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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 03.05.2007
Aktenzeichen: 15 Sa 58/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 394
ZPO § 850 c
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 16.11.2006 - 3 Ca 948/06 - abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.400,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von jeweils 5 Prozentpunkten über dem gesetzlichen Basiszinssatz auf jeweils 200,00 EUR netto seit dem 31.03.2006, 30.04.2006, 31.05.2006, 30.06.2006, 31.07.2006, 31.08.2006 und 30.09.2006 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um restliche Vergütungsansprüche des Klägers für die Monate März 2006 bis September 2006.

Der am 01.02.12xx geborene Kläger ist seit dem 17.02.1986 bei der Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt. Er ist verheiratet und hat 3 Kinder. Der Kläger führt im wesentlichen das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen B3x-P1 21x mit einem zulässigen Gesamtgewicht vom 11,99 Tonnen, das laut Kraftfahrzeugschein eine Länge von 7,35 m, eine Breite von 2,60 m und eine Höhe von 3,36 m hat.

Am 23.01.2006 verursachte der Kläger gegen 10.50 Uhr mit dem von ihm geführten LKW einen Schaden, indem er bei der Ausfahrt aus einer Halle der Beklagten ein Rolltor beschädigte, das nicht vollständig geöffnet war. Außerdem entstanden Schäden am LKW der Beklagten. Die Beklagte hat den Gesamtschaden unter Vorlage von Rechnungen auf 1.649,06 € beziffert. Zwischen den Parteien ist streitig, mit welchem Grad der Fahrlässigkeit der Kläger den Schaden verursacht hat.

Da der Kläger zum Ersatz des Schadens nicht bereit war, hielt die Beklagte in den Monaten März 2006 bis September 2006 jeweils 200 € netto vom Lohn des Klägers ein und rechnete ihn gegen den von ihr geltend gemachten Schadenersatzanspruch auf. Wegen der Lohnabrechnungen der Monate März 2006 bis September 2006 im Einzelnen wird auf Bl. 4, 5, 11, 34, 35, 49 und 74 d. A. Bezug genommen.

Mit vorliegender Klage, die am 23.05.2006 beim Arbeitsgericht Bocholt einging, wendet der Kläger sich gegen die von der Beklagten vorgenommenen Einbehaltungen, die er für unzulässig hält.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 200,00 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem gesetzlichen Basiszins seit dem 31.03.2006 sowie weitere 200,00 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem gesetzlichen Basiszins seit dem 30.04.2006 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 200,00 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem gesetzlichen Basiszins seit dem 31.05.2006 zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 200,00 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem gesetzlichen Basiszins seit dem 30.06.2006 sowie weitere 200,00 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem gesetzlichen Basiszins seit dem 31.07.2006 zu zahlen;

4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 200,00 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem gesetzlichen Basiszins seit dem 30.08.2006 zu zahlen;

5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 200,00 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem gesetzlichen Basiszins seit dem 30.09.2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Kläger habe den Unfall grob fahrlässig verursacht, sodass er in voller Höhe schadenersatzpflichtig sei.

Durch Urteil vom 16.11.2006 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Gegen diese Entscheidung, die dem Kläger am 11.12.2006 zugestellt worden ist, richtet sich die Berufung des Klägers, die am 09.01.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und am 08.02.2007 begründet worden ist.

Der Kläger vertritt weiter die Auffassung, der Beklagten stehe kein Schadenersatzanspruch zu. Er habe den Unfall allenfalls mit leichtester Fahrlässig verursacht. Selbst im Falle der groben oder mittleren Fahrlässigkeit hafte er nicht im vollen Umfang für den Schaden.

Darüber hinaus hätten in dem Zeitraum, in denen die Einbehaltungen vorgenommen worden seien, in seinem Haushalt seine Ehefrau und drei Kinder gelebt. Seine Ehefrau habe ein monatliches Einkommen von etwa 1.251,00 € gehabt. Zwei seiner Kinder hätten sich im streitbefangenen Zeitraum in einer Ausbildung befunden und jeweils eine Ausbildungsvergütung von etwa 500,00 € im Monat bezogen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 16.11.2006 - 3 Ca 948/06 -, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.400,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von jeweils fünf Prozentpunkten über dem gesetzlichen Basiszinssatz auf jeweils 200,00 € netto zu zahlen seit 31.03.2006, 30.04.2006, 31.05.2006, 30.06.2006, 31.07.2006, 31.08.2006 und 30.09.2006.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das am 16.11.2006 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt - 3 Ca 948/06 - kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und trägt vor, der Kläger habe den Schaden grob fahrlässig verursacht. Haftungserleichterungen zu seinen Gunsten seien nicht gegeben.

