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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 10.05.2007
Aktenzeichen: 15 Sa 1991/06
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 21.11.2006 - 3 Ca 1516/06 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 7.224,00 € festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Änderungskündigung.

Die am 10.10.1951 geborene Klägerin ist verheiratet und hat einen 29-jährigen Sohn. Sie ist seit dem 01.10.1996 bei der Beklagten beschäftigt, die unter anderem in L1 ein Altenpflegeheim unterhält. Die Klägerin war dort zuletzt als examinierte Altenpflegerin tätig und erhielt eine monatliche Vergütung in Höhe von 2.408,00 € brutto. Bei der Beklagten, die ca. 100 Arbeitnehmer beschäftigt, ist ein Betriebsrat gewählt.

Mit Datum vom 31.07.2006 richtete die Beklagte ein Schreiben an die Klägerin, das folgenden Inhalt hat:

"Änderungskündigung und Versetzung

Sehr geehrte Frau A1,

da Ihr Anwalt sich innerhalb der gesetzten Frist nicht geäußert hat, kündigen wir hiermit Ihr Arbeitsverhältnis ordentlich fristgemäß zum 31.10.06, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin. Gleichzeitig bieten wir Ihnen nach Ablauf der Kündigungsfrist die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu folgenden Bedingungen an:

1. Ab dem 01.11.06 werden Sie statt als exam. Altenpflegerin als Altenpflegehelferin eingesetzt.

2. Ihr Tätigkeitsbereich umfasst die Aufgaben gemäß der beigefügten Stellenbeschreibung.

3. Mit der Änderung einher geht eine Gehaltseinbuße von 500,00 Euro brutto monatlich d.h. statt 2408,00 € nun 1908,00 €.

4. Im Übrigen bleibt es bei den Vereinbarungen Ihres Arbeitsvertrags.

Der Betriebsrat hat der Änderungskündigung und der Versetzung gemäß §§ 102, 99 BetrVG zugestimmt.

Bitte teilen Sie uns unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Wochen nach Zugang dieses Schreibens mit, ob Sie mit der Änderung der Arbeitsvertragsbedingungen einverstanden sind.

Wenn Sie sich nicht innerhalb dieser Frist äußern oder die Änderung innerhalb der Frist ablehnen, endet das Arbeitsverhältnis zum 31.10.06.

Für diesen Fall weisen wir Sie vorsorglich darauf hin, dass Sie zur Aufrechterhaltung ungekürzter Ansprüche auf Arbeitslosengeld verpflichtet sind, sich unverzüglich persönlich beim Arbeitsamt zu melden und eigene Aktivitäten bei der Such nach einer anderen Beschäftigung zu entfalten."

Die Klägerin hat die Änderung der Arbeitsbedingungen unter Vorbehalt angenommen. Mit vorliegender Klage, die am 02.08.2006 beim Arbeitsgericht Münster einging, macht sie geltend, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 31.07.2006 sozial ungerechtfertigt ist und das Arbeitsverhältnis über den Kündigungstermin hinaus unverändert fortbesteht.

Mit Klageschrift vom 24.08.2006, die am 28.08.2006 beim Arbeitsgericht Münster einging, erhob die Klägerin unter dem Aktenzeichen 3 Ca 1675/06 eine weitere Klage mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnungen vom 06.11.2001, 24.05.2004, 20.10.2004, 09.08.2004, 11.11.2004, 20.12.2005, 03.02.2006 sowie 27.03.2006 zu widerrufen und aus den Personalakten der Klägerin zu entfernen. Wegen des Inhalts dieser Abmahnungen wird auf Bl. 37 bis Bl. 47 d. A. Bezug genommen. Im Termin vom 17.10.2006 im Verfahren 3 Ca 1675/06 ArbG Münster schlossen die Parteien zwei Teilvergleiche und einen Schlussvergleich. Danach wurden die Abmahnungen vom 06.11.2001, 24.05.2004 und 20.10.2004 mit Wirkung vom 17.10.2006 zurückgenommen und aus der Personalakte entfernt. Darüber hinaus wurden die Abmahnungen vom 09.08.2004 und 11.11.2004 mit Ablauf des Monats Oktober 2006 zurückgenommen und aus der Personalakte der Klägerin entfernt. Schließlich vereinbarten die Parteien, dass die restlichen Abmahnungen vom 03.02.2006, 27.03.2006 und 20.12.2005 mit Ablauf des 30.06.2007 zurückgenommen und aus der Personalakte der Klägerin entfernt werden.

