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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 04.04.2008
Aktenzeichen: 13 TaBV 88/07
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2
BetrVG § 99 Abs. 4
BetrVG § 100 Abs. 2
Ohne die dem Betriebsrat gegenüber erfolgte Darlegung konkreter Gründe für die sachliche Dringlichkeit kann dem Antrag des Arbeitgebers, festzustellen, dass die personelle Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war (§ 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG), nicht stattgegeben werden.
Tenor:

Auf die Beschwerde des Betriebsrates - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen - wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 27.06.2007 - 3 BV 13/07 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Zustimmung des Betriebsrates zur Einstellung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Y1 L1, K5 H2, S3 H3, F3 B3, M3 D2 L2, O1 M4 und M5 S4 wird ersetzt.

Im Übrigen werden die Anträge abgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird für die Arbeitgeberin zugelassen.

Für den Betriebsrat wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die Beteiligten streiten über die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Einstellung von sieben Arbeitnehmern; des Weiteren wird arbeitgeberseits die Feststellung begehrt, dass die vorläufige Durchführung der personellen Maßnahmen dringend erforderlich war.

Die antragstellende Arbeitgeberin betreibt ein Repro-Unternehmen mit ca. 150 Arbeitnehmern. Sie gehört keinem Arbeitgeberverband an.

Unter dem 05.05.2004 wurde mit dem Betriebsrat eine "Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit" (im folgenden kurz: BV-Arbeitszeit) geschlossen, die auszugsweise wie folgt lautet:

§ 2 Regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit

Die Regelarbeitszeit für alle in Vollzeit beschäftigten Arbeitnehmer verteilt sich auf 5 Werktage im Zeitraum Montag bis Freitag. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt derzeit 38,5 Stunden.

Wegen des weiteren Inhalts der Betriebsvereinbarung wird verwiesen auf die mit Antragsschriftsatz vom 05.04.2007 eingereichte Kopie (Bl. 9 ff. d. A.).

Mit Schreiben vom 13.03.2007 (Bl.6 d. A.) hörte die Arbeitgeberin den Betriebsrat zur beabsichtigten Einstellung der Frau L1 als ArtPro-Operator an. Am 16.03.2007 forderte der Betriebsrat weitere Informationen an, nämlich Bewerbungsunterlagen und Vorstellungsgesprächsprotokolle. Für den folgenden Montag, den 19.03.2007, stellte die Arbeitgeberin diese Unterlagen zur Einsicht bereit. Daraufhin teilte der Betriebsrat am 26.03.2007 (Bl. 7 d. A.) schriftlich mit, er widerspreche der beabsichtigten Einstellung. Zur Begründung führt er unter anderem aus:

1. Der Arbeitsvertrag ... sieht eine Beschäftigung von 40 Stunden in der Woche vor.

Die von uns unter dem 05.05.2004 abgeschlossene Betriebsvereinbarung über die Arbeitszeit geht hingegen von einer wöchentlichen Arbeitszeit im Umfang von 38,5 Stunden aus.

Die Einstellung widerspricht daher der geltenden Betriebsvereinbarung.

Mit Schreiben vom 02.04.2007 (Bl. 15 d. A.) informierte die Arbeitgeberin den Betriebsrat über ihre Absicht, Frau L1 ab diesem Tag vorläufig einzustellen; am 04.04.2007 bestritt der Betriebsrat die Dringlichkeit (Bl. 224 d. A.). Daraufhin stellte die Arbeitgeberin am 05.04.2007 beim Arbeitsgericht - neben dem Begehren nach § 99 Abs. 4 BetrVG - einen Antrag nach § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG.

Mit Schreiben vom 26.03.2007 (Bl. 4 d. A. in 3 BV 20/07) unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat über die beabsichtigte Einstellung der Frau H2 im Bereich des Customer Service. Dem widersprach der Betriebsrat ebenfalls in dem bereits zitierten Schreiben vom 26.03.2007 (Bl. 7 f. d. A.) mit der darin abgegebenen Begründung.

Am 16.04.2007 (Bl. 79 d. A.) informierte die Arbeitgeberin den Betriebsrat darüber, die Bewerberin H2 am 16.04.2007 vorläufig einzustellen. Am 20.04.2007 (Bl. 80 d. A.) bestritt der Betriebsrat schriftlich die Dringlichkeit. Daraufhin leitete die Arbeitgeberin am 23.04.2007 ein Beschlussverfahren nach § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG ein, nachdem sie bereits am 19.04.2007 ein Zustimmungsersetzungsantrag gestellt hatte.

