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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 13.02.2004
Aktenzeichen: 15 Sa 1568/03
Rechtsgebiete: BGB, BZT-G, BetrVG, BZT-G/NRW


Vorschriften:

BGB § 140
BZT-G § 11
BZT-G § 11 Abs. 2
BMT-G § 36
BMT-G § 37
BetrVG § 77 Abs. 3
BetrVG § 77 Abs. 3
BetrVG § 77 Abs. 3 S. 1
BetrVG § 77 Abs. 5
BZT-G/NRW § 11 Abs. 2 S. 2
BZT-G/NRW § 11 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 04.06.2003 - 2 Ca 165/02 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1) und der Kläger zu 2) jeweils 1/2.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an die Kläger eine Jubiläumszuwendung zu zahlen.

Beide Kläger sind bei der Beklagten seit dem 04.11.1991 als Busfahrer beschäftigt. Arbeitsvertraglich wurde vereinbart, dass auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge für Arbeiter der gemeindlichen Verwaltung und Betriebe (im Folgenden: BMT-G) Anwendung finden. Beide Kläger sind Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Die Beklagte gehört seit dem 01.01.1970 dem Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen (KAV NW) an. Aktionäre der Beklagten sind zum einen der Kreis Olpe zu 33 1/3 % sowie die Betriebs- und Beteiligungsgesellschaft des Kreises Siegen-Wittgenstein, deren Anteilseigner wiederum der Kreis Siegen-Wittgenstein ist, zu 66 2/3 %.

Unter dem 01.07.1971 schlossen die Beklagte und der bei ihr gewählte Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung, die unterschiedliche Zusatzleistungen der Beklagten vorsah. Unter dem 11.10.1976 wurde eine Neufassung dieser Betriebsvereinbarung vereinbart, die in Abschnitt 2 folgende Regelung enthält:

Jubiläumsgeld

An Belegschafter der V2xxxxxxxxxxxxxx W1xxxxxxx-S1x AG wird ein Jubiläumsgeld wie folgt gezahlt:

Nach 10 Jahren ununterbrochener Beschäftigung 40 % eines Monatseinkommens,

nach 25 Jahren ununterbrochener Beschäftigung 150 % eines Monatseinkommens und zusätzlich eine goldene Uhr,

nach 40 Jahren ununterbrochener Beschäftigung 225 % eines Monatseinkommens.

Soweit aufgrund tariflicher Bestimmungen ein Jubiläumsgeld gezahlt oder vor Ablauf der oben genannten Beschäftigungszeiten gezahlt wird, ist dieses tatsächliche Jubiläumsgeld auf das nach dieser Betriebsvereinbarung zu zahlende Jubiläumsgeld anzurechnen.

Zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Betriebsvereinbarungen sah § 36 BMT-G bzw. später § 37 BMT-G II folgendes vor:

Arbeitsjubiläen

Aus Anlass der Vollendung einer ununterbrochenen Beschäftigung von 25, 40 und 50 Jahren bei dem gleichen Arbeitgeber werden nach Maßgabe bezirklicher Vereinbarung Jubiläumsgaben und Freizeit gewährt.

Die Höhe der Jubiläumsgabe war in einer bezirklichen Vereinbarung (BTV Nr. 2) bzw. später im Bezirks-Zusatztarifvertrag (BZT-G/NRW) geregelt. Seit 1. Januar 1964 hatte § 11 Abs. 2 BZT-G NRW folgende Fassung:

...

(2) Die Jubiläumszuwendung beträgt bei Vollendung einer Dienstzeit von

25 Jahren 300,00 DM

40 Jahren 450,00 DM

50 Jahren 600,00 DM.

(4) Sofern aufgrund einer bestehenden örtlichen (betrieblichen) Regelung ein Anspruch auf eine höhere Jubiläumszuwendung als die in Abs. 2 vorgesehene besteht, bleibt dieser Anspruch unberührt.

...

Durch den 9. Tarifvertrag zur Änderung des Bezirkszusatztarifvertrages vom 27.08.1970 wurde mit Wirkung vom 01.10.1970 folgende Regelung eingeführt:

§ 11 BZT-G

(Zu § 37 BMT-G)

(1) Der Arbeiter erhält eine Jubiläumszuwendung, wenn er

a) eine Dienstzeit von 25, 40 oder 50 Jahren vollendet,

b) am Tage der Vollendung dieser Dienstzeit mindestens 10 Jahre ununterbrochen bei dem zur Zahlung der Jubiläumszuwendung verpflichteten Arbeitgeber beschäftigt ist.

Erfüllt der Arbeiter die Voraussetzungen unter b) nicht, erhält er die Jubiläumszuwendung an dem Tage, an dem er die 10jährige ununterbrochene Beschäftigung vollendet.

(2) Die Jubiläumszuwendung beträgt bei Vollendung einer Dienstzeit von

25 Jahren 300 DM

40 Jahren 450 DM

50 Jahren 600 DM.

(4) Sofern aufgrund einer bestehenden örtlichen (betrieblichen) Regelung ein Anspruch auf eine höhere Jubiläumszuwendung als die in Abs. 2 vorgesehene besteht, bleibt dieser Anspruch unberührt.

