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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 13.08.2009
Aktenzeichen: 16 Sa 1045/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB §§ 305 ff.
Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits kommt es nicht darauf an, ob die Vereinbarung einer Residenzpflicht mit einer im pastoralen Dienst eines Bistums beschäftigten Gemeindereferentin einer Überprüfung anhand der §§ 305 ff. BGB stand hält. Hat sich die Gemeindereferentin bei der auf ihren Wunsch vorgenommenen Versetzung damit einverstanden erklärt, ihren Wohnsitz in einer Einsatzgemeinde zu nehmen, so ist diese Vereinbarung nur nach allgemeinen rechtlichen Grundsätzen zu überprüfen. Die Gemeindereferentin erfüllt ihre Verpflichtung allerdings schon dadurch, dass sie einen Zweitwohnsitz in einer Einsatzgemeinde nimmt.
Tenor:

Auf die Berufung des beklagten Erzbistums wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 16.05.2008 - 2 Ca 118/08 - teilweise abgeändert.

Die Feststellungsklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin nach einer Versetzung verpflichtet ist, ihren Wohnsitz zu wechseln.

Die Klägerin ist seit dem 01.02.1997 bei dem beklagten Erzbistum zunächst als Praktikantin, dann als Gemeindeassistentin und schließlich aufgrund des Arbeitsvertrages vom 06.01.2000 (Bl. 5 ff. d.A.) seit dem 01.02.2000 als Gemeindereferentin beschäftigt. Sie ist verheiratet und hat drei Kinder im Alter von 13, 12 und 4 Jahren.

§ 2 des Arbeitsvertrages vom 06.01.2000 sieht vor, dass die kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) in ihrer jeweiligen Fassung einschließlich der Anlagen Vertragsbestandteil ist. Nach § 11 Nr. 1 des Arbeitsvertrages ist der Mitarbeiter verpflichtet, seinen Wohnsitz innerhalb der Einsatzgemeinde zu nehmen. In der Anlage 20 zur KAVO, die Sonderregelungen für Mitarbeiter im pastoralen Dienst enthält, ist unter Nr. 10 "Residenzpflicht" geregelt, dass der Mitarbeiter auf Verlangen des Dienstgebers verpflichtet ist, seinen Wohnsitz in der Einsatzgemeinde bzw. einer der Einsatzgemeinden oder im örtlichen Einsatzgebiet zu nehmen. In einer Ausführungsverordnung hierzu (Bl. 59 d.A.) sind weitere Einzelheiten, insbesondere zur Vermeidung unbilliger Härten im Einzelfall, geregelt.

Als Gemeindereferentin war die Klägerin zunächst sieben Jahre im Gemeindeverbund S3-S4 tätig. Dort bewohnt sie mit ihrer Familie ein eigenes Haus. Zum 01.05.2007 wurde die Klägerin auf ihren Wunsch hin in den Pastoralverbund P1 Nord-Ost versetzt, dem drei Kirchengemeinden angehören. Die Entfernung zwischen ihrem Wohnsitz und dem Einsatzort/den Einsatzorten beträgt etwa 8 km.

Bereits vor der Umsetzung war die Frage der Wohnsitznahme der Klägerin im Pastoralverbund P1 Nord-Ost Gegenstand von Gesprächen sowohl der zuständigen Mitarbeiterin der Personalabteilung des beklagten Erzbistums als auch des Vorsitzenden der MAV mit der Klägerin. Auf das Telefonat mit der Mitarbeiterin der Personalabteilung reagierte die Klägerin mit Schreiben vom 12.01.2007, zu dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 51 d.A. Bezug genommen wird.

Unter der Überschrift "Einsatzregelung ab 01.05.2007 - Residenzpflicht" teilte das Erzbistum der Klägerin am 27.03.2007 das Folgende mit:

"Sehr geehrte Frau A2,

wir können Ihnen mitteilen, dass Sie Ihrem Wunsch entsprechend ab 01.05.2007 mit einem Beschäftigungsumfang von 100 % (zur Zeit 38,5 Wochenstunden) im Pastoralverbund P1 Nord-Ost eingesetzt werden.

Ihr Vorgesetzter ist Herr Militärdekan T1 S5.