Mit Schreiben vom 12.04.2007 (Bl. 92 d. A.) teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat ihre Absicht mit, Frau H3 spätestens ab dem 01.05.2007 als ArtworX-Operator einzustellen. Dem widersprach der Betriebsrat mit Schreiben vom 18.04.2007 (Bl. 93 f. d. A.) mit den gleichen Gründen wie im Widerspruchsschreiben vom 26.03.2007.

Am 02.05.2007 (Bl. 32 d. A.) erfolgte sodann die Mitteilung über die vorläufige Einstellung zu dem genannten Tag, deren Dringlichkeit der Betriebsrat ebenfalls noch am 02.05.2007 bestritt (Bl. 96 d. A.). Daraufhin leitete die Arbeitgeberin am 07.05.2007 das Beschlussverfahren nach § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG ein; zuvor hatte sie bereits am 25.04.2007 das Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG anhängig gemacht.

Durch Schreiben vom 27.04.2007 (Bl. 107 d. A.) beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Zustimmung zur Einstellung von Frau D2 L2 als Personalsachbearbeiterin ab dem 15.06.2007. Dem widersprach der Betriebsrat mit Schreiben vom 02.05.2007 (Bl. 108 f. d. A.). unter Berufung auf die Gründe wie im Widerspruch vom 26.03.2007.

Am 15.06.2007 (Bl. 118 d. A.) wurde dem Betriebsrat mitgeteilt, die Einstellung ab diesem Tag vorläufig durchzuführen. Noch am 15.06.2007 (Bl. 119 d. A.) bestritt der Betriebsrat die Dringlichkeit. Daraufhin stellte die Arbeitgeberin in dem bereits am 08.05.2007 eingeleiteten Zustimmungsersetzungsverfahren am 18.06.2007 zusätzlich den Antrag nach § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG.

Mit Schreiben vom 30.04.2007 (Bl. 4 d. A. in 5 BV 25/07) informierte die Arbeitgeberin den Betriebsrat über ihre Absicht, Herrn S4 ab dem 07.05.2007 als Customer Service Mitarbeiter einzustellen. Dem widersprach der Betriebsrat mit Schreiben vom 02.05.2007 (Bl. 5 f. d. A. in 5 BV 25/07) unter Wiederholung der Gründe aus dem Widerspruchsschreiben vom 26.03.2007.

Am 07.05.2007 (Bl. 19 d. A. in 5 BV 25/07) informierte die Arbeitgeberin den Betriebsrat

darüber, ab dem Tag eine vorläufige Einstellung vorzunehmen. Die Dringlichkeit bestritt der Betriebsrat am 08.05.2007 (Bl. 20 d. A. in 5 BV 25/07). Daraufhin stellte die Arbeitgeberin am 11.05.2007 einen Antrag nach § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG, nachdem sie mit Schriftsatz vom 07.05.2007 bereits ein Zustimmungsersetzungsverfahren eingeleitet hatte.

Am 02.05.2007 (Bl. 102 d. A.) wurde der Betriebsrat über die beabsichtigte Einstellung des Herrn B3 als Leiter Marketing & Business Development ab dem 01.06.2007 unterrichtet. Am 09.05.2007 (Bl. 103 f. d. A.) widersprach der Betriebsrat der beabsichtigten Maßnahme und stützte sich dabei auf die Gründe wie im Widerspruchsschreiben vom 26.03.2007.

Am 01.06.2007 (Bl. 61 d. A.) teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, dass sie den Bewerber B3 ab dem Tag vorläufig einstellen werde. Am 04.06.2007 (Bl. 62 d. A.) bestritt der Betriebsrat die Dringlichkeit. Daraufhin stellte die Arbeitgeberin am 06.06.2007 in dem bereits am 14.05.2007 eingeleiteten Zustimmungsersetzungsverfahren zusätzlich einen Antrag nach § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG.

Am 09.05.2007 (Bl. 97 d. A.) unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat, Herrn M4 als Versandmitarbeiter ab dem 21.05.2007 einstellen zu wollen. Dem widersprach der Betriebsrat am 16.05.2007 (Bl. 98 f. d. A.) - unter Berufung auf die Gründe wie im Widerspruchsschreiben vom 26.03.2007.

