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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 11.05.2006
Aktenzeichen: 16 Sa 1623/05
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 524 |
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 20.07.2005 - 1 Ca 1970/04 - teilweise abgeändert und der Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 556,93 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2004 zu zahlen.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold wird unter Zurückweisung seines Wiedereinsetzungsantrags - auch als Anschlussberufung - als unzulässig verworfen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über den Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt und Spesen.
Der Kläger war seit dem 01.06.2005 für den Beklagten als Kraftfahrer tätig für eine monatliche Vergütung von 1.900,-- € brutto. In seiner Lohnsteuerkarte ist die Lohnsteuerklasse IV eingetragen. Der Arbeitsvertrag sah für die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses eine Probezeit vor.
Ziffer 12 des Arbeitsvertrages lautet wie folgt:
"Ausschlussfrist
Soweit eine tarifliche Ausschlussfrist nicht besteht bzw. nicht zur Anwendung kommt, verfallen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, wenn sie nicht binnen zwei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird."
Der Beklagte rechnete den Nettolohn des Monats August 2004 mit 1.263,05 € ab und behielt insgesamt 556,93 € netto ein, davon 139,33 € netto Lohn und Spesen in Höhe von insgesamt 417,60 €. Er berief sich hinsichtlich des Einbehalts auf die Beschädigung von Planenhakenprofilen und Brettertaschen des von dem Kläger benutzten Aufliegers, einer eingerissenen Abdeckplane und von der Firma D2xxxxx dem Beklagten in Rechnung gestellte Verspätungskosten für Sonderfahrten und verspätete Warenzustellung.
Mit einem auf den 30.09.2004 datierten Schreiben kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 15.10.2004. Das Kündigungsschreiben erhielt den Vermerk: "Kündigung in schriftlicher Form erhalten: B1x S3xxxxxxx, 30.09.2004", der vom Kläger unterschrieben wurde.
Für Oktober 2004 rechnete der Beklagte bis zum 15.10.2004 ab. Von dem Nettoauszahlungsbetrag in Höhe von 631,73 € behielt er einen Betrag in Höhe von 461,50 € netto ein unter Verweis auf das Palettenkonto des Klägers, das erhebliche Differenzen aufweisen sollte.
Mit Schreiben vom 26.11.2004 machte der Kläger die noch offenstehenden Beträge für August 2004 und die erste Hälfte Oktober 2004 geltend. Zusätzlich begehrte er die Zahlung von weiteren 1.583,-- € brutto, da nach seiner Ansicht das Arbeitsverhältnis nicht schon am 15.10.2004, sondern erst am 10.11.2004 beendet worden sei.
Mit seiner am 10.12.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger die Ansprüche auf Zahlung von 1.538,-- € brutto als Vergütung für den Zeitraum vom 16.10. bis 10.11.2004 und den offenen Nettobetrag für August in Höhe von 556,93 € netto. Mit beim Arbeitsgericht am 09.02.2005 eingegangener Klageerweiterung vom 08.02.2005 macht er den Anspruch auf Zahlung des Restbetrages für die erste Hälfte Oktober in Höhe von 461,50 € netto geltend.
Durch Urteil vom 20.07.2005 hat das Arbeitsgericht den Beklagten nach Beweisaufnahme verurteilt, an den Kläger 1.583,-- € brutto nebst Zinsen sowie 461,50 € netto nebst Zinsen zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach der durchgeführten Beweisaufnahme sei die Kammer nicht davon überzeugt, dass die Kündigung vom 30.09.2004 dem Kläger bereits am 30.09.2004 übergeben worden sei und damit das Arbeitsverhältnis zum 15.10.2004 beendet habe. Nach der vom Kläger zugestandenen Übergabe am 27.10.2004 sei das Arbeitsverhältnis damit erst zum 10.11.2004 beendet worden, woraus sich der Zahlungsanspruch in Höhe von 1.583,-- € brutto ergebe. Die weitere Arbeitsentgeltforderung in Höhe von 461,50 € netto für die erste Hälfte Oktober 2004 bestehe zu Recht. Der Beklagte sei nicht zum Einhalt dieser unstreitigen Lohnforderung wegen fehlender Paletten berechtigt gewesen. Der Anspruch auf Auszahlung des restlichen Lohnes und der Spesen für den Monat August 2004 in Höhe von 556,93 € netto sei aufgrund der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist jedoch verfallen. Das Geltendmachungsschreiben vom 26.11.2004 wahre die in § 12 des Arbeitsvertrages vereinbarte Frist von zwei Monaten nach Fälligkeit nicht. Zwar handele es sich um eine Formularabrede, die der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB unterliege. Gegen die Dauer der Frist von zwei Monaten beständen jedoch keine durchgreifenden Bedenken.
