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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 04.11.2008
Aktenzeichen: 14 Sa 157/08
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 626 |
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2007 (4 Ca 835/07) wird auf seine Kosten bei unverändertem Streitwert zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.
Der am 11. Mai 1969 geborene, ledige Kläger ist ausgebildeter Sozialarbeiter. Seit dem 1.Mai 1996 war er als hauptberuflicher Mitarbeiter des S5 Fan-Projektes bei dem Beklagten eingestellt. Die Beschäftigung erfolgte zunächst in Teilzeit, ab 1. Oktober 2002 in Vollzeit im Umfang von 38,5 Wochenstunden. Der Kläger ist seitdem Leiter des S5 Fan-Projektes. Dieses wird zu je einem Drittel von der Deutschen Fußball Liga, dem Land Nordrhein-Westfalen und der Stadt G2 finanziert. Träger des Fan-Projekts ist die Sportjugend des Beklagten. Es handelt sich um eine besondere Form der Jugendsozialarbeit. Grundlage hierfür ist das Nationale Konzept Sport und Sicherheit (NKSS) aus Dezember 1992. Ziele der Arbeit von Fanprojekten sind danach folgende:
- Eindämmung von Gewalt; Arbeit im Präventivbereich, z.B. Hinführung zu gewaltfreier Konfliktlösung im Rahmen von Selbstregulierungsmechanismen mit der Perspektive Gewaltverhinderung;
- Abbau extremistischer Orientierungen (Vorurteile; Feindbilder; Ausländerfeindlichkeit) sowie delinquenter oder Delinquenz begünstigender Verhaltensweisen;
- Steigerung von Selbstwertgefühl und Verhaltenssicherheit bei jugendlichen Fußballanhängern; Stabilisierung von Gleichaltrigengruppen;
- Schaffung eines Klimas, in dem gesellschaftliche Institutionen zu mehr Engagement für Jugendliche bewegt werden können;
- Rückbindung jugendlicher Fußballanhänger an ihre Vereine.
Der Beklagte beschäftigte am 31. Dezember 2003 mehr als 5 Mitarbeiter. Der Verdienst des Klägers betrug zuletzt 2.930,-- Euro brutto monatlich.
Der Kläger bewegt sich, was seine musikalischen Interessen betrifft, seit etwa 1985 in der sogenannten "Schwarzen Szene", auch bekannt als Gothik-Szene oder Dark-Wave-Szene. Ende der 80-iger Jahre kam das Interesse an der Musik der Richtungen Neofolk und Industrial Culture hinzu. Der Kläger beschreibt die Musikrichtung selbst als düster, romantisch und experimentell. Ab Mitte der 90-iger Jahre tat sich der Kläger mit Freunden zu einer Veranstaltergruppe zusammen, die zunächst unter dem Namen "I1 E2 F4", ab 2004 unter dem Namen "k1" in unregelmäßigen Abständen Musikveranstaltungen mit Musik der vorgenannten Stilrichtungen durchführte. Es handelte sich um Kleinveranstaltungen, die durchschnittlich von 40 bis 50 Gästen besucht wurden. Der Kläger hielt als Mitveranstalter Kontakt zu den auftretenden Künstlern und kümmerte sich um die Werbung. Darüber hinaus legte er als Discjockey Platten auf. Die Veranstaltungen fanden in der Regel in B1 im Lokal "Z1" statt.
Am 28. März 2003 trat der Kläger zusammen mit zwei weiteren Personen als DJ auf. Laut der veröffentlichten Playlist (vgl. Anlage B 7 zum Schriftsatz des Beklagten vom 5. September 2007, Bl. 126 ff. d.A.) wurde von ihm u. a. Musik von Bands wie "Death In June", "Sol Invictus", "Der Blutharsch", "Blood Axis" und "Genocide Organ" aufgelegt. Einer der Mit-DJs spielte auch Titel der Band "Von Thronstahl". Den vorgenannten Bands bzw. deren Musikern werden Affinitäten zum Rechtsextremismus nachgesagt (vgl. Innenministerium NRW, Musik-Mode-Markenzeichen - Rechtsextremismus bei Jugendlichen, 1. Auflage 2004, S. 77 ff.). Auch die Bands "Ostara" und "Deniére Volonté" sind insoweit umstritten. Im Dezember 2003 plante "I1 E2 F4" im Bochumer "Z1" eine CD-Releaseparty für die Band "Ostara", die früher unter dem Namen "Strength Through Joy" (zu deutsch "Kraft durch Freude") auftrat. Nach Protesten aus der sog. antifaschistischen Szene wurde das Projekt abgesagt. Als Sprecher für "I1 E2 F4" trat damals der Kläger auf. Schließlich beabsichtigte "k1" am 8. April 2007 im Bochumer "Z1" ein sogenanntes "Black-Easter-Festival" zu veranstalten, auf dem die Gruppe "Derniére Volonté" auftreten sollte. An der Organisation dieses Konzerts war der Kläger bis zur Verlegung der Veranstaltung an einen anderen Veranstaltungsort beteiligt. Die Verlegung erfolgte wiederum aufgrund von Protesten aus der sog. antifaschistischen Szene.