Die Klägerin hat die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung im Hinblick auf die Änderungskündigung vom 31.07.2006 mit Nichtwissen bestritten. Soweit die Beklagte sich hinsichtlich der Betriebsratsanhörung auf das Anhörungsschreiben vom 28.07.2006 (Bl. 48 d. A.) beziehe, genüge dieses Schreiben nicht den Anforderungen an die Unterrichtungspflicht der Beklagten.

Die Beklagte habe auch keinen Grund zur Kündigung gehabt. Sie, die Klägerin, sei am 27.06.2006 für die Pflege von Frau R3 zuständig gewesen. Sie habe Frau R3 an diesem Tage zunächst um kurz nach 15:00 Uhr mobilisiert, d. h. aus dem Bett geholt und in den Rollstuhl gesetzt. Frau R3 habe dann Kaffee getrunken. Im Anschluss daran habe Frau R3 erhebliche Ermüdungserscheinungen gezeigt, so dass sie die Bewohnerin etwa gegen 16:00 Uhr wieder ins Bett gelegt habe. Gegen 17:00 Uhr habe sie Frau R3 erneut aus dem Bett geholt und wieder in den Rollstuhl gesetzt. Sie habe sodann den Blutzuckerwert bei Frau R3 gemessen, welche Diabetikerin sei. Dabei habe sie einen Wert von 70 festgestellt, der entschieden zu niedrig gewesen sei. Deshalb habe sie Frau R3 auch die zu diesem Zeitpunkt übliche Insulinspritze wegen Kollabierungsgefahr nicht setzen können. Um dies zu vermeiden, habe sie sich entschieden, Frau R3 wieder ins Bett zu legen. Anschließend habe sie sich zur Zeugin H3 begeben und diese gebeten, Frau R3 unverzüglich Essen zu reichen. Dies habe die Zeugin H3 auch getan. Soweit die Beklagte bemängele, die Dokumentationen dieser Vorgänge am 27.06.2006 seien nicht ordnungsgemäß erfolgt, sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen sich die Beklagte deswegen ausschließlich auf sie, die Klägerin, fokussiere. Unzutreffende Dokumentationen erfolgten nach ihren Kenntnissen durchaus häufig und durch alle Mitarbeiter. Ursache hierfür sei erheblicher Arbeitsanfall, aber auch der Umstand, dass die Dienstanweisungen bezüglich der Durchführung der Dokumentationen häufig wechselten, sowie die hohe Fluktuation der Mitarbeiter.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 31.07.2006, ihr zugegangen am 31.07.2006, sozial ungerechtfertigt ist und das Arbeitsverhältnis über den Kündigungstermin hinaus unverändert fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Betriebsrat sei mit Anhörungsschreiben vom 26.07.2006 ordnungsgemäß angehört worden und habe der Änderungskündigung und Versetzung am 28.07.2006 zugestimmt. Dem Anhörungsschreiben seien sämtliche in der Anhörung aufgeführten Abmahnungen und auch das Gesprächsprotokoll vom 05.07.2006 als Anlagen beigefügt gewesen.

Die Änderungskündigung sei aus verhaltensbedingten Gründen erfolgt und aufgrund der in der Vergangenheit ausgesprochenen Abmahnungen das mildeste Mittel gewesen. Sie, die Beklagte, müsse gegenüber den ihr anvertrauten Bewohnern ihrer Fürsorgepflicht nachkommen und sicherstellen, dass die bei ihr beschäftigten Mitarbeiter den ihnen obliegenden Pflichten ordnungsgemäß nachkommen. Diesbezüglich könne sie sich bei der Klägerin hinsichtlich der sich in letzter Zeit häufenden Pflege- und Dokumentationsfehler nicht sicher sein. Pflege und Dokumentation seien aber für die Gesundheit der Bewohner von erheblicher Bedeutung und müssten genau eingehalten werden. Sie habe versucht, dies der Klägerin durch mehrere Abmahnungen, zuletzt durch die beiden Abmahnungen vom 27.03.2006, deutlich zu machen.

