt, die täglich anfallenden Arbeitsaufgaben im Verwaltungsbereich zu erledigen; so sind auch nur die dort angesiedelten 27 Arbeitsplätze mit einem PC ausgestattet. Soweit sich hingegen die Aufgaben von Betriebsrat und Arbeitgeber berühren, etwa bei der betrieblichen Mitwirkung und Mitbestimmung, kommt das E-Mail-System nicht zum Einsatz. Es kann nicht allgemein als übliches betriebliches Kommunikationsmittel klassifiziert werden (vgl. zum Intranet: BAG AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 78, 82). Dies scheitert bereits an der fehlenden Ausstattung mit PC im Produktionsbereich, wodurch über 80 Prozent der Gesamtbelegschaft von sicheren Informationen via E-Mail-System abgeschnitten sind. Denn selbst wenn die dort tätigen 152 Mitarbeiter die Möglichkeit haben sollten, auf einen in der jeweiligen Abteilung vorhandenen PC zuzugreifen, wäre damit nicht gewährleistet, dass jeder einzelne Arbeitnehmer tatsächlich auch erreicht würde; es bestände nämlich die Gefahr, dass eine E-Mail von einen der übrigen Nutzer gelesen oder ungelesen gelöscht würde (vgl. BAG AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 78). Aufgrund dieser konkreten betrieblichen Verhältnisse konnte es der Betriebsrat nicht für erforderlich halten, an das E-Mail-System angeschlossen zu werden. Es gewährleistet nämlich nicht, alle von ihm zu gebenden Informationen der Gesamtbelegschaft und nicht nur knapp 18 Prozent davon im Verwaltungsbereich auf gleiche Art und Weise sicher zugänglich zu machen. Diesem gesetzlichen Anliegen kann hier (weiterhin) nur dadurch Rechnung getragen werden, dass der Betriebsrat seine Informationen mündlich in Betriebsversammlungen und Sprechstunden oder schriftlich durch Aushänge an den vorhandenen fünf schwarzen Brettern oder durch Rundbriefe an die gesamte Belegschaft weitergibt. Die vom Betriebsrat geschilderten Hemmschwelle für Angestellte im Verwaltungsbereich, sich am dortigen schwarzen Brett zu informieren, könnte auf andere Art und Weise, zum Beispiel durch das direkte Versenden von Rundbriefen, Rechnung getragen werden. - Wenn ein Arbeitnehmer außerhalb von Sprechstunden während der Arbeitszeit direkten Kontakt mit dem Betriebsrat aufnehmen will, muss er sich in jedem Einzelfall bei seinem Vorgesetzten abmelden, so dass eine Information des Arbeitgebers systemimmanent ist. Auch diese Gesichtspunkte können es also nicht rechtfertigen, den Betriebsrat an das betriebsinterne E-Mail-System anzuschließen. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.

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