Eine E-Mail des dieser Szene zuzurechnenden "Polit-Cafe-Azzoncao" erhielt der Geschäftsführer des beklagten Vereins am 16. April 2007. In dieser E-Mail wurde er auf die Aktivitäten des Klägers als Veranstalter und DJ insbesondere auch im Zusammenhang mit dem "Black-Easter-Festival" hingewiesen. Die Mail trugt den Betreff: "Fanprojektleiter von S7 23 organisiert rechte Kulturevents" (vgl. im Einzelnen Bl. 45 ff. d.A.). Nach Erhalt der E-Mail hörte der Geschäftsführer des Beklagten den Kläger zu den Vorwürfen an. Dieser räumte die in der E-Mail enthaltenen Angaben ein, bestritt aber, dass die Gruppen der von ihm veranstalteten Konzerte bzw. der von ihm als Discjockey aufgelegten Musikstücke eine rechtsradikale oder antisemitische Gesinnung hätten. Die Gruppen wollten lediglich provozieren. Im Übrigen führe die linke politische Gesinnung des E-Mail-Verfassers zu einer undifferenzierten Sichtweise gegenüber den genannten Musikgruppen und Musikstilen.
Mit Schreiben vom 17. April 2007, dem Kläger zugegangen am 18. April 2007, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos (vgl. Bl. 10 f. d.A). Hiergegen richtet sich die am 27. April 2007 beim Arbeitsgericht eingegangene Kündigungsschutzklage.
Der Kläger hat bestritten, dass die von ihm als Discjockey aufgelegte Musik bzw. die Gruppen, die diese spielten, eindeutig der rechten Szene zuzuordnen seien. Sie seien zwar umstritten. Dies bedeute jedoch nicht, dass diejenige Auffassung, die sie der rechten Szene zuordnen würden, die zutreffende Auffassung sei. Die im Jahr 2005 von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indizierte CD "Rose Clouds of Holocaust" der Gruppe "Death in June" habe er seitdem nicht mehr gespielt. Im Übrigen würde das Auftreten der im Kündigungsschreiben genannten Gruppen und ihre Liedtexte von Teilen der Musikszene als provokant empfunden. Sie seien jedoch völlig legal und verstießen in keinster Weise gegen irgendwelche Rechtsvorschriften. Der Beklagte habe lediglich die Argumentation der Antifa übernommen, ohne eigene Recherchen anzustellen. Das außerdienstliche Verhalten des Klägers stelle jedenfalls keinen verhaltensbedingten Kündigungsgrund dar. Die der Kunst- und Meinungsfreiheit unterliegenden Freizeitaktivitäten des Klägers hätten zu keiner Zeit irgendwelche Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis gezeigt.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 17. April 2007 - zugegangen am 18. April 2007 - nicht aufgelöst worden ist.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass der Kläger aufgrund seines außerdienstlichen Verhaltens für seine arbeitsvertragliche Aufgabe ungeeignet sei. Die Nähe des Klägers zu rechtsgerichteten Musikgruppen und Konzertveranstaltungen mache ihn unglaubwürdig, Jugendliche vor dem Abdriften in die rechte Szene zu bewahren, und begründe sogar den Verdacht, das der Kläger möglicherweise mit seiner Aufgabe und seiner Position versucht habe, das ihm anvertraute Klientel für rechtes Gedankengut zu gewinnen. Nachdem seine Affinität zur rechten Musikszene offenkundig geworden sei, sei eine Weiterbeschäftigung des Klägers für den Beklagten unzumutbar gewesen. Musik und Gruppen seien ziemlich eindeutig der rechten Szene zuzuordnen. Die Mitarbeit des Klägers an Projekten zum Abbau von rechtem Gedankengut im Fußball sei vor dem Hintergrund der privaten Aktivitäten des Klägers nicht weiter denkbar.