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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 16.10.2007
Aktenzeichen: 14 Sa 1416/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, GA Metallindustrie NRW 2006


Vorschriften:

BGB § 611
ZPO § 259
GA Metallindustrie NRW 2006 § 2
GA Metallindustrie NRW 2006 § 5
GA Metallindustrie NRW 2006 § 6
Teilweise Parallelentscheidung zu LAG Hamm, Urteil vom 16.10.2007 - 14 Sa 1415/07
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund (8 Ca 618/07) vom 2. Mai 2007 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 398,82 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit 26. Februar 2007 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger ab Februar 2007 eine außertarifliche Zulage in Höhe von 66,47 Euro brutto monatlich zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 8,5 Prozent, die Beklagte zu 91,5 Prozent.

Der Streitwert wird auf 2.942,92 Euro festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Tariferhöhung nach dem Gehaltsabkommen für die Metallindustrie Nordrhein-Westfalens vom 22. April 2006 (GA 2006) auf eine dem Kläger gewährte Zulage angerechnet werden kann.

Der am 4. August 1955 geborene Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern seit dem 1. September 1973 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme die Tarifverträge für die Metallindustrie Nordrhein-Westfalens Anwendung. In dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 16. April/12. Mai 1998 (Bl. 23 ff. d. A.) heißt es unter anderem:

2. Vergütung

Als Vergütung für Ihre Tätigkeit erhalten Sie folgendes Bruttogehalt:

 Tarifgehalt nach Gruppe T5 nach dem 3. Beschäftigungsjahr DM 5.910,00
5,5 % tarifliche Leistungszulage DM 325,00
übertarifliche Zulage DM 130,00
Monats-Bruttogehalt DM 6.365,00

...

Auf die persönliche (übertarifliche) Zulage können künftige Erhöhungen sowohl tariflicher als betrieblicher Entgeltbestandteile angerechnet werden.

Das GA 2006 sieht eine Erhöhung der Tarifgehälter um 3 % ab 1. Juni 2006 vor. Für die Monate März bis Mai 2006 wurde eine Einmalbetrag für Vollzeitbeschäftigte in Höhe von 310,00 Euro brutto vereinbart, die durch Vereinbarung der Betriebsparteien je nach Ertragslage des Betriebs in doppelter Höhe gezahlt oder ganz entfallen konnte. Darüber hinaus sind in Betrieben, in denen wie bei der Beklagten das Entgeltrahmenabkommen der Metallindustrie (ERA) noch nicht eingeführt worden ist, aus den ERA-Strukturkomponenten weitere Einmalzahlungen in Höhe von 2,79 % zu leisten.

Der Einmalbetrag in Höhe von 310,00 Euro brutto wurde von der Beklagten mit der Entgeltabrechnung für den Monat Juni 2006 an alle Mitarbeiter gezahlt. Die Erhöhung des Tarifentgelts um 3 % rechnete sie ab August 2006 wie bei allen anderen Mitarbeitern auf die bislang in Höhe von 66,47 Euro brutto gezahlte übertarifliche Zulage des Klägers vollständig an. Eine Beteiligung des Betriebsrats erfolgte seitens der Beklagten nicht.

Mit seiner am 8. Februar 2007 bei Gericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Weiterzahlung der übertariflichen Zulage verlangt. Die prozentuale Erhöhung der Tarife stelle mit dem Einmalbetrag eine einheitliche Tariferhöhung dar. Die Beklagte habe nur eine teilweise Anrechnung der Tariferhöhung vorgenommen und hätte deshalb den Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG beteiligen müssen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, auf den künftigen monatlichen Entgeltabrechnungen eine weitere außertarifliche Zulage in Höhe von 66,47 Euro auszuweisen und an den Kläger auszuzahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 398,82 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, bei dem Einmalbetrag handle es sich um eine vergangenheitsbezogene, konjunkturabhängige Leistung, die von der zukunftsorientierten Entscheidung über die Anrechnung der prozentualen Tarifgehaltserhöhung zu trennen sei. Da Letztere vollumfänglich angerechnet worden sei, bestehe kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.