Nach § 11 Ihres Arbeitsvertrages vom 06.01./16.01.2000 sind Sie verpflichtet, Ihren Wohnsitz innerhalb des/der Einsatzgemeinde zu nehmen. Von dieser Verpflichtung sind Sie ausnahmsweise bis zum 30.07.2007 befreit.

Bitte senden Sie uns die beigefügte Durchschrift als Erklärung Ihres Einverständnisses mit dieser Regelung unterschrieben zurück.

Wir erteilen Ihnen gemäß der Verordnung über Umzugskostenvergütung (s. Anlage 16 KAVO) die Zusage der Umzugskostenvergütung für den Umzug von 33 P1, M1-A3-Weg 71, in den Pastoralverbund P1 Nord-Ost. Das Verfahren zur Auszahlung der Umzugskostenvergütung erfolgt nach Maßgabe der unserem Schreiben beigefügten "Anlage 1". § 5 der Anlage 16 KAVO findet keine Anwendung.

Endet Ihr Arbeitsverhältnis aus einem von Ihnen zu vertretenden Grunde vor Ablauf von zwei Jahren nach Durchführung des Umzugs, so ist die Umzugskostenvergütung von Ihnen zurückzuzahlen.

Wir wünschen Ihnen für Ihre Arbeit mit den neuen Gemeinden viel Freude und vor allem Gottes Segen.

Mit freundlichen Grüßen

..."

In ihrem Antwortschreiben vom 25.04.2007 bedankte sich die Klägerin u.a. für das Angebot den Termin, an welchem die Richtlinien zur Wohnsitznahme ihre Wirkung bekämen, vom Dienstbeginn 01.05.2007 auf den 30.07.2007 zu verlängern. Zum weiteren Inhalt dieses Schreibens wird auf Bl. 52 d.A. Bezug genommen. Mit Datum vom 27.04.2007 unterzeichnete die Klägerin die auf der Durchschrift des Schreibens vom 27.03.2007 des beklagten Erzbistums enthaltende Erklärung "Mit u.g. Regelung bin ich einverstanden". Dieses Schreiben wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht von dem beklagten Erzbistum überreicht.

In der Folgezeit entspannte sich ein weiterer vorgerichtlicher Schriftwechsel. Wegen der Einzelheiten wird verwiesen auf:

- das Schreiben des beklagten Erzbistums vom 06.08.2007 (Bl. 8 d.A.),

- das Schreiben des Ehemanns der Klägerin vom 24.10.2008 (Bl. 9 ff. d.A.),

- das Schreiben des beklagten Erzbistums vom 31.10.2007 (Bl. 56 d.A.),

- das Schreiben des beklagten Erzbistums vom 31.10.2007 (Bl. 11 d.A.).

Außerdem blieb das von der Klägerin beantragte Schlichtungsverfahren vor dem Schlichtungsausschuss zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten aus Arbeitsverhältnissen, in dem am 30.10.2007 eine Sitzung stattfand, ohne Erfolg.

Mit Schreiben vom 19.11.2007 (Bl. 14 ff. d.A.) erteilte das beklagte Erzbistum der Klägerin eine Abmahnung, in der dieser sinngemäß vorgeworfen wird, dass sie trotz der auf ihren eigenen Wunsch erfolgten Umsetzung und trotz des erklärten Einverständnisses mit einer Wohnsitznahme im Pastoralverbund P1 Nord-Ost ihrer Residenzpflicht nicht nachgekommen sei. Zwischenzeitlich hatte die Klägerin, wie sie mit E-Mail vom 30.10.2007 mitgeteilt hatte, einen Zweitwohnsitz in Pastoralverbund P1 Nord-Ost genommen.

Mit ihrer am 22.01.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Entfernung der Abmahnung vom 19.11.2007 verlangt sowie die Feststellung begehrt, dass sie nicht verpflichtet sei, ihren Wohnsitz innerhalb der Einsatzgemeinde zu nehmen. Zur Begründung hat sie sich darauf berufen, dass die Regelungen zur Residenzpflicht im Arbeitsvertrag sowie in Nr. 10 der Anlage 20 zur KAVO nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB unwirksam seien.

Die Klägerin hat beantragt:

1. Der Beklagte wird verpflichtet, die Abmahnung vom 19.11.2007 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

2. Es wird festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, der in § 11 Ziffer 1 des Arbeitsvertrages vom 09.01.2000 niedergelegten Verpflichtung, ihren Wohnsitz innerhalb der Einsatzgemeinde zu nehmen, nachzukommen.

3. Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass die Klägerin die im Arbeitsvertrag vom 06.01.2000 unter § 11 Ziffer 1 niedergelegte Verpflichtung, ihren Wohnsitz innerhalb der Einsatzgemeinde zu nehmen, durch den derzeitigen Wohnsitz erfüllt.

Das beklagte Erzbistum hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hat zum einen Ausführungen zur Rechtswirksamkeit der vertraglich vereinbarten Residenzpflicht gemacht. Zum anderen hat es sich darauf berufen, dass die Umsetzung der Klägerin auf deren eigenen Wunsch erfolgt sei, dem nicht entsprochen worden wäre, wenn die Klägerin nicht ihr ausdrückliches Einverständnis mit der Wohnsitznahme in dem neuen Pastoralverbund erklärt hätte. Das beklagte Erzbistum fühle sich durch das widersprüchliche Verhalten der Klägerin getäuscht.

Durch Urteil vom 16.05.2008 hat das Arbeitsgericht das beklagte Erzbistum verurteilt, die Abmahnung vom 19.11.2007 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen und festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, ihren Wohnsitz in (einer) der Einsatzgemeinde(n) zu nehmen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin keiner Residenzpflicht unterliege, da die Regelungen in § 11 Nr. 1 des Arbeitsvertrages vom 06.01.2000 bzw. in Nr. 10 der Anlage 20 zur KAVO einer Inhaltskontrolle nach Maßgabe der §§ 305 ff. BGB nicht standhielten und deshalb unwirksam seien.

Gegen dieses ihm am 09.06.2008 zugestellte Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands Bezug genommen wird, hat das beklagte Erzbistum am 01.07.2008 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 11.09.2008 fristgerecht begründet.

Das beklagte Erzbistum hat vorgetragen, dass einer späteren Gemeindereferentin bereits vor Beginn ihrer Ausbildung eindeutig erklärt werde, dass mit diesem Beruf notwendig die Residenzpflicht in der Gemeinde verbunden sei. Im Zusammenhang mit der konkreten Versetzung habe die Klägerin sich zunächst an die zuständige Mitarbeiterin S2 mit dem Hinweis gewandt, dass für sie eine Regelversetzung anstehe und sie sich deshalb für den Einsatz im Pastoralverbund P1 Nord-Ost bewerbe. Die Mitarbeiterin S2 habe erklärt, dass eine Regelversetzung für die Klägerin zu diesem Zeitpunkt nicht vorgesehen sei, wohingegen die Klägerin darauf beharrt habe, dass sie zu versetzen sei, und zwar nach P1. In diesem Zusammenhang habe die Zeugin S2 das Eigenheim der Klägerin erwähnt und deutlich gemacht, dass sie beabsichtige, die Klägerin an Ort und Stelle in S3-S4 zu lassen.

Das beklagte Erzbistum beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn - 2 Ca 118/08 - vom 16.05.2008 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Nach der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren hat das beklagte Erzbistum die Berufung mit Schriftsatz vom 20.04.2009 insoweit zurückgenommen, als es zur Entfernung der Abmahnung vom 19.11.2007 aus der Personalakte der Klägerin verurteilt worden ist.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und führt in dem Zusammenhang aus, dass sie nicht in Abrede stelle, dass eine örtliche Nähe zum Einsatzort unabdingbar sei und sie dies auch bereits während ihrer Ausbildung als richtig empfunden habe. Ihre familiären Belange habe im Zusammenhang mit dieser Auseinandersetzung der Beklagte jedoch nicht sehen wollen. Noch mit Schreiben vom 28.07.2007 habe sie gegenüber dem Beklagten ausführlich dargelegt, dass sie sich zusammen mit ihrer Familie um einen alternativen Wohnort bemüht habe, allerdings erfolglos. Nachdem in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht die schriftliche Einverständniserklärung der Klägerin vorgelegt worden war, hat diese erklärt, sie habe diese angefochten und zur Begründung der Anfechtung angegeben, es sei Druck auf sie ausgeübt worden, sie habe sich in einer Zwangssituation befunden.

