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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 24.01.2008
Aktenzeichen: 15 Sa 1669/07
Rechtsgebiete: BGB, GmbHG


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 2
GmbHG § 64 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 26.07.2007 - 2 Ca 435/07 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt Schadenersatz in Höhe von 1.975,91 €, da die Beklagten seiner Auffassung nach verspätet die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt haben.

Der Kläger war seit dem 19.02.1985 bei verschiedenen Rechtsvorgängerinnen der in Insolvenz geratenen Firma B4 M1 GmbH beschäftigt, deren ehemalige Geschäftsführer die Beklagten waren. Am 09.08.2006 beantragten die Beklagten die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Firma B4 M1 GmbH, das am 01.10.2006 eröffnet wurde. Zum Insolvenzverwalter wurde Herr Rechtsanwalt Dr. N1 K5 bestellt. In der Folge erhielt der Kläger Insolvenzgeld für die Monate Juli, August und September 2006. Mit vorliegendem Verfahren, das am 16.02.2007 am Arbeitsgericht Münster einging, verlangt der Kläger von den Beklagten Schadenersatz gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbH-Gesetz, da er für Juni 2006 weder Lohn- noch Insolvenzgeld erhalten hat.

Der Kläger hat zur Begründung seiner Klage vorgetragen, die Beklagten als ehemalige Geschäftsführer der Firma B4 M1 GmbH hätten den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens früher stellen müssen. Ihnen sei bereits im Mai 2006 die Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin bekannt gewesen. Als er, der Kläger, im Jahre 2006 aus dem Sommerurlaub zurückgekommen sei, habe er festgestellt, dass die Löhne für Juni und Juli 2006 nicht gezahlt worden seien. Gleichwohl hätten es die Beklagten unterlassen, sofort Insolvenzantrag zu stellen, obwohl die Zahlungsunfähigkeit der Firma B4 M1 GmbH offensichtlich gewesen sei. Vielmehr sei der Insolvenzantrag erst am 09.08.2006 gestellt worden, sodass die Insolvenzeröffnung erst zum 01.10.2006 erfolgt sei. Infolgedessen habe er Insolvenzgeld nur für die Monate Juli, August und September 2006 erhalten. Mit dem Lohn für Juni 2006 sei er dagegen ausgefallen. Falls die Beklagten rechtzeitig Insolvenzantrag gestellt hätten, wäre der Lohn für Juni 2006 über das Insolvenzgeld abgesichert gewesen. Bei rechtzeitiger Insolvenzantragstellung wäre das Verfahren mindestens einen Monat früher eröffnet worden.

Er, der Kläger, beziehe sich auf die Berichte des Insolvenzverwalters Dr. K5. Ausgehend hiervon seien die Beklagten verpflichtet gewesen, spätestens im Juni /Juli 2006 Insolvenzantrag zu stellen. Aus den Berichten ergebe sich u. a., dass die Umsatzplanungen der Firma B4 M1 GmbH nicht aufgegangen seien. Aufgrund der zu spät eingeführten neuen Produktlinien erst im Jahre 2006 und der hohen Temperaturen des Sommers 2006 in Verbindung mit der Fußballweltmeisterschaft sei die Gemeinschuldnerin vor große Liquiditätsprobleme gestellt worden. Wörtlich heiße es im Bericht des Insolvenzverwalters, der Auftragseingang sei in den Monaten Juni und Juli 2006 förmlich zusammengebrochen mit der Folge, dass der Vertrieb in großen Teilen ausgefallen und über den Faktor keine zeitnahen Erlöse hätten erwirtschaftet werden können. Da für Mai 2006 letztmalig die Löhne hätten gezahlt werden können, wenn auch verspätet erst Mitte Juni 2006, hätte spätestens im Juni bzw. Anfang Juli 2006 Insolvenzantrag gestellt werden müssen, sodass das Insolvenzverfahren im September 2006 hätte eröffnet werden können und er, der Kläger, mit dem Lohn für Juni 2006 nicht ausgefallen wäre.