Durch das am 2. Mai 2007 verkündete Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Eine Anrechnung sei individualrechtlich zulässig. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats seien nicht verletzt worden. Die prozentuale Erhöhung der Tarifentgelte sei einheitlich bei allen Arbeitnehmern mit übertariflichen Zahlungen verrechnet worden. Die tarifliche Einmalzahlung habe nicht als Pauschalabgeltung für eine prozentuale Tariflohnerhöhung für die Vormonate gedient, weil die Tariflohnerhöhung erst ab Juni 2006 gelte und darüber hinaus der Einmalbetrag von der konjunkturellen Lage des Unternehmens abhängig sei.

Gegen dieses ihm am 22. Mai 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19. Juni 2007 Berufung eingelegt und diese am 18. Juli 2007 begründet.

Der Kläger hält die Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Zulage weiterhin für unzulässig. weil sie der vorherigen Beteiligung des Betriebsrats bedurft hätte. Der im GA 2006 vereinbarte Einmalbetrag und die prozentuale Tariferhöhung bildeten eine einheitliche Erhöhung der Tarifgehälter. Durch die Abhängigkeit der Zahlung des Einmalbetrags von der konjunkturellen Lage werde der Charakter als Pauschalbetrag nicht geändert.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 2. Mai 2007 - 8 Ca 618/07 - abzuändern und entsprechend den erstinstanzlichen Klageanträgen zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass eine einheitliche Tariferhöhung aus Einmalbetrag und prozentualer Tariflohnerhöhung nicht vorliege und deswegen eine Beteiligung des Betriebsrates vor der Durchführung der Anrechnung nicht erforderlich gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der Sitzung vom 16. Oktober 2007 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet.

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gem. § 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b ArbGG statthaft. Sie wurde auch form- und fristgerecht eingelegt sowie fristgerecht ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1, § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 519, § 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist begründet, soweit der Kläger für die Monate August 2006 bis Januar 2007 die Zahlung eines Betrags von jeweils 66,47 Euro brutto sowie die monatliche Zahlung dieses Betrags ab Februar 2007 verlangt, weil die Beklagte nicht berechtigt ist, die übertarifliche Zulage des Klägers ab August 2006 um die prozentuale Tariferhöhung zu kürzen. Dagegen ist der darüber hinaus gestellte Anspruch auf "Ausweisung" der Zulage in den monatlichen Entgeltabrechnungen unzulässig, soweit der Kläger diesen Anspruch für die Zukunft geltend macht; im übrigen ist er unbegründet.

1. Die Klage ist nur teilweise zulässig.

Während der Kläger mit seinem - als Leistungsklage ohne Weiteres zulässigen - Antrag zu 2) die bis zur Klageerhebung am 8. Februar 2007 aufgelaufenen Rückstände hinsichtlich der übertariflichen Zulage für die Monate August 2006 bis Januar 2007 verlangt, will er mit seinem Antrag zu 1) für die Zeit ab Februar 2007 für die Zukunft sowohl die Zahlung dieses Vergütungsbestandteils als auch dessen Abrechnung ("auf den künftigen monatlichen Entgeltabrechnungen ... auszuweisen...") erreichen. Es handelt sich um eine Klage auf künftige Leistung.

