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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 30.04.2004
Aktenzeichen: 15 Sa 2039/03
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG, TVG, BGB


Vorschriften:

BetrVG § 77 Abs. 3
ArbGG § 69 Abs. 2
TVG § 1 Abs. 2
BGB § 126
BGB § 140
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 29.10.2003 - 2 Ca 241/03 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Zahlung restlicher Jahressonderleistung für das Jahr 2002.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Metallindustrie und beschäftigt ca. 120 Arbeitnehmer. Sie ist nicht tarifgebunden. Der Kläger, der Mitglied der Christlichen Gewerkschaft Metall ist, war seit dem 15.03.1998 als Lackiererarbeiter bei der Beklagten beschäftigt.

Am 27.01.1972 fand in den Betriebsräumen der Beklagten eine Besprechung statt, an der die Geschäftsleitung der Beklagten, der damalige Betriebsrat sowie ein Vertreter der IG Metall teilnahmen. Über die Besprechung wurde eine Niederschrift gefertigt, in der es u.a. heißt:

"Folgende Punkte wurden besprochen und festgelegt.

1. Ab dem 01.01.1972 hat der Tarifvertrag der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie für die Fa. S2xxxxx (Inhaber und Belegschaft) feste Gültigkeit. Bei einer Firmenumbildung (Eintragung Amtsgericht ect.) müssten evtl. neue Tarifvertragsgrundlagen gefunden werden."

Die Niederschrift vom 31.01.1972 ist durch einen Vertreter des Betriebsrats und der damaligen Geschäftsleitung der Beklagten unterzeichnet. Wegen der weiteren Einzelheiten der Niederschrift wird auf Bl. 20 der Akte Bezug genommen. Eine Durchschrift der Niederschrift übersandte die Beklagte an die IG Metall in Olpe.

Auf der Grundlage der oben genannten Niederschrift zahlte die Beklagte in den folgenden Jahren an ihre Mitarbeiter, so auch an den Kläger, Jahressonderleistungen nach Maßgabe des Tarifvertrages über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NRW.

Im Verlauf des Jahres 2000 kündigte die Beklagte die in der Niederschrift vom 31.01.1972 festgehaltene Regelung zum 31.12.2000. Für das Jahr 2001 zahlte sie an ihre Mitarbeiter das im oben genannten Tarifvertrag vorgesehene anteilige 13. Monatseinkommen unverändert aus. Im Jahre 2002 zahlte sie dagegen an die Mitarbeiter, so auch an den Kläger, lediglich 25 % der im genannten Tarifvertrag festgelegten Sonderleistung.

Mit vorliegender Klage, die am 11.02.2003 beim Arbeitsgericht Siegen einging, verlangt der Kläger von der Beklagten die Zahlung der restlichen Sonderleistung für das Jahr 2002 in Höhe der Differenz zwischen der erhaltenen und der im genannten Tarifvertrag festgelegten Jahressonderzahlung. Er hat vorgetragen, bei der Niederschrift der Besprechung vom 27.01.1972 handele es sich um eine Regelungsabrede, nach der die für die Metall- und Elektroindustrie geltenden Tarifverträge auf die Beschäftigungsverhältnisse der bei der Beklagten tätigen Arbeitnehmer Anwendung finden sollten. Falls diese Vereinbarung nichtig sei, sei eine betriebliche Übung zu unterstellen, weil durch die Beklagte eine "Anerkennung durch Erfüllung" stattgefunden habe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 823,02 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung restlicher Jahressonderleistung für das Jahr 2002 in Höhe von 823,02 Euro. Die Zahlung der Jahressonderleistung sei in den vergangenen Jahren aufgrund eines vermeintlich bestehenden Haustarifvertrages erfolgt; im Verlauf des Jahres 2002 habe sich herausgestellt, dass diese Regelung von Anfang an nichtig gewesen sei. Sie, die Beklagte, habe in der Vergangenheit in Erfüllung dieser vermeintlichen Verbindlichkeit Weihnachtsgeld an ihre Mitarbeiter gezahlt. In der irrigen Annahme, dass es sich bei der Niederschrift der Besprechung vom 27.01.1972 um einen Tarifvertrag gehandelt habe, habe sie nach Kündigung der Vereinbarung zum 31.12.2000 ausgehend von einer Nachwirkung auch im Jahre 2001 die im einschlägigen Tarifvertrag vorgesehenen Beträge an ihre Mitarbeiter ausgezahlt. Erst Mitte des Jahres 2002 habe sie erfahren, dass der vermeintlich fortgeltende Haustarifvertrag von Anfang an unwirksam gewesen sei. Der "Haustarifvertrag" sei nämlich nicht von der Gewerkschaft unterschrieben worden. Ein nichtiger Tarifvertrag entfalte keinerlei Wirkungen, begründe insbesondere auch keine betriebliche Übung. Bei der Vereinbarung handele es sich auch nicht um eine wirksame Betriebsvereinbarung. Die Regelung, dass ein Tarifvertrag für alle Mitarbeiter gelten solle, sei kein zulässiger Inhalt einer Betriebsvereinbarung. Erbringe ein Arbeitgeber eine besondere Leistung aufgrund einer vermeintlichen Anspruchsgrundlage, z.B. einer Betriebsvereinbarung oder eines Tarifvertrages, so entstehe keine betriebliche Übung.

