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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 10.12.2004
Aktenzeichen: 15 Sa 1734/03
Rechtsgebiete: TzBfG


Vorschriften:

TzBfG § 14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 24.09.2003 - 2 Ca 524/03 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 8.628,00 EUR.

Tatbestand: Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Befristung eines Arbeitsvertrages. Die 31-jährige ledige und keiner weiteren Person zum Unterhalt verpflichtete Klägerin ist seit dem 01.08.1998 als sogenannte Tutti-Geigerin bei dem Beklagten aufgrund mehrerer befristeter Verträge gegen ein monatliches Bruttoentgelt von zuletzt 2.876,00 EUR beschäftigt. Der letzte Arbeitsvertrag datiert vom 02.07.2002 und enthält unter § 5 folgende Regelung: "Das Arbeitsverhältnis ist befristet für die Dauer der Dienstunfähigkeit aufgrund Erkrankung des eigentlichen Stelleninhabers S5xxxxxxx F2xx. Das Arbeitsverhältnis endet daher, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit dem Tag vor Wiederaufnahme des Dienstes durch Herrn F2xx; es endet auch vier Wochen nachdem eine eventuelle Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit des Herrn F2xx dem Arbeitgeber bekannt wird."

Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Arbeitsvertrages wird auf Bl. 7 d.A. Bezug genommen. Am 13.02.2003 erfuhr der Beklagte, dass der Stelleninhaber S5xxxxxxx F2xx eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erhalten hatte und definitiv nicht wieder die Arbeit aufnahmen werde. Mit Schreiben vom 17.02.2003, das der Klägerin am 03.03.2003 bekannt gemacht wurde, teilte der Beklagte der Klägerin dies mit und erklärte weiter, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Ablauf des 13.03.2003 sein Ende finden werde. Hiergegen wendet die Klägerin sich mit vorliegender Feststellungsklage, die am 10.03.2003 beim Arbeitsgericht Siegen einging. Die Klägerin hält die Befristung in § 5 des Arbeitsvertrages vom 02.07.2002 für unwirksam. Sie hat vorgetragen, bei dauerhafter Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit des eigentlichen Stelleninhabers S5xxxxxxx F2xx habe gerade ein Dauerbedarf beim Beklagten bestanden, der durch sie, die Klägerin, ausgeglichen werden könne. Soweit der Beklagte geltend mache, auf die Ausschreibung einer unbefristeten Stelle würden sich mehr und bessere Musiker bewerben, werde dies bestritten. Ein Orchesterprobespiel finde im übrigen nur bei Besetzung einer Solo- oder stellvertretenden Solostelle statt. Der Beklagte habe schließlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge Auslaufens der Befristung nicht mehr unverzüglich im Sinne des § 15 Abs. 5 TzBFG mitgeteilt. Die Klägerin hat beantragt, 1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Befristung vom 02.07.2002 beendet ist; 2. hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, das Arbeitsverhältnis der Klägerin als Tutti-Geigerin der 2. Violine zu den Bedingungen des Tarifvertrages für die Musiker in K5xxxxxxxxxxxxxx (Z1x) in Vollzeit fortzusetzen, 3. äußerst hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, das Angebot der Klägerin auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als Tutti-Geigerin in den 2. Violinen zu den Bedingungen des Tarifvertrages für die Musiker in K5xxxxxxxxxxxxxx als Vollzeitstelle anzunehmen. Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die Befristung des Arbeitsvertrages vom 02.07.2002 sei durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt. Die in Streit stehende Regelung in § 5 des Arbeitsvertrages vom 02.07.2002 stelle eine wirksame Zweckbefristung dar. Die Klägerin sei zwar als Aushilfe, nicht jedoch als Dauerbesetzung für die Stelle einer 2. Violine in Betracht gekommen. Auf die Ausschreibung einer unbefristeten Stelle würden sich mehr und bessere Musiker bewerben. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin ein Probespiel im Zuge der Besetzung einer solchen Stelle nicht gewinnen werde. Dies ergebe sich daraus, dass die Klägerin bereits an einem Probespiel im Rahmen der Besetzung einer Stelle bei den 1. Violinen teilgenommen habe, das sie nicht für sich habe entscheiden können. Die Stelle sei deshalb mit einem anderen Musiker befristet besetzt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Erkrankung des Herrn F2xx und auch sein Begehren, Rente wegen Berufsunfähigkeit zu erhalten, bekannt gewesen. Wegen der wirtschaftlichen Situation der Klägerin und im Hinblick darauf, dass es sich hierbei voraussichtlich um eine kurze Befristung handeln werde, sei der Klägerin die Vertretung für Herrn F2xx angeboten worden. Bei einem Probespiel für eine längere Vertretung oder gar eine feste Stelle wäre ihr aufgrund ihrer Leistungen kein Angebot gemacht worden. Durch Urteil vom 24.09.2003, das dem Beklagten am 02.10.2003 zugestellt worden ist, hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Befristung vom 02.07.2002 beendet worden ist. Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, die am 17.10.2003 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und am 01.12.2003 begründet worden ist. Der Beklagte hält die Befristung des Arbeitsvertrages vom 02.07.2002 weiterhin für rechtswirksam. Bei Abschluss des Arbeitsvertrages habe nur ein vorübergehender Beschäftigungsbedarf bestanden. Nicht zu beanstanden sei die Regelung in § 5 des Arbeitsvertrages vom 02.07.2002, dass das Arbeitsverhältnis nach Ablauf von vier Wochen ende, nachdem eine eventuelle Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit des Herrn F2xx bekannt geworden sei. Ein Befristungsgrund sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch gegeben, wenn der Arbeitgeber den Vertreter aufgrund konkreter, bei Vertragsschluss vorliegender Anhaltspunkte zwar als zeitweilige Aushilfe, nicht aber als Dauerbesetzung für geeignet halte und deshalb den Arbeitsplatz im Falle des Ausscheidens des eigentlichen Inhabers anderweitig besetzen wolle. Diese Voraussetzungen seien im Falle der Befristung des Arbeitsvertrages der Klägerin gegeben gewesen. Entscheidend sei zunächst gewesen, dass die Klägerin kein Probespiel für eine unbefristete Stelle der 2. Geigen gewonnen habe, da dieses noch gar nicht stattgefunden habe. Ohne gewonnenes Probespiel könne sie eine derartige Stelle nicht erhalten. Die Klägerin habe zudem ein Probespiel für eine Stelle bei den 1. Geigen nicht gewonnen. Das Spiel der Klägerin entspreche nicht dem Niveau, das er, der Beklagte, an eine Musikerin der 2. Geigen in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stelle. Das Spiel der Klägerin sei sehr unsicher. Die Klägerin spiele extrem leise, damit ihre Fehler möglichst nicht auffielen. Der Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 24.09.2003 - 2 Ca 524/03 - abzuändern und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen. Sie vertritt weiter die Auffassung, die Befristung des Arbeitsvertrages vom 02.07.2002 sei unwirksam gewesen, und trägt vor, die Zulässigkeit einer Befristung könne nicht von der Durchführung und dem erfolgreichen Bestehen eines Probespiels abhängig gemacht werden. Zwar sei ein Probespiel normalerweise sowohl bei Besetzung einer befristeten als auch einer unbefristeten Stelle erforderlich. Von diesen Grundsätzen sei der Beklagte in der Vergangenheit aber immer wieder abgewichen. Stellen seien auch ohne Durchführung eines Probespiels besetzt worden. Auch sei es nicht immer darauf angekommen, dass ein Probespiel gewonnen worden sei. Dies zeige sich schon im vorliegenden Fall. Sie, die Klägerin, habe an einem Probespiel zur Besetzung einer befristeten Stelle in den 1. Geigen teilgenommen. Obwohl sie dieses Probespiel nicht gewonnen habe, sei ihr - ohne weiteres Probespiel - die Stelle in den 2. Geigen angeboten worden. Sie, die Klägerin, bestreite, leise bzw. unsicher zu spielen. Unter musikalischen Gesichtspunkten gebe es keine Gründe, ihr Arbeitsverhältnis nicht unbefristet fortzusetzen. Auch der damalige Generalmusikdirektor des Beklagten G1xxx F3xxxxxx habe ihr bescheinigt, sie sei eine feinsinnige und ausgezeichnete, ernsthaft und konzentriert arbeitende Musikerin (Bl. 53 d.A.). Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Entscheidungsgründe: I. Die Berufung ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. II. Der Sache nach hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Befristung vom 02.07.2002 nicht beendet worden ist. Die erkennende Kammer konnte sich ebenfalls nicht vom Bestehen eines sachlichen Grundes für die streitgegenständliche Befristung überzeugen. 