a) Eine solche Klage auf künftige Leistung ist gemäß § 259 ZPO außer in den Fällen der § 257, § 258 ZPO zulässig, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen wird. Während § 257, § 258 ZPO lediglich für die von einer Gegenleistung nicht abhängigen Ansprüche gelten, stellt § 259 ZPO die Generalklausel für die Beurteilung der Zulässigkeit sämtlicher Klagen auf künftige Leistung unabhängig davon dar, ob Letztere von einer Gegenleistung abhängt oder nicht (vgl. BAG, Urteil v. 23. Februar 1983 - 4 AZR 508/81 = AP Nr. 4 zu § 850 c ZPO; BGH, Urteil v. 17. April 1952 - III ZR 109/50 = NJW 1952, S. 817). Hierzu zählen auch in Zukunft fällig werdende Vergütungsansprüche von Arbeitnehmern (vgl. BAG, Urteil v. 23. Februar 1983, a.a.O.; LAG Hamm, Urteil v. 7. Januar 1992 - 2 Sa 1399/91 = LAGE Nr. 1 zu § 259 ZPO; LAG Düsseldorf, Urteil v. 14. Dezember 2000 - 11 Sa 1356/00 = LAGE Nr. 2 zu § 259 ZPO).

b) aa) Soweit zwischen den Parteien die Zahlungsansprüche des Klägers für die Zeit ab Februar 2007 bis einschließlich September 2007 im Streit stehen, kommt es auf die Erfüllung der Voraussetzungen des § 259 ZPO nicht an. Zum Zeitpunkt der mündlichen Berufungsverhandlung am 16. Oktober 2007, der für die Beurteilung der Zulässigkeit der Klage durch das Berufungsgericht maßgeblich ist (vgl. BGH, Teilversäumnis- und Endurteil v. 4. Mai 2005 - VIII ZR 5/04 = NJW-RR 2005, S. 1169), war die Klage für diesen Zeitraum nicht mehr auf eine künftige Leistung gerichtet. Der entsprechende Anspruch ist durch die Erbringung der Arbeitsleistung seitens des Klägers entstanden und fällig geworden. Ohne dass es einer Änderung des Klageantrags bedarf, kann über bereits entstandene und fällige Zahlungsansprüche entschieden werden (vgl. BGH, Teilversäumnis- und Endurteil v. 4. Mai 2005, a.a.O.; Zöller/Greger, ZPO, § 257 Rn. 7; Thomas/Putzo/Reichhold, ZPO, § 257 Rn. 1).

bb) Für die künftig ab Oktober 2007 fällig werdenden Zahlungsansprüche sind die Voraussetzungen des § 259 ZPO erfüllt. Insbesondere handelt es sich um eine Klage auf künftige Leistung im Sinne dieser Bestimmung. Die Verpflichtung des Schuldners zur künftigen Leistung muss abgesehen von einer noch fehlenden Fälligkeit, in ihrem Bestand gewiss sein (vgl. BAG, Urteil v. 14. Mai 1997 - 7 AZR 471/96 = ZUM 1998, S. 84; BGH, Urteil v. 17. April 1952, a.a.O.; Urteil v. 16. Dezember 1964 - VIII ZR 749/63 = BGHZ 43, 28). Eine solche Gewissheit besteht jedoch selbst in einem unangefochtenen Arbeitsverhältnis nicht in jedem Fall. Künftige Ansprüche auf Arbeitsentgelt können entfallen, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wird oder wenn die geschuldete Arbeitsleistung ausbleibt und die Vergütung nicht fortzuzahlen ist, z. B. bei längerer Krankheit, unbezahlten Urlaub, unentschuldigten Fehlzeiten usw. Diese sich aus der Natur der von einer Gegenleistung abhängigen Schuld ergebenden Unsicherheitsfaktoren hindern aber nach dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelung die Klage auf künftige Leistung gemäß § 259 ZPO nicht. Es ist nicht erforderlich, dass die Leistung unter allen Umständen mit Sicherheit geschuldet wird, sondern nur, dass sie, falls sich nichts Unerwartetes ereignet, geschuldet bleibt (vgl. BAG, Urteil v. 23. Februar 1983, a.a.O.; Beschluss v. 26. Juni 1959 - 2 AZR 25/57 = AP Nr. 1 zu § 259 ZPO; LAG Düsseldorf, Urteil v. 6. Januar 2004 - 8 (5) Sa 1031/03 = LAGE Nr. 1 zu § 259 ZPO 2002; Urteil v. 14. Februar 2000, a.a.O.). Die Klageforderung nach § 259 ZPO bleibt trotzdem wenigstens bestimmbar. Einwendungen des Arbeitgebers aus einer künftigen Nichtleistung von Diensten des Arbeitsnehmers kann dieser durch Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO geltend machen (vgl. BAG, Urteil v. 23. Februar 1983, a.a.O.; RAG, Urteil v. 20. Februar 1937 - RAG 247/36 = ARS 29, 68). Deswegen bedarf es unabhängig davon, ob es sich um eine Drittschuldnerklage oder eine andere Zahlungsklage auf Arbeitsentgelt handelt, auch nicht der Aufnahme der für den Vergütungsanspruch maßgeblichen Bedingungen in den Antrag bzw. im Urteil (a. A. BAG, Urteil v. 13. März 2002 - 5 AZR 755/00 = NJOZ 2003, S. 1553).