Entgegen der Auffassung der Beklagten habe zu diesem Zeitpunkt aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmannes eine Fortführungsprognose nicht mehr abgegeben werden können. Per 01.06.2006 hätten die Lohnrückstände 714.500,-- € betragen. Die Gesamtverbindlichkeiten hätten sich per 31.07.2006 bereits auf 4.988.000,-- € belaufen. Bestritten werde, dass der Steuerberater Ende Juli 2006 keinen Hinweis auf eine Insolvenzantragspflicht gegeben habe.

Auch der Hinweis der Beklagten auf etwaige neue Aufträge des A1-Verbandes habe keine Fortführungsprognose gerechtfertigt. Nicht ersichtlich sei, ob und in welcher Größenordnung ein solcher Auftrag damals erfolgt sei. Die dramatische Situation der Insolvenzschuldnerin hätte den Beklagten auch deshalb bekannt sein müssen, weil das Finanzamt bereits mit An-trag vom 25.07.2006 eine Zwangssicherungshypothek über 171.921,80 € auf dem damaligen Geschäftsgrundstück habe eintragen lassen. Diese Verbindlichkeit habe von der Insolvenzschuldnerin offensichtlich schon weit vor dem Antrag vom 25.07.2006 nicht bedient werden können. Eine von der Insolvenzschuldnerin avisierte Zwischenfinanzierung sei nicht realistisch gewesen. Bereits im Frühsommer 2006 seien sämtliche liquiden Vermögenswerte aufgebraucht gewesen. Da die Beklagten schon seit langer Zeit gewusst hätten, dass die monatlichen Tilgungsraten nicht verdient worden seien, hätten sie spätestens im Mai/Juni 2006 Insolvenzantrag stellen müssen. Da dies nicht geschehen sei, hafteten sie für den ausgefallenen Lohn des Monats Juni 2006.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 1.975,91 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 07.11.2006 zu zahlen

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben bestritten, den Insolvenzantrag pflichtwidrig verspätet gestellt zu haben. Zwar sei allen Beteiligten bekannt gewesen, dass der Neubeginn der Firma B4 M1 GmbH gewissermaßen auf "dünnem Eis" stattgefunden habe, da man zu hundert Prozent fremdfinanziert gewesen sei. Dennoch seien die Löhne regelmäßig in der ersten bzw. zweiten Woche des Folgemonats gezahlt worden. Allerdings seien die Beschäftigten im Mai 2006 im Rahmen einer Belegschaftsversammlung auf die anstehenden Liquiditätsprobleme hingewiesen worden. Die Mitarbeiter seien darüber informiert worden, dass angesichts der gegenwärtigen finanziellen Lage der Lohn für Juni 2006 nur mit erheblicher Verspätung werde gezahlt werden können. Allerdings habe ein Großauftrag des A1-Verbandes Besserung versprochen. Während der gesamten Zeit hätten sie, die Beklagten, ständigen Kontakt mit dem Wirtschaftsprüfungsbüro W4 und Partner gehabt, das noch am 24.07.2006 die letzten Anlagen für den Jahresabschluss zusammengestellt habe. Bis zu diesem Zeitpunkt sei seitens des Wirtschaftsprüfungsbüros kein Hinweis darauf erteilt worden, dass ein Insolvenzantrag gestellt werden müsse. Da die Liquidität bedingt u. a. durch die Betriebsferien im Sommer generell am schlechtesten sei, seien bereits im Vorfeld Stundungsvereinbarungen mit Finanzamt, Sozialversicherungsträgern, Lieferanten, Banken und Belegschaft getroffen worden.