Dieses Urteil, in dem die Berufung für den Kläger zugelassen worden ist, ist beiden Parteien am 04.08.2005 zugestellt worden. Der Kläger hat hiergegen am 30.08.2005 Berufung eingelegt und diese am 28.09.2005 begründet.
Der Kläger begründet seine Berufung damit, dass eine zweimonatige arbeitsvertragliche Ausschlussfrist einer Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff BGB nicht standhalte.
Die Berufungsschrift des Beklagten ist am 15.08.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangen, seine Berufungsbegründung am 11.10.2005. Mit Schriftsatz vom 21.10.2005 erwiderte der Beklagte auf die Berufung des Klägers. Durch gerichtliches Schreiben vom 26.10.2005 wurde er darauf hingewiesen, dass seine Berufung nicht fristgerecht begründet worden sei. Mit Schriftsatz vom 04.11.2005, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 08.11.2005, beantragt der Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Der Beklagte begründet sein Wiedereinsetzungsgesuch damit, dass sein Prozessbevollmächtigter wegen einer plötzlich auftretenden Arbeitsüberlastung eine Berufungsbegründung nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist habe abgeben können. Vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist habe er daraufhin die weitere Bearbeitung an den in der Kanzlei seit dem 01.04.2005 als freien Mitarbeiter tätigen Rechtsanwalt E1xxx weitergegeben mit der Maßgabe, einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zu stellen und die Berufungsbegründung vorzubereiten. Rechtsanwalt E1xxx habe es jedoch unterlassen, rechtzeitig einen Verlängerungsantrag beim Landesarbeitsgericht zu stellen und vielmehr sofort eine Berufungsbegründung vorgenommen, die schließlich mit Schriftsatz vom 11.10.2005, der durch Rechtsanwalt E1xxx unterzeichnet worden sei, an das Landesarbeitsgericht übersandt worden sei. Das Verschulden von Rechtsanwalt E1xxx könne seinem, des Beklagten, Prozessbevollmächtigten nicht zugerechnet werden, da Rechtsanwalt E1xxx als freier Mitarbeiter in dieser Angelegenheit lediglich als Hilfsarbeiter herangezogen worden sei. Im Übrigen enthielte bereits die Berufungsschrift eine ausreichende Berufungsbegründung. Die Berufung richte sich ausschließlich gegen die Art und Weise der durchgeführten Beweiswürdigung. Dieses Anliegen gehe aus der Berufungsschrift hervor.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat sich der Beklagte darauf bezogen, dass, wenn die Berufung nicht als zulässig angesehen würde, sie als Anschlussberufung zu werten sei.
Der Kläger beantragt:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 20.07.2005 ( 1 Ca 1970/04) abgeändert, soweit das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hat, und der Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 556,53 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2004 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Detmold vom 20.07.2005 - 1 Ca 1970/04 - die Klage insgesamt abzuweisen und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise sie zurückzuweisen.
Der Beklagte führt zur Begründung seines Berufungszurückweisungsantrags im Einzelnen die Gründe an, die zu einem Schaden durch den Kläger geführt hätten.
Zum weiteren Sachvortrag der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I
Die Berufung des Klägers ist zulässig.
Sie ist aufgrund der Zulassung durch das Arbeitsgericht an sich statthaft (§ 64 Abs. 2 a i.V.m. Abs. 3, 3 a ArbGG) sowie in der rechten Frist und Form eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).
Sie hat in der Sache auch Erfolg.
Der Beklagte ist verpflichtet, das von dem Lohnanspruch des Klägers für August 2004 einbehaltene Entgelt in Höhe von 139,33 € sowie die einbehaltenen Spesen in Höhe von 417,60 € an den Kläger auszuzahlen. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob dem Beklagten die geltend gemachten Ansprüche tatsächlich zustehen. Die von ihm vorgenommene Aufrechnung scheitert bereits daran, dass sie die gesetzlichen Vorschriften über pfändungsfreie Forderungen nicht beachten (§§ 850 c ZPO, 850 a Nr. 3 ZPO). Damit ist die vorgenommene Aufrechnung nach § 394 Satz 1 BGB unwirksam.