cc) Als besondere Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Klage auf Zahlung des künftig fällig werdenden Arbeitsentgelts verlangt § 259 ZPO die Besorgnis der nicht rechtzeitigen Erfüllung des Leistungsanspruchs. Diese Besorgnis liegt vor, wenn der Schuldner den Anspruch ernstlich bestreitet (vgl. BAG, Urteil v. 23. Februar 1983, a.a.O.; LAG Düsseldorf, Urteil v. 14. Februar 2000 a.a.O.). Dies ist hier zu bejahen, da die Beklagte ihre Verpflichtung zur Leistung der vom Kläger begehrten Vergütungsbestandteile während des gesamten Rechtsstreits bestritten hat.

c) Für die Klage auf zukünftige Erteilung einer monatlichen Abrechnung auch bezüglich der übertariflichen Zulage fehlt es an dieser Besorgnis im Sinne des § 259 ZPO. Der Kläger hat keinen Anhaltspunkt dafür vorgetragen, dass die Beklagte entgegen ihrer bisherigen Praxis in den monatlichen Abrechnungen die übertarifliche Zulage auch dann nicht ausweisen wird, wenn sie zu deren Leistung verurteilt wird. Soweit sich sein Antrag auf die Monate Februar 2007 bis September 2007 bezieht, ist er dagegen als Leistungsklage zulässig.

2. Die von der Beklagten vorgenommene Anrechnung der prozentualen Tariferhöhung auf die übertarifliche Zulage ist zwar individualrechtlich zulässig, kollektivrechtlich bedurfte sie aber der Mitbestimmung des Betriebsrats.

a) Nach der Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts ist individualrechtlich die Anrechnung einer Tariferhöhung auf übertarifliche Gehaltsbestandteile möglich, sofern dem Arbeitnehmer die Zulage nicht als selbstständiger Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tarifentgelt zugesagt worden ist (vgl. BAG, Urteil v. 30. Mai 2006 - 1 AZR 111/05 = AP Nr. 23 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt; Urteil v. 21. Januar 2003 - 1 AZR 125/02 = AP Nr. 118 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Urteil v. 14. August 2001 - 1 AZR 744/00 = AP Nr. 4 zu § 77 BetrVG 1972 Regelungsabrede). Ob eine Tariferhöhung individualrechtlich auf eine übertarifliche Vergütung angerechnet werden kann, hängt von der zugrunde liegenden Vergütungsabrede ab (vgl. BAG, Urteil v. 1. März 2006 - 5 AZR 540/05 = AP Nr. 40 zu § 4 TVG Übertarifl. Lohn und Tariflohnerhöhung; Urteil v. 8. Juni 2004 - 1 AZR 308/03 = AP Nr. 124 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Haben die Arbeitsvertragsparteien eine ausdrückliche Anrechnungsvereinbarung getroffen, so gilt diese. Im vorliegenden Fall ist die Anrechnung gemäß Nr. 2 Abs. 3 des Arbeitsvertrages ausdrücklich vereinbart.