Durch Urteil vom 29.10.2003, das dem Kläger am 17.11.2003 zugestellt worden ist, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, die am 05.12.2003 einschließlich Berufungsbegründung beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist.

Der Kläger vertritt weiter die Auffassung, die Beklagte sei zur Zahlung der restlichen Jahressonderleistung für 2002 verpflichtet. Die Beklagte habe über 29 Jahre hinweg tarifliche Leistungen erbracht. Die Beschäftigten, so auch er, der Kläger, hätten davon ausgehen können, dass sie in einem Unternehmen tätig seien, welches die einschlägigen Tarifverträge anwende. Auch wenn man unterstelle, dass die Vereinbarung vom 27.01.1972 unwirksam sei, sei sie doch Bestandteil der Arbeitsverträge geworden.

Er, der Kläger, habe sich darüber hinaus im Einstellungsgespräch nach den tariflichen Leistungen im Unternehmen und nach dem Weihnachtsgeld erkundigt. Der damalige Abteilungsleiter der Beklagten, der Zeuge F1xxx-J1xxx B4xxxx, habe ihm zu Fragen nach Tarifbindung und Weihnachtsgeld Auskunft erteilt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 29.10.2003 - 2 Ca 241/03 O -

abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 823,02 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und trägt vor, in erster Instanz sei unstreitig gewesen, dass sie, die Beklagte, erst 2002 von der Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung erfahren habe. Ein Anlass, die Wirksamkeit der Vereinbarung vom 27.01.1972 prüfen zu lassen, habe nicht bestanden. Erst im Zuge der Beratung in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten hätten ihre Prozessbevollmächtigten im Laufe des Jahres 2002 darauf hingewiesen, dass die Vereinbarung vom 27.01.1972 unwirksam sei. Zutreffend habe das erstinstanzliche Gericht ausgeführt, dass die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG einschlägig sei. Eine Öffnungsklausel sei in den Tarifverträgen der Metallindustrie nicht enthalten.

Entgegen der Auffassung des Klägers könne nicht von einer betrieblichen Übung des Inhalts ausgegangen werden, den Arbeitnehmern die im Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NRW vorgesehenen Leistungen zu erbringen. Sie, die Beklagte, habe die entsprechenden Leistungen in der Vergangenheit in Erfüllung der vermeintlichen Verbindlichkeit aus der Vereinbarung vom 27.01.1972 erbracht. Sie habe dies allein deshalb getan, da sie die abgeschlossene Vereinbarung für wirksam gehalten habe und dementsprechend davon ausgegangen sei, zur Zahlung im Hinblick auf den fortgeltenden Tarifvertrag bzw. die fortgeltende Betriebsvereinbarung verpflichtet zu sein.