Für den Kläger, der wie der Eintragung der Lohnsteuerklasse IV in die Lohnsteuerkarte zu entnehmen ist, mindestens einer Person gegenüber unterhaltsverpflichtet ist, besteht hinsichtlich seiner Lohnforderungen Pfändungsfreiheit bis zu einem Betrag von 1.280,-- € monatlich. Sein Nettoverdienst für August 2004 betrug demgegenüber lediglich 1.263,05 €, blieb damit unter der gesetzlichen Pfändungsfreigrenze. Hieraus ergibt sich, dass der vom Lohn vorgenommene Einbehalt in Höhe von 139,33 € an ihn auszuzahlen ist. Nach § 850 a Abs. 1 Nr. 3 ZPO sind Ansprüche, die wegen dem Arbeitnehmer entstandener Aufwendungen bestehen, nicht pfändbar. Dies hat zur Folge, dass der Einbehalt in Höhe von 417,60 € nicht zulässig war. Insgesamt steht dem Kläger damit die Forderung in Höhe von 556,93 € zu, die nach den §§ 288, 291 BGB mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist.
Diese Forderung ist nicht aufgrund der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen verfallen. § 12 des Arbeitsvertrages ist unwirksam. Bei dem schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB. Der Beklagte hat bei Abschluss des Arbeitsvertrages einen Vordruck verwandt.
Durch die einzelvertraglich vereinbarten Ausschlussfristen wird der Kläger unangemessen benachteiligt. Die vereinbarte Ausschlussfrist muss dem Gläubiger eine faire Chance lassen, seine Ansprüche durchzusetzen. Zu berücksichtigen ist, dass zunächst eine formlose Geltendmachung sinnvoll sein kann und dem Vertragspartner Zeit für die Erfüllung oder für eine Erklärung einzuräumen ist. Auch kann der Gläubiger Veranlassung haben, sich mit den vom Schuldner mitgeteilten Gründen für das Ausbleiben der Leistung eingehend auseinander zu setzen. Dies gilt insbesondere für Schadensersatzansprüche, wie sie hier vom Beklagten geltend gemacht worden sind. Er wird in solchen, wie auch in sonstigen schwierigen Fällen in Erwägung ziehen, fachkundigen Rat einzuholen. Die Entscheidung für das richtige Vorgehen ist schon für durchschnittlich vorgebildete Arbeitnehmer schwierig. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil eine leichtfertige schriftliche Geltendmachung von Ansprüchen, vor allem durch einen beauftragten Rechtsanwalt, das Arbeitsverhältnis belasten kann. Aus diesen Gründen muss ausreichend Zeit bleiben, die Chancen und weiteren Konsequenzen der schriftlichen Geltendmachung abzuwägen. Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht in neuester Rechtsprechung eine Frist für die schriftliche Geltendmachung von weniger als drei Monaten im Rahmen einer einzelvertraglichen Ausschlussfrist für unangemessen gehalten (BAG vom 28.09.2005 - 5 AZR 52/05 - NJW 2005, 3305). Benachteiligt die Klausel den Kläger aber unangemessen und ist sie deshalb unwirksam, so richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften, § 306 c Abs. 2 BGB.
II
Die Berufung des Beklagten ist unzulässig.
1) Sie ist zwar in der rechten Form, jedoch nicht fristgemäß eingelegt worden. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist für die Begründung der Berufung ist jedenfalls unbegründet.
Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ist die Berufung innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils zu begründen. Der Beklagte hätte bei einer Zustellung am 04.08.2005 seine fristgerecht eingereichte Berufung bis zum 04.10.2005 begründen müssen. Stattdessen ist seine Berufungsbegründung erst am 11.10.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.
Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor.
Nach § 233 ZPO ist einer Partei bei Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist zu wahren. Nach § 85 Abs. 2 ZPO steht das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich. Die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung sind vom Antragsteller darzulegen und glaubhaft zu machen, § 236 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 294 ZPO.
