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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 23.11.2005
Aktenzeichen: 14 Sa 1457/05
Rechtsgebiete: TZBfG, MTV Einzelhandel NW
Vorschriften:
TZBfG § 21 | |
TZBfG § 14 | |
MTV Einzelhandel NW § 11 Abs. 5 3. Alt. |
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 04.05.2005 - 4 Ca 609/05 - wird kostenfällig zurückgewiesen.
Tatbestand: Der in einem Geringverdienerarbeitsverhältnis tätig gewesene Kläger verlangt von der Beklagten seine Weiterbeschäftigung. Der 60-jährige Kläger, verheiratet und schwerbehindert mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 %, trat zum 17.01.2002 als Packhilfe in die Dienste der Beklagten. Er war zusammen mit seiner Ehefrau in der Filiale 25 in S2xxxxxxxx der Beklagten zu einem Monatsgehalt von 320,-- € beschäftigt. Bei seiner Einstellung bezog der Kläger schon seit längerem eine Erwerbsunfähigkeitsrente wegen unbefristeter Erwerbsunfähigkeit. Dies war der Beklagten auch bekannt. Im Jahre 2004 beantragte der Kläger Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Diese wurde ihm durch Bescheid vom 17.11.2004 mit Wirkung ab 01.02.2005 auch bewilligt. Am 08.02.2005 erhielt die Personalabteilung der Beklagten eine Kopie des Rentenbescheides. Der Personalleiter W2xxxx teilte daraufhin dem Kläger am 11.02.2005 mit, dass das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf § 11 Abs. 5 des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen (MTV) wegen des nunmehrigen Altersrentenbezuges sofort beendet sei. Gleichwohl erschien der Kläger auf Anraten seiner Gewerkschaft am nächsten Tag - einem Samstag - und arbeitete wie gewohnt an seinem Arbeitsplatz. Als er am darauffolgenden Montag wieder zur Arbeit erschien, wurde er nach Hause geschickt. Mit seiner Klage vom 17.02.2005 hat der Kläger den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses geltend gemacht und seine Weiterbeschäftigung verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, dass es der Beklagten verwehrt sei, sich auf den Beendigungstatbestand des § 11 Abs. 5 MTV zu berufen, da sie ihn bereits als Rentner eingestellt habe. Die ihm jetzt bewilligte Altersrente sei, wie sich aus dem Rentenbescheid ergebe, an die Stelle der bisher bezogenen Erwerbsunfähigkeitsrente getreten, und zwar in gleicher Höhe. An seinem Gesundheitszustand habe sich überhaupt nichts geändert und es sei unsinnig, ihn dafür zu bestrafen, dass er am 05.11.2004 die Altersrente für schwerbehinderte Menschen beantragt habe. Ohne diesen Antrag bezöge er noch heute die bisherige Erwerbsunfähigkeitsrente und könnte weiterhin bei der Beklagten arbeiten. Schließlich hat der Kläger darauf hingewiesen, dass der Bezug von Altersruhegeld der Beklagten bereits am 08.02.2005 bekannt gewesen sei, sie ihn aber trotzdem bis zum 12.02.2005 beschäftigt habe. Insofern müsse von einer still-schweigenden Verlängerung im Sinne des § 625 BGB ausgegangen werden. Der Kläger hat beantragt, 1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 11.02.2005 hinaus fortbesteht, 2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen als Packhilfe in der Obst- und Gemüseabteilung über den 11.02.2005 hinaus weiterzubeschäftigen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.01.2005 aufgrund der Befristungsregelungen in § 11 Abs. 5 3. Alternative MTV beendet gewesen sei. Dem stehe nicht entgegen, dass er noch bis zum 12.02.2005 gearbeitet habe. Denn einerseits sei der Beklagten erst am 08.02.2005 der maßgebliche Rentenbescheid bekannt geworden, woraufhin dem Kläger unverzüglich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mitgeteilt worden sei. Andererseits sei die gleichwohl am 12.02.2005 erfolgte Arbeitsaufnahme des Klägers ohne Wissen der Personalverwaltung erfolgt. Die unmissverständliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei dem Kläger am darauffolgenden Arbeitstag klar gemacht worden. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, dass er schon als Rentner eingestellt worden sei. Denn bei der bislang bezogenen Rente wegen Erwerbsunfähigkeit handele es sich um einen unterschiedlichen Sachverhalt gegenüber der am 01.02.2005 bezogenen vorgezogenen Altersrente. Das Arbeitsgericht Bielefeld hat durch sein am 04.05.2005 verkündetes Urteil die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, dass der Kläger zwar rechtzeitig eine Befristungskontrollklage erhoben habe, diese jedoch unbegründet sei, weil der maßgebliche Tarifvertrag den Bestand des Arbeitsverhältnisses begrenze, wenn der betreffende Arbeitnehmer das vorgezogene Altersruhegeld erhalte. Dem stehe der Altersrentenbezug für schwerbehinderte Menschen gleich. Diese tarifliche Altersgrenze sei vom Kläger im Hinblick auf die grundgesetzlich geschützte tarifliche Gestaltungsfreiheit der Gewerkschaften hinzunehmen. Im Übrigen sehe § 14 des TZBfG eine Befristungskontrolle bei Arbeitsverhältnissen, welche nach Vollendung des 52. Lebensjahres eingegangen werden, nicht vor. Weiterhin sei das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch widerspruchslose Weiterarbeit im Sinne des § 625 BGB als unbefristetes fortgeführt worden. Denn der Widerspruch der Beklagten gegen die Fortführung des Arbeitsverhältnisses sei bereits am 11.02.2005 erfolgt. Wegen der Ausführungen des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Gegen das ihm am 23.06.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.07.2005 Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel am 19.08.2005 begründet. Dabei wiederholt der Kläger im Wesentlichen seine bereits in der Vorinstanz vorgetragene Argumentation und kritisiert das Verhalten der Beklagten als widersprüchlich. Die Beklagte habe den Kläger trotz der tariflichen Regelungen in § 11 Abs. 5 MTV als Rentner eingestellt und müsse ihn daher weiterbeschäftigen, weil der Bezug der Altersrente für behinderte Menschen keine Zäsur bedeute. Darüber hinaus meint der Kläger, dass die tarifliche Regelung gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstoße. Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und nach seinem Schlussantrag erster Instanz zu erkennen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend und betont wiederum, dass durch den Bezug von Altersruhegeld beim Kläger ein neuer tariflicher Beendigungstatbestand eingetreten sei, sodass dieser sich nicht auf die Kontinuität des Rentenbezuges berufen könne. Zwischen den Renten wegen voller Erwerbsunfähigkeit und der Altersrente für schwerbehinderte Menschen bestünden hinsichtlich ihrer Voraussetzungen prinzipielle Unterschiede, was sich in den alternativ von den Tarifvertragsparteien geschaffenen Beendigungstatbeständen widerspiegele. Nach alledem könne es der Beklagten nicht verwehrt sein, die Weiterbeschäftigung des Klägers unter Hinweis auf die jetzt bezogene Altersrente abzulehnen. Im Berufungstermin hat der Personalleiter der Beklagten vorgetragen, dass an der Arbeitsleistung des Klägers nichts zu beanstanden gewesen sei. Eine Weiterbeschäftigung sei aber auch schon im Hinblick auf die generellen Rationalisierungsbestrebungen der Beklagten nicht in Betracht gekommen. Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe: Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung konnte in der Sache keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Im Einzelnen gilt folgendes: 1. Der für die Parteien kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit anzuwendende Manteltarifvertrag für die Beschäftigten des Einzelhandels in NW bestimmt in seinem § 11 Abs. 5, dass unbefristete Arbeitsverhältnisse, sofern die Parteien nicht anderes vereinbart haben, mit dem Ende des Kalendermonats endet, in welchem .... dem Arbeitnehmer der Rentenbescheid über die Gewährung einer Rente wegen zeitlich nicht befristeter Erwerbsunfähigkeit oder vorgezogenem Altersruhegeld zugegangen ist. Da der MTV in seinem persönlichen Geltungsbereich keine Ausnahme für sogenannte Geringverdienerarbeitsverhältnisse macht, gilt die genannte Regelung auch für den Kläger. Die von ihm beantragte und bewilligte Altersrente für schwerbehinderte Menschen gem. § 37 SGB VI entspricht dem im MTV genannten "vorgezogenen Altersruhegeld".