Der Kündigung selbst habe folgender Vorfall zugrunde gelegen. Am 27.06.2006 sei die Klägerin in der Spätschicht für die Pflege der Bewohnerin R3 zuständig gewesen. Frau R3 habe laut ärztlicher Anweisung zweimal täglich zur Prophylaxe gegen Dekubitus und Lungenentzündung mobilisiert werden sollen. Für den 27.06.2006 sei bei Frau R3 nichts auffälliges dokumentiert worden. Dokumentiert worden sei lediglich, dass Frau R3 gut gegessen habe. Außerdem habe die Klägerin auf dem Blatt "Freiheitsentziehende Maßnahmen" ihr Handzeichen für die Mobilisation und Entfixierung von Frau R3 während der Spätschicht von 15:15 Uhr bis 18:15 Uhr gemacht. Die Zeugin K3 habe aber gegen 16:30 Uhr gesehen, dass Frau R3 nicht mobilisiert gewesen sei, sondern im Bett gelegen habe. Auch die Zeugin H3 habe am 27.06.2006 von 16:30 Uhr bis 18:30 Uhr durchgehend beobachtet, dass Frau R3 nicht mobilisiert gewesen sei. Die Zeugin K3 habe sich am 27.06.2006 gegen 16:30 Uhr die Dokumentation "Freiheitsentziehende Maßnahmen" angesehen und dabei bemerkt, dass zu diesem Zeitpunkt dort noch keine Dokumentation vorgenommen worden sei. Am 28.06.2006 habe die Zeugin K3 im Rahmen des Frühdienstes gesehen, dass die Klägerin inzwischen die Eintragung vorgenommen habe, Frau R3 sei während der Spätschicht von 15:15 Uhr bis 18:15 Uhr mobilisiert und entfixiert worden. Sie habe die Klägerin daraufhin auf die falsche Dokumentation angesprochen. Dabei habe die Klägerin geäußert, sie habe Frau R3 wegen Unruhe eher zu Bett gelegt.

Aus alledem ergebe sich, dass die von der Klägerin am 27.06.2006 dokumentierten Daten fehlerhaft gewesen seien. Die Klägerin hätte in die Dokumentation eintragen müssen, dass Frau R3 wegen Unruhe früher zu Bett gebracht worden sei. Zudem hätte die Unruhe der Bewohnerin dokumentiert werden müssen. Die Zeugin K3 habe den Vorfall deshalb an die Pflegedienstleitung weitergeleitet. Als der Vorfall seitens der Einrichtungsleiterin aufgegriffen worden sei, sei der Eintrag der Klägerin in der Dokumentation dahingehend geändert worden, dass die dort eingetragenen Maßnahmen überschrieben worden seien. Auch diese Vorgehensweise der Klägerin sei falsch gewesen. Die Überschreibung hätte als Korrektur bzw. Nachtrag eingetragen werden müssen. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin die Dokumentation erst später nach dem Gespräch mit der Zeugin K3 zu ihren Gunsten verändert/überschrieben habe.

In einem weiteren Gespräch am 05.07.2006 habe die Klägerin keine nachvollziehbare Erklärung für die Widersprüche zwischen den Beobachtungen der Zeugin K3 und den Eintragungen in der Dokumentation geben können. Sie habe lediglich angegeben, die Bewohnerin wegen Unruhe früher zu Bett gebracht zu haben.