Mit Wirkung ab 01.01.1980 wurde durch den 26. Ergänzungstarifvertrag zum BMT-G II § 37 wie folgt neu gefasst:

§ 37 Jubiläumszuwendungen

Die Jubiläumszuwendung beträgt

beim 25-jährigen Arbeitsjubiläum 600 DM,

beim 40-jährigen Arbeitsjubiläum 800 DM,

beim 50-jährigen Arbeitsjubiläum 1.000 DM.

Zeiten in einem Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnis mit weniger als der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit werden in vollem Umfang berücksichtigt. Nichtvollbeschäftigte erhalten von der Jubiläumszuwendung den Teil, der dem Maß der mit ihnen vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit entspricht.

Die sonstigen Einzelheiten werden bezirklich vereinbart.

§ 11 BZT-G/NRW lautet seitdem -soweit hier von Interesse- wie folgt:

(1) Der Arbeiter erhält eine Jubiläumszuwendung, wenn er eine Dienstzeit von 25, 40 und 50 Jahren vollendet.

Zeiten in einem Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnis mit weniger als der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit werden in vollem Umfange berücksichtigt.

(2) Die Jubiläumszuwendung beträgt bei Vollendung einer Dienstzeit von

25 Jahren 600,00 DM

40 Jahren 800,00 DM

50 Jahren 1.000,00 DM.

...

(4)Sofern aufgrund einer am 31.12.1979 bestehenden örtlichen (betrieblichen) Regelung ein Anspruch auf eine höhere Jubiläumszuwendung als die in Abs. 2 besteht, bleibt dieser Anspruch unberührt."

Bis zum Jahre 2000 einschließlich zahlte die Beklagte die in der Betriebsvereinbarung vom 11.10.1976 vorgesehenen Jubiläumsgelder auch an die Beschäftigten, die 10 Jahre bei ihr tätig waren. Auf das Begehren der Kläger, ihnen nach Vollendung der 10-jährigen Betriebszugehörigkeit das Jubiläumsgeld in Höhe von jeweils 979,31 EUR brutto zu zahlen, teilte die Beklagte dem Vorsitzenden des Betriebsrats mit Schreiben vom 12.11.2001 folgendes mit:

"Sehr geehrter Herr D5xxx,

Ihnen ist bekannt, dass sich aus der angespannten wirtschaftlichen Lage der V1x AG und der sich stetig ändernden Rahmenbedingungen des Marktes die Notwendigkeit ergibt, die Kostenposition unseres Unternehmens nachhaltig zu verbessern. In diesem Zusammenhang haben wir uns entschieden, auch die übertariflichen Leistungen, insbesondere auch die übertariflichen Treueprämien und Jubiläumsgelder, einer anwaltlichen Prüfung zu unterziehen. Dies geschah auch vor dem Hintergrund, dass im November dieses Jahres die Auszahlung der Treueprämie für vier Mitarbeiter anstehen würde.

Zu unserer Überraschung hat die anwaltliche Überprüfung ergeben, dass die Betriebsvereinbarungen vom 01.07.1971 und vom 11.10.1976, in denen die Zahlung eines Jubiläumsgeldes nach 10-jähriger, 25-jähriger und 40-jähriger Betriebszugehörigkeit vereinbart wurde, nichtig sind. Es ist festgestellt worden, dass diesbezügliche, betriebsverfassungsgerechte Regelungen wegen des Verstoßes gegen den Tarifvorbehalt aus § 77 III BetrVG nichtig sind, da durch die Betriebsvereinbarungen ohne Vorliegen besonderer Gründe das tarifliche Jubiläumsgeld lediglich erhöht wird. Eine entsprechende tarifliche Öffnungsklausel besteht für diesen Fall nicht. Sie wäre jedoch Wirksamkeitsvoraussetzung für eine dementsprechende Betriebsvereinbarung über Jubiläumsgelder gewesen. Eine nichtige Betriebsvereinbarung unterliegt mithin auch nicht der Kündigungsfrist für Betriebsvereinbarungen, sondern ist vielmehr aufgrund ihrer Nichtigkeit per se unwirksam und bedarf keiner darüber hinausgehenden Kündigung.

Da der V1x AG nunmehr die Nichtigkeit der Jubiläumsgeld-Betriebsvereinbarung vor Augen geführt wurde, sind wir gehalten, die Zahlung der übertariflichen Jubiläumsgelder mit sofortiger Wirkung einzustellen.

Selbstverständlich wird der besonderen Situation und der betrieblichen Treue eines Mitarbeiters nach 25 Jahren oder gar 40 Jahren weiterhin dadurch Rechnung getragen, dass er die tariflich vorgesehenen Jubiläumszuwendungen gem. § 37 BMT-G bzw. BAT erhält.

Die vier Mitarbeiter haben eine Kopie dieses Schreibens auf dem Postwege erhalten. Darüber hinaus wird dieses Schreiben per Aushang in den Dienststellen zur Direktinformation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter veröffentlicht."

Zwischenzeitlich hat die Beklagte die Betriebsvereinbarung vom 11.10.1976 zum 31.12.2002 gekündigt. Eine nachfolgende Regelung zur Betriebsvereinbarung vom 11.10.1976 ist nicht abgeschlossen worden.