Da sich durch eine Anrechnung - anders als beim Widerruf einer Zulage - die Gesamtgegenleistung des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung nicht verringert, ist die mit einer Anrechnung verbundene Veränderung der Zulagenhöhe dem Arbeitnehmer regelmäßig zumutbar. Ein darauf gerichteter Anrechnungsvorbehalt hält einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB stand (vgl. BAG, Urteil v. 30. Mai 2006, a.a.O.; Urteil v. 1. März 2006 - 5 AZR 363/05 = AP Nr. 3 zu § 308 BGB).

b) Die Anrechnung der prozentualen Tariferhöhung des GA 2006 auf die übertarifliche Zulage des Klägers ist wegen Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unwirksam.

aa) Die Anrechnung einer Tariferhöhung auf über-/außertarifliche Zulagen aus Anlass und bis zur Höhe einer Tariferhöhung unterliegen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats, wenn sich dadurch die Verteilungsgrundsätze ändern und darüber hinaus für eine anderweitige Anrechnung bzw. Kürzung ein Regelungsspielraum verbleibt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Anrechnung durch gestaltende Erklärung erfolgt oder sich automatisch vollzieht. Die Anrechnung ist dagegen mitbestimmungsfrei, wenn dadurch das Zulagenvolumen völlig aufgezehrt wird oder die Tariferhöhung vollständig und gleichmäßig auf über-/außertarifliche Zulagen angerechnet wird (vgl. BAG Großer Senat, Beschluss v. 3. Dezember 1991 - GS 2/90 = AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Der Betriebsrat hat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen dann mitzubestimmen, wenn eine generelle Maßnahme vorliegt, sich durch die Anrechnung die bisher bestehenden Verteilungsrelationen ändern und für die Neuregelung innerhalb des vom Arbeitgeber mitbestimmungsfrei vorgegebenen Dotierungsrahmens ein Gestaltungsspielraum besteht (vgl. BAG, Urteil v. 8. Juni 2004 - 1 AZR 308/03 = AP Nr. 124 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Urteil v. 21. Januar 2003, a.a.O.). Auch bei der Neuverteilung des Zulagenvolumens aufgrund einer teilweisen, aber prozentual gleichen Anrechnung hat der Betriebsrat mitzubestimmen, wenn sich die Verteilungsgrundsätze verändern haben (vgl. BAG, Urteil v. 23. März 1993 1 AZR 520/92 = AP Nr. 26 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang). Vereinbaren die Tarifvertragsparteien die Erhöhung der Entgelte um einen bestimmten Prozentsatz und für vor dem Tarifabschluss liegende Monate eine Pauschalzahlung und liegt darin eine einheitliche Vergütungserhöhung, führt die Weitergabe der pauschalen Erhöhung und die erst anschließende Anrechnung der prozentualen Erhöhung zu einer Veränderung der Verteilung übertariflicher Zulagen; sie ist daher mitbestimmungspflichtig (vgl. BAG, Urteil v. 21. Januar 2003, a.a.O.; Beschluss v. 21. September 1999 1 ABR 59/98 = NZA 2000, S. 898).

bb) Die in § 2 Nr. 2, § 5 GA 2006 geregelte Zahlung eines Einmalbetrags stellt mit der im § 2 Nr. 3 GA 2006 geregelten prozentualen Tariferhöhung eine einheitliche Tariferhöhung dar. Dies ergibt eine Auslegung der Bestimmungen des GA 2006.

(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil v. 15. Dezember 2005 - 6 AZR 227/05 = AP Nr. 17 zu § 2 BAT SR 2l; Urteil v. 29. August 2001 4 AZR 337/00 = AP Nr. 174 zu § 1 TVG Auslegung; Urteil v. 21. Juli 1993 - 4 AZR 468/92 = AP Nr. 144 zu § 1 TVG Auslegung) gelten für die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags die Regeln für die Auslegung von Gesetzen. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags oder die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt.

(2) Bei Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall ergibt sich, dass die Tarifvertragsparteien des GA 2006 eine einheitliche Tariferhöhung bestehend aus Einmalbetrag und prozentualer Tariferhöhung vereinbart haben.