Sie, die Beklagte, habe der Klägerin durch Ausspruch der beiden letzten Abmahnungen vom 27.03.2006 deutlich gemacht, dass sie ihren Dokumentationspflichten nachkommen müsse. Sie habe außerdem darauf hingewiesen, dass sie diese Abmahnungen ernst nehmen müsse. Angesichts des weiteren Verstoßes der Klägerin gegen ihre Dokumentationspflichten am 27.06.2006 sei die ihr gegenüber ausgesprochene Änderungskündigung das mildeste Mittel gewesen. Als Pflegehelferin arbeite die Klägerin mit deutlicher weniger Verantwortung als eine examinierte Altenpflegerin, die häufig als Schichtleitung tätig sei. Nur wenn die Klägerin mit geringerer Verantwortung eingesetzt werde, könne sie, die Beklagte, ihrer Verantwortung gegenüber den Bewohnern gerecht werden. Eine Weiterbeschäftigung der Klägerin als examinierte Fachkraft sei unzumutbar.

Durch Urteil vom 21.11.2006 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Gegen diese Entscheidung, die der Klägerin am 30.11.2006 zugestellt worden ist, richtet sich die Berufung der Klägerin, die am 21.12.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und gleichzeitig begründet worden ist.

Die Klägerin hält die Änderungskündigung vom 31.07.2006 weiterhin für sozial ungerechtfertigt und unwirksam. Zur Begründung trägt sie vor, die streitgegenständliche Kündigung sei maßgeblich gestützt auf einen Vorfall vom 27.06.2006. Der Vorwurf der Beklagten gehe dabei dahin, sie, die Klägerin, habe am 27.06.2006 fehlerhaft dokumentiert. Gemäß ärztlicher Anweisung habe Frau R3 zweimal täglich zur Prophylaxe mobilisiert werden sollen. Dabei sei es völlig unerheblich gewesen, wann und über welchen Zeitraum die Mobilisierung stattfinde. Der behandelnde Arzt von Frau R3, Herr Dr. H4, kenne sie, die Klägerin, seit vielen Jahren. Er habe deshalb die Dauer des Mobilisierens in ihr Ermessen gestellt, weil er absolutes Vertrauen in ihre Fähigkeiten habe. Frau R3 sei am 27.06.2006 bereits am Vormittag im Rahmen der Frühschicht einmal mobilisiert worden. Sie, die Klägerin, habe gegen 15:00 Uhr die zweite Mobilisierung vorgenommen. Die ärztliche Anweisung sei also insoweit eingehalten worden. Dokumentiert worden sei von ihr, der Klägerin, lediglich nicht, dass Frau R3 bereits um etwa 16:00 Uhr wieder ins Bett gelegt worden sei, weil sie müde gewesen sei. Soweit das Arbeitsgericht auf die mangelnde Dokumentierung des stark abgesackten Blutzuckerspiegels abgestellt habe, sei eine Dokumentierung nicht erforderlich gewesen. Sie, die Klägerin, habe Frau R3 gegen 17:00 Uhr erneut aus dem Bett geholt und in den Rollstuhl gesetzt, um sie erneut zu mobilisieren. Beim Messen des Blutzuckerwertes bei Frau R3 habe sie einen Wert von 70 festgestellt, der zu niedrig gewesen sei. Deshalb habe sie entschieden, Frau R3 zu diesem Zeitpunkt keine Insulinspritze zu setzen, um die Gefahr einer Kollabierung zu vermeiden. Vielmehr habe sie Frau R3 wieder ins Bett gelegt. Dieses Verhalten sei aus ärztlicher Sicht nicht zu beanstanden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 21.11.2006 - 3 Ca 1516/06 - abzuändern und festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 31.07.2006 sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und trägt vor, die verhaltensbedingte Änderungskündigung vom 31.07.2006 sei als wirksam anzusehen. Zu Recht habe das Arbeitsgericht festgestellt, dass eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung erfolgt sei. Der Änderungskündigung seien Abmahnungen unter anderem wegen der Verletzung von Dokumentationspflichten vorausgegangen. Zu Recht habe das Arbeitsgericht nach Beweisaufnahme auch festgestellt, dass ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund vorgelegen habe. Die Klägerin habe am 27.06.2006 erneut eine unrichtige Dokumentation bezüglich der Heimbewohnerin Frau R3 vorgenommen. Sie habe um 18:30 Uhr auf dem Blatt "Freiheitsentziehende Maßnahmen" ihr Handzeichen für die Mobilisation und die Entfixierung von Frau R3 während der Spätschicht von 15:15 Uhr bis 18:15 Uhr gemacht. Richtigerweise hätte eingetragen werden müssen, dass bei Frau R3 eine "Bettgitterfixierung" erfolgt sei; außerdem hätte eingetragen werden müssen, warum die Bewohnerin nicht mobilisiert worden sei. Die Klägerin habe aber lediglich dokumentiert, dass die Bewohnerin gut gegessen habe. Nachdem die Zeugin K3 den Vorfall der Pflegedienstleitung geschildert und die Klägerin darauf angesprochen habe, dass keine ordnungsgemäße Dokumentation vorgelegen habe, habe die Klägerin dies dadurch vertuschen wollen, dass sie die Dokumentation überschrieben habe, anstatt einen Nachtrag zu erstellen. Entgegen der Darstellung der Klägerin habe auch dokumentiert werden müssen, dass der Blutzuckerspiegel von Frau R3 stark abgesackt gewesen sei und sie unruhig gewesen sei. Solche Feststellungen seien für die weitere Insulineinstellung durch den behandelnden Arzt wichtig.