In der Zeit vom 26.06. bis zum 21.07.2006 habe es den lange angekündigten turnusgemäßen Betriebsurlaub gegeben. Als der heiße Sommer des Jahres 2006 zu einer weiteren Umsatzreduzierung geführt habe, sei die Lage kritischer geworden. In dieser Situation sei Kontakt zu einem Investor namens R5 aufgenommen worden, mit dem ausführliche Gespräche geführt worden seien. Erst als die Hausbank der Firma B4 M1 GmbH es abgelehnt habe, eine Zwischenfinanzierung zu bewilligen, sei klar geworden, dass man es nicht würde schaffen können. Zudem habe das Finanzamt mit Antrag vom 25.07.2006 eine Zwangssicherungshypothek eintragen lassen. Zuvor sei mit dem Finanzamt vereinbart worden, dass die geschuldeten Beträge gestundet würden, ähnlich wie bei den Lieferanten. Mitte Juli 2006 habe eine Liquiditätsprüfung des Finanzamtes stattgefunden. Nach dem Ergebnis der Prüfung sei davon ausgegangen worden, dass die Stundungsvereinbarung des Finanzamtes weiter verlängert werde. Ohne Vorankündigung habe das Finanzamt die Zwangssicherungshypothek eintragen lassen und die Beträge bis spätestens Ende August 2006 zur Zahlung fällig gestellt. Dies sei der Anlass gewesen, weitere Gespräche mit dem Wirtschaftsprüfer zu suchen. Im Anschluss hieran sei der Insolvenzantrag gestellt worden. Seitens des Wirtschaftsprüfers sei die prekäre wirtschaftliche Situation, auch im Hinblick auf einen zu stellenden Insolvenzantrag, erst nach dem 24.07.2006 angesprochen worden.

Entgegen der Darstellung des Klägers seien am 01.06.2006 keine Löhne oder Gehälter rückständig gewesen. Die Löhne und Gehälter für April 2006 seien vollständig gezahlt gewesen. Die Vergütungen für Mai 2006 seien erst am 05.06.2006 zur Zahlung fällig gewesen und mit geringfügiger Verspätung am 20.06.2006 gezahlt worden. Die Vergütungen für Juni 2006 seien erst am 05.07.2006 zur Zahlung fällig gewesen. Angesichts dessen seien sie, die Beklagten, zu diesem Zeitpunkt nicht verpflichtet gewesen, einen Insolvenzantrag zu stellen. Zutreffend sei zwar, dass die Umsatzplanungen nicht aufgegangen seien. Als Ausgleich für den schwachen Auftragseingang im Juni/Juli 2006 seien große Hoffnungen in den Großauftrag mit dem A1-Verband gesetzt worden, von dem die ersten Programme im Juni 2006 ausgeliefert worden seien. Zudem sei die Geschäftsleitung ständig darum bemüht gewesen, Investoren zu finden. Diese Bemühungen hätten sich schwierig gestaltet und sich über einen längeren Zeitraum hingezogen. Abgesehen davon seien mit den wichtigsten Lieferanten, die Forderungen gehabt hätten, Gespräche geführt worden, um Zahlungsziele zu verlängern. Diese Gespräche seien durchweg erfolgreich gewesen. Von keinem dieser Lieferanten seien zu diesem Zeitpunkt Forderungen fällig gestellt worden. Danach sei von einer günstigen Fortführungsprognose auszugehen gewesen. Eine Zahlungsunfähigkeit vor dem 24.07.2006 sei nicht gegeben gewesen. Nach alledem sei Insolvenzreife frühestens Ende Juli 2006 eingetreten, als das Finanzamt unerwartet seine Forderungen fällig gestellt habe.

Im Übrigen sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der Kläger meine, dass bei einer Stellung des Insolvenzantrages im Juli 2006 spätestens im September 2006 das Insolvenzverfahren habe eröffnet werden können. Üblicherweise laufe das Prüfungsverfahren entschieden länger.

Durch Urteil vom 26.07.2007 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Gegen diese Entscheidung, die dem Kläger am 27.08.2007 zugestellt worden ist, richtet sich die Berufung des Klägers, die am 19.09.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und am 26.10.2007 begründet worden ist.