Zum weiteren Sachvortrag der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des beklagten Erzbistums ist zulässig.

In der Sache hat sie, soweit sie nicht zurückgenommen worden ist, Erfolg.

Entsprechend dem von ihr erklärten Einverständnis ist die Klägerin verpflichtet, ihren Wohnsitz in einer der Einsatzgemeinden im Pastoralverbund P1 Nord-Ost zu nehmen. Ihrem Feststellungsbegehren ist weder nach dem Hauptantrag, noch nach dem Hilfsantrag zu entsprechen.

I

Der Hauptantrag ist mit dem Wortlaut, mit dem ihn das Arbeitsgericht im Tenor seines Urteils entsprochen hat, nach § 256 ZPO zulässig. Für die ursprüngliche unter Ziffer 2 vorgenommene Formulierung hätten dagegen Bedenken bestanden, da hier auf § 11 Ziffer 1 des Arbeitsvertrages vom 06.01.2000 Bezug genommen wird. Eine Entscheidung über diesen Antrag wäre auf ein Rechtsgutachten hinausgelaufen. Die Parteien streiten jedoch über das Bestehen oder Nichtbestehen eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses, nicht lediglich über einzelne Elemente oder bloße Vorfragen desselben. Dem hat das Arbeitsgericht mit der Formulierung der Feststellungsentscheidung Rechnung getragen. Die Frage, ob die Klägerin arbeitsvertraglich verpflichtet ist, ihren Wohnsitz in einer Einsatzgemeinden zu nehmen, betrifft den Umfang der Rechte und Pflichten im Arbeitsverhältnis. Die Parteien streiten demnach über das Bestehen einer konkreten Anspruchs- und Pflichtbeziehung (vgl. z.B. BAG vom 16.09.1998, 5 AZR 183/97, EzA BGB § 315 Nr. 49).

In diesem Sinne ist auch der Hilfsantrag zulässig.

II

Das Feststellungsbegehren ist jedoch nicht begründet.

1) Das Arbeitsgericht hat auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 06.01.2000 und der dort im § 11 Abs. 1 vorgesehenen Regelung, dass der Mitarbeiter verpflichtet sei, seinen Wohnsitz innerhalb der Einsatzgemeinde zu nehmen, angenommen, dass diese Bestimmung unwirksam sei, weil sie einer Überprüfung anhand der §§ 305 ff. BGB nicht standhalte. Dasselbe gelte für die in diesem Arbeitsvertrag vorgenommene Verweisung auf die KAVO, dort auf die Nr. 10 der Anlage 20. Ob dies zutrifft, kann vorliegend offen bleiben. Hierbei handelt es sich nicht um die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Beurteilung des Streitfalls. Wie sich nämlich im Berufungsverfahren herausgestellt hat, haben die Parteien anlässlich der konkreten Maßnahme, der Versetzung der Klägerin in den Pastoralverbund P1 Nord-Ost, eine Vereinbarung abgeschlossen, die die Verpflichtung der Klägerin beinhaltet, ihren Wohnsitz innerhalb der Einsatzgemeinde zu nehmen.

Das beklagte Erzbistum hat der Klägerin mit Schreiben vom 27.03.2007 mitgeteilt, dass diese, ihrem Wunsch entsprechend, ab 01.05.2007 im Pastoralverbund P1 Nord-Ost eingesetzt werden sollte. Zugleich hat es die Klägerin auf ihre Verpflichtung hingewiesen, ihren Wohnsitz innerhalb der Einsatzgemeinde zu nehmen und die Klägerin - nach dem Verständnis des Erzbistums ausnahmsweise - bis zum 30.07.2007 von dieser Pflicht befreit. Indem das beklagte Erzbistum zugleich das Einverständnis der Klägerin eingefordert hat, hat es zum Ausdruck gebracht, dass es keine einseitige Maßnahme vornehme, sondern dass es sich um eine Vereinbarung über die Änderung des Einsatzortes der Klägerin handele. Die Klägerin hat auf der dem beklagten Erzbistum überlassenen Durchschrift mit Datum vom 27.04.2007, also vor Durchführung der beabsichtigten Versetzung, erklärt, dass sie mit der unten genannten Regelung einverstanden sei. Damit liegt ein durch Angebot und Annahme des Angebots nach Maßgabe der §§ 145 ff. BGB zustande gekommener Vertrag über die Änderung des Einsatzortes der Klägerin vor. Auch wenn das beklagte Erzbistum auf § 11 des Arbeitsvertrages Bezug genommen hat, so ist doch eine eigenständige Regelung getroffen worden, in der die Bedingungen für eine Versetzung der Klägerin in das von ihr gewünschte Einsatzgebiet, den Pastoralverbund P1 Nord-Ost, festgelegt worden sind.

