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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 10.08.2006
Aktenzeichen: 15 Sa 270/06
Rechtsgebiete: KSchG, BetrVG


Vorschriften:

KSchG § 1
BetrVG § 102
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 19.01.2006 - 2 Ca 2933/05 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Änderungskündigung.

Der am 23.10.1955 geborene Klägers steht seit 1993 bei der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis. Zuletzt war er als Abteilungsleiter für Glas- und Sonderreinigungsarbeiten tätig. Er erhielt hierfür eine Vergütung in Höhe von 2.921,24 € brutto bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37 Stunden. Daneben erhielt er eine Prämie sowie eine Tantieme. Wegen der Einzelheiten der Stellenbeschreibung des Klägers wird auf Bl. 24 d.A. Bezug genommen.

Die Aufgabe des Leiters der Abteilung Glas- und Sonderreinigung beinhaltet u.a. schwerpunktmäßig die Kunden-, Personal- und Objektbetreuung nach den Zielvorgaben der zuständigen Betriebsleitung. Hierzu gehört nicht nur die Abstimmung von Reinigungsterminen mit den Kunden und die Kontrolle der Reinigungsqualität, sondern auch der Personaleinsatz. Hierbei hatte der Kläger dafür Sorge zu tragen, dass in allen Reinigungsobjekten ausreichend Reinigungspersonal tätig wird. Daneben hatte er die wirtschaftliche Verantwortung, die Budgetvorgaben einzuhalten.

Im Gebäudereinigungsunternehmen der Beklagten sind mehrere hundert Arbeitnehmer tätig.

Bei ihr ist im Februar/März 2006 ein Betriebsrat gewählt worden.

Am 29.08.2005 wurde dem Kläger ein sogenannter Änderungsanstellungsvertrag datierend vom 26.08.2005 vorgelegt. Danach sollte der Kläger ab dem 01.11.2005 als Vorarbeiter/Schichtleiter für den Bereich Glas zu einer Monatsvergütung von 2.600,00 € brutto in einer 39-Stunden-Woche tätig werden. Der Kläger erbat sich zu diesem Änderungsvertrag eine Bedenkzeit. Am 31.08.2005 erhielt er einen Anruf der Beklagten, er solle noch vor Feierabend im Büro erscheinen. Dort wurde ihm am 31.08.2005 eine Änderungskündigung mit Datum vom 29.08.2005 zum 31.12.2005 übergeben, die folgenden Inhalt hat:

"Änderungskündigung

Sehr geehrter Herr F1xxxx,

hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis, fristgerecht zum 31.12.2005.

Wir bieten Ihnen im Anschluss daran, ab 01.01.2006, einen Änderungs-Arbeitsvertrag als Vorarbeiter/Schichtleiter im Bereich Glas mit einem Monatsgehalt von Euro 2.600,00 bei einer 39 Stunden/Woche an."

Mit Schreiben vom 07.09.2005 ließ der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigten der Beklagten mitteilen, er nehme das Angebot unter Vorbehalt an. Mit vorliegender Klage, die am 08.09.2005 am Arbeitsgericht Herne einging, macht der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der Änderungskündigung geltend.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 29.08.2005 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Änderungskündigung sei aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Der Kläger habe seine diversen arbeitsvertraglichen Pflichten schon ab Beginn seiner Tätigkeit als Abteilungsleiter für den Bereich Glasreinigung verletzt. Die Verfehlungen seien jedoch der Geschäftsleitung nicht bekannt geworden, da sie vom damaligen technischen Leiter, dem Zeugen W6xxx, aufgefangen worden seien. Mit Ausscheiden des Zeugen W6xxx aus Altersgründen seien die Defizite des Klägers schlagartig offenkundig geworden. Im Frühjahr/Sommer 2005 hätten die Schwierigkeiten überhand genommen. Massive Reklamationen seien vom Kunden "Krankenhaus der Vestischen Caritasklinik GmbH" gekommen. Zu nicht mehr genau feststellbaren Zeiten im Mai/Juni 2005 sei mehrfach gerügt worden, dass die Betreuung der Glasreinigung durch den Kläger im höchsten Maße zu wünschen übrig lasse. Da der Kläger trotz der dahingehenden Verpflichtungen die Qualität der Reinigungsleistung nicht kontrolliere, seien massive Reinigungsmängel aufgetreten. Die Fenster hätten zum größten Teil ungeputzt gewirkt. Ein solches Fehlverhalten des Klägers sei des öfteren aufgetreten.

Darüber hinaus seien von diesem Kunden massive Beschwerden darüber geführt worden, dass der Kläger notwendige Besprechungen mit der zuständigen Mitarbeiterin nicht eingehalten habe. Die Mitarbeiterin habe sich bei dem Zeugen P3xxxxx darüber beschwert, dass bereits der siebte Termin geplatzt sei und man wenig Hoffnung habe, dass mit dem Kläger eine vernünftige Zusammenarbeit möglich sei.