Der Kläger vertritt weiter die Auffassung, die Beklagten seien zum Schadenersatz wegen verspäteter Beantragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verpflichtet. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei bereits im Mai, spätestens im Juni 2006 Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin gegeben gewesen. Die Löhne für Juni 2006 seien nicht mehr gezahlt worden. Auf Nachfragen in der Betriebsversammlung vom 17.05.2006 sei durch die Beklagten darauf hingewiesen worden, dass man zur Zeit zahlungsunfähig sei. Da die Betriebsferien in der Zeit vom 26.06. bis zum 21.07.2006 unmittelbar angestanden hätten, bleibe es das Geheimnis der Beklagten, wie diese Zahlungsunfähigkeit habe überwunden werden sollen. Es sei klar gewesen, dass in den Sommermonaten und insbesondere in der Zeit der Betriebsferien nennenswerte Aufträge nicht mehr eingehen würden. Tatsächlich habe sodann in den Monaten Juni und Juli 2006 ein regelrechter Auftragseinbruch stattgefunden. Aus dem Bericht des Insolvenzverwalters folge auch, dass zu diesem Zeitpunkt bereits außerordentlich hohe Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten in einer Größenordnung von ca. 1,5 Mio. € bestanden hätten. Mit dem Auftragseinbruch im Juni 2006 sei das ganze Fremdfinanzierungskonzept der Insolvenzschuldnerin zusammengebrochen, da im Wege des echten Factoring bereits sämtliche Forderungen an die H5 B5 AG in M2 verkauft worden seien. Spätestens ab Juni 2006 seien keine Erlöse mehr über den Faktor erzielt worden. Im Juli 2006 habe damit objektiv festgestanden, dass keine Zahlungen mehr geleistet werden konnten. Die Beklagten hätten deshalb spätestens im Juli 2006 Insolvenzantrag stellen müssen. Die Insolvenzschuldnerin habe zu diesem Zeitpunkt keinen weiteren finanziellen Spielraum mehr gehabt. Es habe ständig umgeschichtet werden müssen, um Liquidität zu erhalten. Zudem seien bereits per 01.06.2006 Lohnrückstände in Höhe von 714.500,-- € aufgelaufen gewesen. Hierbei habe es sich nicht um eine kurzfristige Zahlungsstockung gehandelt. Vielmehr habe die Insolvenzschuldnerin bereits im Mai/Juni 2006 ihre Zahlungen eingestellt.

Die Insolvenzschuldnerin sei im Mai/Juni 2006 auch überschuldet gewesen. Nicht ersichtlich sei, worauf das Arbeitsgericht eine angeblich positive Fortbestehensprognose stütze, die objektiv nach den vorliegenden Zahlen nicht getroffen werden könne. Die Eintragung der Zwangssicherungshypothek durch das Finanzamt per 25.07.2006 als einer Vollstreckungsmaßnahme beweise das Gegenteil. Dies bedeute, dass bereits vorher Zahlungsunfähigkeit, zumindest aber Überschuldung, eingetreten sei.