2. Gegenüber der genannten tariflichen Regelung haben die Parteien keine andere abweichende Vereinbarung getroffen. Zwar ist der Kläger eingestellt worden, als er bereits Erwerbsunfähigkeitsrente bezog. Insofern haben die Parteien den Bezug von Rente wegen unbefristeter Erwerbsunfähigkeit (§ 11 Abs. 5 2. Alternative MTV) nicht als Hindernis für die Realisierung eines Arbeitsverhältnisses miteinander gesehen. Damit ist aber nicht gleichzeitig der weitere tarifliche Beendigungsgrund (Bezug von vorgezogenem Altersruhegeld) kraft Vereinbarung außer Kraft gesetzt worden. Mit Recht weist die Beklagte darauf hin, dass eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit grundsätzlich andere Voraussetzungen hat als das vorgezogene Altersruhegeld. Bei letzterem verabschiedet sich der Arbeitnehmer freiwillig aus dem aktiven Erwerbsleben, während bei der Erwerbsunfähigkeitsrente regelmäßig die Reduzierung der Arbeitskraft zu einem ungewollten Abschied von der gewohnten Arbeit führt. Die Einstellung des Klägers als Rentner wegen Erwerbsunfähigkeit bedeutet also nicht, dass die Parteien damit auch den Bezug von vorgezogenem Altersruhegeld als Hindernis für den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses beseitigen wollten.
Dass die Beklagte sich nun auf die tarifliche Beendigungsklausel in § 11 Abs. 5 3. Alternative beruft, bedeutet auch kein widersprüchliches Verhalten und berechtigt den Kläger nicht zu den auf § 242 BGB gestützten Einwand der Treuwidrigkeit.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte aus unlauteren Motiven aus dem Arbeitsverhältnis drängen wollte. Vielmehr geht es ihr offenbar darum, den Arbeitsplatz des Klägers in Zukunft einzusparen.
3. Mit Recht hat das Arbeitsgericht die strittige tarifliche Begrenzungsregelung als gesetzes- und verfassungskonform angesehen.
Die Begrenzungsklausel verstößt insbesondere nicht gegen § 41 Satz 2 SGB VI. Denn der Tarifvertrag begrenzt die Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht auf einen Zeitpunkt, "zu dem der Arbeitnehmer vor Vollendung des 65. Lebensjahres eine Rente wegen Alters beantragen kann". Vielmehr stellt der Tarifvertrag auf den tatsächlichen Bezug von vorgezogenem Altersruhegeld ab, was regelmäßig einen entsprechenden Antrag des Arbeitnehmers voraussetzt. Die tarifliche Beendigungsklausel knüpft also letztlich nicht an ein bestimmtes Alter oder an die Möglichkeit des Altersrentenbezugs, sondern an ein vom Arbeitnehmer selbst gewünschtes weil beantragtes Ereignis.
Die tarifliche Begrenzungsregelung ist auch mit §§ 21, 14 Abs. 1 TZBFG vereinbar.
Die hier fragliche Klausel knüpft an den auf dem Antrag des Arbeitnehmers beruhenden Rentenbescheid über den Bezug von Altersruhegeld für schwerbehinderte Menschen. Dies stellt nach Auffassung der Berufungskammer eine auflösende Bedingung dar, da bei Beginn des Arbeitsverhältnisses noch nicht feststeht, ob und ggfls. wann ein entsprechender Rentenantrag des Arbeitnehmers gestellt wird.