Am 21.05.2007 (Bl. 100 d. A.) erfolgte die Mitteilung der Arbeitgeberin an den Betriebsrat, Herrn M4 ab dem Tag vorläufig einzustellen. Der Betriebsrat bestritt am Folgetag die Dringlichkeit der Maßnahme (Bl. 37 d. A.). Daraufhin stellte die Arbeitgeberin am 25.05.2007 in dem zwei Tage zuvor eingeleiteten Zustimmungsersetzungsverfahren zusätzlich den Antrag nach § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG.

Die Arbeitgeberin hat die Meinung vertreten, § 2 der BV-Arbeitszeit stehe der individuellen Vereinbarung der 40-Stunden-Woche und damit auch den beabsichtigten Einstellungen nicht entgegen. Aus dringenden Gründen sei die vorläufige Durchführung der personellen Einzelmaßnahmen erforderlich gewesen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

I.

1. Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Einstellung der Arbeitnehmerin Frau Y1 L1 zu ersetzen.

2. Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Einstellung der Arbeitnehmerin Frau K5 H2 zu ersetzen.

3. Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Einstellung der Arbeitnehmerin Frau S3 H3 zu ersetzen.

4. Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Einstellung der Arbeitnehmerin Frau M3 D2 L2 zu ersetzen.

5. Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Einstellung des Arbeitnehmers Herrn F3 B3 zu ersetzen.

6. Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Einstellung des Arbeitnehmers M5 S4 zu ersetzen.

7. Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Einstellung des Arbeitnehmers Herrn O1 M4 zu ersetzen.

II.

1. Festzustellen, dass die am 02.04.2007 vorgenommene vorläufige Einstellung von Frau Y1 L1 aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist.

2. Festzustellen, dass die am 16.04.2007 vorgenommene vorläufige Einstellung von Frau K5 H2 aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist.

3. Festzustellen, dass die am 01.05.2007 vorgenommene vorläufige Einstellung von Frau H3 aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist.

4. Festzustellen, dass die am 18.06.2007 vorgenommene vorläufige Einstellung von Frau D2 L2 aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist.

5. Festzustellen, dass die am 21.05.2007 vorgenommene vorläufige Einstellung von Herrn M4 aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist.

6. Festzustellen, dass die am 05.06.2007 vorgenommene Einstellung von Herrn B3 aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist.

7. Festzustellen, dass die am 07.05.2007 vorgenommene Einstellung von Herrn S4 aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist.

Der Betriebsrat hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, in allen Fällen zu Recht die Zustimmung zur Einstellung verweigert zu haben, weil noch keine mitbestimmte Vereinbarung über die Verteilung der 40 statt der bislang geltenden 38,5 Wochenstunden vorliege. - Davon abgesehen sei die Unterrichtung im Rahmen des § 100 BetrVG nicht unverzüglich und darüber hinaus auch unvollständig erfolgt.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 27.06.2007 den arbeitgeberseitigen Anträgen stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, in allen Fällen sei der Betriebsrat ordnungsgemäß über die beabsichtigten Einstellungen informiert worden. Die versagten Zustimmungen seien zu ersetzen, weil es keine verbindliche Regelung im Betrieb gebe, die die Beschäftigung von Arbeitnehmern über 38,5 Wochenstunden hinaus untersage.

Den Anträgen nach § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG sei auch zu entsprechen gewesen, weil nicht habe festgestellt werden können, dass die Arbeitgeberin die sachliche Notwendigkeit für eine alsbaldige Einstellung der sieben Betroffenen in grober Weise verkannt habe.

Gegen den arbeitsgerichtlichen Beschluss wendet sich der Betriebsrat mit der Beschwerde und wiederholt dabei sein erstinstanzliches Vorbringen. Er streicht u.a. nochmals heraus, dass er in jedem Fall im Rahmen des § 100 BetrVG unvollständig bzw. verspätet angehört worden sei.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 27.06.2007 - 3 BV 13/07 - abzuändern und die Anträge abzuweisen.

Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens beantragt die Arbeitgeberin,

die Beschwerde zurückzuweisen.

B.

Die Beschwerde des Betriebsrates ist, soweit sie sich gegen die arbeitsgerichtliche Feststellung wendet, dass die vorgenommene vorläufige Einstellung in sieben Fällen aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war, begründet; im Übrigen war sie als unbegründet zurückzuweisen.

I.

Den Antrag der Arbeitgeberin auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zu den sieben Einstellungen der Mitarbeiter L1, H2, H3, D2 L2, S4, B3 und M4 ist zu Recht stattgegeben worden.