Aufgrund dieses Sachverhaltes und der vorhergehenden Abmahnungen wegen fachlicher Verstöße und Verstöße gegen die Dokumentationspflichten habe sie, die Beklagte, keine andere Möglichkeit gehabt, als eine Änderungskündigung auszusprechen. Sie habe davon ausgehen müssen, dass mit einer erneuten Abmahnung keine Änderung des Verhaltens der Klägerin zu erreichen gewesen sei. Die Änderungskündigung sei das mildeste Mittel gewesen.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen H3, K3 und v5 D7. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 21.11.2006 (Bl. 83 ff. d. A.) verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Klägerin ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Der Sache nach hat die Berufung keinen Erfolg. Denn die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 31.07.2006 ist nicht sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

1. Die Änderungskündigung vom 31.07.2006 ist durch Gründe im Verhalten der Klägerin im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, das streitlos auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist, bedingt.

a) Ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Dienstanweisung zur Pflegedokumentation war die Klägerin verpflichtet, bestimmte Eintragungen auf den dafür vorgesehenen Formularen vorzunehmen. So waren unter anderem auf dem Formular "Freiheitsentziehende Maßnahmen" Eintragungen bei allen wechselnden Fixierungen/Entfixierungen vorzunehmen. Darüber hinaus waren auf dem Formular "Diabetes" Eintragungen bei mehrmaligen Blutzuckermessungen und Bedarfsmedikationen/Insulin vorzunehmen. Gegen diese sich aus der Dienstanweisung ergebenden Pflichten hat die Klägerin am 27.06.2006 verstoßen. Nach der Aussage der Zeugin K3 hatte die Klägerin am 27.06.2006 auf dem Formular "Freiheitsentziehende Maßnahmen" eingetragen, die Heimbewohnerin Frau R3 sei während der Spätschicht von 15:15 Uhr bis 18:15 Uhr mobilisiert und entfixiert worden, und dies mit ihrem Handzeichen abgezeichnet. Nach den Feststellungen der Zeugin K3 befand Frau R3 sich aber zwischen 16:30 Uhr und 16:45 Uhr im Bett und war durch das Bettgitter fixiert. Dementsprechend hätte in dem Formular "Freiheitsentziehende Maßnahmen" der Eintrag "Bettgitterfixierung" vorgenommen werden müssen. Außerdem hätte die Klägerin eintragen müssen, warum Frau R3 nicht mobilisiert worden war. Die Klägerin hat aber lediglich dokumentiert, dass die Bewohnerin gut gegessen hätte. Darüber hinaus hat die Klägerin nicht dokumentiert, dass Frau R3 unruhig war und ihr Blutzuckerspiegel abgesackt war.