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, Kündigungsgrund sei das außerdienstliche Verhalten des Klägers, wodurch das Vertrauen des Arbeitgebers in die Eignung des Klägers für die vertragliche Tätigkeit nachhaltig zerstört worden sei. Die außerordentliche Kündigung sei unabweisbar, um das Ansehen des Arbeitgebers in der Öffentlichkeit zu wahren. Die Musik und die Gruppen seien eindeutig und unmissverständlich der rechten Musikszene zuzuordnen. Wegen seiner unreflektierten und überwiegenden verharmlosenden Verteidigung dieser Musik sei der Kläger als Leiter des S5 Fanprojektes ungeeignet. Angesichts seiner leitenden Stellung im Fanprojekt sei von ihm zu erwarten, dass er uneingeschränkt die Zielsetzung des Konzepts vertrete und für die Durchsetzung in seiner Person eintrete. Das sei aufgrund der nunmehr bekannt gewordenen außerdienstlichen Aktivitäten nicht mehr gewährleistet und auch nicht wiederherstellbar. Eine vorherige Abmahnung sei nicht notwendig gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten zur Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.
Das Urteil wurde dem Kläger am 26. November 2007 zugestellt. Hiergegen richtet sich die am 4. Dezember 2007 eingelegte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 26. Februar 2008 mit einem an diesem Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung.
Der Kläger behauptet weiter, dass entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts weder die Gruppe "Derniére Volonté" noch andere Musikgruppen und einzelne Stücke eindeutig der rechten Musikszene zuzuordnen seien. Die Gruppe "Von Thronstahl" habe sich nicht auf seiner Playlist vom 28. März 2003 befunden. Der Kläger sei zu keiner Zeit in irgendeiner Form auch nur im Entferntesten rechtsgesinnt gewesen. Die streitbefangene Musik bzw. die Musikgruppen würden von der linken Szene zum Teil als rechtsgesinnt eingestuft. Das Arbeitsgericht habe diese unzutreffende Wertung seiner Entscheidung zugrunde gelegt und damit zu Unrecht ein Fehlverhalten auf Seiten des Klägers bejaht. Im Falle einer Abmahnung, die vorliegend erforderlich gewesen wäre, hätte der Kläger sein künftiges Verhalten ändern können. Konkrete Auswirkungen seines außerdienstlichen Verhaltens auf seine Tätigkeit hätten zu keiner Zeit vorgelegen und würden auch beklagtenseits nicht behauptet. Seine Betätigungsfreiheit sei verfassungsrechtlich garantiert und abgesichert.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 17. Oktober 2007 (4 Ca 835/07) festzustellen, dass die Kündigung des Beklagten vom 17. April 2007 das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht beendet hat.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens verteidigt der Beklagte die angefochtene Entscheidung des Arbeitsgerichts als zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Parteien wird auf den von ihnen in Bezug genommenen Inhalt der in beiden Rechtszügen zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der Sitzungen des Arbeitsgerichts vom 15. Juni 2007 und 17. Oktober 2007 sowie des Landesarbeitsgerichts vom 4. November 2007 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 17. April 2007 hat das Arbeitsverhältnis mit Zugang am 18. April 2007 beendet. Sie ist wirksam, weil ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB besteht.
1. Ein Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis außerordentlich ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung ohne Einhaltung einer Frist zu rechtfertigen. Danach ist in einem weiteren Schritt zu überprüfen, ob die konkrete Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile gerechtfertigt ist (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. statt aller: BAG, 17. Mai 1984, 2 AZR 3/83, AP Nr. 14 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung).