2) Die Wirksamkeit dieses Individualvertrages ist nicht an den Maßstäben der §§ 305 ff. BGB zu messen. Es handelt sich nicht um vorformulierte Vertragsbedingungen, sondern um eine echte Individualabrede, die nicht der Anwendung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegt. Für echte Individualabreden gilt das Prinzip, dass die Vertragspartner ihre Interessen selbst angemessen vertreten können. Eine Partei darf auch eine für sie nach allgemeinen Maßstäben ungünstige oder unangemessene Regelung bewusst hinnehmen, wenn sie insgesamt einen Vorteil erkennt. Die Parteien sind bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) frei, ihre Regelungen selbst zu wählen. Allerdings kann die Befugnis, sich auf rechtswirksam vereinbarte Rechtspositionen zu berufen, nach § 242 BGB im Sinne einer Ausübungskontrolle begrenzt sein. Darüber hinaus ist eine richterliche Kontrolle erforderlich bei strukturellen Störungen der Vertragsparität. Nutzt der Arbeitgeber seine wirtschaftliche Überlegenheit gegenüber dem Arbeitnehmer aus, um ein für diesen ungünstiges Verhandlungsergebnis durchzusetzen, besteht der Schutzauftrag des Richters, der Vertragsparität mit den Mitteln des Zivilrechts Geltung zu verschaffen. Es handelt sich um Fälle, in denen der Inhalt des Vertrages eine Seite ungewöhnlich belastet und als Interessenausgleich offensichtlich ungeeignet ist. Das erfordert eine Gesamtschau der vertraglichen Regelungen (vgl. BAG vom 25.05.2005, 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111 m.w.N.).

3) Die Vereinbarung einer Wohnsitznahme in der Einsatzgemeinde ist als solche nicht zu beanstanden. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 07.06.2006 (4 AZR 316/05, NZA 2007, 343) die Verpflichtung eines Arbeitnehmers zur Begründung eines Wohnsitzes am Ort seiner Tätigkeit grundsätzlich anerkannt, wenn ihr ein durch die Besonderheit des Arbeitsverhältnisses berechtigtes Interesse des Arbeitgebers zugrunde liegt. In der Übernahme einer dahingehenden vertraglichen Verpflichtung liegt zwar eine Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit gem. Artikel 2 Abs. 1 GG. Diese ist jedoch durch die Vertragsfreiheit, die ihrerseits grundrechtlich in Art. 2 Abs. 1 GG verbürgt ist, legitimiert; ihre wissentliche und willentliche Einschränkung stellt zugleich ihre Verwirklichung dar. Auch eine durch den Abschluss eines Arbeitsvertrages notwendigerweise zu seiner Erfüllung erforderliche Einschränkung der Freizügigkeit gemäß Art. 11 Abs. 1 GG ist in der Regel eine durch die Einwilligung des Grundsrechtsträgers abgesicherte Ausübung der Privatautonomie. Die Anerkennung der Privatautonomie als selbstregulierendes Prinzip setzt voraus, dass ein annähernd ausgewogenes Kräfteverhältnis der Vertragspartner als Mittel eines angemessenen Interessenausgleichs besteht. Daher ist es Aufgabe des Rechts, auf die Wahrung der Grundrechtspositionen beider Vertragspartner hinzuwirken, um zu verhindern, dass sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehrt (vgl. auch die Nachweise in oben angegebener Entscheidung).

Für die Tätigkeit einer Gemeindereferentin, die dem pastoralen Dienst des beklagten Erzbistums angehört, ist es ebenso wie für einen Lokalredakteur einer Tageszeitung, der beispielhaft in der angegebenen Entscheidung erwähnt ist, erforderlich, für Gemeindemitglieder auch in Alltagssituationen ansprechbar zu sein. Die Klägerin selbst stellt nicht in Abrede, dass eine örtliche Nähe zum Einsatzort unabdingbar ist und sie dies schon während der Ausbildung als richtig empfunden hat.

