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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 11.12.2006
Aktenzeichen: 13 TaBV 96/06
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 98
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 25.09.2006 - 5 BV 203/06 - wird zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung findet kein Rechtsmittel statt

Gründe:

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wurde abgesehen (vgl. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO).

II.

Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet.

Denn zu Recht hat das Arbeitsgericht, gestützt auf § 6 Ziff. 2 des Interessenausgleichs und Sozialtarifvertrages vom 12.05.2006, eine Einigungsstelle zur Aufstellung eines Sozialplans aus Anlass der Zusammenlegung des Betriebes D1xxxxxx mit den Betrieben in H2xxx und D3xxxxxxxx eingerichtet. Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin besteht keine offensichtliche Unzuständigkeit gemäß § 98 Abs. 1 S. 2 ArbGG.

Davon kann allgemein nur dann ausgegangen werden, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt, sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar also nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand subsumieren lässt (vgl. z. B. LAG Hamm NZA-RR 2003, 637; Beschluss vom 17.08.2006 - 13 TaBV 59/06; Beschluss vom 09.10.2006 - 10 TaBV 84/06; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 5. Aufl., § 98 Rdnr. 11 m. w. N.). Nur durch eine solche weitgehende Einschränkung der Zuständigkeitsprüfung, die das Bestellungsverfahren nicht mit der (zeitraubenden) Lösung schwieriger rechtlicher Probleme belastet, ist gewährleistet, dass eine formal funktionsfähige Einigungsstelle schnell gebildet wird (BAG AP BetrVG 1972 § 76 Nr. 11). In ihr sind dann die aufgeworfenen Rechtsfragen einer Klärung zuzuführen, wobei es anschließend im Rahmen des § 76 Abs. 5 Satz 4 ArbGG dem Arbeitsgericht zukommen kann, in Kammerbesetzung und nicht durch den Vorsitzenden allein eine abschließende Entscheidung zu treffen.

Nach diesen Grundsätzen kann hier im Hinblick auf die Regelungen in § 6 Ziff. 2 des Interessenausgleichs und Sozialtarifvertrages vom 12.05.2006 von keiner offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle ausgegangen werden. In dem Zusammenhang folgt die Kammer den ausführlichen und zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter B. II. der Gründe und nimmt auf sie zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug.

Die Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz, der sich über mehr als acht Seiten zur Frage der Offensichtlichkeit verhält, geben lediglich zu folgenden ergänzenden Bemerkungen Anlass:

Würde man der Arbeitgeberin folgen und den Sinn des § 6 Ziff. 2 des Interessenausgleichs und Sozialtarifvertrages allein darin sehen, bei einer späteren Betriebsänderung eine "weitergehende Verhandlungspflicht" auch hinsichtlich eines Sozialplans zu schaffen, stellt sich zunächst die Frage, wie diese Argumentation mit der Bestimmung in § 1 Ziff. 3 des genannten Regelungswerkes in Einklang zu bringen ist, wonach "weitergehende Betriebsänderungen ... nicht erfasst sind".

Im Übrigen ergibt sich aufgrund der beschränkten Verweisung in § 112a Abs. 2 S. 1 BetrVG, wonach "lediglich" § 112 Abs. 4, Abs. 5 BetrVG über die Erzwingbarkeit eines Sozialplans bei neu gegründeten Unternehmen unanwendbar sind, dass bei Betriebsänderungen immer nach erfolgter Unterrichtung mit dem Betriebsrat zu beraten (§ 111 S. 1 BetrVG) und gegebenenfalls auch das Vermittlungs- und/ oder Einigungsstellenverfahren nach § 112 Abs. 2, Abs. 3 BetrVG eröffnet ist. Vor diesem Hintergrund liefe die Regelung des § 6 Ziff. 2 des Interessenausgleichs und Sozialtarifvertrages, würde man sie im Sinne der Arbeitgeberin verstehen, ins Leere bzw. würden die gesetzlichen Vorgaben durch die Beschränkung auf einen bloßen Verhandlungsanspruch möglicherweise auch unzulässig eingeschränkt.

Aus einer systematischen Betrachtung ergibt sich vielmehr, dass die genannte Bestimmung erkennbar eingebettet ist in das Konzept der Arbeitgeberin als Erwerberin von 28 sogenannten Fortführungsstandorten zuzüglich der Verwaltung in D3xxxxxxxx. Sollten in dem Zusammenhang bei der Verlegung von Standorten ausgleichspflichtige wirtschaftliche Nachteile entstehen, und zwar gegebenenfalls auch noch nach Durchführung der Maßnahmen (!), ist insoweit gemäß § 6 Ziff. 2 S. 1 des Interessenausgleichs und Sozialtarifvertrages über den "erforderlich werden" Sozialplan zu verhandeln, und ist sodann nach der klarstellenden Bestimmung des § 6 Ziff. 2 S. 3 des Interessenausgleichs und Sozialtarifvertrages zwischen dem Betriebsrat und der Arbeitgeberin abzuschließen.

Ohne weiteres plausibel wird diese ungeachtet des betriebsverfassungsrechtlichen Rahmens getroffenen Regelung, wenn man die Hinweise des Betriebsrates berücksichtigt, dass man bei den sehr komplexen Verhandlungen über den Interessenausgleich und Sozialtarifvertrag die relativ untergeordnete Problematik des Ausgleichs von Nachteilen durch die Zusammenlegung einiger weniger Standorte ausgespart und der Regelungsverantwortung der Arbeitgeberin und dem jeweils örtlich zuständigen Betriebsrat zugewiesen habe; nur deshalb habe auch die Arbeitgeberin den Vertrag unterschrieben. Im Übrigen habe man so ausgeschlossen, dass das nach der Insolvenzordnung begrenzte Sozialplanvolumen zusätzlich belastet worden sei.

Ende der Entscheidung

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