Ein außerdienstliches Verhalten kann nur dann ein Grund für eine außerordentliche Kündigung sein, wenn dadurch das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird (vgl. BAG, 21. Juni 2001, 2 AZR 325/00, AP BAT § 54 Nr. 5; 8. Juni 2000, 2 AZR 638/99, AP BGB § 626 Nr. 163; 20. September 1984, 2 AZR 233/83, AP KSchG 1969 § 1 verhaltensbedingte Kündigung Nr. 13). Dies ist zum einen der Fall, wenn es sich bei dem außerdienstlichen Verhalten zugleich um ein vertragswidriges Verhalten handelt. Zum anderen kann aus einem außerdienstlichen Verhalten des Arbeitnehmers gegebenenfalls geschlossen werden, dass ihm die Eignung für die vertraglich geschuldete Tätigkeit fehlt (vgl. KR-Griebeling, Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz, 8. Auflage, § 1 KSchG Rdnr. 450; KRFischermeier, a.a.O., § 626 BGB Rdnr. 120; APS-Dörner, Kündigungsrecht, 3. Auflage, § 1 KSchG Rdnr. 121, 328).
2. Der Kläger ist aufgrund seiner außerdienstlichen Musikaktivitäten nicht mehr geeignet, als Leiter des S5 Fanprojekts tätig zu sein.
a) Das S5 Fanprojekt arbeitet auf der Basis der Richtlinien des "Nationalen Konzepts Sport und Sicherheit." Die zentralen Ziele sind die Eindämmung von Gewalt sowie der Abbau extremistischer Orientierungen (Vorurteile, Feindbilder, Ausländerfeindlichkeit) bei jugendlichen Fußballanhängern. Als Leiter des Fanprojekts hat der Kläger diese vom Beklagten verfolgte Zielsetzung zu verwirklichen. Dementsprechend hat er außerdienstlich Aktivitäten zu unterlassen, welche der Zielverwirklichung entgegenstehen. Ein Arbeitnehmer kann nicht auf der einen Seite - noch dazu in leitender Funktion - für die Verwirklichung ideeller Ziele des Betriebs seines Arbeitgebers zuständig sein, um nach Dienstschluss außerdienstlichen Aktivitäten nachzugehen, die dazu im Widerspruch stehen. Ein solches Verhalten führt, wenn es bekannt wird, grundsätzlich dazu, dass aufgrund der Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit der Person des Arbeitnehmers dieser nicht mehr für die Leitungsfunktion oder für eine andere der Zielverfolgung dienende Tätigkeit im Betrieb des Arbeitgebers geeignet ist.
b) Durch seine außerdienstlichen musikalischen Aktivitäten hat sich der Kläger in Widerspruch zu den Zielsetzungen des S5 Fanprojekts begeben.
aa) Es ist bekannt, dass bei jugendlichen Fußballanhängern es sich vor allem um rechtsextremistische Positionen handelt, die sie gefährden bzw. aus denen heraus sie andere gefährden. Das fordert von dem Kläger eine eindeutige Positionierung gegen diese politisch extreme, nationalistische und ausländerfeindliche Orientierung. Dies ist nicht nur bei der Ausübung seiner Arbeit erforderlich, vielmehr darf im Privatbereich kein widersprüchliches Verhalten vorliegen, das diese Eindeutigkeit infrage stellt.
bb) Ein solch widersprüchliches Verhalten liegt her aber vor. Der Kläger kann nicht auf der einen Seite als Leiter des S5 Fanprojekts gegen ausländerfeindliche und extremistische Orientierungen arbeiten und andererseits in seiner Freizeit Musik auflegen oder Konzerte veranstalten, deren Interpreten mit nationalsozialistischer Ästhetik und Symbolik und mehr oder minder deutlichen Bezügen zum Rechtsextremismus in Musik und Text arbeiten. Dabei bedarf es keiner abschließenden Beurteilung, ob die hier im Verfahren konkret genannten Musikgruppen und Künstler eindeutig der rechten Szene zuzuordnen sind. Es handelt sich jedenfalls um Gruppen, die auch nach der Einschätzung und dem Eingeständnis des Klägers hinsichtlich ihrer Nähe zur rechtsextremen Positionen umstritten sind. Bei ihnen ist zumindest keine eindeutige Unterscheidung zwischen künstlerischer Provokation und rechtsextremer Propaganda mittels Musik erkennbar. Deren Musik hat der Kläger aufgelegt. Mit diesen Gruppen hat er Konzerte veranstaltet. Schon dies stellt die Eindeutigkeit seiner eigenen Positionierung gegen Rechtsextremismus infrage.