Zur Schlüssigkeit eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gehört es, dass der Antragsteller einen Verfahrenslauf vorträgt, der ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zweifelsfrei ausschließt (BAG vom 10.01.2003 - 1 AZR 70/02 - AP ZPO 1977 § 233 Nr. 80). Auch eine unzureichende Kanzleiorganisation des beauftragten Rechtsanwalts geht zu Lasten der Partei, soweit die Pflichtverletzung für die Fristversäumung ursächlich geworden ist (vgl. BAG vom 30.05.2001 - 4 AZR 271/00 - AP ZPO 1977 § 333 Nr. 74). Liegen mehrere Ursachen vor, genügt es, dass der Beitrag des Prozessbevollmächtigten mitursächlich geworden ist.
Nach diesen Grundsätzen kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht. Die vom Beklagten vorgetragenen Wiedereinsetzungsgründe vermögen schon im Sinne einer Glaubhaftmachung nicht zu überzeugen. Danach hätte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten vor Ablauf der Begründungsfrist die weitere Bearbeitung an den in der Kanzlei als freier Mitarbeiter tätigen Rechtsanwalts E1xxx mit der Maßgabe weitergegeben, einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zu stellen und die Berufungsbegründung vorzubereiten. Es fällt jedoch auf, dass Rechtsanwalt E1xxx bereits die Berufungsschrift selbst und nicht Rechtsanwalt Dr. B4xxxx, der den Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren vertreten hatte, unterzeichnet hat. Dies spricht bereits für einen Wechsel in der Person des die Sache in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Beklagten bearbeitenden Rechtsanwalts. Während erstinstanzlich Rechtsanwalt Dr. D5xxxx O1xx B4xxxx der Sachbearbeiter war, dürfte zweitinstanzlich die Sachbearbeitung auf Rechtsanwalt E1xxx übergegangen sein. Dem entspricht es, dass im erstinstanzlichen Verfahren das Geschäftszeichen der Prozessbevollmächtigten des Beklagten ein "DB" enthielt, was auf den Rechtsanwalt Dr. D5xxxx O1xx B4xxxx hindeutet, während im zweitinstanzlichen Verfahren im Geschäftszeichen die Buchstaben "CE" enthalten sind, die für Rechtsanwalt C1xxxxx E1xxx stehen dürften. Dieses Geschäftszeichen ist bereits bei der Einlegung der Berufung verwandt worden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht konnte der Unterbevollmächtigte der Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu diesen Fragen keine Angaben machen.
Darüber hinaus ist nicht erkennbar, dass die Kanzleiorganisation der beauftragten Rechtsanwälte den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Fristenkontrolle genügt.
Nach den zur anwaltlichen Fristenkontrolle entwickelten Grundsätzen hat der Rechtsanwalt alles ihm Zumutbare zu tun, damit die Fristen zur Einlegung und Begründung eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs gewahrt werden. Hierzu gehört eine ordnungsgemäße Postausgangskontrolle. Wäre diese vorhanden gewesen, so wäre am Tag des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist festgestellt worden, dass die Frist nicht gelöscht worden war. Der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist hätte ohne weiteres noch gestellt werden können.
Nicht zu folgen ist dem Beklagten darin, dass die Berufungsschrift selbst eine Berufungsbegründung enthält. Die Berufungsschrift besteht lediglich aus der Erklärung, dass Berufung eingelegt wird und aus einem angekündigten Antrag. Es versteht sich auch nicht von selbst, dass mit der Einlegung der Berufung das Urteil des Arbeitsgerichts in seinen maßgeblichen Ausführungen, der Beweiswürdigung, angegriffen wird. Ohne weiteres denkbar wäre das Vorbringen neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel in den Grenzen des § 67 ArbGG. Unabhängig hiervon erfordert das Gesetz neben der Einlegung der Berufung nach § 519 ZPO in § 520 Abs. 3 ZPO eine ausreichende Berufungsbegründung.
2) Die Berufung des Beklagten ist auch nicht als Anschlussberufung zulässig.
Nach § 524 Abs. 1 ZPO kann sich der Berufungsbeklagte der Berufung anschließen und erfolgt die Anschließung durch Einreichung der Berufungsanschlussschrift bei dem Berufungsgericht. Sie ist zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung (§ 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Diese Frist ist zwar durch die am 11.10.2005 eingegangene Berufungsbegründung gewahrt. Die Berufungsbegründungsschrift enthält jedoch keine Erklärung, die erkennen ließe, dass das Rechtsmittel als Anschlussberufung zu behandeln sei.