Auch die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur angeblich nicht nachgewiesenen Kausalität seien nicht nachzuvollziehen. Zum einen spreche der tatsächliche Geschehensablauf dafür, dass mit allergrößter Wahrscheinlichkeit spätestens im September 2006 das Insolvenzverfahren hätte eröffnet werden können, falls spätestens im Juni 2006 der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden wäre. Der Insolvenzantrag sei am 09.08.2006 gestellt und das Insolvenzverfahren am 01.10.2006 eröffnet worden. Zum anderen handele es sich insoweit um einen hypothetischen Geschehensablauf, der nicht geeignet sei, die Verantwortlichkeit der Beklagten für die rechtzeitige Insolvenzantragstellung aufzuheben. Da die Dreimonatsfrist bezüglich des Insolvenzgeldes den Insolvenzverwaltern bekannt sei, werde üblicherweise darauf geachtet, dass eine Verfahrenseröffnung innerhalb dieses Zeitraumes stattfinde. Es könne unterstellt werden, dass bei Antragstellung noch im Mai 2006, spätestens aber im Juli 2006, allerspätestens im September 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet worden wäre.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Arbeitsgerichts Münster die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 1.975,91 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über den Basiszinssatz seit dem 07.11.2006 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das arbeitsgerichtliche Urteil und tragen vor, die Vermutung des Klägers, bei Beantragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Juni 2006 sei mit allergrößter Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen gewesen, dass das Insolvenzverfahren spätestens im September 2006 eröffnet worden wäre, sei lediglich eine Vermutung, die unzutreffend sei. Ein zwingender Schluss auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu dem vom Kläger behaupteten Zeitpunkt ergebe sich hieraus nicht. Dass der Zeitraum von der Antragstellung bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur zwei Monate in Anspruch genommen habe, sei ausschließlich auf den Umstand zurückzuführen, dass bereits ein Investor zur Verfügung gestanden habe. Wäre dies nicht der Fall gewesen, hätte sich das Verfahren weitaus länger hingezogen. Es sei zudem gängige Praxis, dass für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens weitaus längere Zeiträume als drei Monate in Anspruch genommen würden.

Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin im Mai 2006 nicht erkennbar gewesen und habe auch im Juni 2006 nicht festgestanden. Die Vergütungen für Mai 2006 seien vollständig bis Mitte Juni 2006 gezahlt worden; die Vergütungen für Juni 2006 seien erst im Juli 2006 fällig gewesen. Falsch sei auch, dass in der Betriebsversammlung vom 17.05.2006 erklärt worden sei, man sei zurzeit zahlungsunfähig. Es sei nur darauf hingewiesen worden, dass es zu verzögerten Zahlungen kommen könne.

Keineswegs klar gewesen sei es, dass in den Sommermonaten nennenswerte Aufträge nicht mehr eingehen würden. Auch in der Zeit der Betriebsferien laufe der Auftragseingang weiter, der dann sukzessive nach Ende der Betriebsferien abgearbeitet werde. Allerdings sei der Auftragseingang im Jahre 2006 - unvorhergesehener Weise - schwächer als üblich gewesen, was auf die Weltmeisterschaft und auf das gute Wetter zurückzuführen gewesen sei.

Auch die Verbindlichkeiten in Höhe von 1,5 Mio. € seien keineswegs außerordentlich hoch gewesen. Noch im Jahre 2005 habe das Unternehmen einen Umsatz von 17 Mio. € erreicht. Im Hinblick hierauf sowie unter Berücksichtigung der im Rahmen des erteilten A1-Auftrages zu beschaffenden und zunächst vorzulegenden Materialien habe es sich bei den 1,5 Mio. €-Verbindlichkeiten um keinen außergewöhnlichen Betrag gehandelt. Die Behauptung des Klägers, spätestens ab Juni 2006 hätten keine Erlöse über den Faktor mehr erzielt werden können, sei unrichtig. Noch bis zum 21.06.2007 seien Erlöse über den Faktor erzielt worden. Da die am 05.06.2006 fälligen Löhne und Gehälter für Mai 2006 vollständig bis Mitte Juni 2006 gezahlt worden seien, die Löhne für Juni 2006 erst zum 05.07.2006 fällig gewesen seien, habe es insoweit am 01.06.2006 keine Rückstände gegeben. Die Insolvenzschuldnerin sei zu diesem Zeitpunkt nicht zahlungsunfähig gewesen. Die Forderungen des Finanzamtes seien erst zum 31.08.2006 fällig gestellt worden. Letztendlich sei dies der Anlass gewesen, und zwar auch im Hinblick auf den schwachen Auftragseingang im Juni/Juli 2006, den Insolvenzantrag zu stellen.