Soweit der Kläger sich auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22.01.2002 - 9 AZR 601/00 - beziehe, sei diese Entscheidung nicht einschlägig. Dieser Entscheidung liege der Fall zugrunde, dass in einem Arbeitsvertrag ein Verweis auf einen Tarifvertrag enthalten sei. Bei einem arbeitsvertraglichen Verweis auf tarifvertragliche Regelungen greife § 77 Abs. 3 BetrVG nicht ein. An einem Verweis im Arbeitsvertrag fehle es dagegen im vorliegenden Fall.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingegangen und begründet worden.

II.

Der Sache nach hat die Berufung keinen Erfolg. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, an den Kläger 823,02 Euro zu zahlen. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung restlicher Jahressonderleistung für das Jahr 2002.

1. Ein dahingehender Anspruch des Klägers ergibt sich nicht aus dem Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NRW. Unstreitig sind beide Parteien nicht tarifgebunden. Weder der Kläger noch die Beklagte sind Mitglied der Organisationen, die den genannten Tarifvertrag abgeschlossen haben. Gemäß § 4 Abs. 1 des Tarifvertragsgesetzes (i.F. TVG) gelten die Rechtsnormen eines Tarifvertrags unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht gegeben.

2. Ein Anspruch des Klägers auf die streitgegenständliche Leistung folgt auch nicht aus der Vereinbarung vom 27.01.1972, wie sie in der Niederschrift vom 31.01.1972 unter Ziffer 1 festgehalten worden ist.

a) Die genannte Vereinbarung vom 27.01.1972 hat nicht als sogenannter Firmentarifvertrag unmittelbar und zwingend zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits Geltung erlangt. Gemäß § 1 Abs. 2 TVG bedürfen Tarifverträge der Schriftform. Da die IG Metall, die an der Besprechung vom 27.01.1972 teilgenommen hat, die Vereinbarung nicht unterschrieben hat, ist diese Formvorschrift nicht eingehalten. Gemäß § 126 BGB muss die Urkunde im Falle der durch Gesetz vorgeschriebenen Schriftform vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet worden sein.

b) Ein Anspruch des Klägers auf die streitgegenständliche Leistung ist auch dann nicht gegeben, wenn die Vereinbarung vom 27.01.1972, wie sie in der Niederschrift der Besprechung vom 31.01.1972 zu Ziffer 1 festgehalten ist, als Betriebsvereinbarung anzusehen sein sollte. Denn diese Regelung ist dann wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Die erkennende Kammer folgt in diesem Punkt der angefochtenen Entscheidung und sieht gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG insoweit von der Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

3. Entgegen der Auffassung des Klägers hat die unwirksame Vereinbarung vom 27.01.1972 nicht auf arbeitsvertraglicher Grundlage Geltung zwischen den Parteien erlangt.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Umdeutung einer nach § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksamen Betriebsvereinbarung in entsprechender Anwendung des § 140 BGB in eine vertragliche Einheitsregelung (Gesamtzusage) nicht völlig ausgeschlossen. Bedenken hiergegen ergeben sich jedenfalls nicht aus dem Normzweck des § 77 Abs. 3 BetrVG, der den Vorrang tariflicher Regelungen sichern will. § 77 Abs. 3 BetrVG schließt betriebliche Einheitsregelungen durch Gesamtzusage oder gebündelte Vertragsangebote nicht aus (vgl. BAG, Urteil vom 24.01.1996 - 1 AZR 597/95, AP Nr. 8 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt). Die Vorschrift will nicht den Erfolg des mit der Betriebsvereinbarung angestrebten Ziels vereiteln, also verhindern, dass dem Arbeitnehmer bestimmte Leistungen zukommen. Sie will nur die "kollektiv-rechtliche Konkurrenzregelung" ausschließen.

aa) Allerdings sind an eine Umdeutung strenge Anforderungen zu stellen. Sie kommt nur in Betracht, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, der Arbeitgeber habe sich auf jeden Fall verpflichten wollen, den Arbeitnehmern die in der unwirksamen Betriebsvereinbarung vorgesehenen Leistung zukommen zu lassen (vgl. BAG, Urteil vom 24.01.1996, a.a.O.; Urteil vom 05.03.1997- 4 AZR 532/95, AP Nr. 10 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt jeweils m.w.N.). Auch wenn es sich bei dem nichtigen Rechtsgeschäft um einen Kollektivertrag zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat handelt, während die Umdeutung im Ergebnis dazu führt, dass einzelvertragliche Bindungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, also zwischen anderen Vertragsparteien, zustande kommen, schließt dies die Anwendung des § 140 BGB nicht grundsätzlich aus. § 140 BGB enthält einen allgemeinen Rechtsgedanken (vgl. Münchener Kommentar/ Mayer-Maly, 3. Aufl., § 140 Rdz. 7, 8).