cc) Es ist nicht die Frage zu beurteilen, ob das Hören dieser Musik und die persönliche Auseinandersetzung damit "im stillen Kämmerlein" die Eignung als Leiter des S5 Fanprojekts in Frage stellen kann. Entscheidend ist hier, dass der Kläger seinen musikalischen Geschmack in der Öffentlichkeit ausgelebt hat. Damit hat er sich auch nach außen erkennbar in einen deutlichen Widerspruch zu seiner inhaltlichen Arbeit als Leiter des S5 Fanprojekts begeben.
c) Der Widerspruch zwischen der außerdienstlich Wahrnehmung seines Musikinteresses und der als Leiter des S5 Fanprojekts zu verwirklichenden Projektziele stellt grundlegend in Frage, dass der Kläger in der Lage ist, extremistische Orientierungen zu erkennen und gegen sie zu arbeiten. Zudem ist er gegenüber Dritten nicht mehr geeignet, glaubwürdig die Ziele des Projekts zu vertreten.
aa) Im Hinblick auf seine Aufgabe reicht es nicht, wenn der Kläger nach persönlicher Auseinandersetzung für sich zu dem Schluss kommt, dass bei bestimmten umstrittenen Musikern und Musikgruppen nur künstlerische Provokation vorliegen soll. Vielmehr muss er ihren umstrittenen Status zur Kenntnis nehmen und daraus Konsequenzen für seinen Umgang mit dieser Musik in der Öffentlichkeit ziehen. Wer gegen extremistische Orientierungen arbeiten soll, in seiner Freizeit Musik durch Konzerte und Musikveranstaltungen kommuniziert und dabei ohne kritische Distanz die Indifferenz der von ihm verbreiteten Musik und ihrer Interpreten gegenüber rechtsextremen Strömungen ignoriert, weckt Zweifel an der Eignung für seine Aufgabe. Durch seine Aktivitäten als Discjockey und Konzertveranstalter hat der Kläger den Eindruck erweckt, dass er im persönlichen Bereich nicht eindeutig solche extremistischen Strömungen erkennen und sich von ihnen abgrenzen kann. Dies weckt aber Zweifel an der Eignung für seine Aufgabe, insbesondere an seiner Fähigkeit, solche extremistischen Orientierungen stets tatsächlich erkennen und bekämpfen zu können. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund der langjährigen Verfolgung seines Musikinteresses durch den Kläger.
bb) Es ist zwar überzogen, wenn der Beklagte im unterstellt, es bestehe der Verdacht, der Kläger habe möglicherweise mittels seiner Aufgabe und seiner Position versucht, das ihm anvertraute Klientel für rechtes Gedankengut zu gewinnen. Dies erscheint angesichts der eindeutigen Stellungnahme des Leiters B3 des Projekts "Dem Ball ist egal, wer ihn tritt", wonach der Kläger kein Rechter sei, auch nicht mehr als Interessenswahrnehmung im Prozess nachvollziehbar.
Entscheidend ist aber, dass der Kläger aufgrund des Widerspruchs, der sich aus seiner inhaltlichen Arbeit als Leiter des S5 Fanprojekts einerseits und der Verfolgung seiner musikalischen Aktivitäten andererseits ergibt, persönlich unglaubwürdig geworden ist, dass Projekt ohne Wenn und Aber zu vertreten. Es ist nicht mehr zu vermitteln, dass jemand zuverlässig gegen rechtsextremistische Orientierungen arbeitet, was unabdingbare Voraussetzung für einen Erfolg des Fanprojekts ist, wenn er andererseits in seiner Freizeit ein gerade bei Jugendlichen möglicherweise sehr wirksames Instrument wie Musik für Gruppen einsetzt, die im Verdacht stehen, mittels Musik (subtile) rechtsextreme Propaganda zu betreiben. Gerade hier wäre es vom Kläger zu erwarten gewesen, dass er Bewertungen z.B. des nordrhein-westfälischen Innenministeriums zur Kenntnis nimmt und die Ambivalenz dieser Musik gegenüber der Klientel, die er zu betreuen hat, kritisch herausstellt. Dies muss er im Rahmen seiner Arbeit fürs S5 Fanprojekt ohnehin tun. Dazu kann sein außerdienstliches Verhalten jedoch nicht in Widerspruch treten, indem er die Musik kritiklos zur Unterhaltung präsentiert.
cc) Der Kläger hat das S5 Fanprojekt gegenüber anderen gesellschaftliche Institutionen zu repräsentieren und soll sie zu mehr Engagement für Jugendliche nach den Zielsetzungen des "Nationalen Konzepts Sport und Sicherheit" bewegen. Der Kläger ist gegenüber diesen Institutionen kein glaubwürdiger Werbeträger des Projekts, wenn er dessen Ziele durch seine außerdienstliche Aktivitäten in Frage stellt.