Die Frage, ob Überschuldung habe festgestellt werden können, sei nicht aus der Rückschau zu beurteilen. Vielmehr sei auf die Erkenntnismöglichkeiten in der konkreten Situation abzustellen. Bei der anzustellenden Prognose hätten sie, die Beklagten, insbesondere vor dem Hintergrund der Aufträge des A1-Verbandes, davon ausgehen können, dass eine Zahlungsunfähigkeit abgewendet werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Der Sache nach hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn ein Schadenersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagten als ehemalige Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin wegen verspäteter Beantragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nicht gegeben. Die erkennende Kammer konnte sich - wie das Arbeitsgericht - nicht davon überzeugen, dass die Beklagten verpflichtet waren, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits zu einem früheren Zeitpunkt als am 09.08.2006 zu stellen.

1. Entgegen der Auffassung des Klägers kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Insolvenzschuldnerin bereits im Mai/Juni 2006 zahlungsunfähig war, sodass die Beklagten bereits zu diesem Zeitpunkt den Insolvenzantrag hätten stellen müssen.

a) Zahlungsunfähigkeit tritt ein, wenn der Schuldner innerhalb von zwei Wochen fällige Forderungen nicht begleichen kann. Nimmt er die Zahlungen wieder auf, wird die Zahlungsunfähigkeit wieder beseitigt (vgl. Baumbach/Hueck, Kommentar zur Insolvenzordnung 2. Aufl. § 64 Rdn. 6 und 9 m. w. N.).

b) Ausgehend hiervon konnte die Kammer nicht feststellen, dass spätestens im Juli 2006 Zahlungsunfähigkeit gegeben war.

aa) Unstreitig hatte die Insolvenzschuldnerin die Löhne und Gehälter für April 2006 vollständig gezahlt. Allerdings waren die Löhne und Gehälter für Mai 2006 bei Fälligkeit am 05.06.2006 nicht gezahlt worden. Die Kammer geht zugunsten des Klägers davon aus, dass hierdurch Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin eingetreten war. Allerdings hat die Insolvenzschuldnerin die Lohn- und Gehaltsforderungen für Mai 2006 am 20.06.2006 vollständig erfüllt. Unter Berücksichtigung dieser Wiederaufnahme der Zahlungen ist davon auszugehen, dass die Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin damit wieder beseitigt worden war.

bb) Dass Zahlungsunfähigkeit wegen anderer fälliger Forderungen, welche die Insolvenzschuldnerin innerhalb von zwei Wochen nicht begleichen konnte, am 20.06.2006 gegeben war, war für die Kammer nicht ersichtlich.

(1) Die Löhne und Gehälter für Juni 2006 waren erst am 05.07.2006 zur Zahlung fällig.

(2) Dass die Insolvenzschuldnerin mit der Erfüllung anderer Forderungen in einem Umfang in Rückstand geraten war, dass hierdurch Zahlungsunfähigkeit begründet wurde, lässt sich dem Sachvortrag des Klägers nicht entnehmen. Auch wenn unterstellt wird, dass die Forderung des Finanzamtes, die der Eintragung der Zwangssicherungshypothek über 171.921,80 € am 25.07.2006 zugrunde lag, nicht erst Ende August 2006, sondern bereits im Juni 2006 fällig war, kann unter Berücksichtigung der sog. konkursrechtlichen Liquiditätskennzahl nicht festgestellt werden, dass am 20.06.2006 eine Liquiditätslücke von mehr als 10 Prozent der fälligen Gesamtverbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin gegeben war (vgl. zur konkursrechtlichen Liquiditätskennzahl Münchener Kommentar zur InsO § 17 Rdn. 18 m. w. N.). Wenn mit dem Sachvortrag des Klägers von Gesamtverbindlichkeiten am 31.07.2006 von 4.988.000,-- € ausgegangen wird, so macht die Forderung des Finanzamtes von 171.921,80 € hierbei einen Anteil von weitaus weniger als 5 Prozent aus.