Maßgeblicher Ansatzpunkt der fraglichen Umdeutung ist die Erklärung des Arbeitgebers. Sie ist daraufhin zu überprüfen, ob ihr der hypothetische Wille entnommen werden kann, sich für den Fall des Scheiterns der an sich gewollten betriebsverfassungsrechtlichen Regelung vertraglich den begünstigten Arbeitnehmern gegenüber zu binden. Ist dies zu bejahen, kann die Erklärung unter Umständen in ein entsprechend gebündeltes Angebot umgedeutet werden, dessen Annahme regelmäßig einer besonderen Erklärung der Arbeitnehmer nicht bedarf (§ 151 BGB). Angesichts des "Parteienwechsels" und der unterschiedlichen Wirkungsebenen kann allerdings ein derartiger hypothetischer Wille des Arbeitgebers nur ausnahmsweise angenommen werden. Insbesondere darf ein umgedeutetes Rechtsgeschäft in seinen Rechtswirkungen grundsätzlich nicht weitergehen als das ursprünglich Gewollte (Münchener Kommentar Mayer/Maly, a.a.O., § 140 Rdz. 14). Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Betriebsvereinbarung durch ordentliche Kündigung, die keiner Begründung bedarf, beendet werden oder durch eine neue Betriebsvereinbarung abgelöst werden kann, während dies bei arbeitsvertraglichen Regelungen grundsätzlich nur dann möglich ist, wenn entweder Änderungskündigungen der Arbeitsverhältnisse Erfolg haben oder entsprechende Abänderungsverträge mit allen Arbeitnehmern zustande kommen. Dies schließt jedoch eine Umdeutung nicht völlig aus, sondern fordert nur wiederum eine strenge Prüfung, ob ein entsprechend weitgehender Verpflichtungswille des Arbeitgebers angenommen werden kann. Dies wird jedenfalls bei solchen Betriebsvereinbarungen in Betracht kommen, die ohnehin nicht ordentlich kündbar sind oder deren Regelungsgegenstand sich in einer einmaligen Leistung erschöpft (vgl. BAG Urteil vom 24.01.1996 a.a.O. m.w.N.).

bb) Zu beachten ist weiter, dass die Umdeutung typischerweise Fallgestaltungen voraussetzt, in denen die Beteiligten die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts nicht kennen. Kennt der Arbeitgeber die Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung und erbringt trotzdem die darin geregelten Leistungen, wird in der Regel eine einzelvertragliche Verpflichtung angenommen werden müssen (vgl. BAG Urteil vom 24.01.1996 a.a.O.).

b) Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts, denen die erkennende Kammer sich anschließt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die unwirksame Vereinbarung vom 27.01.1972, wie sie in der Niederschrift vom 31.01.1972 zu Ziffer 1 festgehalten worden ist, im Wege der Umdeutung in eine vertragliche Einheitsregelung (Gesamtzusage) Inhalt des Arbeitsvertrages des Klägers geworden ist.

aa) Zwar kommt eine Umdeutung der Vereinbarung grundsätzlich in Betracht. Denn die Beteiligten haben die Unwirksamkeit dieser Vereinbarung offenbar zunächst nicht gekannt. Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe erst im Verlaufe des Jahres 2002 nach rechtlicher Überprüfung durch ihre Prozessbevollmächtigten erfahren, dass die genannte Vereinbarung wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam ist. Diesem Vorbringen ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Konkrete Tatsachen, aus denen die erkennende Kammer hätte schließen können, der Beklagten sei bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Unwirksamkeit der Vereinbarung vom 27.01.1972 bekannt gewesen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

bb) Ist eine Umdeutung der Vereinbarung vom 27.01.1972 danach zwar nicht ausgeschlossen, so kann sie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im vorliegenden Fall dennoch nicht in Betracht kommen. Besondere Umstände, die eine Annahme rechtfertigen, die Beklagte habe sich auf jeden Fall verpflichten wollen, ihren Arbeitnehmern die in der unwirksamen Vereinbarung vom 27.01.1972 vorgesehenen Leistungen zukommen zu lassen, sind nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht ersichtlich.