4) Im Entscheidungsfall besteht allerdings die Besonderheit, dass die Klägerin zwar außerhalb des Gebiets des Pastoralverbunds P1 Nord-Ost mit ihrer Familie wohnt, der Wohnsitz der Familie sich tatsächlich jedoch noch auf dem Stadtgebiet P1 befindet und die Entfernung zwischen der Wohnung der Klägerin und dem Arbeitsplatz lediglich 8 km beträgt. Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass eine räumliche Nähe vorhanden ist, die die Ausübung des Berufs durchaus zulässt. Das beklagte Erzbistum hat die Gründe dafür, dass es trotz dieser räumlichen Nähe auf einer Wohnsitznahme der Klägerin im Pastoralverbund P1 Nord-Ost bestanden hat, nicht mitgeteilt. Es hat mit seinem Angebot, nur unter dieser Bedingung eine Versetzung der Klägerin vorzunehmen, jedoch von der ihm zustehenden Vertragsfreiheit Gebrauch gemacht. Diese findet ihre Grenzen, da andere Maßstäbe nicht zur Anwendung kommen, an § 138 BGB bzw. § 242 BGB. Die Grenzen sind aufgrund der Umstände der vorliegenden Fallgestaltung jedoch nicht überschritten. Die Klägerin hat sich nach längeren vorangegangenen Verhandlungen mit der von dem beklagten Erzbistum angebotenen Regelung einverstanden erklärt. Das beklagte Erzbistum hätte eine Versetzung nicht vorgenommen, hätte die Klägerin der im Schreiben vom 27.03.2007 vorgeschlagenen Regelung nicht zugestimmt. Das beklagte Erzbistum war in seiner Entscheidung frei, die von der Klägerin gewünschte Versetzung vorzunehmen. Wenn es die Bereitschaft zu einer Versetzung der Klägerin davon abhängig machte, dass diese sich mit einer Wohnsitznahme im Gebiet des Pastoralverbundes P1 Nord-Ost bereit erklärte, so nutzte es nicht eine strukturelle Störung der Vertragsparität aus. Die Klägerin befand sich in einem Arbeitsverhältnis als Gemeindereferentin im kirchlichen Gemeindeverbund S3-S4, das in seinem Bestand nicht gefährdet war. Aus Gründen, die in ihrem Verhältnis zu dem dortigen Pfarrer lagen, wünschte sie die Versetzung in den Pastoralverbund P1 Nord-Ost. Nicht erkennbar ist, dass es sich hierbei um so schwerwiegende Gründe handelte, dass das beklagte Erzbistum ihnen hätte Rechnung tragen müssen. Der Klägerin, die das Angebot mit Schreiben vom 27.03.2007 erhalten hatte, stand zudem eine ausreichende Überlegungsfrist zur Verfügung, um die Vor- und Nachteile der von dem beklagten Erzbistum angebotenen Regelung abzuwägen. Wie ihrem Schreiben vom 25.04.2007 zu entnehmen ist, hat sie in dem Angebot des beklagten Erzbistums insoweit ein Entgegenkommen gesehen, als der Termin für die Wohnsitznahme von Dienstbeginn 01.05.2007 auf den 30.07.2007 verlängert worden ist. Die Klägerin hat in Ausübung ihrer Vertragsfreiheit ihre Interessen selbst bewertet. Sie hat für ihren Wunsch, ihr Einsatzgebiet zu ändern, die Verpflichtung zur Wohnsitznahme im Pastoralverbund P1 Nord-Ost in Kauf genommen.

5) Der durch ihre Einverständniserklärung vom 27.04.2007 eingegangenen Verpflichtung wird die Klägerin allerdings dadurch gerecht, dass sie im Einsatzgebiet des Pastoralverbundes P1 Nord-Ost eine Zweitwohnung nimmt. Zwischen den Parteien ist dies inzwischen unstreitig. Das beklagte Erzbistum kann arbeitsvertraglich nur die Klägerin, nicht aber ihre Familie verpflichten, ihren Wohnsitz dort zu nehmen.