Mit vorliegender Klage, die am 24.01.2002 beim Arbeitsgericht Siegen eingegangen ist, verlangen die Kläger Zahlung des Jubiläumsgeldes nach 10-jähriger Betriebszugehörigkeit. Zur Begründung haben die Kläger vorgetragen, die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG greife vorliegend nicht ein. Tarifvertraglich sei die Zahlung eines Jubiläumsgeldes nach 10-jähriger Betriebszugehörigkeit nicht geregelt. Insoweit weiche die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG dem Günstigkeitsprinzip. Darüber hinaus enthalte § 37 S. 2 BMT-G II in Verbindung mit § 11 Abs. 4 BZT-G/NRW eine tarifliche Öffnungsklausel. Die dort vorgesehene Möglichkeit der örtlichen (betrieblichen) Regelung eines Anspruchs auf eine höhere Jubiläumszuwendung umfasse auch den Fall, dass eine Jubiläumszuwendung bereits nach 10 Jahren Betriebszugehörigkeit gewährt werden solle.

Jedenfalls aber stelle die Regelung in der Betriebsvereinbarung vom 11.10.1976 über die Zahlung eines Jubiläumsgeldes nach 10-jähriger Beschäftigung eine betriebliche Einheitsregelung dar. Die Beklagte habe über Jahrzehnte der abhängig beschäftigten Belegschaft und der betrieblichen Interessenvertretung signalisiert, dass die vereinbarten Jubiläumszahlungen auch für 10-jährige Betriebszugehörigkeit zur Auszahlung gelangen sollten. Entsprechende Rückstellungen für diese Jubiläumsgelder seien in den Bilanzen erfolgt. Daraus folge ein entsprechender Verpflichtungswille, so dass die Voraussetzungen für eine Umdeutung der Regelung in der Gesamtzusage gegeben seien.

Im übrigen sei die Regelung in der Betriebsvereinbarung vom 11.10.1976 über die Zahlung eines Jubiläumsgeldes vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erfasst. Eine tarifvertragliche oder gesetzliche Regelung, die die Zahlung eines Jubiläumsgeldes nach 10-jähriger Betriebszugehörigkeit ausschließe, bestehe nicht.

Die Kläger haben beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1) 979,31 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz nach § 1 Diskontsatz-Überleitungs-Gesetz vom 09.06.1998 seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 2) 979,31 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz nach § 1 Diskontsatz-Überleitungs-Gesetz vom 09.06.1998 seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Betriebsvereinbarung vom 11.10.1976 sei jedenfalls hinsichtlich der Regelung über die Zahlung eines Jubiläumsgeldes nach 10-jähriger Beschäftigung nichtig. Denn sie verstoße gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG. Die tarifliche Regelung des § 37 BMT-G II enthalte gleichzeitig eine sachliche Negativregelung in der Weise, dass Arbeitnehmer für andere als das 25-jährige, 40-jährige oder 50-jährige Arbeitsjubiläum keine Zuwendung erhalten sollten. Das Günstigkeitsprinzip finde keine Anwendung.

Entgegen der Auffassung der Kläger sei § 11 Abs. 4 BZT-G/NRW nicht als tarifliche Öffnungsklausel zu verstehen, die Regelungen hinsichtlich der Voraussetzungen für den Bezug einer Jubiläumszuwendung zulasse. Abweichende örtliche (betriebliche) Regelungen, bei denen es sich im übrigen gemäß § 62 BMT-G II um eine tarifliche Regelung handeln müsse, seien nur bezüglich der Höhe des Jubiläumsgeldes zu den in § 37 BMT-G vorgesehenen Arbeitsjubiläen möglich.

Die Umdeutung der danach unwirksamen Betriebsvereinbarung vom 11.10.1976 in eine vertragliche Einheitsregelung bzw. Gesamtzusage scheide aus. Es seien keine besonderen Umstände gegeben, die die Annahme rechtfertigen könnten, sie, die Beklagte, habe sich unabhängig von der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung auf jeden Fall gegenüber ihren Arbeitnehmern verpflichten wollen, im Falle einer 10-jährigen Betriebszugehörigkeit ein Jubiläumsgeld zu zahlen. Allein aus dem Abschluss einer Betriebsvereinbarung und deren Durchführung über einen längeren Zeitraum hinweg könne dies nicht geschlossen werden. Unerheblich sei, dass sie entsprechend ihren bilanzrechtlich Verpflichtungen Rückstellungen für die Leistungen vorgesehen habe.

Unabhängig davon stehe dem Betriebsrat auch kein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Einführung einer Jubiläumszahlung für 10-jährige Betriebszugehörigkeit zu. Hierbei handele es sich um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers, bei der lediglich die Grundsätze über die Berechnung der zusätzlichen Leistungen und ihre Höhe im Verhältnis zueinander der Mitbestimmung unterlägen. Damit sei zwar die Frage der Verteilung der Jubiläumsgelder, nicht aber die Einführung bzw. Abschaffung der Jubiläumszuwendung für das 10-jährige Betriebszugehörigkeitsjubiläum mitbestimmungspflichtig. Die Betriebsvereinbarung vom 11.10.1976 beschränke sich auch darauf, die tarifliche Sonderleistung der Jubiläumszuwendung zu erhöhen. Jedenfalls handele es sich nicht um eine eigenständige Regelung, die auf besondere, vom Tarifvertrag nicht erfasste Gesichtspunkte zurückgreife.