1. In dem Zusammenhang kann hinsichtlich der Punkte, dass die Arbeitgeberin dem Betriebsrat im Rahmen des § 99 Abs. 1 S. 1, S. 2 BetrVG im erforderlichen Umfang unterrichtet und der Betriebsrat allen Einstellungen ordnungsgemäß nach § 99 Abs. 3 S. 1 BetrVG die Zustimmung verweigert hat, zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen werden auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter B. II. 1. b.) der erstinstanzlichen Gründe.

2. Der aus den jeweiligen betriebsrätlichen Widerspruchsschreiben zu entnehmende Grund, nämlich dass die sieben Arbeitnehmer entgegen einer in § 2 Abs. 1 S. 2 der BV-Arbeitszeit festgelegten 38,5-Stunden-Woche mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt werden sollen, rechtfertigt keine Verweigerung der Zustimmung zur Einstellung nach § 99 Abs. 2 BetrVG.

Denn nach zutreffender Meinung (zuletzt z.B. BAG, Beschl. v. 14.12.2004 - 1 ABR 54/03 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 121; Beschl. v. 28.03.2000 - 1 ABR 16/99 - AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 27; Fitting, 24. Aufl., § 99 Rdnr. 109, jeweils m. w. N.) setzt namentlich § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG voraus, dass - dem Wortlaut entsprechend - die personelle Maßnahme selbst und nicht "nur" einzelne Arbeitsvertragsbestimmungen gegen den dort genannten Normenkatalog, z. B. eine Betriebsvereinbarung, verstoßen müssen. Das Beteiligungsrecht des Betriebsrates namentlich bei Einstellungen dient also keiner umfassenden Vertragskontrolle und kann nicht die Beschäftigung zu normgemäßen Bedingungen erzwingen.

Hier hatte der Betriebsrat ausweislich seines Widerspruchsschreibens nichts gegen die Einstellung der sieben Arbeitnehmer an sich; vielmehr zielte sein Einwand "nur" darauf, dass die Betroffenen in Abweichung von der Regelung in § 2 der BV-Arbeitszeit 1,5 Stunden pro Woche mehr arbeiten sollten. Es ging ihm also konkret um die Ausgestaltung einer bestimmten materiellen Arbeitsbedingung. Dieser Gesichtspunkt kann nicht die Zustimmungsverweigerung rechtfertigen, sondern allenfalls arbeitszeitrechtliche Fragen im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG aufwerfen; in dem Zusammenhang soll allerdings im Hinblick auf § 2 Abs. 1 S. 2 der BV-Arbeitszeit nicht unerwähnt bleiben, dass die Dauer der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates entzogen ist (zuletzt BAG, Beschl. v. 24.01.2006 - 1 ABR 6/05 - AP ArbZG § 3 Nr. 8).

II.

Dem Feststellungsantrag der Arbeitgeberin gemäß § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG war aber in allen sieben Einstellungsfällen der Erfolg zu versagen, weil die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt wurden.

Nach § 100 Abs. 2 S. 1 BetrVG ist es die Pflicht des Arbeitgebers, im Falle einer beabsichtigten vorläufigen Durchführung der personellen Maßnahme den Betriebsrat davon unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB), zu unterrichten. Dabei hat er - für den Betriebsrat nachvollziehbar - die sachliche Dringlichkeit darzulegen (DKK/Kittner/Bachner, 10. Aufl., §§ 99,100 Rdnr. 15; ErfK/Kania, 8. Aufl., § 100 Rdnr. 3; Fitting, a.a.O., § 100 Rdnr.8; GK-Kraft/Raab, 8. Aufl., § 100 Rdnr. 23; Richardi/Thüsing, 11. Aufl., § 100 Rdnr. 15), um sicherzustellen, dass nur unaufschiebbare personelle Maßnahmen vor Abschluss des Regelverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG einstweilen durchgeführt werden (vgl. BT-Drucksache VI/1786, S. 52).

Diesen Anforderungen ist die Arbeitgeberin hier nicht gerecht geworden.

1. So hat sie im Falle L1 im Anschluss an ein fast zwei Wochen dauerndes Unterrichtungsverfahren nach Erhalt des Widerspruchs am 26.03.2007 eine weitere Woche zugewartet, bevor sie erst am Tag der Arbeitsaufnahme der Betroffenen am 02.04.2007 den Betriebsrat von ihrer Absicht der vorläufigen Durchführung einer Einstellung unterrichtete. Zur Begründung berief sie sich dabei nur allgemein auf dringend benötigte Kapazitäten im Personalbereich Kraft, ohne dem Betriebsrat im Einzelnen darzulegen, woraus sich die Dringlichkeit für den sofortigen Einsatz eines weiteren ArtPro-Operators ergab.