b) Letztlich räumt die Klägerin ein, dass die von ihr am 27.06.2006 vorgenommenen Dokumentationen bei der Bewohnerin R3 nicht ordnungsgemäß waren. Der Einwand der Klägerin, unzutreffende Dokumentationen erfolgten nach ihren Kenntnissen durchaus häufig und durch alle Mitarbeiter, wobei die Beklagte sich insoweit ausschließlich auf sie, die Klägerin, fokussiere, kann die Verstöße der Klägerin gegen ihre Dokumentationspflichten nicht rechtfertigen. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass sie gegenüber den ihr anvertrauten Bewohnern ihrer Fürsorgepflicht nachkommen und sicherstellen muss, dass die bei ihr beschäftigten Mitarbeiter den ihnen obliegenden Pflichten ordnungsgemäß nachkommen. Pflege und Dokumentation sind für die Gesundheit der Bewohner des Pflegeheims der Beklagten von erheblicher Bedeutung und müssen genau eingehalten werden.

Auch der Hinweis der Klägerin unter Vorlage des ärztlichen Attestes von Herrn Dr. H4 vom 12.12.2006, sie habe nach eigener Einschätzung entscheiden können, wie lange Frau R3 mobilisiert bleibe, und auch richtig gehandelt, als sie eine geplante Insulinspritze bei Frau R3 nicht gegeben habe, wobei insoweit eine Dokumentation nicht erforderlich gewesen sei, geht am Kern der Sache vorbei. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin frei entscheiden konnte, wann und in welchem Ausmaß sie Frau R3 mobilisierte, und ob es richtig war, die Insulinspritze nicht zu setzen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Klägerin entsprechend der Dienstanweisung zur Pflegedokumentation verpflichtet war, ihre Feststellungen bei Frau R3 und die deshalb getroffenen Maßnamen korrekt und zeitnah zu dokumentieren. Wenn die Klägerin sich am 27.06.2006 wegen des Zustandes von Frau R3 entschieden hatte, diese wieder ins Bett zu legen und dort zu fixieren sowie wegen des stark abgesackten Blutzuckerspiegels eine vorgesehene Insulinspritze nicht zu setzen, so hätte sie dies in den dafür vorgesehenen Formularen eintragen müssen. Gegen diese Pflichten hat die Klägerin am 27.06.2006 verstoßen.

Ein weiterer Verstoß gegen die Dokumentationspflichten ist darin zu sehen, dass die Klägerin nach dem Gespräch mit der Zeugin K3 über die fehlerhaften Eintragungen ihre Dokumentationen überschrieben hat, anstatt einen Nachtrag zu erstellen. In der Dienstanweisung zur Pflegedokumentation heißt es hierzu, dass Korrekturen falscher Einträge durch Radieren, Anwendung von Tipp ex oder Übermalen und Überkleben untersagt sind. Weiter heißt es dort, dass Korrekturen durch sauberes Durchstreichen und Neueintrag neben/über/unter dem Falscheintrag gemacht werden müssen, wobei der alte falsche Eintrag lesbar bleiben muss.

Auch der Einwand der Klägerin, unzutreffende Dokumentationen beruhten zum einen auf dem erheblichen Arbeitsanfall und zum anderen darauf, dass die Dienstanweisungen bezüglich der Durchführung der Dokumentationen häufig wechselten sowie eine hohe Fluktuation unter den Mitarbeitern bestehe, kann nichts daran ändern, dass sie am 27.06.2006 ihre Dokumentationspflichten verletzt hat. Zum einen ist der Sachvortrag der Klägerin insoweit weder einlassungsfähig noch einer Beweisaufnahme zugänglich und damit als unsubstantiiert zu bezeichnen. Zum anderen wird der Klägerin nicht vorgeworfen, überhaupt keine Eintragungen in den Dokumentationsformularen vorgenommen zu haben. Vielmehr hat die Klägerin am 27.06.2006 in den Dokumentationsformularen bei Frau R3 durchaus Eintragungen vorgenommen, die allerdings falsch und unvollständig waren. Die Klägerin hatte also an diesem Tage durchaus Gelegenheit zur Vornahme von Eintragungen, so dass sie diese auch korrekt und vollständig hätte vornehmen können.