Daraufhin sei der Kläger zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt Mitte/Ende Frühjahr 2005 zu einem Gespräch mit den Zeugen R3xxxx, P3xxxxx und V2xxx gebeten worden. Im Rahmen dieser Besprechung sei darauf hingewiesen worden, dass sich seine Arbeitsleistung deutlich bessern müsse, insbesondere könne nicht hingenommen werden, dass er durch sein unzuverlässiges und nachlässiges Verhalten Kunden verärgere. Für den Fall, dass er die Kontrolle der Reinigungsleistungen nicht ernster nehme und vereinbarte Termine nicht einhalte, seien ihm Konsequenzen angedroht und explizit die Möglichkeit einer Änderungskündigung angesprochen worden.

Trotz dieser Abmahnung habe der Kläger sein Fehlverhalten fortgesetzt. So sei u.a. beim Kunden "Kassenärztliche Vereinigung" in Dortmund unangemeldet eine Glasreinigung durchgeführt worden, was zur Reklamation durch den Kunden wegen Betriebsablaufstörungen geführt habe. Daraufhin sei der Kläger vom Zeugen V2xxx im Beisein der Zeugen P3xxxxx und R3xxxx zur Rede gestellt bzw. abgemahnt worden.

Auch dieses Gespräch habe nicht die gewünschte Wirkung gezeigt. In der Folgezeit seien Reklamationen auch durch andere Kunden aufgetreten. So hätten die Firmen IVA und RRK Wellpappenfabrik moniert, dass der Kläger nicht dafür Sorge getragen habe, die Glasreinigung zu den vereinbarten Terminen auszuführen. In der Folgezeit seien dann erneut Gespräche mit dem Kläger geführt worden, in denen nachdrücklich darauf hingewiesen worden sei, sein Verhalten müsse sich ändern, da man sonst keine andere Chance habe, als eine Änderungskündigung verbunden mit dem Angebot, als Vorarbeiter tätig zu werden, auszusprechen.

Die zahlreichen Besprechungen mit dem Kläger hätten jedoch keine Wirkung gezeigt. Die Qualität der Arbeitsleistung habe sich nicht verändert. Er habe die Reinigungsleistung der Glasreiniger nach wie vor nicht zuverlässig kontrolliert und vereinbarte Termine nicht eingehalten. Deshalb habe sie, die Beklagte, keine andere Möglichkeit gesehen, als die mehrfach angedrohte Änderungskündigung auszusprechen.

Demgegenüber hat der Kläger vorgetragen, die Behauptung der Beklagten, der Zeuge W6xxx habe die Hand über ihn gehalten, werde zurückgewiesen. Diese Behauptung entbehre jeder Grundlage wie auch der Vorwurf, er habe die Glasreinigung am Objekt "Krankenhäuser der Vestischen Caritas-Kliniken GmbH" nicht ausreichend betreut. Er, der Kläger, habe im Rahmen seiner Tätigkeit rund 800 Objekte, verteilt über das ganze Bundesgebiet, parallel zu betreuen. Insoweit könne nicht ernsthaft verlangt werden, dass er im Rahmen seiner Betreuungspflicht über Stichproben hinausgehend seine permanente Anwesenheit an den jeweiligen Objekten sicherzustellen habe. Er, der Kläger, habe sich insoweit auch auf seine Vorarbeiter bzw. den "betrieblichen Unterbau" verlassen müssen. Soweit die Beklagte Leistungsmängel geltend mache, seien die Vorwürfe der Beklagten unberechtigt.

Durch Urteil vom 19.01.2006 hat das Arbeitsgericht der Klage antragsgemäß stattgegeben. Gegen dieses Urteil, das der Beklagten am 13.02.2006 zugestellt worden ist, richtet sich die Berufung der Beklagten, die am 15.02.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15.05.2006 - am 15.05.2006 begründet worden ist.

Die Beklagte vertritt weiter die Auffassung, die Änderungskündigung vom 29.08.2005 sei als rechtswirksam anzusehen. Zur Begründung trägt sie vor, der Kläger habe zahlreiche Pflichtverletzungen begangen. So habe der Kunde Ruhr-Lippe-Wohnungsgesellschaft mbH am 16.06.2005 reklamiert, dass die Glasaußenreinigung am Objekt V3 485/486 in hohem Maße mangelhaft ausgeführt worden sei. Der Kläger habe es nicht nur verabsäumt, die Reinigungsleistung zu kontrollieren, sondern habe auch nicht ausreichend Reinigungspersonal eingesetzt. Zudem sei er den Reklamationen des Kunden nicht nachgekommen. Massive Reklamationen seien auch vom Kunden "Krankenhäuser der Vestischen Caritas-Kliniken GmbH" gekommen. Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt Mitte/Ende Mai/Anfang Juni 2005 sei mehrfach gerügt worden, dass die Betreuung der Glasreinigung durch den Kläger im höchsten Maße zu wünschen übrig lasse. Darüber hinaus seien von diesem Kunden massive Beschwerden darüber gekommen, dass der Kläger notwendige Besprechungen mit der zuständigen Mitarbeiterin nicht eingehalten habe. Soweit der Kläger die Verantwortung auf "seine Vorarbeiter bzw. seinen betrieblichen Unterbau" abzuwälzen versuche, müsse er sich die Mühe machen, im Detail darzulegen, welchem Vorarbeiter bzw. welcher Reinigungskraft ein Fehler unterlaufen sein solle. Zudem gehöre es zum Pflichtenkreis des Klägers, die Mitarbeiter so zu überwachen, dass Fehler dieser Art nicht auftreten. Zu keinem Zeitpunkt sei behauptet worden, dass der Kläger permanent an jedem Objekt abwesend zu sein habe. Jedoch sei er verpflichtet, durch die ihm obliegende Organisation sicherzustellen, dass Reinigungsausfälle nicht erfolgten.