Unerheblich sei, ob die übrigen Leistungen, welche die Betriebsvereinbarung vom 11.10.1976 vorsehe, bis zur Kündigung der Betriebsvereinbarung erbracht worden seien.

Durch Urteil vom 04.06.2003 hat das Arbeitsgericht der Klage antragsgemäß stattgegeben. Gegen diese Entscheidung, die der Beklagten am 20.08.2003 zugestellt worden ist, richtet sich die Berufung der Beklagten, die am 19.09.2003 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist und - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20.11.2003 - am 18.11.2003 begründet worden ist.

Die Beklagte trägt vor, dem Arbeitsgericht sei darin zuzustimmen, dass die in Abschnitt II der Betriebsvereinbarung vom 11.10.1976 enthaltene Regelung über die Zahlung eines Jubiläumsgeldes bei 10-jähriger Beschäftigung wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam sei. Jedenfalls für das 10-jährige Dienstjubiläum seien die Betriebspartner nicht befugt gewesen, diese Leistung durch Betriebsvereinbarung einzuführen. Sie hätten damit den Rahmen überschritten, der durch die tarifliche Öffnungsklausel des § 11 Abs. 4 BZT-G/NRW vorgegeben gewesen sei. Sie, die Beklagte, sei im August 2001 an ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten mit der Bitte herangetreten, die übertariflichen, freiwilligen sozialen Leistungen sowie die dazugehörigen Betriebsvereinbarungen und sonstigen Regelungen, insbesondere auch die übertariflichen Treueprämien und Jubiläumsgelder, einer anwaltlichen Prüfung zu unterziehen. Diese Anfrage habe auf der angespannten wirtschaftlichen Lage des Unternehmens beruht. Ende August 2001 habe ihr Prozessbevollmächtigter mitgeteilt, Abschnitt II der Betriebsvereinbarung vom 11.10.1976, in der die Zahlung eines Jubiläumsgeldes unter anderem nach 10-jähriger Betriebszugehörigkeit vereinbart worden sei, sei nichtig wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG. Nachdem sie von der Nichtigkeit der Betriebsvereinbarung in diesem Punkte erfahren habe, habe sie unverzüglich die Zahlung eingestellt.

Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts seien die Voraussetzungen für eine Umdeutung der unwirksamen Betriebsvereinbarung in eine Gesamtzusage nicht gegeben. An eine solche Umdeutung seien strenge Anforderungen zu stellen. Sie komme nur in Betracht, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigten, der Arbeitgeber habe sich auf jeden Fall verpflichten wollen, den Arbeitnehmern die in der unwirksamen Betriebsvereinbarung vorgesehenen Leistungen zukommen zu lassen. Ein hypothetischer Wille des Arbeitgebers, sich auch für den Fall des Scheiterns der an und für sich gewollten betriebsverfassungsrechtlichen Regelung vertraglich den begünstigten Arbeitnehmern gegenüber binden zu wollen, könne nur ausnahmsweise angenommen werden. Eine Umdeutung erfordere eine strenge Prüfung, ob ein entsprechend weitergehender Verpflichtungswille des Arbeitgebers angenommen werden könne. Hiervon könne nicht ausgegangen werden. Abschnitt II der Betriebsvereinbarung vom 11.10.1976 erschöpfe sich nicht in einer einmaligen Leistung. Darüber hinaus sei die Betriebsvereinbarung gemäß Abschnitt IV mit einer Frist von sechs Monaten zum Schluss eines Kalenderjahres ohne Vorliegen eines Grundes kündbar gewesen. Die Betriebsparteien hätten sich damit - unabhängig von der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit gemäß § 77 Abs. 5 BetrVG - konkret mit den Möglichkeiten der Loslösung von der Betriebsvereinbarung auseinandergesetzt. Dies stütze gerade nicht die Annahme, sie, die Beklagte, habe sich unabhängig von den Regelungen der Betriebsvereinbarung auf jeden Fall verpflichten wollen, ihren Arbeitnehmern die streitigen Leistungen zu gewähren. Bei Abschluss der Betriebsvereinbarung sei genau überlegt worden, mit welchen Fristen man sich von dort geregelten Leistungen wieder habe trennen können, ohne dass Kündigungsgründe gegeben sein müssten. Bei Kenntnis der Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung hätte sie, die Beklagte, die Jubiläumsgeldzusage auf keinen Fall im individuellen Arbeitsvertrag geregelt, sondern die Form einmaliger freiwilliger sozialer Leistungen gewählt, die keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründeten. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Umdeutung der unwirksamen Betriebsvereinbarung in eine Gesamtzusage haben zur Konsequenz, dass sie sich von der nichtigen Betriebsvereinbarung letztlich nicht lösen könne.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgericht Siegen vom 04.06.2003 - 2 Ca 165/02 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das arbeitsgerichtliche Urteil und tragen vor, die Betriebsvereinbarung vom 11.10.1976 sei nicht als unwirksam anzusehen. Die Tarifparteien seien offenbar davon ausgegangen, dass die betriebliche Wirklichkeit in vielen Teilbereichen weiter fortgeschritten gewesen sei als der Tarifvertrag für die Fläche. Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite seien sich bei Abschluss der Betriebsvereinbarung vom 11.10.1976 einig in dem Ziel gewesen, die Arbeitsplätze im Betrieb attraktiver zu machen. Sie seien davon ausgegangen, dass die 10-jährige Betriebszugehörigkeit nicht tariflich geregelt und damit für betriebliche Regelungen offen gewesen sei. Der einschlägige Tarifvertrag enthalte eine Öffnungsklausel, die so zu verstehen sei, dass in betrieblichen Regelungen durchaus auch außerhalb der drei tariflich geregelten Alternativen weitere Zeitpunkte einer "runden" Dienstzeit zum Anlass für Zahlungen genommen werden konnten und tariflich auch genommen werden durften.