1. Soweit das Arbeitsverhältnis gem. § 5 S. 1 des Arbeitsvertrages vom 02.07.2002 für die Dauer der Dienstunfähigkeit aufgrund Erkrankung des eigentlichen Stelleninhabers S5xxxxxx F2xx befristet worden ist, bestehen hiergegen grundsätzlich keine Bedenken. Wenn der Arbeitgeber bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages mit einer Wiedergenesung des Vertretenen und demnach mit seiner Rückkehr auf den Arbeitsplatz rechnet, kann er das Arbeitsverhältnis mit dem Vertreter grundsätzlich für die Dauer der Erkrankung des Vertretenen befristen (vgl. BAG, Urteil vom 05.06.2002 - 7 AZR 201/01 -, BB 2002, 2179 f. m.w.N.). Allerdings hat das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund des Befristungstatbestandes in § 5 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 02.07.2002 nicht geendet. Denn unstreitig wird der Stelleninhaber S5xxxxxxx F2xx den Dienst beim Beklagten nicht wieder aufnehmen. Damit kann das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht gem. § 5 S. 2, 1. Halbsatz des genannten Arbeitsvertrages mit dem Tag vor Wiederaufnahme des Dienstes durch Herrn F2xx enden. Sollte allerdings der Beklagte bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrages vom 02.07.2002 nicht mehr mit einer Rückkehr des erkrankten Stelleninhabers F2xx gerechnet haben, dann ist die Befristung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 5 S. 1 des genannten Arbeitsvertrages für die Dauer der Dienstunfähigkeit aufgrund Erkrankung des eigentlichen Stelleninhabers bereits wegen Fehlens eines sachlichen Grundes als unwirksam anzusehen (vgl. BAG, a.a.0. m.w.N.). 2. Soweit die Parteien in § 5 Satz 2, 2. Halbs. des Arbeitsvertrages vom 02.07.2002 vereinbart haben, dass ihr Arbeitsverhältnis vier Wochen nach Bekanntwerden einer eventuellen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit des Herrn F2xx enden soll, ist die darin zu sehende Befristung bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Stelleninhaber Herr F2xx endgültig aus dem Dienst beim Beklagten ausscheidet, als unwirksam anzusehen. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Die erkennende Kammer folgt insoweit den Gründen der angefochtenen Entscheidung und sieht deshalb gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Das zweitinstanzliche Vorbringen des Beklagten rechtfertigt keine anderweitige Beurteilung der Rechtslage. Es gibt lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen: Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts rechtfertigt der Sachgrund der Vertretung nicht die Vereinbarung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Vertreter beim Ausscheiden des Vertretenen aus dem Dienst. Allein durch dessen Ausscheiden wird der Bedarf des Arbeitgebers an der Verrichtung der früher vom Vertretenen und jetzt vom Vertreter auszuübenden Tätigkeit nicht zeitlich begrenzt (BAG, Urteil vom 05.06.2002 - 7 AZR 201/01 a.a.0.; Urteil vom 24.09.1997 - 7 AZR 669/96 -, AP Nr. 192 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag zu II.4 der Gründe). Allerdings kann der Beendigungstatbestand des Ausscheidens des Vertretenen aus anderen Gründen sachlich gerechtfertigt sein, zum Beispiel wenn der Arbeitgeber den Vertreter aufgrund konkreter bei Vertragsschluss vorliegender Anhaltspunkte zwar als zeitweilige Aushilfe, nicht aber als Dauerbesetzung des Arbeitsplatzes für geeignet hält und deshalb den Arbeitsplatz im Falle des Ausscheidens des eigentlichen Inhabers anderweitig mit einem qualifizierten Mitarbeiter besetzen will (so BAG, a.a.0.). Tatsachen für einen derartigen Sachgrund hat der Beklagte jedoch nicht substantiiert dargelegt. Angesichts des vom damaligen Generalmusikdirektor G1xxx F3xxxxxx ausgestellten Zeugnisses vom 29.09.1999, in dem der Klägerin bestätigt wird, eine feinsinnige und ausgezeichnete, ernsthaft und konzentriert arbeitende Musikerin zu sein, sowie der Tatsache, dass die Klägerin bereits seit August 1998 als Tutti-Geigerin im Orchester des Beklagten beschäftigt war, hätte es der Darlegung konkreter Mängel im Spiel der Klägerin bedurft, die der erkennenden Kammer den Schluss ermöglicht hätten, es komme bei der Klägerin allenfalls eine befristete Beschäftigung als zeitweilige Aushilfe, nicht aber eine Dauerbesetzung als Tutti-Spielerin bei den 2. Geigen in Betracht. Die allgemeinen Hinweise des Beklagten, das Spiel der Klägerin sei sehr unsicher und die Klägerin spiele extrem leise, damit ihre Fehler möglichst nicht auffallen, sind ohne nähere Konkretisierung, bei welchen Anlässen, welchen Musikstücken und in welchem Umfang sich diese Fehler gezeigt haben sollen, einer Beweisaufnahme nicht zugänglich. Unter diesen Umständen wäre die Vernehmung der vom Beklagten benannten Zeugen unzulässiger Ausforschungsbeweis gewesen. III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Der Streitwert hat sich im Berufungsverfahren nicht geändert. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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