Bei der Auslegung von Prozesshandlungen gilt zwar grundsätzlich ein großzügiger Maßstab. Es kommt insbesondere nicht entscheidend darauf an, welcher Bezeichnung sich eine Partei bedient. Eine hieran orientierte weite Auslegung von Prozesshandlungen findet jedoch dort ihre Grenze, wo es darum geht, Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu bewahren. Ob der Rechtsmittelführer trotz andersartiger Bezeichnung erkennbar das Richtige gemeint hat oder es unzweifelhaft ist, ist unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, wie das Gericht und der Prozessgegner die Prozesserklärung auffassen mussten (BAG vom 08.09.1998 -3 AZR 368/98 - NZA 1999, 611 m.w.N.). Danach gilt auch für die Anschlussberufung, dass im Allgemeinen an das Erfordernis einer Anschließungserklärung keine strengen Anforderungen zu stellen sind; sie kann auch stillschweigend geschehen oder den Umständen zu entnehmen sein. Es muss sich aber mindestens im Wege der Auslegung ermitteln lassen, dass eine Anschließung gewollt ist (BGH vom 06.05.1987 - IV B ZR 51/86 - NJW 1987, 829; vgl. auch BGH vom 30.04.2003 - V ZB 71/02 - NJW 2003, 2388).
Der Berufungsbegründung des Beklagten vom 11.10.2005 sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die selbstständige Berufung des Beklagten gegebenenfalls als Anschlussberufung angesehen werden soll. Es handelt sich ausdrücklich um die Begründung der mit Schriftsatz vom 12.08.2005 eigenständig eingelegten Berufung des Beklagten. Das weitere prozessuale Verhalten des Beklagten widerspricht zudem der Annahme, es solle jedenfalls eine Anschlussberufung eingelegt werden. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 04.11.2005 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Erkennbar kam es ihm darauf an, seine Berufung unabhängig von dem Rechtsmittel des Klägers durchzuführen. Nach neuem Zivilprozessrecht kann sich der Berufungsbeklagte entweder der Berufung des Gegners anschließen oder selbstständig Berufung einlegen. Schließt er sich der Berufung des Gegners an, so verliert diese Anschließung nach § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung, wenn der Berufungskläger die Berufung zurücknimmt.
Allerdings wird vertreten, dass dann, wenn beide Parteien eigenständig Berufung einlegen, aber eine der wechselseitigen Berufungen als selbstständige Berufung unzulässig ist, diese vom Gericht mangels gegenteiliger Anhaltspunkte als Anschlussberufung auszulegen sei (vgl. Schwab, FA 2006, 130). Dies soll sogar gelten, wenn eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt wird. Dem ist jedoch nicht zu folgen. Bei einer solchen Auffassung würde die Grenze von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nicht gewahrt, wie im Entscheidungsfall deutlich wird. Erst durch das Urteil des Berufungsgerichts, in dem über die Begründetheit der Berufung des Klägers entschieden worden ist, ist zugleich der Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten zurückgewiesen worden, woraus sich die Unzulässigkeit seiner Berufung ergab. Bei einem solchen, prozessual zulässigen Verfahren, verbleibt für eine Auslegung der unzulässigen Berufung als Anschlussberufung kein Raum. Andernfalls wären die Rechte der Gegenpartei nicht hinreichend gewahrt, wie der vorliegende Fall verdeutlicht. Im Fall einer zweifelsfreien Anschlussberufung hätte es der Kläger in der Hand gehabt, die Erfolgsaussichten dieses Rechtsmittels zu bewerten und hätte bei einer Abwägung unter Umständen von der Durchführung des eigenen Berufungsverfahrens abgesehen, sodass die Anschlussberufung ihre Wirkung verloren hätte. Diese prozessualen Möglichkeiten werden der Partei ohne ihr Verschulden genommen.
Die in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht abgegebene und zu Protokoll genommene Erklärung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten, die unzulässige Berufung sei als Anschlussberufung zu werten, vermag die Zulässigkeit als Anschlussberufung dagegen deshalb nicht zu begründen, weil diese Erklärung nicht fristgerecht abgegeben worden ist. Nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist die Anschließung an die Berufung des Prozessgegners nur bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung der Berufungsbegründung zulässig. Diese ist am 30.09.2005 erfolgt, die Frist für die Anschlussberufung war am 11.05.2006 also schon lange verstrichen.
III
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Ende der Entscheidung
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