Welche sonstigen Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin bereits im Juni 2006 zur Zahlung fällig waren, war für die erkennende Kammer nicht ersichtlich. Auch wenn die Insolvenzschuldnerin am 20.06.2006 fällige Forderungen des Finanzamtes in Höhe von 171.921,80 € nicht erfüllen konnte, ist angesichts der Begleichung der L3 für Mai am 20.06.2006 und der hierdurch dokumentierten Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit insoweit nur von einer geringfügigen Liquiditätslücke auszugehen.

cc) Allerdings hat die Insolvenzschuldnerin in der Folge die Löhne und Gehälter für Juni 2006 bei Fälligkeit am 05.07.2006 nicht gezahlt. Angesichts dessen ist Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin am 19.07.2006 eingetreten. Nunmehr waren die Beklagten als Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin gemäß § 64 Abs. 1 GmbH-Gesetz verpflichtet, spätestens innerhalb von 3 Wochen nach dem 19.07.2006 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Dieser Pflicht sind die Beklagten fristgerecht mit dem am 09.08.2006 gestellten Insolvenzantrag nachgekommen.

2. Die Kammer konnte sich auch nicht davon überzeugen, dass die Beklagten aus dem Gesichtspunkt einer eventuellen Überschuldung der Insolvenzschuldnerin zu einem Zeitpunkt vor dem 09.08.2006 zur Insolvenzantragstellung verpflichtet waren.

a) Der gesetzliche Vertreter eines Unternehmens hat die Entscheidung darüber, ob er die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen muss, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu treffen. Als solcher ist er verpflichtet, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens laufend zu beobachten. Bei Anzeichen einer Krise wird er sich durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand verschaffen müssen. Stellt sich dabei eine rechnerische Überschuldung heraus, dann muss er prüfen, ob sich für das Unternehmen eine positive Fortbestehensprognose stellt. Gibt es begründete Anhaltspunkte, die eine solche Prognose rechtfertigen, so kann das Unternehmen weiterbetrieben werden. Hierbei ist den gesetzlichen Vertretern ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzubilligen; vor allem kommt es nicht auf nachträgliche Erkenntnisse, sondern auf die damalige Sicht eines ordentlichen Geschäftsmannes an. Notfalls muss sich der gesetzliche Vertreter fachkundig beraten lassen (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.1994 - II ZR 292/91, ZIP 1994, 1103, 1109 f m. w. N.).

b) Ausgehend hiervon konnte die erkennende Kammer nicht feststellen, dass die Insolvenzschuldnerin bereits zu einem Zeitpunkt überschuldet war, der einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor dem 09.08.2006 erforderlich machte. Unstreitig standen die Beklagten als Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin in ständigem Kontakt mit dem Wirtschaftsprüfungsbüro W4 und Partner, das noch am 24.07.2006 die letzten Anlagen für den Jahresabschluss zusammengestellt hatte. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Insolvenzschuldnerin zumindest in aussichtsreichen Verhandlungen mit dem A1-Verband über die Erteilung von Aufträgen in beachtlicher Größenordnung stand, gab es jedenfalls im Anschluss an die Erfüllung der Lohnforderungen für Mai 2006 am 20.06.2006 und damit Wiederaufnahme der Zahlungen durch die Insolvenzschuldnerin begründete Anhaltspunkte, die eine positive Fortbestehensprognose aus damaliger Sicht rechtfertigte. Auch wenn zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen wird, dass der A1-Verband noch keine Aufträge in bestimmter Größenordnung erteilt hatte, durften die Beklagten angesichts der unstreitigen Verhandlungen mit dem A1-Verband über die Erteilung von Aufträgen und unter Berücksichtigung der Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit durch Zahlung der Löhne für Mai 2006 am 20.06.2006 davon ausgehen, dass das Unternehmen der Insolvenzschuldnerin weiterbetrieben werden konnte.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Voraussetzung für die Zulassung der Revision liegt nicht vor.

Ende der Entscheidung

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