2) Auch die Interessenabwägung geht nach Auffassung der erkennenden Kammer zulasten der Klägerin aus.

a) Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt der Ausspruch einer Kündigung nur dann in Betracht, wenn andere, nach den jeweiligen Umständen des konkreten Falles möglichen angemessenen milderen Mittel erschöpft sind. Als milderes und den Umständen nach als Reaktion ausreichendes Mittel ist zunächst eine Abmahnung in Erwägung zu ziehen. Dies gilt insbesondere bei Störungen im Verhaltens- und Leistungsbereich (ständige Rechtsprechung; vgl. BAG, Urteil vom 17.02.1994 - 2 AZR 616/93, NZA 1994, 656 m.w.N.). Abmahnung bedeutet, dass der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Art und Weise seine Beanstandung vorbringt und damit deutlich - wenn auch nicht expressis verbis - den Hinweis verbindet, im Wiederholungsfall sei der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet. Die Abmahnung hat insoweit Doppelfunktion, als sie schon nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als ausreichende Ausübung von Gläubigerrechten und damit als Sanktion unter Vermeidung einer Kündigung geboten sein kann. Zum anderen kann sie aufgrund ihrer Warnfunktion zur Vorbereitung einer Kündigung erforderlich sein.

Eine Abmahnung ist dann entbehrlich, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht erfolgversprechend angesehen werden kann (vgl. BAG, Urteil vom 17.02.1994 a.a.O.). So bedarf es vor Ausspruch einer Kündigung dann keiner Abmahnung, wenn eine an sich mögliche Verhaltensänderung des Arbeitnehmers aufgrund objektiver Anhaltspunkte künftig nicht erwartet werden kann. Diese negative Prognose ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer bereits ausdrücklich erklärt bzw. unmissverständlich konkludent zum Ausdruck gebracht hat, sein Fehlverhalten nicht ändern zu wollen oder wenn eine Vertragsverletzung hartnäckig bzw. uneinsichtig begangen wird und mit einer vertrags- und gesetzesgemäßen Abwicklung des Arbeitsvertrages nicht mehr zu rechnen ist. Sie kann ferner entbehrlich sein, wenn der Arbeitnehmer die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens aus entsprechenden Hinweisen, aus einer "vorweggenommenen Abmahnung" vor einer konkret befürchteten Pflichtverletzung aus einer bloßen Vertragsrüge oder aus "Abmahnungen" nicht abmahnungsberechtigter Vorgesetzter kannte oder kennen musste (vgl. KR-Fischermeyer, 8. Aufl., § 626 BGB RdNr. 259, 266 m.w.N.). Gleiches gilt im Falle des Vorliegens einer formell unwirksamen Abmahnung. Die Warnfunktion einer Abmahnung kann auch dann erhalten bleiben, wenn der Arbeitgeber verurteilt wurde, sie aus der Personalakte zu entfernen. Es ist nicht unbedingt entscheidend, ob die Abmahnung sachlich berechtigt war. Vielmehr kommt es in diesen Fällen darauf an, ob der Arbeitnehmer die Pflichtwidrigkeit des störenden Verhaltens erkennen und der Abmahnung entnehmen musste, der Arbeitgeber werde es keinesfalls hinnehmen, sondern voraussichtlich zum Anlass nehmen, das Arbeitsverhältnis zu kündigen (vgl. KR-Fischermeyer, aaO., § 626 BGB RdNr. 275 m.w.N.).