3. Vor Ausspruch der Kündigung war eine Abmahnung im vorliegenden Fall nicht erforderlich.
a) Zwar ist zu berücksichtigen, dass Grundlage für den Eignungsmangel ein Verhalten ist, dass der Kläger grundsätzlich steuern kann. Ebenso wie bei einer Störung des Vertrauensverhältnisses (vgl. BAG, 4. Juni 1997, 2 AZR 526/96, AP BGB § 626 Nr. 137), um die es hier letztlich auch geht, ist in einem solchen Fall, wo ein steuerbares Verhalten vorliegt, jedenfalls dann eine Abmahnung erforderlich, wenn durch eine Veränderung des Verhaltens eine Wiederherstellung der Eignung erfolgen kann. Wo sie zur Beseitigung der Störung nicht geeignet ist, ist die Abmahnung entbehrlich. Das ist insbesondere bei schweren Pflichtverletzungen anzunehmen, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne Weiteres erkennbar und deren Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. Dem Arbeitnehmer muss insoweit bewusst sein, dass er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt. Entbehrlich ist die Abmahnung weiterhin, wenn der Arbeitnehmer in Kenntnis der Vertragswidrigkeit seines Verhaltens daran hartnäckig und uneinsichtig festhält. Damit gibt er zu erkennen, dass er auch künftig nicht bereit ist, sich vertragsgetreu zu verhalten und zwar auch nicht um den Preis einer Kündigung (vgl. HWK/Quecke, Arbeitsrechtskommentar, 3. Auflage § 1 KSchG Rdnr. 187).
b) Angesichts des für ihn erkennbaren Widerspruchs zu seiner Funktion und Aufgabe als Fanprojektleiter konnte der Kläger nicht davon ausgehen, dass sein außerdienstliches Verhalten durch den Beklagten hingenommen wird. Entscheidend ist, dass das Glaubwürdigkeitsproblem des Klägers durch das Verhalten in der Vergangenheit eingetreten ist und damit für die Zukunft kaum mehr beseitigt werden kann. Dem Kläger kann immer vorgehalten werden, in seiner Freizeit mögliche extremistische Orientierungen verkannt und nicht entschieden genug für sich abgelehnt zu haben. Deswegen könne es ihm auch nicht abgenommen werden, wenn er in seiner Funktion als Leiter des S5 Fanprojekts gegen solche rechtsextremen Orientierungen arbeiten soll. Der Kläger hat sich durch sein Verhalten in seiner Glaubwürdigkeit irreparabel geschädigt. Das gilt sowohl gegenüber seinem Arbeitgeber als auch den gesellschaftlichen Institutionen, gegenüber denen er das Projekt vertritt. Es betrifft aber auch seine eigentliche Klientel, die sich einem Fanprojektleiter gegenüber sieht, der in dieser Funktion eindeutig extremistische Orientierungen ablehnt, auf der anderen Seite in seiner Freizeit aber Musikgruppen auflegt bzw. Konzerte mit solchen veranstaltet, die in diesem Punkt gerade keine Eindeutigkeit erkennen lassen.
Der Kläger war nach Bekanntwerden der Vorfälle aus diesen Gründen nicht mehr geeignet, als Leiter oder in anderer Funktion im S5 Fanprojekt noch eingesetzt zu werden. Daran hätte eine Abmahnung nichts ändern können. Eine Verhaltensänderung hätte jedenfalls nicht in einer dem Beklagten zumutbaren zeitlichen Nähe das Glaubwürdigkeitsproblem, das entstanden war, beseitigt. Der Beklagte musste stets befürchten, dass der Repräsentant seines Projekts nicht überall, insbesondere nicht bei der zu betreuenden Klientel in dem Maße ernst genommen wird, wie es erforderlich ist zur Erreichung der Zielsetzungen.