Gehe man aber mit dem Arbeitsgericht davon aus, dass die tarifliche Regelung die möglichen Zeitpunkte einer Jubiläumszuwendung abschließend benenne und lediglich die zu diesem Zeitpunkt zu zahlende Jubiläumszuwendung höher habe vereinbart werden können, so komme eine Umdeutung der insoweit unwirksamen Betriebsvereinbarung in Betracht. Die Betriebsvereinbarung vom 11.10.1976 sei Teil eines größeren Paketes zur Verbesserung der Verdienstmöglichkeiten der Beschäftigten der Beklagten gewesen. Die Vereinbarung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten - und damit einer längeren Kündigungsfrist als im Gesetz vorgesehen - belege, dass die Regelung auf Dauer angelegt gewesen sei.

Zutreffend habe das Arbeitsgericht ausgeführt, dass die Betriebsvereinbarung vom 11.10.1976, wie bereits die Regelung von 1971, bezweckt habe, das Lohnniveau bei der Beklagten attraktiver zu gestalten. Die Jubiläumszuwendung sei nur Teil eines Paketes gewesen, durch das eine Besserstellung gegenüber dem tariflichen Standard habe erreicht werden sollen. Unerheblich sei, dass die Beklagte sich möglicherweise in der Wahl der rechtlichen Form und der Verbindlichkeit geirrt habe. Auf jeden Fall sei die Zahlung selbst gewollt gewesen. Dies räume die Beklagte auch ein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung hat auch der Sache nach Erfolg. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, an die Kläger zu 1) und zu 2) jeweils 979,31 EUR brutto zu zahlen. Denn die Kläger haben keinen Anspruch auf Zahlung eines Jubiläumsgeldes nach 10-jähriger ununterbrochener Beschäftigung.

1. Ein dahingehender Anspruch der Kläger ergibt sich nicht aus der entsprechenden Regelung in Abschnitt 2 der Betriebsvereinbarung vom 11.10.1976. Denn diese Regelung ist wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Die erkennende Kammer folgt in diesem Punkte der angefochtenen Entscheidung und sieht insoweit von der Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Das zweitinstanzliche Vorbringen der Kläger hinsichtlich der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung vom 11.10.1976 gibt lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen:

Der Hinweis, dass die betriebliche Wirklichkeit zum Zeitpunkt des Abschlusses der Betriebsvereinbarung vom 11.10.1976 in vielen Teilbereichen weiter fortgeschritten gewesen sei als der Tarifvertrag für die Fläche und dass die Betriebsparteien sich seinerzeit in dem Ziel einig gewesen seien, die Arbeitsplätze im Betrieb attraktiver zu machen, kann der Betriebsvereinbarung nicht zur Wirksamkeit verhelfen. Das angestrebte Ziel der Erhöhung der Attraktivität einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst gerade auch im Arbeiterbereich kann nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen verwirklicht werden. § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG bestimmt eindeutig, dass Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können. Die Absicht der Betriebspartner, die betrieblichen Arbeitsplätze durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung mit übertariflichen bzw. außertariflichen Leistungen attraktiver zu machen, um dadurch Arbeitskräfte zu gewinnen, konnte deshalb nur verwirklicht werden, wenn die Tarifvertragsparteien dies in einem Tarifvertrag ausdrücklich zugelassen hätten. An einer solchen tariflichen Öffnungsklausel fehlt es hier. § 11 Abs. 4 BZT-G/NRW lässt nur abweichende örtliche (betriebliche) Regelungen hinsichtlich der Höhe der Jubiläumszuwendung zu. Unzulässig bleibt danach die Einführung einer zusätzlichen Leistung für ein anderes Betriebsjubiläum, als in § 11 Abs. 2 S. 2 BZT-G/NRW geregelt. Dies hat das Arbeitsgericht mit überzeugenden Gründen ausgeführt. § 11 Abs. 4 BZT-G/NRW bezieht sich ausdrücklich nur darauf, dass ein Anspruch auf eine höhere Jubiläumszuwendung, als in § 11 Abs. 2 vorgesehen, unberührt bleibt. Er erlaubt jedoch nicht die Aufstellung betrieblicher Regelungen zur Begründung eines Jubiläumsgeldanspruchs aufgrund anderweitiger Tatbestandsvoraussetzungen. § 11 Abs. 4 BZT-G/NRW lässt lediglich anderweitige betriebliche Regelungen hinsichtlich der Rechtsfolgenseite im Falle des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen in § 11 Abs. 2 zu, also die Zuerkennung höherer Jubiläumszuwendungen bei Vollendung einer Dienstzeit von 25 Jahren, 40 Jahren bzw. 50 Jahren. Eine Öffnungsklausel für die Tatbestandseite enthält die Vorschrift dagegen nicht, so dass die Betriebsparteien nicht berechtigt sind, z.B. eine Jubiläumszuwendung bei Vollendung einer Beschäftigungszeit von 10 Jahren vorzusehen. § 11 BZT-G/NRW enthält insoweit eine sachliche Negativregelung, dass eine Jubiläumszuwendung nicht bereits nach 10-jähriger Beschäftigung, sondern erst bei Vollendung einer Dienstzeit von 25 Jahren, 40 Jahren bzw. 50 Jahren gezahlt wird.

2. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts kann die unwirksame Betriebsvereinbarung vom 11.10.1976 nicht in eine vertragliche Einheitsregelung (Gesamtzusage) umgedeutet werden, die einen einzelvertraglichen Anspruch des Klägers zum Inhalt hat.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Umdeutung einer nach § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksamen Betriebsvereinbarung in entsprechender Anwendung des § 140 BGB in eine vertragliche Einheitsregelung (Gesamtzusage) nicht völlig ausgeschlossen. Bedenken hiergegen ergeben sich jedenfalls nicht aus dem Normzweck des § 77 Abs. 3 BetrVG, der den Vorrang tariflicher Regelungen sichern will. § 77 Abs. 3 BetrVG schließt betriebliche Einheitsregelungen durch Gesamtzusage oder gebündelte Vertragsangebote nicht aus (vgl. BAG, Urt. vom 24.01.1996, a.a.0. m.w.N.). Die Vorschrift will nicht den Erfolg des mit der Betriebsvereinbarung verfolgten Ziels vereiteln, also verhindern, dass den Arbeitnehmern bestimmte Leistungen zukommen. Sie will nur die "kollektivrechtliche Konkurrenzregelung" ausschließen.

aa) Allerdings sind an eine Umdeutung strenge Anforderungen zu stellen. Sie kommt nur in Betracht, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, der Arbeitgeber habe sich auf jeden Fall verpflichten wollen, den Arbeitnehmern die in der unwirksamen Betriebsvereinbarung vorgesehenen Leistungen zukommen zu lassen (vgl. BAG, Urt. vom 24.01.1996 - 1 AZR 597/95 -, AP Nr. 8 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt; Urt. vom 05.03.1997 - 4 AZR 532/95 -, AP Nr.10 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt jeweils m.w.N.). Auch wenn es

sich bei dem nichtigen Rechtsgeschäft um einen Kollektivvertrag zwischen Arbeitgeber und

Betriebsrat handelt, während die Umdeutung im Ergebnis dazu führt, dass einzelvertragliche Bindungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, also zwischen anderen Vertragsparteien, zustande kommen, schließt dies die Anwendung des § 140 BGB nicht grundsätzlich aus. § 140 BGB enthält einen allgemeinen Rechtsgedanken (vgl. Münch. Komm./Mayer-Maly, 3. Aufl., § 140 Rz. 7, 8).

Maßgeblicher Ansatzpunkt der fraglichen Umdeutung ist die Erklärung des Arbeitgebers. Sie ist daraufhin zu überprüfen, ob ihr der hypothetische Wille entnommen werden kann, sich für den Fall des Scheiterns der an sich gewollten betriebsverfassungsrechtlichen Regelung vertraglich den begünstigten Arbeitnehmern gegenüber zu binden. Ist dies zu bejahen, kann die Erklärung unter Umständen in ein entsprechend gebündeltes Angebot umgedeutet werden, dessen Annahme regelmäßig einer besonderen Erklärung der Arbeitnehmer nicht bedarf (§ 151 BGB). Angesichts des "Parteienwechsels" und der unterschiedlichen Wirkungsebenen kann allerdings ein derartiger hypothetischer Wille des Arbeitgebers nur ausnahmsweise angenommen werden. Insbesondere darf ein umgedeutetes Rechtsgeschäft in seinen Rechtswirkungen grundsätzlich nicht weitergehen als das ursprünglich gewollte (Münch. Komm./Mayer-Maly, a.a.0., § 140 Rz. 14). Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Betriebsvereinbarung durch ordentliche Kündigung, die keiner Begründung bedarf, beendet werden oder durch eine neue Betriebsvereinbarung abgelöst werden kann, während dies bei arbeitsvertraglichen Regelungen grundsätzlich nur dann möglich ist, wenn entweder Änderungskündigungen der Arbeitsverhältnisse Erfolg haben oder entsprechende Abänderungsverträge mit allen Arbeitnehmern zustande kommen. Dies schließt jedoch eine Umdeutung nicht völlig aus, sondern fordert nur wiederum eine strenge Prüfung, ob ein entsprechend weitgehender Verpflichtungswille des Arbeitgebers angenommen werden kann. Dies wird jedenfalls bei solchen Betriebsvereinbarungen in Betracht kommen, die ohnehin nicht ordentlich kündbar sind oder deren Regelungsgegenstand sich in einer einmaligen Leistung erschöpft (vgl. BAG, Urt. vom 24.01.1996, a.a.0. m.w.N.).