Soweit der Kläger darauf verweise, dass im streitbefangenen Zeitraum seine Ehefrau und seine drei Kinder in seinem Haushalt gewohnt hätten, bestreite sie, dass der Kläger vier Personen gegenüber Unterhalt leiste. Die Ehefrau des Klägers sei berufstätig und der Kläger habe Steuerklasse 4. Außerdem seien zwei seiner Kinder in einer Ausbildung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Der Sache nach hat die Berufung des Klägers Erfolg. Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger 1.400,00 € brutto nebst Zinsen im zuerkannten Umfang zu zahlen.

1. Nicht streitig ist, dass dem Kläger restliche Lohnforderungen für die Monate März 2006 bis September 2006 in Höhe von 1.400,00 € zustehen. Der Kläger hat unter Vorlage der Lohnabrechnungen für diese Monate dargelegt, dass die Beklagte jeweils 200,00 € von seinem Lohn einbehalten und mit der streitigen Schadenersatzforderung verrechnet hat.

2. Die Lohnforderungen des Klägers für die Monate März 2006 bis September 2006 in einer Gesamthöhe von 1.400,00 € sind nicht durch Aufrechnung seitens der Beklagten gem. §§ 387, 389 BGB erloschen. Denn die Aufrechnung war gem. § 394 BGB i. V. m. § 850 c ZPO unzulässig.

a) Gem. § 394 S. 1 BGB findet die Aufrechnung gegen eine Forderung nicht statt, soweit sie der Pfändung nicht unterworfen ist. Nach § 850 c ZPO ist Arbeitseinkommen in Abhängigkeit davon, ob der Schuldner aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung Unterhalt gewährt, unpfändbar. Gem. § 1360 S. 1 BGB sind Ehegatten einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Darüber hinaus sind Verwandte in gerader Linie gem. § 1601 BGB verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Dem gemäß war der Kläger im streitbefangenen Zeitraum gesetzlich seiner Frau und seinen drei Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtet. Der Kläger hat im Termin vom 03.05.2007 im Einzelnen ausgeführt, dass sowohl seine Frau als auch seine drei Kinder während des streitbefangenen Zeitraums in seinem Haushalt gewohnt haben und damit auch von ihm unterhalten worden sind. Unter Hinweis auf seine an Gerichtsstelle anwesende Ehefrau M2xxx G1xxxxxxxx hat er weiter ausgeführt, dass seine Ehefrau ein Einkommen von 1.251, 00 € pro Monat hat, während zwei seiner drei Kinder sich in einer Ausbildung befinden und ca. 500,00 € Ausbildungsvergütung erhalten.

Die Beklagte, welche die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass ihre Aufrechnung gegen die gem. § 850 Abs. 1 ZPO nur nach Maßgabe der §§ 850 a bis 850 i ZPO pfändbaren Ansprüche des Klägers auf Lohn das Erlöschen dieser Forderung bewirkt hat (vgl. BAG, Urteil vom 05.12.2002 - 6 AZR 569/01, NZA 2003, 802), hat hierauf lediglich erwidert, sie bestreite, dass der Kläger vier Personen gegenüber Unterhalt leiste. Für diese Behauptung hat sie auch nach Erörterung der Darlegungs- und Beweislast im Termin vom 03.05.2007 keinen Beweis angetreten. Dies hätte sie z. B. dadurch tun können, dass sie sich auf das Zeugnis der an Gerichtsstelle anwesenden Ehefrau des Klägers M2xxx G1xxxxxxxx bezogen hätte. Mangels Beweisantritt der Beklagten musste die Kammer davon ausgehen, dass der Kläger entsprechend seinem Sachvortrag vier Personen gegenüber Unterhalt leistet.

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten sind auch unterhaltsberechtigte Personen mit eigenem Einkommen bei der Bemessung des Freibetrags nach § 850 c ZPO zu berücksichtigen. Entscheidend ist nur, ob der Schuldner unterhaltpflichtig ist und Unterhalt tatsächlich leistet, nicht dagegen, ob er den vollen pfändungsfreien Betrag aufwenden muss. Der mitverdienende Ehegatte bzw. mitverdienende Kinder sind daher grundsätzlich als unterhaltsberechtigte Personen zu berücksichtigen, wenn der Schuldner zum Familienunterhalt beiträgt (§ 1360 S. 1 BGB). Der Schuldner erfüllt damit die gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber dem Ehegatten bzw. seinen Kindern (vgl. Zöller-Stöber, Kommentar zur ZPO, 25. Auflage § 850 c Rnd. 6 mwN).

c) Nach der Anlage zu § 850 c ZPO (Pfändungstabelle) errechnet sich bei einer Unterhaltspflicht für vier Personen ein unpfändbarer Nettobetrag von 1.979,99 € pro Monat. Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Lohnabrechnungen der Monate März 2006 bis September 2006 lag sein Nettoeinkommen jeweils unter diesem unpfändbaren Betrag, sodass keine Lohnforderungen pfändbar und damit auch nicht aufrechenbar waren.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Der Streitwert hat sich in 2. Instanz nicht geändert.

Die Voraussetzung für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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