(a) In der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wurde das Vorliegen einer solchen einheitlichen Tariferhöhung angenommen, wenn die Tarifvertragsparteien die prozentuale Erhöhung des Tarifentgelts ab einem bestimmten Zeitpunkt vereinbaren und für die ersten Monate ab diesem Zeitpunkt die Zahlung eines Pauschalbetrags anstelle der prozentualen Erhöhung versehen (vgl. BAG, Urteil v. 14. August 2001, a.a.O.; Beschluss v. 21. September 1999, a.a.O.). Weiteres Indiz für eine einheitliche Tariferhöhung ist nach dieser Rechtsprechung, wenn für den Zeitraum, für den die Pauschalzahlung erfolgt, in dem Fall, dass er Referenzzeitraum für Durchschnittsberechnungen aller Art ist, statt des Pauschalbetrags die prozentuale Erhöhung zugrunde zu legen ist. Eine einheitliche Tariferhöhung wird zudem durch eine tariflichen Regelung bestätigt, dass mit dem Pauschalbetrag alle Ansprüche abgegolten sind, die sich für den Zeitraum, für den er geleistet wird, aus der Tariferhöhung ergeben. Eine solche Bestimmung wäre unsinnig, wenn die Tariferhöhung als eigenständige Maßnahme erst für die Zeit danach vorgenommen werden soll. Unter diesen Umständen ist die Pauschalzahlung lediglich eine besondere Ausgestaltung der vereinbarten prozentualen Erhöhung (vgl. BAG, Beschluss v. 21. September 1999, a.a.O.). Eine einheitliche Tariferhöhung kann auch dann vorliegen, wenn die für bestimmte Monate zu leistende Pauschalzahlung ausdrücklich als Entgelterhöhung bezeichnet wird (vgl. BAG, Urteil v. 21. Januar 2003, a.a.O.). Weiteres Indiz schließlich ist, wenn der Tarifabschluss am Ende des pauschal abgegoltenen Zeitraums liegt und sich die Pauschalzahlung deswegen als vereinfachter Zahlungsmodus hinsichtlich der Tariferhöhung für den zurückliegenden Zeitraum darstellt (vgl. BAG, Urteil v. 14. August 2001, a.a.O.; Beschluss v. 21. September 1999, a.a.O.).

(b) Der Beklagten ist zwar zuzustimmen, dass im Gegensatz zu den vorgenannten Entscheidungen der im GA 2006 vereinbarte Einmalbetrag weder als Entgelterhöhung vereinbart worden ist noch die prozentuale Tariferhöhung für den Zeitraum gelten soll, für den der Einmalbetrag gezahlt wird. § 2 Nr. 1 GA 2006 regelt ausdrücklich, dass die bisherigen ab 1. März 2005 gültigen Gehaltstabellen für die Monate März bis Mai 2006 weiter gelten. Erst mit Wirkung ab 1. Juni 2006 werden die Tarifentgelte der Angestellten um 3,0 % erhöht (§ 2 Nr. 3 S. 1 GA 2006). Eine den genannten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts entsprechende tarifliche Regelung haben die Tarifvertragsparteien für die Metallindustrie Nordrhein-Westfalens zuletzt im Gehaltsabkommen vom 28. März 2000 getroffen (vgl. § 2 Abs. 1, 4 GA 2000). Bereits das GA 2002 enthielt trotz Vereinbarung eines Pauschalbetrags wie das GA 2006 in seinem § 2 Nr. 1 eine inhaltlich gleich lautende Bestimmung über die Weitergeltung der bisherigen Gehaltstabellen. Auch im Gehaltsabkommen vom 8. Mai 2007 (GA 2007) ist diese Regelung bei gleichzeitiger Vereinbarung eines Pauschalbetrags enthalten. Das GA 2004 enthält diese Bestimmung ebenfalls, sieht aber weder einen Einmal- noch Pauschalbetrag für bestimmte Monate vor.