Der Kläger habe seine arbeitsvertraglichen Pflichten auch noch in zahlreichen anderen Objekten verletzt. Sie, die Beklagte, bestreite, dass der Kläger bundesweit 800 Objekte zu betreuen habe. So habe der Kunde Ruhr-Lippe Wohnungsgesellschaft mbH am 10.05.2005 moniert, dass insbesondere die Glasreinigung für das Gemeinschaftshaus im Objekt VE 530 Weststraße 66 a bis 66 c in Bochum nicht ausgeführt worden sei. Von dieser Reklamation sei der Kläger durch die Zeugen P3xxxxx und R3xxxx in Kenntnis gesetzt und aufgefordert worden, die nötigen Schritte zu veranlassen. Dieser Aufforderung habe der Kläger nicht Folge geleistet. Daraufhin sei vom Kunden Ruhr-Lippe Wohnungsgesellschaft mbH eine weitere massive Reklamation erfolgt. Da die Glasreinigung nach wie vor nicht ausgeführt worden sei, habe der Kunde neben einer schriftlichen Stellungnahme eine Gutschrift über den gezahlten Reinigungspreis in Höhe von 833,08 € verlangt. Diesen Vorfall habe sie, die Beklagte, zum Anlass genommen, den Kläger zu einem Gespräch mit den Zeugen R3xxxx, P3xxxxx und V2xxx noch in der 23. Kalenderwoche, soweit erinnerlich am 08. oder 07.06.2005, zu bitten. Er sei im Rahmen dieser Besprechung darauf hingewiesen worden, dass sich seine Arbeitsleistung deutlich bessern müsse, insbesondere nicht hingenommen werden könne, dass er durch sein unzuverlässiges und nachlässiges Verhalten Kunden verärgere. Explizit sei sein Fehlverhalten im Zusammenhang mit den Vestischen Caritaskliniken und der Ruhr-Lippe Wohnungsgesellschaft mbH angesprochen worden. Ihm sei deutlich gemacht worden, dass für den Fall, dass er die Kontrolle der Reinigungsleistung nicht ernster nehme, vereinbarte Termine nach wie vor nicht einhalte, Konsequenzen drohten. Insbesondere sei die Möglichkeit einer Änderungskündigung angesprochen worden.

Die Warnfunktion der ausgesprochenen Abmahnung habe nicht die gewünschte Wirkung gezeigt. Der Kläger habe sein Fehlverhalten fortgesetzt. So sei u.a. beim Kunden "Kassenärztliche Vereinigung" Dortmund unangemeldet die Glasreinigung Anfang Juli 2005 durchgeführt worden. Dies habe zu Reklamationen durch den Kunden geführt, da hierdurch Störungen im Betriebsablauf aufgetreten seien. Der Kläger sei daraufhin vom Zeugen V2xxx zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt Anfang Juli 2005 zur Rede gestellt bzw. abgemahnt worden.

Auch dieses Gespräch habe nicht die gewünschte Wirkung gezeigt. In der Folgezeit, nämlich Mitte Juli 2005, seien Reklamationen auch durch andere Kunden aufgetreten. So sei von den Firmen IVA und RRK Wellpappenfabrik moniert worden, dass der Kläger nicht dafür Sorge getragen habe, dass die Glasreinigung zu den vereinbarten Terminen ausgeführt werde. In der Folgezeit seien erneut Gespräche mit dem Kläger geführt worden; hierbei sei er nachdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass sich sein Verhalten ändern müsse, da man sonst keine andere Chance habe, als eine Änderungskündigung verbunden mit dem Angebot, als Vorarbeiter tätig zu sein, auszusprechen.