bb) Zu beachten ist weiter, dass eine Umdeutung typischerweise Fallgestaltungen voraussetzt, in denen die Beteiligten die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts nicht kennen. Kennt der Arbeitgeber die Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung und erbringt trotzdem die darin geregelten Leistungen, wird in der Regel eine einzelvertragliche Verpflichtung angenommen werden müssen (vgl. BAG, Urt. vom 24.01.1996, a.a.0.).

b) Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts, denen die erkennende Kammer sich anschließt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die unwirksame Betriebsvereinbarung vom 11.10.1976 im Wege der Umdeutung in eine vertragliche Einheitsregelung (Gesamtzusage) Inhalt des Arbeitsvertrages des Klägers geworden ist.

aa) Zwar kommt eine Umdeutung der genannten Betriebsvereinbarung grundsätzlich in Betracht. Denn die Beteiligten haben die Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung offenbar zunächst nicht gekannt. Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe Ende August 2001 nach rechtlicher Überprüfung durch ihre Prozessbevollmächtigten erfahren, dass die Betriebsvereinbarung wegen des Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG nichtig ist. Diesem Vorbringen sind die Kläger nicht entgegen getreten. Sie haben vielmehr ausgeführt, die Betriebspartner seien bei Abschluss der genannten Betriebsvereinbarung davon ausgegangen, dass die Zahlung einer Jubiläumszuwendung bei 10-jähriger Betriebszugehörigkeit nicht tariflich geregelt und damit für tarifliche Regelungen offen gewesen sei. Waren die Betriebspartner damit auch nach dem Sachvortrag des Klägers der Auffassung, sie seien zum Abschluss der genannten Betriebsvereinbarung einschließlich der hier interessierenden Regelungen über die Zahlung eines Jubiläumsgeldes bei 10-jähriger ununterbrochener Beschäftigung berechtigt gewesen, so konnte die Kammer nur davon ausgehen, dass die Beteiligten die Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung in diesem Punkte zunächst nicht kannten.

bb) Ist eine Umdeutung der Betriebsvereinbarung vom 11.10.1976 danach zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, so kann sie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im vorliegenden Fall dennoch nicht in Betracht kommen. Besondere Umstände, die die Annahme rechtfertigen, die Beklagte habe sich auf jeden Fall verpflichten wollen, ihren Arbeitnehmern die in der unwirksamen Betriebsvereinbarung vom 11.10.1976 vorgesehenen Leistungen bei 10-jähriger ununterbrochener Beschäftigung zukommen zu lassen, sind nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht ersichtlich.

Der Umstand allein, dass die Beklagte die genannte Betriebsvereinbarung abgeschlossen und die dort vorgesehenen Leistungen nach 10-jähriger ununterbrochener Beschäftigung erbracht hat, lässt keinen Schluss darauf zu, dass sie sich unabhängig von der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung ihren Arbeitnehmern gegenüber binden wollte. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass der Beklagten die Unwirksamkeit der genannten Betriebsvereinbarung jedenfalls bis Ende August 2001 nicht bekannt war. Zahlt die Beklagte vor diesem Hintergrund das in der Betriebsvereinbarung vorgesehene Jubiläumsgeld nach 10-jähriger ununterbrochener Beschäftigung, so folgt hieraus für sich gesehen nur, dass sie dem Betriebsrat gegenüber die mit Abschluss der Betriebsvereinbarung eingegangenen Verpflichtungen erfüllen wollte. Weitergehende Annahmen lässt dieses tatsächliche Verhalten der Beklagten zunächst nicht zu. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass die Beklagte nach Kenntnis der Nichtigkeit der Betriebsvereinbarung die Zahlung der Jubiläumszuwendung nach 10-jähriger ununterbrochener Beschäftigung unverzüglich eingestellt hat. Hätte die Beklagte trotz Kenntnis der Nichtigkeit der Betriebsvereinbarung die Zahlung insoweit fortgesetzt, so hätte die Annahme des hypothetischen Willens der Beklagten nahegelegen, sie habe sich für den Fall der Unwirksamkeit der an sich gewollten betriebsverfassungsrechtlichen Regelung vertraglich den begünstigten Arbeitnehmern gegenüber binden wollen.