6) Bei der Bewertung der in Frage stehenden Grundrechtspositionen ist allerdings der in Art. 6 GG garantierte Schutz der Ehe und Familie durch die Gerichte bei der Beurteilung einfachen Rechts zu beachten. Dieses darf nicht in einer Weise ausgelegt und angewendet werden, die geeignet ist, den autonomen Bereich von Ehe und Familie zu beeinträchtigen (ErfKom/Dieterich, Art. 6 GG RdNr. 9). Durch eine Zweitwohnung im Gebiet des Pastoralverbundes P1 Nord-Ost ist dieser Schutz jedoch nicht in einer Weise beeinträchtigt, der zur Folge hätte, dass die von der Klägerin eingegangene Verpflichtung unwirksam wäre. Auch wenn diese Verpflichtung zum Gegenstand hat, dass sich die Klägerin durchaus in ihrer Zweitwohnung aufhalten muss, so bedeutet die räumliche Nähe jedoch, dass die bestehenden ehelichen und familiären Bindungen gelebt werden können. Dies gilt auch deshalb, weil die Arbeitszeit der Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten nach 5.6 des Statuts für Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten Besonderheiten unterliegt, z.B. Dienst an Abenden und Wochenenden umfasst, was zugleich die Möglichkeit der Betreuung ihrer Kinder an den Nachmittagen für die Klägerin zur Folge hat.

7) Lässt sich damit alles in allem eine an den Generalklauseln des BGB gemessene Beeinträchtigung der Grundrechtspositionen der Klägerin durch die von ihr vertraglich eingegangene Verpflichtung nicht feststellen, so bleibt es bei deren Wirksamkeit. Der Hauptantrag der Klägerin war demnach zurückzuweisen.

8) Die Klägerin vermag jedoch auch mit ihrem Hilfsantrag nicht durchzudringen. Dies folgt ebenfalls daraus, dass die Klägerin mit ihrer Einverständniserklärung vom 27.04.2007 zum Angebot der Beklagten vom 27.03.2007 sich ausdrücklich verpflichtet hat, ihren Wohnsitz von ihrer bisherigen Anschrift weg zu verlegen. Im Hinblick auf die eingegangene Verpflichtung, den Wohnsitz innerhalb der Einsatzgemeinde zu nehmen, hat das beklagte Erzbistum Umzugskostenvergütung für den Umzug von der Adresse M1-A3-Weg 71 in den Pastoralverbund P1 Nord-Ost zugesagt. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin mit ihrem derzeitigen Wohnsitz ihre vertragliche Verpflichtung erfüllt.

9) Diese Verpflichtung ist auch nicht durch eine erfolgreiche Anfechtung der Klägerin nach §§ 119 BGB bzw. 123 BGB im Nachhinein unwirksam geworden. Diese Vorschriften ermöglichen die Anfechtung einer Willenserklärung entweder wegen Irrtums oder wegen Täuschung oder Drohung.

Allerdings ist davon auszugehen, dass eine Anfechtungserklärung der Klägerin vorliegt. Dies ist dem Schreiben des Generalvikars vom 06.08.2007 zu entnehmen, in dem eine "Anfechtung ihrer Unterschrift vom 27.04.2007 auf unserem Schreiben vom 27.03.2007" ausdrücklich erwähnt ist. Anfechtungsgründe im Sinne der genannten Vorschriften hat die Klägerin jedoch nicht vorgetragen. Sie mag sich in einer Zwangssituation befunden und unter Druck gesetzt gefühlt haben, weil ihr die Versetzung in den Pastoralverbund P1 Nord-Ost äußerst wichtig war und das beklagte Erzbistum diesem Wunsch ohne Eingehung der Verpflichtung zur Wohnsichtnahme in diesem Gebiet nicht entsprechen wollte. Dies genügt jedoch nicht den gesetzlichen Anforderungen.

III

Die Kosten des Rechtsstreits waren gemäß § 92 Abs. 1 ZPO gegeneinander aufzuheben. Die Klägerin ist zwar mit ihrem Feststellungsbegehren unterlegen. Das beklagte Erzbistum hat jedoch die Berufung insoweit zurückgenommen, als es zur Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte verurteilt worden ist. Hinsichtlich dieses Antrages sind im Berufungsverfahren in vollem Umfang sowohl außergerichtliche als auch gerichtliche Kosten angefallen.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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