Die zahlreichen Besprechungen mit dem Kläger hätten jedoch keine Wirkung gezeigt. Die Qualität der Arbeitsleistung habe sich nicht geändert. Er habe nach wie vor die Reinigungsleistung der Glasreiniger nicht zuverlässig kontrolliert und vereinbarte Termine nicht eingehalten, so dass es zu massiven weiteren Reklamationen gekommen sei. Der Kläger habe u.a. für den Kunden Ruhr-Lippe Immobilien Dienstleistungsgesellschaft mbH das Objekt V3 502 Marktstraße 21, 33 und 34 in H3xxx betreut. Dort seien die Reinigungskosten in Rechnung gestellt, jedoch in allen drei Objekten weder die Laubengänge innen und außen noch die Glastreppenhäuser gereinigt worden. Dies habe der Kunde schriftlich am 25.07.2005 moniert und gleichzeitig gebeten, für weitere drei Objekte, nämlich die Gebäude Marktstraße 22, 31 und 34 ein Angebot für die Reinigung der drei kleinen Glasdächer der Punkthäuser zu unterbreiten. Der Kläger sei durch den Zeugen P3xxxxx unverzüglich aufgefordert worden, die verzögerte Reinigung der Laubengänge und Glastreppenhäuser durchzuführen. Darüber hinaus sei er aufgefordert worden, das Angebot für die Reinigung der drei kleinen Glasdächer der Punkthäuser in der Marktstraße 22, 31 und 34 in H3xxx zu erstellen. Mit E-Mail vom 18.07.2005 habe der Kunde während des Urlaubs des Klägers in der Zeit vom 07. bis 27.08.2005 mitgeteilt, entgegen der Ankündigung vom 25.07.2005 seien weder die Laubengänge noch die Glasdächer in den Objekten Marktstraße 21, 33 und 36 gereinigt worden noch liege das Angebot für die Punkthäuser in den Gebäuden Marktstraße 22, 31 und 34 vor.

Ebenfalls am 17.08.2005 habe sie, die Beklagte, eine weitere Reklamation des Kunden Ruhr-Lippe Immobilien-Dienstleistungsgesellschaft mbH erreicht. Im Objekt V3 434 Bergstraße 267 in Bochum seien die Reinigungskosten zwar in Rechnung gestellt worden, die Kellerfenster jedoch nicht auftragsgemäß alle drei Monate gereinigt worden. Auch hätten Mieter des Objekts reklamiert, dass die Fenster der Wohnungen nicht vertragsgemäß monatlich einmal geputzt worden seien.

Sie, die Beklagte, sei der Auffassung, es gehöre zum Pflichtenkreis des Klägers, für die ordnungsgemäße Durchführung der Reinigungsarbeiten Sorge zu tragen. Die Nichtausführung der erforderlichen Arbeiten lasse ganz erhebliche Organisationsmängel beim Kläger erkennen. Anlässlich der letzten beiden massiven Reklamationen habe sie keine andere Möglichkeit gesehen, als die mehrfach angedrohte Änderungskündigung auszusprechen. Die Kündigung sei auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten als wirksam anzusehen. Zu Gunsten des Klägers sei berücksichtigt worden, dass er als Glasreiniger nie Anlass zu Beanstandungen gegeben und über fachliche Qualifikation verfügt habe. Aus diesem Grunde sei im Hinblick auf das ultima-ratio-Prinzip als milderes Mittel eine Änderungskündigung ausgesprochen worden. Dies sei auch unter Beachtung der längeren Beschäftigungsdauer des Klägers rechtlich nicht zu beanstanden. Da nicht nur Kundenverlust gedroht habe, sondern in den genannten Fällen durch die zu erteilenden Gutschriften ein erheblicher finanzieller Nachteil entstanden sei, habe eine arbeitsrechtliche Sanktion erfolgen müssen.

Soweit der Kläger unterschwellig mit dem Hinweis auf die angeblich hohe Zahl der von ihm zu betreuenden Kunden zum Ausdruck bringen wolle, die Reklamationen würden nicht ins Gewicht fallen, weise sie, die Beklagte darauf hin, dass es weitere Reklamationen in erheblichem Umfang gegeben habe. So habe ein Mitarbeiter eines Kunden, des Arbeitsamtes Freising, im Juli 2005 mehrfach reklamiert, dass in der Zweigstelle in E1xxxx nach wie vor die Glasreinigungen nicht ausreichend ausgeführt worden seien. Der Kläger sei daraufhin noch am 27.07.2005 vom Zeugen P3xxxxx abgemahnt worden.

Weitere Reklamationen habe es mit Schreiben vom 13.12.2004 durch die augenärztliche Gemeinschaftspraxis in Recklinghausen, mit Schreiben vom 27.01.2005 von der Hausverwaltung Schmidt GmbH und mit E-Mail vom 13.04.2005 durch den Kunden WAZ Witten gegeben.