(c) Allerdings handelt es sich bei den genannten Umständen nur um einen Teil der Indizien für eine einheitliche Tariferhöhung. Insoweit ist weiter festzustellen, dass § 5 Nr. 6 und 7 GA 2006 Regelungen enthalten, die Merkmale dafür sind, dass trotz der Aufteilung in die Zahlung eines Einmalbetrags für den Zeitraum März bis Mai 2006 und einer prozentualen Tariferhöhung für den darauf nachfolgenden Zeitraum eine einheitliche Tariferhöhung von den Tarifvertragsparteien gewollt ist. Gemäß § 5 Nr. 6 GA 2006 sind mit dem Einmalbetrag alle Ansprüche abgegolten, die sich aus der Erhöhung der Tarifentgelte gemäß § 2 GA 2006 für die Monate März bis Mai 2006 ergeben. § 5 Nr. 7 GA 2006 bestimmt, dass dann, sofern die Monate März bis Mai 2006 ab Juni 2006 Referenzzeitraum für Durchschnittsberechnungen aller Art sind, statt des Einmalbetrags die prozentuale Erhöhung von 3,0 % zugrunde zu legen ist. Sowohl die Abgeltungs- als auch die Referenzzeitraumbestimmung wären beide unsinnig, wenn die Tariferhöhung um 3,0 % als eigenständige Maßnahme erst ab 1. Juni 2006 gelten sollte. Vielmehr wird daraus die Absicht der Tarifvertragsparteien erkennbar, in der Sache rückwirkend ab 1. März 2006 die Tarifentgelte zu erhöhen und andererseits durch die Zahlung des Einmalbetrags weitergehende Ansprüche auszuschließen, die sich in dem Fall ergeben, in dem die prozentuale Erhöhung einen höheren Betrag für die Monate März bis Mai 2006 ergibt als den Einmalbetrag von 310,00 Euro. Inhaltlich gleich lautende Regelungen finden sich wiederum in den GA 2002 und GA 2007, die einen Pauschalbetrag vorsehen. Daraus folgt, dass die Regelung in § 2 Nr. 1 GA 2006 wie ihre Vorgängerregelung im GA 2002 sowie die Nachfolgeregelung in dem GA 2007 letztlich nur der Klarstellung dient, dass die prozentuale Erhöhung tabellenwirksam erst zu dem in der einer der nachfolgenden Nummern festgelegten Zeitpunkt wird. Dies ändert nichts daran, dass der Einmalbetrag der Sache nach Bestandteil des Tariferhöhungsvolumens ist und damit eine einheitliche Tariferhöhung vorliegt.

(d) Unschädlich ist in diesem Zusammenhang, dass lediglich im GA 2006 von einem Einmalbetrag die Rede ist, während in den GA 2000, GA 2002 und GA 2007 die Zahlung als Pauschalbetrag bezeichnet wird. Die geänderte Bezeichnung ist nur Hinweis darauf, dass für das Jahr 2006 die Zahlung auch konjunkturabhängig ausgestaltet worden ist. Gemäß § 5 Nr. 1 GA 2006 können die Betriebsparteien den Einmalbetrag bei unterdurchschnittlicher, schlechter Ertragslage zeitlich innerhalb der Laufzeit des Tarifvertrags verschieben oder bis auf Null reduzieren sowie bei überdurchschnittlicher, guter Ertragslage bis auf das Doppelte durch freiwillige Betriebsvereinbarung erhöhen. Hierbei handelt es sich um eine zusätzliche Komponente der Ausgestaltung der Tariferhöhung, die aber im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten nicht dazu führt, dass es sich hierbei um eine eigenständige Tariferhöhungsregelung handelt, die von der prozentualen Erhöhung zu trennen ist. Die Tarifvertragsparteien haben mit dieser Regelung lediglich einen Teil der Leistungen, die aus der Tariferhöhung fließen, an die Ertragslage der Betriebe geknüpft. Dabei ist die Beurteilung der Ertragslage nicht rein vergangenheitsbezogen, vielmehr können hier auch zukunftsbezogene Aspekte, d. h. eine Prognose der Ertragslage mit einfließen. Andere Vorgaben bestehen aufgrund der tariflichen Regelung nicht. Der Einmalbetrag bleibt weiterhin gegenleistungsbezogen und stellt eine pauschale Abgeltung der Tariferhöhung für den Zeitraum dar, für den er zu zahlen ist. Dann ändert die Abhängigkeit von der Ertragslage nichts daran, dass der Einmalbetrag Bestandteil der im GA 2006 vereinbarten Tariferhöhung ist und es sich deswegen um eine einheitliche Tariferhöhung handelt.