Für die tarifliche Regelung besteht auch ein sachlicher Grund im Sinne von § 14 Abs. 1 TZBFG vor. Dabei muss richtig gesehen werden, dass der fragliche Tarifvertrag den Regelfall eines Vollzeit- oder Teilzeitarbeitsverhältnisses und nicht den Sonderfall eines Geringverdienerarbeitsverhältnisses im Auge hat. Bei einem solchen tariflichen "Regelarbeitsverhältnis" ist es sachgerecht, dass es dann endet, wenn sich der Arbeitnehmer aus dem aktiven Arbeitsleben zurückziehen und künftig das vorgesehene Altersruhegeld in Anspruch nehmen will. Ein gegenteiliger Wunsch des Arbeitnehmers wird durch § 11 Abs. 5 MTV respektiert, indem eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Parteien des Arbeitsverhältnisses die tarifliche Begrenzungsklausel außer Kraft setzt. Die tarifliche Regelung gibt daher Raum für individuelle Regelungen und stellt keine absolute Begrenzung der Dauer des Arbeitsverhältnisses dar. So gesehen genügt sie auch dem in Art. 12 Abs. 1 GG verankerten Schutz der Berufsfreiheit.
Auch ein Verstoß gegen das allgemeine Verbot der Diskriminierung wegen des Alters (Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000) liegt nicht vor. In seiner Entscheidung vom 22.11.2005 (ZIP 2005, 2071 ff.) hat der Europäische Gerichtshof sich lediglich mit der sachgrundlosen Befristung für ältere Arbeitnehmer in § 14 Abs. 3 Satz 4 TZBFG befasst. Um eine solche sachgrundlose Befristung geht es jedoch im vorliegenden Fall nicht. Denn nach Auffassung der Berufungskammer liegt für die tarifliche Begrenzungsregelung ein sachlicher Grund vor.
4. Soweit vom Kläger geltend gemacht wird, dass er von der Beklagten über die tarifliche Begrenzung des Arbeitsverhältnisses hinaus weiterbeschäftigt worden sei und deshalb eine stillschweigende unbefristete Verlängerung nach § 625 BGB vorliege, kann ihm nicht gefolgt werden. Denn für die Anwendung dieser Vorschrift wird vorausgesetzt, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht gegen den erklärten Willen des Arbeitgebers, sondern als Ausdruck eines stillschweigenden Willens beider Parteien zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses erfolgt (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 09.06.1994 in LAGE § 625 BGB Nr. 4). Dabei ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass die Personalabteilung der Beklagten erst am 08.02.2005 Kenntnis von dem Rentenbescheid erhielt. Der Personalleiter hat dem Kläger daraufhin am 11.02.2005 unmissverständlich mitgeteilt, dass das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die tarifliche Begrenzung nunmehr sofort beendet sei. Als der Kläger gleichwohl am nächsten Tag zur Arbeit erschien, war ihm daher klar, dass seine Weiterarbeit gegen den Willen des maßgeblichen Vertreters der Beklagten erfolgte, auch wenn ihm der örtliche Filialleiter nicht sogleich wieder nach Hause schickte. Der Kläger konnte nicht davon ausgehen, dass die Beklagte ihren ausdrücklich erklärten Willen zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses über Nacht geändert hatte. Somit muss es dabei verbleiben, dass aufgrund der tariflichen Begrenzungsklausel das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht über den 11.02.2005 hinaus bestand. Damit entfällt auch der vom Kläger geltend gemachte Weiterbeschäftigungsanspruch.
5. Da nach alledem das Rechtsmittel des Klägers keinen Erfolg haben konnte, waren ihm die Kosten der Berufung gemäß § 97 ZPO aufzuerlegen.
Der Streitwert hat sich gegenüber der Vorinstanz nicht geändert.
Die Zulassung der Revision erfolgte gemäß § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.
Ende der Entscheidung
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