Letztlich könne dahinstehen, in welchem Umfang der Kläger gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen habe und wie oft er diesbezüglich vor Kündigungsausspruch abgemahnt worden sei. Ihr, der Beklagten, seien zwischenzeitlich Umstände bekannt geworden, die zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches vorgelegen und ohne weiteres den Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Beendigungskündigung gerechtfertigt hätten. Vom Hauptzollamt Dortmund sei im Frühjahr 2006 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Hintergrund sei gewesen, dass bei einer vom Arbeitsamt Recklinghausen am 10.07.2002 durchgeführten Außenprüfung auf einem Bauvorhaben erste Verdachtsmomente entstanden seien, dass Mitarbeiter ihres Unternehmens in illegale Arbeitnehmerüberlassung nebst Folgedelikten involviert sein könnten. Sie, die Beklagte, habe vor ihrer Übernahme durch die Nils Bogdol Unternehmensgruppe des öfteren mit einem Subunternehmer, einer Einzelfirma Thommaikutty zusammengearbeitet. Die Firma Thommaikutty sei bei verschiedenen Objekten eingesetzt worden, so u.a. bei der Firma van Clewe. Die Ermittlungen des Hauptzollamtes hätten ergeben, dass über diesen vertraglichen Einsatz hinaus u.a. vom Kläger in Eigenverantwortung für von ihm betreute weitere Objekte von der Firma Thommaikutty Arbeitnehmer als Aushilfskräfte im Krankheitsfalle bzw. bei Sonderreinigungen und Ähnlichem angefordert worden seien. Einen ersten zusammenfassenden schriftlichen Vermerk des Hauptzollamtes, aus dem die eben genannte Aspekte ansatzweise hervorgegangen seien, habe sie Mitte Mai 2006 erhalten. Sie habe daraufhin umfangreiche Recherchen angestellt und dadurch in Erfahrung gebracht, dass der Kläger zu nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten im Jahre 2001 in seiner Funktion als Objektleiter bei der Firma Libreco in Essen zur Durchführung der Reinigungs- und Desinfektionsarbeiten bei der Firma Thommaikutty Arbeitnehmer ausgeliehen habe. Die Arbeiten im Objekt Libreco seien direkt von ihr, der Beklagten, ausgeführt worden und nicht an einem Subunternehmer vergeben gewesen. Es habe sich dabei um die Arbeitnehmer G3xxxxxxx und W5xxxxx gehandelt. Diese Arbeitnehmer seien vom Kläger als Aushilfskräfte eingesetzt worden. Darüber hinaus sei alle drei Monate eine Grundreinigung gemeinsam mit diesen beiden Arbeitnehmern sowie mit ihren eigenen Arbeitnehmern durchgeführt worden. Der Kläger habe die beiden Arbeitnehmer von der Firma Thommaikutty angefordert, obwohl ihm bestens bekannt gewesen sei, dass das Unternehmen nicht über eine Erlaubnis zum Verleih von Arbeitnehmern verfügt habe.

Beim Objekt Rheinzink in Datteln habe der Kläger ebenfalls ab dem Jahre 2001 als Urlaubsvertretung den Arbeitnehmer G3xxxxxxx zur Reinigung der Waschkaue angefordert. Gespräche mit der Objektleiterin S4xxxxxx hätten ergeben, dass vor allem auch der Kläger des öfteren bei Engpässen oder Urlaubsvertretungen Mitarbeiter der Firma Thommaikutty angefordert habe. Der Kläger habe zumindest wissen müssen, dass die Firma Thommaikutty keine Sozialabgaben abgeführt habe. Vor diesem Hintergrund sei festzuhalten, dass sie, die Beklagte, berechtigt gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu beenden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 19.01.2006 - 2 Ca 2933/05 -

aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und trägt vor:

Die Beklagte habe erstinstanzlich die Kündigungsgründe nicht substantiiert dargelegt. Mit dem Vortrag zweiter Instanz sei die Beklagte vollumfänglich präkludiert. Er, der Kläger, nehme ausschließlich hilfsweise und höchst vorsorglich zum Beklagtenvortrag Stellung. Die Behauptung, wonach er seine arbeitsvertraglichen Pflichten ab Beginn seiner Tätigkeit als Abteilungsleiter verletzt habe, werde schärfstens zurückgewiesen. Falsch sei, dass der damalige technische Leiter der Beklagten, der Zeuge W6xxx, die von der Beklagten behaupteten Verfehlungen gedeckt habe.

Der Vortrag der Beklagten, wonach am 16.06.2004 durch den Kunden Ruhr-Lippe Wohnungsgesellschaft die Glasaußenreinigung als mangelhaft gerügt worden sei, werde mit Nichtwissen bestritten. Im Übrigen sei anzumerken, dass er, der Kläger, rd. 600 Kunden parallel betreue, wobei er im Rahmen der Hierarchie als Objektleiter bzw. weiterer Abteilungsleiter nicht täglich die Reinigungsqualität prüfen könne. Andernfalls müsse er täglich 24 Stunden lang von Baustelle zu Baustelle reisen. Vereinbart sei, dass er lediglich Stichproben selbst nehme und im Übrigen die Vorarbeiter für die Qualitätskontrolle vor Ort zuständig seien.

Der weitere Vortrag der Beklagten zu den Vestischen Caritaskliniken GmbH werde als unsubstantiiert bestritten und zurückgewiesen. Auch der Vortrag, dass er Termine nicht eingehalten habe, sei unsubstantiiert.

Hinsichtlich der Reklamation vom 10.05.2005 des Kunden Ruhr-Lippe Wohnungsbau sei anzumerken, dass die Arbeiten seinerzeit durch einen Subunternehmer ausgeführt worden seien. Nach erfolgter Reklamation habe er veranlasst, dass die Nacharbeiten durchgeführt wurden. Er, der Kläger, habe insoweit alles veranlasst, was zur Beseitigung der Reklamationen erforderlich gewesen sei. Die ursprünglichen Arbeiten vor der Reklamation seien durch den Kunden abgezeichnet worden, so dass er auch nicht habe misstrauisch werden müssen. Darüber hinaus gehende Reklamationen der Firma Ruhr-Lippe Wohnungsgesellschaft seien ihm nicht bekannt.