cc) Die Beklagte hat an ihre Arbeitnehmer den Einmalbetrag im Juni 2006 geleistet. Die Anrechnung der prozentuellen Tariferhöhung erfolgte ohne Beteiligung des Betriebsrates, obwohl durch dieses Vorgehen nur eine teilweise Anrechnung der Tariferhöhung auf die übertariflichen Zulagen erfolgte. Hierbei hatte der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen, weil bei dieser Vorgehensweise der Beklagten Raum für eine andere Verteilungsentscheidung blieb und sich auch das Verhältnis der gezahlten Zulagen zueinander aufgrund der Anrechnung änderte. Folge der Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats ist es, dass die Anrechnung der prozentualen Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Zulage des Klägers ab August 2006 rechtsunwirksam ist (vgl. allgemein BAG, Große Senat, Beschluss v. 3. Dezember 1991, a.a.O.).

c) Soweit die Beklagte die prozentuale Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Zulage angerechnet hat, steht dem Kläger für die Monate August 2006 bis Januar 2007 ein monatlicher Betrag von 66,47 Euro brutto, d. h. insgesamt 398,82 Euro brutto zu. Darüber hinaus ist die Beklage ab Februar 2007 zur Zahlung der angerechneten übertariflichen Zulage in Höhe von 66,47 Euro monatlich brutto verpflichtet.

Der Zinsanspruch hinsichtlich des Betrags von 398,82 Euro folgt aus § 291, § 288, § 247 BGB.

3. Ein Anspruch auf Erteilung von Abrechnungen für die Zeit von Februar 2007 bis September 2007, welche die übertarifliche Zulage ausweisen, besteht nicht.

Nach § 108 GewO ist dem Arbeitnehmer, wenn ein Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt besteht, "bei Zahlung" eine Abrechnung zu erteilen. Dagegen regelt § 108 GewO keinen selbständigen Abrechnungsanspruch zur Vorbereitung eines Zahlungsanspruchs (vgl. BAG, Urteil v. 12. Juli 2007 - 5 AZR 646/05 = AP Nr. 1 zu § 611 BGB Lohnabrechnung). Gerade einen solchen Abrechnungsanspruch vor Zahlung macht aber die Kläger geltend. Darüber hinaus kann der Arbeitnehmer nach allgemeinen Grundsätzen Auskunft über die Grundlagen seines Vergütungsanspruchs verlangen, wenn er hierüber unverschuldet keine Kenntnis hat (vgl. BAG, Urteil vom 12. Juli 2007, a.a.O.). Das schließt den Anspruch auf eine Abrechnung mit ein, wenn es der Abrechnung bedarf, um den Anspruch auf die Zahlung konkret verfolgen zu können. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die vorgenommene Kostenquotelung entspricht dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen beider Parteien.

Der Streitwert war auf den Wert des 3-Jahres-Bezugs der vom Kläger mit dem Antrag zu 1) geltend gemachten Leistungen ohne Berücksichtigung der mit dem Antrag zu 2) geltend gemachten Rückstände zuzüglich eines Betrages von 250,00 Euro für den Abrechnungsanspruch festzusetzen.

Die Revision war für beide Parteien aufgrund grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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