Aus dieser Verletzung des § 100 Abs. 2 S. 1 BetrVG folgt, dass es der Arbeitgeberin betriebsverfassungsrechtlich verwehrt war und ist, in Vollzug des mit Schreiben vom 02.04.2007 eingeleiteten Verfahrens die Einstellung von Frau L1 vorläufig vorzunehmen (vgl. ErfK/Kania, a.a.O.; GK-Kraft/Raab, a.a.O.).

2. Entsprechende Erwägungen wie soeben unter B. II. 1. der Gründe führen auch in den anderen Fällen dazu, den Feststellungsantrag abschlägig zu bescheiden.

a) So wartete die Arbeitgeberin im Falle H2 nach dem am 26.03.2007 erfolgten Widerspruch des Betriebsrates drei Wochen, bevor sie erst am 16.04.2007 die Mitteilung über den sofort erfolgenden Einsatz als Customer Service Mitarbeiterin machte. Dabei beschränkte sie sich auf allgemeine Hinweise zur unzureichenden Personalausstattung in dem genannten Bereich, anstatt z. B. anhand von Zahlen dem Betriebsrat nachvollziehbar darzulegen, woraus sich ein sofort zu befriedigender dringender Personalbedarf ergab.

b) Im Falle H3 nahm die Arbeitgeberin sich nach dem erfolgten Widerspruch am 18.04.2007 auch zwei Wochen Zeit, bevor sie am 02.05.2007 den sofortigen Einsatz der Arbeitnehmerin veranlasste. In dem an diesem Tag verfassten Schreiben an den Betriebsrat legte sie nicht dar, wie sich die aktuelle Auftragssituation im ArtworX-Operator-Bereich darstellte und woraus sich nach dem bereits am 28.03.2007 erfolgten tatsächlichen Ausscheiden des Arbeitnehmers R2 welche dringenden Kapazitätsengpässe ergaben.

c) Im Falle D2 L2 wartete die Arbeitgeberin nach dem vom 02.05.2007 stammenden Widerspruch des Betriebsrates sogar sechs Wochen, bevor sie erst am 15.06.2007 die Dringlichkeit der vorläufigen Einstellung anzeigte und sie auch sofort umsetzte. In der Begründung werden auch hier wieder nur allgemeine Erwägungen zu personellen Kapazitätsengpässen und einer nicht bedarfsgerechten Leistungsfähigkeit der Personalabteilung angestellt, anstatt dem Betriebsrat nachvollziehbare Fakten dazu mitzuteilen, warum eine unverzügliche Besetzung der Stelle erforderlich war.

d) Im Falle des als Customer Service Mitarbeiter zum Einsatz kommenden Arbeitnehmers S4 wählte die Arbeitgeberin in ihrem Schreiben an den Betriebsrat vom 07.05.2007 eine wortgleiche Begründung wie im Falle H2. Deshalb kann insoweit auf die Ausführungen unter B. II. 2. a) der Gründe Bezug genommen werden.

e) Im Falle B3 nahm sich die Arbeitgeberin nach dem am 09.05.2007 erfolgten Widerspruch über drei Wochen Zeit, bevor sie erst am 01.06.2007 die zeitgleich vorgenommene vorläufige Einstellung gegenüber dem Betriebsrat begründete. In dem Schreiben legte sie nicht nachvollziehbar dar, warum im Bereich Sales & New Business wann die drei Mitarbeiter P2, G4 und B5 abgezogen worden sind und warum es zur Erlangung von Neukunden unverzichtbar war, umgehend einen neuen Leiter Marketing & Business Development zum Einsatz zu bringen.

f) Schließlich lässt sich auch im Falle M4 dem arbeitgeberseitigen Begründungsschreiben vom 21.05.2007 nicht entnehmen, wie die aktuelle Auftrags- und Personalsituation im Versand aussah und warum sie es erforderlich machte, bei einer "nur" dreiwöchigen Urlaubsabwesenheit von Nikolic einen anderen Arbeitnehmer ab 21.05.2007 ohne eine kurzzeitige Befristung im Versand einzusetzen.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde für den Betriebsrat sind nicht gegeben.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage zum Verständnis des § 100 Abs. 2 S. 1 BetrVG war für die Arbeitgeberin die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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