Der Vortrag der Beklagten zum Objekt Kassenärztliche Vereinigung Dortmund sowie zu den Firmen IVA und RRK Wellpappenfabrik werde ebenfalls bestritten.

Soweit die Arbeiten am Objekt Marktstraße 28 bis 36 in Frage stünden, seien diese Arbeiten durch Subunternehmer durchgeführt worden. Die Kunden hätten die Arbeiten vor Ort durch Hausmeister abzeichnen lassen. Weitere Kontrollmöglichkeiten habe er, der Kläger, zunächst nicht gehabt. Als ihm die Reklamationen mitgeteilt worden seien, habe er den Zeugen Ö1xxx beauftragt, die Arbeiten durchzuführen. Die Arbeiten seien im Weiteren auch erledigt worden, so dass weitere Reklamationen nicht erfolgt seien.

Der Vortrag der Beklagten zum Objekt Bergstraße 267 werde mit Nichtwissen bestritten. Auch der übrige Vortrag der Beklagten zu den vermeintlich mangelhaften Arbeitsleistungen sei in Gänze unsubstantiiert.

Nach alledem habe die Beklagte keinen Grund zum Ausspruch der Änderungskündigung gehabt. Er, der Kläger, verweise nochmals darauf, dass er rd. 600 Objekte im gesamten Bundesgebiet zu betreuen habe. Nicht ersichtlich sei, wie ein Arbeitnehmer bei einer 40-Stunden-Woche die Arbeiten permanent hinsichtlich der Qualität überprüfen könne. Soweit die Reklamationen des Arbeitsamts Freising in Frage stünden, werde der Vortrag der Beklagten bestritten. Bei den Beanstandungen beim Objekt Augenärztliche Gemeinschaftspraxis in Recklinghausen sei zu beachten, dass er, der Kläger, seit Oktober 2004 ausschließlich als Abteilungsleiter für Maschinenreinigung eingesetzt worden sei. Mit dem Bereich Glasreinigung habe er als Abteilungsleiter damals nichts zu tun gehabt. Zur Reklamation des Kunden WAZ Witten müsse er anmerken, dass die Mängelrüge ihm, dem Kläger, nicht bekannt sei. Die weiteren Vorwürfe der Beklagten hinsichtlich der Verstöße gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz seien für das vorliegende Verfahren uninteressant.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Der Sache nach ist die Berufung erfolglos. Denn die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Kündigung vom 29.08.2005 ist sozial ungerechtfertigt.

1. Soweit die Beklagte geltend gemacht, der Kläger habe im Anschluss an zahlreiche Gespräche und Abmahnungen, zuletzt Mitte/Ende Juli 2005, weiterhin eine mangelhafte Arbeitsleistung erbracht, so dass es zu zwei weiteren Reklamationen von Kunden gekommen sei, konnte die erkennende Kammer sich nicht davon überzeugen, dass die Kündigung durch Gründe, die im Verhalten des Klägers liegen, bedingt ist.

a) Soweit die von der Beklagten geltend gemachten Leistungsmängel des Klägers bis Mitte/Ende Juli 2005 in Frage stehen, kann hierauf allein keine verhaltensbedingte Kündigung gestützt werden. Denn die Beklagte hat nach ihrem eigenen Sachvortrag dem Kläger wegen dieser Vorfälle jeweils Abmahnungen erteilt. Durch Ausspruch einer Abmahnung verzichtet der Arbeitgeber konkludent auf ein Kündigungsrecht wegen der Gründe, die Gegenstand der Abmahnung waren (vgl. KR-Fischermeier, 7. Aufl., § 626 BGB Rdn. 280 m.w.N.). Die abgemahnten Vorfälle können lediglich unterstützend herangezogen werden, wenn im Anschluss an die letzte Abmahnung kündigungsrechtlich erhebliche Umstände eintreten oder dem Arbeitgeber nachträglich bekannt werden (vgl. BAG, EzA § 611 BGB Abmahnung Nr. 18).

b) Die Kundenbeschwerden, die der Beklagten nach Ausspruch der letzten Abmahnung Mitte/Ende Juli 2005 bekannt geworden sind, rechtfertigen die streitbefangene Änderungskündigung nicht. Für die erkennende Kammer war nicht ersichtlich, inwieweit der Kläger im Hinblick auf die Beschwerden des Kunden Ruhr-Lippe Immobiliendienstleistungsgesellschaft mbH vom 25.07.2005 betreffend das Objekt Marktstraße 28, 32 und 36 und die Beschwerde vom 17.08.2005 betreffend das Objekt Bergstraße 267 in Bochum Vertragspflichtverletzungen vorgeworden werden können.