(1) Der Umstand allein, dass die Beklagte die genannte Vereinbarung abgeschlossen und die dort vorgesehenen Leistungen langjährig erbracht hat, lässt keinen Schluss darauf zu, dass sie sich unabhängig von der Wirksamkeit dieser Vereinbarung ihren Arbeitnehmern gegenüber binden wollte. Wie bereits ausgeführt wurde, ist davon auszugehen, dass der Beklagten die Unwirksamkeit der genannten Vereinbarung jedenfalls bis zum Jahre 2002 nicht bekannt war. Erbringt die Beklagte vor diesem Hintergrund die in der Vereinbarung vom 27.01.1972 vorgesehenen Leistungen, so folgt hieraus für sich gesehen nur, dass sie dem Betriebsrat gegenüber die mit Abschluss der Vereinbarung vom 27.01.1972 eingegangenen Verpflichtungen erfüllen wollte. Weitergehende Annahmen lässt dieses tatsächliche Verhalten der Beklagten zunächst nicht zu.

(2) Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass die Beklagte nach Kenntnis der Unwirksamkeit der Vereinbarung durch Informationen ihrer Prozessbevollmächtigten im Jahre 2002 die Zahlung der Jahressonderleistung noch im selben Jahre gekürzt hat. Hätte die Beklagte trotz Kenntnis der Nichtigkeit der Vereinbarung die Zahlung unverändert fortgesetzt, so hätte die Annahme des hypothetischen Willens der Beklagten nahegelegen, sie habe sich für den Fall der Unwirksamkeit der an sich gewollten betriebsverfassungsrechtlichen Regelung vertraglich den begünstigten Arbeitnehmern gegenüber binden wollen. Tatsächliche Anhaltspunkte hierfür sind aber nicht erkennbar.

4. Zutreffend hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass der Kläger die Beklagte auch nicht im Hinblick auf eine betriebliche Übung auf Zahlung der streitgegenständlichen Leistung in Anspruch nehmen kann. Die erkennende Kammer folgt auch insoweit der angefochtenen Entscheidung und sieht gemäß § 69 Abs.2 von der Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Das zweitinstanzliche Vorbringen des Klägers gibt lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen:

Vollzieht ein Arbeitgeber eine unwirksame Betriebsvereinbarung, indem er Leistungen gewährt, die in der Vereinbarung vorgesehen sind, so bringt er damit lediglich zum Ausdruck, dass er in Ausführung der getroffenen Betriebsvereinbarung handelt, nicht aber, dass er sich darüber hinaus den einzelnen Arbeitnehmern gegenüber einzelvertraglich verpflichten will. Die Begründung einzelvertraglicher Ansprüche durch dieses tatsächliche Verhalten des Arbeitgebers kann nur dann in Betracht kommen, wenn er in Kenntnis der Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung diese weiter anwendet und damit zum Ausdruck bringt, dass er die in der unwirksamen Regelung "begründeten" Ansprüche der Arbeitnehmer anerkennt und erfüllen will (vgl. BAG, Urteil vom 13.08.1980, AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972). Wie oben ausgeführt wurde, konnte die erkennende Kammer hiervon nicht ausgehen.

5. Auch das tatsächliche Vorbringen des Klägers im Zusammenhang mit dem Einstellungsgespräch, das er mit dem Zeugen B4xxxx geführt hat, kann der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Der Hinweis des Klägers, der Zeuge B4xxxx habe ihm über Fragen nach Tarifbindung und Weihnachtsgeld Auskunft erteilt, lässt keinen Schluss darauf zu, dass über die vermeintlichen Bindungen an die genannten Tarifverträge entsprechend der Niederschrift vom 31.01.1972 hinaus arbeitsvertragliche Ansprüche des Klägers auf Zahlung einer Jahressonderleistung begründet worden sind.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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