4. Die abschließend vorzunehmende Interessenabwägung führt dazu, dass dem Beklagten die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist nicht mehr möglich war. Zugunsten des Klägers hat das Gericht dabei zum einen seine recht lange Betriebszugehörigkeit von über zehn Jahren sowie die bis zum Bekanntwerden seiner außerdienstlichen Aktivitäten beanstandungsfreie und erfolgreiche Arbeit im S5 Fanprojekt berücksichtigt. Der Kläger hat offenbar zumindest bislang im Hinblick auf rassistische oder rechtsextremistische Strömungen seine Arbeit einwandfrei verrichtet. Dies ändert jedoch nichts an dem Umstand, dass der Kläger nach Bekanntwerden seiner musikalischen Aktivitäten aufgrund des entstandenen Glaubwürdigkeitsproblems als Leiter oder auch nur als Mitarbeiter in diesem Projekt nicht mehr einsetzbar war. Die Beklagte kann in dem Fanprojekt keinen Mitarbeiter gebrauchen, dessen Einstellung zu rechtsextremistischen Orientierungen durch sein außerdienstliches Verhalten als ambivalent erscheint und bei dem Zweifel bestehen, ob er solche Orientierungen, die er zu bekämpfen hat, immer erkennt. Genau dies war jedoch bei dem Kläger der Fall. Gerade für den weiteren Erfolg des Projekts war es erforderlich, dass der Beklagte den Kläger aus seiner bisherigen Funktion entfernte und von einer weiteren Mitarbeit ausschloss. Da eine anderweitige Einsatzmöglichkeit nicht bestand, blieb nur die sofortige Trennung. Eine formale Fortführung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist war dem Beklagten weder ideell noch finanziell zumutbar. Insoweit überwog das Auflösungsinteresse des Beklagten das Bestandsinteresse des Klägers.
5. Die Kündigung wird schließlich auch nicht dadurch infrage gestellt, dass das außerdienstliche Verhalten des Klägers in den grundrechtlich durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Privatbereich fällt.
a) Die Tätigkeit als DJ und Konzertveranstalter unterfällt zunächst nicht, wie vom Klägererstinstanzlich angenommen, dem Schutzbereich des Grundrechts der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG. Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist unter dem Begriff Kunst, von dem "künstlerisch" abgeleitet ist, das schöpferische Gestalten aus den verschiedensten Materialien oder mit den Mitteln der Sprache, der Töne in Auseinandersetzung mit Natur und Welt zu verstehen. Die Tätigkeit des muss das Merkmal des schöpferisch Gestaltenden aufweisen. Es genügt also nicht etwa die Präsentation, Wiedergabe oder der Verkauf künstlerischer Werke anderer (vgl. BAG, 22. Februar 2001, 6 AZR 398/99, EzBAT BAT § 11 Nr. 10). Der Kläger betreibt bloße Präsentation von Musik als DJ und Konzertveranstalter.
b) Ebenso wenig stellt die Tätigkeit als DJ und Konzertveranstalter eine dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG unterfallende Meinungsäußerung dar, wie der Kläger erstinstanzlich gemeint hat. Es ist nicht erkennbar, dass mit diesen Tätigkeiten die Äußerung einer Meinung durch den Kläger erfolgte. Der Kläger behauptet selbst nicht, dass die Wiedergabe der Musik gerade der hier umstrittenen Musikgruppen der Äußerung seiner politischen Meinung gedient hat.
c) Die grundrechtlich durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Gestaltung des privaten Lebensbereichs steht außerhalb der Einflusssphäre des Arbeitgebers und wird durch arbeitsvertragliche Pflichten nur insoweit eingeschränkt, als sich das private Verhalten auf den betrieblichen Bereich auswirkt und dort zu Störungen führt. Berührt außerdienstliches Verhalten den arbeitsvertraglichen Pflichtenkreis nicht, so ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, die ihm bekannt gewordenen Umstände aus der Privatsphäre des Arbeitnehmers durch den Ausspruch einer Kündigung zu missbilligen (vgl. BAG, 16. September 2004, 2 AZR 447/03, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 44; 23. Juni 1994, 2 AZR 617/93, AP BGB § 242 Kündigung Nr. 9). Gerade hierum geht es jedoch im vorliegenden Fall nicht. Wie gezeigt wirkt sich das außerdienstliche Verhalten negativ auf die Eignung des Klägers für die von ihm arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit aus. Der grundrechtliche Schutz der privaten Lebensführung steht einer Kündigung gerade deswegen nicht entgegen.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Streitwert blieb unverändert.
Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht.
Ende der Entscheidung
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