aa) Die Tatsache allein, dass bei diesen Objekten Reinigungsarbeiten nicht oder nicht ordnungsgemäß erledigt worden sind, stellt keine Vertragspflichtverletzung des Klägers dar. Der Kläger ist nicht als Reinigungskraft tätig, so dass ihm die mangelhafte oder unterbliebene Durchführung von Reinigungsarbeiten nicht vorgeworfen werden kann. Der Kläger ist vielmehr als Leiter der Abteilung Glas- und Sonderreinigung für die Beklagte tätig. Nach der Stellenbeschreibung vom 08.03.2003 ist sein Aufgabengebiet wie folgt beschrieben: Führung der Abteilung Glas- und Sonderreinigung mit den Schwerpunkten der Kunden-/Personal- und Objektbetreuung nach den Zielvorgaben der/des zuständigen Betriebsleitung. In der Stellenbeschreibung sind weiterhin folgende Teilaufgaben genannt, die der Kläger zu erledigen hatte:

- die unterstellten Mitarbeiter motivieren, fördern und entwickeln

- weitestgehende Delegation von Aufgaben an die unterstellten und dafür befähigten Mitarbeiter

- Planung, Zielsetzung, Kontrolle und Organisation der unterstellten Mitarbeiter durchführen und diese Maßnahmen/Tätigkeiten bei diesen herbeiführen und fördern

- die Optimierung bestehender Dienstleistungsprozesse im Bereich der Glas- und Sonderreinigung nach den Zielvorgaben der/des zuständigen Betriebsleiter/in und die teilweise/ganzzeitliche Einführung/Überwachung neuer/geänderter Dienstleistungsprozesse nach den Zielvorgaben der/des zuständigen Betriebsleiter/in

- Betreuung, Beratung von Kunden und Interessenten nach den Zielvorgaben der/des zuständigen Betriebsleiter/in

- Ausbau der bisherigen Kundenbeziehungen sowie Bearbeitung von Kundenwünschen bzgl. Sonderarbeiten und Grundreinigungen.

Angesichts dieser Pflichten des Klägers hätte die Beklagte - insbesondere unter Berücksichtigung der weitestgehenden Delegation von Aufgaben an die Mitarbeiter - substantiiert und unter Beweisantritt darlegen müssen, welche Leitungsaufgaben ihm im Zusammenhang mit den Beanstandungen der Ruhr-Lippe Wohnungsgesellschaft mbH vom 25.07.2005 bzw. 17.08.2005 zur Last zu legen sind. Ausweislich des von der Beklagten vorgelegten Schriftverkehrs hinsichtlich der Beanstandung vom 25.07.2005 ist der Firma Ruhr-Lippe Wohnungsgesellschaft mbH zugesagt worden, dass die unterbliebenen Reinigungsarbeiten an den Laubengängen sowie den Glastreppenhäusern am 02.08.2005 nachgeholt werden sollten. Wie sich dem E-Mailschreiben der Firma Ruhr-Lippe Wohnungsgesellschaft mbH vom 17.08.2005 entnehmen lässt, sind am Objekt Marktstraße 21, 33 und 36 in Herne ergänzende Reinigungsarbeiten durchgeführt worden; nicht gereinigt wurden allerdings die Dächer der Laubengänge und die Glasdächer in den Objekten Marktstraße 21, 33 und 36. Aus welchen Gründen die Nacharbeiten nur unvollständig ausgeführt worden sind und welche Versäumnisse den Kläger hierbei treffen, hat die Beklagte nicht dargelegt. Es ist deshalb nicht erkennbar, welche konkreten Maßnahmen der Kläger in diesem Zusammenhang unterlassen haben soll.

bb) Auch der weitere Sachvortrag der Beklagten lässt keinen Schluss darauf zu, dass dem Kläger im Rahmen seiner Leitungsaufgaben Versäumnisse anzulasten sind, die eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen können. Hierzu hätte es der substantiierten Darlegung bedurft, welche konkreten Pflichten ihn im Rahmen der ihm übertragenen Leitungsaufgaben im Hinblick auf die einzelnen Objekte trafen und welche Versäumnisse hierbei aufgetreten waren. Der Kläger hatte unstreitig zahlreiche Objekte der Beklagten im gesamten Bundesgebiet zu betreuen. Der Kläger hat die Zahl der gleichzeitig zu bearbeitenden Objekte zuletzt mit ca. 600 beziffert, während die Beklagte die konkrete Zahl der vom Kläger zu bearbeitenden Objekte nicht genannt hat. Hieraus folgt, dass der Kläger schon aus zeitlichen Gründen nicht sämtliche Reinigungsarbeiten lückenlos kontrollieren und überwachen konnte. Angesichts einer 40-Stunden-Woche, die der Kläger einzuhalten hatte, können sich dahingehende Tätigkeiten unter Berücksichtigung der sonstigen Aufgaben des Klägers im Rahmen der Leitung der Abteilung Glas- und Sonderreinigung nur auf Stichproben beschränken. Zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass er sich im Übrigen auf die Zuverlässigkeit der ihm unterstellten Mitarbeiter verlassen musste. Dem entspricht es, wenn in der Stellenbeschreibung unter den Teilaufgaben ausdrücklich erwähnt wird, dass der Kläger Aufgaben an die ihm unterstellten Mitarbeiter weitestgehend delegieren sollte.