b) Angesichts dessen war die Beklagte unter Beachtung des ultima-ratio-Prinzips nicht gehalten, zur Vermeidung der streitigen Änderungskündigung zunächst das mildere Mittel der Abmahnung in Erwägung zu ziehen. Die Beklagte hat der Klägerin zahlreiche Abmahnungen ausgesprochen, deren Berechtigung Gegenstand des Verfahrens 3 Ca 1675/06 vor dem Arbeitsgericht Münster war. Nach dem Inhalt der im Termin vom 17.10.2006 geschlossenen Vergleiche verblieben die Abmahnungen vom 09.08.2004 und 11.11.2004 bis Ende Oktober 2006 in der Personalakte der Klägerin und wurden erst dann entfernt. Die Abmahnungen vom 03.02.2006, 27.03.2006 und 20.12.2005 wurden erst mit Ablauf des 30.06.2007 zurückgenommen und aus der Personalakte der Klägerin entfernt. Mit Ausnahme der Abmahnung vom 03.02.2006 beziehen sich sämtliche Abmahnungen u.a. auf Verstöße der Klägerin gegen ihre Dokumentationspflichten. Darüber hinaus heißt es in der letzten Abmahnung vom 27.03.2006 wörtlich wie folgt:

"Durch die erneute fehlerhafte Dokumentation haben sie ihre Arbeitspflicht verletzt. Wir fordern sie auf, ab sofort ordnungsgemäß ihre Dokumentationspflichten wahrzunehmen und zu erfüllen. Wir mahnen sie hiermit ab, sich zukünftig pflichtgemäß zu verhalten. In Anbetracht dessen, dass wir Ihnen mit heutigem Datum zwei Abmahnungen aussprechen und diesen bereits andere Abmahnungen vorausgegangen sind, müssen wir sie in aller Deutlichkeit darauf aufmerksam machen, diese ernst zu nehmen. Sollte es jetzt noch einmal zu Verstößen gegen ihre Dokumentationspflichten oder gegen ihre Pflichten zur ordnungsgemäßen Behandlungspflege kommen, sind wir, insbesondere auch im Interesse der Gesundheit der uns anvertrauten Bewohner und der uns obliegenden Verantwortung gezwungen, ihnen zu kündigen."

Unabhängig davon, ob die in den genannten Abmahnungen angesprochenen Vorfälle berechtigterweise abgemahnt wurden, konnte die Klägerin insbesondere nach der letzten Abmahnung vom 27.03.2006 nur davon ausgehen, dass die Beklagte großen Wert auf Einhaltung der Dokumentationspflichten legte und Verstöße hiergegen nicht tolerieren, sondern hierauf mit einer Kündigung reagieren werde. Angesichts der Abmahnung vom 27.03.2006 musste der Klägerin klar sein, dass die Beklagte Verstöße gegen die Dokumentationspflichten als schwerwiegende Pflichtverletzung ansah, deren Hinnahme offensichtlich ausgeschlossen war. Dementsprechend war die Beklagte unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht gehalten, auf den Verstoß der Klägerin gegen ihre Dokumentationspflichten am 27.06.2006 mit einer Abmahnung zu reagieren. Auch unter Berücksichtigung des Lebensalters der Klägerin und ihrer Beschäftigungszeiten ist es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte diese Pflichtverletzung zum Anlass einer Änderungskündigung nahm. Zwar erhält die Klägerin als Pflegehelferin im Vergleich zu ihrer früheren Tätigkeit als Pflegefachkraft eine um 500,-- € geringere Vergütung und muss damit eine durchaus beachtliche Einkommenseinbuße hinnehmen. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Beklagte das Fehlverhalten der Klägerin nicht zum Ausspruch einer Beendigungskündigung genommen hat. Das Interesse der Klägerin am Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses ist damit - wenn auch zu geänderten Bedingungen - durchaus berücksichtigt worden.

3) Auch die Betriebsratsanhörung kann nicht beanstandet werden. Dies hat das Arbeitsgericht nach Vernehmung der Betriebsratsvorsitzenden v5 D7 zutreffend erkannt. Einwände hiergegen hat die Klägerin mit ihrer Berufung nicht geltend gemacht. Die erkennende Kammer folgt insoweit den Gründen der angefochtenen Entscheidung und sieht gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zur Vermeidung von Wiederholungen von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 7.224,-- €.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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