Dass die Betriebsvereinbarung vom 11.10.1976 bereits eine Vorläuferregelung in der Betriebsvereinbarung vom 01.07.1971 hatte und möglicherweise bezweckte, das Lohnniveau im Betrieb der Beklagten attraktiver zu machen, rechtfertigt nicht die Annahme, die Beklagte habe sich für den Fall der Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung verpflichten wollen, den Arbeitnehmern die in ihr vorgesehenen Leistungen auf arbeitsvertraglicher Grundlage zukommen zu lassen. Hieraus kann nur geschlossen werden, dass die Betriebspartner offensichtlich bereits im Jahre 1971 der Auffassung waren, die streitigen Leistungen durch Betriebsvereinbarung regeln zu dürfen. Der Sachvortrag des Klägers, die Betriebsparteien seien davon ausgegangen, Leistungen bei 10-jähriger Betriebszugehörigkeit seien nicht tariflich geregelt und demgemäss für betriebliche Regelungen offen gewesen, legt diese Annahme nahe. Angesichts dessen bedarf es weitergehenderer Umstände, die den Schluss rechtfertigen, die Beklagte habe die streitigen Leistungen für den Fall des Scheiterns der an sich gewollten betriebsverfassungsrechtlichen Regelung, jedenfalls auf arbeitsvertraglicher Grundlage den Arbeitnehmern gegenüber erbringen wollen. Die dahingehende Annahme kann beispielsweise dann gerechtfertigt sein, wenn der Regelungsgegenstand der unwirksamen Betriebsvereinbarung sich in einer einmaligen Leistung erschöpft (vgl. BAG, Urt. vom 24.01.1996, a.a.0. m.w.N.). Um einen solchen Regelungsgegenstand geht es in der Betriebsvereinbarung vom 11.04.1976 aber gerade nicht. Denn die Zahlung von Jubiläumszuwendungen wird dort dauerhaft für die Zukunft geregelt.

Von Bedeutung erschien der Kammer auch, dass die Betriebsparteien sich unabhängig von der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit gem. § 77 Abs. 5 BetrVG ausdrücklich mit der Frage auseinandergesetzt haben, unter welchen Voraussetzungen die Beklagte sich von den in der Betriebsvereinbarung eingegangenen Bindungen wieder lösen konnte. Insoweit haben die Betriebspartner in Abschnitt 9 der Betriebsvereinbarung bestimmt, dass sie mit einer Frist von 6 Monaten zum Schluss eines Kalenderjahres gekündigt werden kann, ohne dass es eines bestimmten Kündigungsgrundes bedarf. Nach Ablauf der Kündigungsfrist waren die streitigen Verpflichtungen entfallen; eine Nachwirkung der gekündigten Betriebsvereinbarung kam nicht in Betracht. Von der Möglichkeit der Kündigung hat die Beklagte im übrigen inzwischen Gebrauch gemacht. Konnte die Beklagte sich damit ohne weiteres und ohne Nachwirkung ihrer Verpflichtungen entledigen, die sich für sie aus der Betriebsvereinbarung zum 11.10.1976 ergaben, so kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie sich für den Fall des Scheiterns der an sich gewollten betriebsverfassungsrechtlichen Regelung arbeitsvertraglich gegenüber den begünstigten Arbeitnehmern binden wollte. Arbeitsvertraglicher Bindungen hätte die Beklagte sich grundsätzlich nur durch Änderungskündigung oder Abschluss eines Abänderungsvertrages entledigen können. Eine arbeitsvertragliche Verpflichtung zur Zahlung des Jubiläumsgeldes nach 10-jähriger ununterbrochener Beschäftigung wäre damit in ihrer Bindungswirkung erheblich weiter gegangen als die gewollte betriebsverfassungsrechtliche Regelung. Widersinnige Konsequenz der vom Arbeitsgericht angenommenen Umdeutung wäre, dass die hier interessierenden Regelungen der Betriebsvereinbarung im Falle ihrer Unwirksamkeit auf arbeitsvertraglicher Ebene weitergehende Wirkungen entfalten würden als im Falle ihrer Wirksamkeit; eine rechtswirksame Betriebsvereinbarung hätte die Beklagte ohne Begründung kündigen können.

Angesichts dessen ist davon auszugehen, dass die Beklagte bei Kenntnis der rechtlichen Unwirksamkeit der hier interessierenden betriebsverfassungsrechtlichen Regelung den Weg der freiwilligen sozialen Leistungen gewählt hätte, deren Erbringung keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründet. Der Arbeitnehmer erwirbt hierbei einen vertraglichen Anspruch auf Gewährung der Leistung nur für das bestimmte Jahr, in welchem der Arbeitgeber die Leistung verbindlich angekündigt hat. Auch bei wiederholter und langjähriger Leistung lässt ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt einen Anspruch aufgrund einer betrieblichen Übung nicht entstehen. Der Arbeitgeber ist aufgrund eines solchen Vorbehalts jederzeit frei, erneut zu bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen er diese Leistung in Zukunft gewähren will (vgl. BAG, Urt. vom 08.03.1995, AP Nr. 184 zu § 611 BGB Gratifikation; Urt. vom 06.12.1995, AP Nr. 187 zu § 611 Gratifikation; AP Nr. 193 zu § 611 BGB Gratifikation). Die Bindungswirkung einer Jubiläumszuwendung nach 10-jähriger Beschäftigungszeit als freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch für die Zukunft entspricht damit in etwa der Bindungswirkung, der die Beklagte im Falle der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung vom 11.10.1976 ausgesetzt gewesen wäre. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte sich bei Abschluss der genannten Betriebsvereinbarung weitergehenden Bindungen unterwerfen wollte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 100 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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