cc) Auch im Hinblick auf das mit Schreiben der Firma Ruhr-Lippe Wohnungsgesellschaft mbH vom 25.07.2005 erbetene Angebot für die Reinigung der drei kleinen Glasdächer bei den Punkthäusern Marktstraße 26, 30 und 34 in Herne sind Versäumnisse des Klägers nicht ersichtlich. Ausweislich des Schreibens der Firma Ruhr-Lippe Wohnungsgesellschaft mbH vom 17.08.2005 hat der Kläger dem Kunden am 03.08.2005 mitgeteilt, dass das Angebot noch in Arbeit ist, die Dächer aber mitgereinigt werden. Welche Pflichtverletzungen dem Kläger im Hinblick auf die Erstellung dieses Angebotes vorgeworfen werden sollen, war für die Kammer nicht nachvollziehbar. Insbesondere ist nicht erkennbar, inwieweit dem Kläger angesichts der Kürze der Zeit bis zu seinem Urlaubsantritt am 07.08.2005 insoweit Versäumnisse anzulasten sind.

dd) Auch die weitere Beanstandung der Firma Ruhr-Lippe Immobiliendienstleistungsgesellschaft mbH vom 17.08.2005 betreffend das Objekt Bergstraße 267 in Bochum rechtfertigt die verhaltensbedingte Kündigung des Klägers nicht. Es ist nicht ersichtlich, welche konkreten Leitungsaufgaben der Kläger insoweit verletzt haben soll. Der Umstand, dass bestimmte Arbeiten, die den Reinigungskräften der Beklagten vor Ort aufgetragen worden waren, tatsächlich nicht durchgeführt worden sind, lässt für sich gesehen noch keine Organisationsmängel erkennen, die dem Kläger anzulasten sind. Hierzu hätte es näherer Darlegung bedurft, inwieweit dem Kläger angesichts der zahlreichen gleichzeitig zu betreuenden Objekte der Beklagten im gesamten Bundesgebiet und Einhaltung einer 40-Stunden-Woche unter Berücksichtigung seiner sonstigen Aufgaben bei der Leitung der Abteilung Glas- und Sonderreinigung eine lückenlose Kontrolle sämtlicher Reinigungsarbeiten möglich war. Die Kammer verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen zur Reklamation beim Objekt Marktstraße 28, 32 und 36 in Herne. Mangels Darlegung konkreter Leitungs- bzw. Organisationsmängel, die dem Kläger im Hinblick auf die nach Ausspruch der letzten Abmahnung eingegangenen Reklamationen von Kunden der Beklagten zur Last gelegt werden können, kann von einem verhaltensbedingten Kündigungsgrund in diesem Zusammenhang nicht ausgegangen werden.

2. Die Beklagte kann die Kündigung auch nicht auf angebliche arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen des Klägers im Zusammenhang mit Verstößen gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz stützen, die ihr Mitte Mai 2006 bekannt geworden sind. Zwar kann der Arbeitgeber Kündigungsgründe, die im Zeitpunkt der Kündigung bereits vorlagen, ihm aber erst nach Ausspruch der Kündigung bekannt werden, grundsätzlich im Kündigungsschutzprozess nachschieben, soweit sie die Kündigung im Zeitpunkt ihres Zugangs objektiv rechtfertigen (vgl. BAG, Urteil vom 11.04.1985, EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 62). Allerdings ist insoweit eine entsprechende Anwendung des § 102 BetrVG geboten. Für den Arbeitnehmer bedeutet das Einführen neuer Kündigungsgründe in den Kündigungsschutzprozess die Gefahr, dass diese Gründe die Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeiführen können. Das Nachschieben von Kündigungsgründen steht insoweit dem Ausspruch der Kündigung gleich. Durch Anhörung des Betriebsrats vor dem Nachschieben der Kündigungsgründe soll dieser Gelegenheit erhalten, den Arbeitgeber hiervon abzuhalten. Dem Betriebsrat müssen in diesem Zusammenhang die gleichen Rechte wie vor Ausspruch der Kündigung eingeräumt werden, auf die Willensbildung des Arbeitgebers einzuwirken und so den Arbeitnehmer vor einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu schützen. Dies gilt auch, wenn bei Ausspruch der Kündigung noch kein funktionsfähiger Betriebsrat bestand, wohl aber im Zeitpunkt des Nachschiebens der Kündigungsgründe (vgl. KR/Etzel, 7. Aufl. § 102 BetrVG Rdn. 187 f. m.w.N.). Dem Arbeitgeber im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung unbekannte Kündigungsgründe dürfen im Kündigungsschutzprozess nur nachgeschoben werden, wenn der Arbeitgeber zuvor den Betriebsrat hierzu unter Einhaltung der Anhörungsfrist des § 102 Abs. 2 BetrVG gehört hat (vgl. BAG, Urteil vom 11.04.1985 EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 62; KR/Etzel, a.a.O., § 102 BetrVG Rdn. 185 c). Da im Betrieb der Beklagten im Februar/März 2006 ein Betriebsrat gewählt worden ist, hätte die Beklagte vor Einführung der ihr Mitte Mai 2006 bekannt gewordenen Umstände im Hinblick auf Verstöße des Klägers gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz das Verfahren nach § 102 BetrVG einhalten müssen. Dies ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Der Streitwert hat sich im Berufungsverfahren nicht geändert.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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