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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 07.04.2005
Aktenzeichen: 16 Sa 1880/04
Rechtsgebiete: SGB IV
Vorschriften:
SGB IV § 26 | |
SGB IV § 28 g |
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 25.08.2004 - 6 (7) Ca 437/04 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt die Auszahlung von Arbeitsentgelt in Höhe eines Nettobetrages von 63,72 €, das die Beklagte mit dem November-Gehalt 2003 einbehalten hat.
Die Klägerin ist seit dem 01.04.1998 bei der Beklagten als Verwaltungsangestellte beschäftigt. Sie erzielt ein monatliches Gehalt von 2.688,46 €. Bei der Beklagten handelt es sich um eine Evangelische Stiftung des Privaten Rechts, die dem Diakonischen Werk angeschlossen ist. Arbeitsvertraglich ist die Anwendung des Bundesangestellten-Tarifvertrages in der für die Angestellten der Evangelischen Kirche von Westfalen geltenden Fassung (BAT-KF) vereinbart worden. Nach § 46 BAT-KF ist die Klägerin bei der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse Rheinland-Westfalen für eine betriebliche Altersvorsorge zusatzversichert.
Die Kirchlichen Zusatzversorgungskassen haben mit Wirkung vom 01.01.2002 das Prinzip der abschnittsgedeckten Umlagefinanzierung durch ein Kapitaldeckungssystem abgelöst. Während die Umlagen zu dem früheren System steuer- und sozialversicherungspflichtig waren, gilt dies für die Beiträge zu einem kapitalgedeckten Betriebsrentensystem nicht. Für die einzelnen Kirchlichen Zusatzversorgungskassen sind die Satzungsänderungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten in der zweiten Jahreshälfte 2002 in Kraft getreten. Im Rahmen der Systemumstellung beauftragte die Kirchliche Zusatzversorgungskasse Darmstadt den Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Wirtschaftsrecht III der Universität Münster, Prof. Dr. S7xxxxxxxx, mit der Erstellung eines Gutachtens zur Frage der Rückerstattung von Sozialversicherungsbeiträgen. Dieses kam - wie ein weiteres zu der strittigen Frage eingeholtes Gutachten , das dem Gericht nicht bekannt ist - zu dem Ergebnis, dass grundsätzlich eine Erstattungsmöglichkeit bestehe. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf das überreichte Kurzgutachten Bl. 71 - 80 d.A. verwiesen. Es wurde der für die Beklagte zuständigen Kirchlichen Zusatzversorgungskasse mit einem Anschreiben aus September 2002 übermittelt. Mit der Gehaltsabrechnung für November 2002 erstattete die Beklagte ihren Mitarbeitern anteilige Sozialversicherungsbeiträge für das Jahr 2002, was im Fall der Klägerin 521,77 € brutto ausmachte.
Anders als das Ergebnis der eingeholten Gutachten vertraten die Träger der Sozialversicherung die Auffassung, dass eine rückwirkende Sozialversicherungsfreiheit nicht gegeben sei und lehnten eine Erstattung der zunächst von der Beklagten abgeführten Sozialversicherungsbeiträge ab. Die Beklagte veranlasste die Unterrichtung von 9740 Mitarbeitern über diesen Sachverhalt durch Schreiben vom 17.02.2003 (Bl. 37 d.A.), welches den Gehaltsmitteilungen beigefügt werden sollte. Ob die Klägerin ein solches Schreiben tatsächlich erhalten hat, ist zwischen den Parteien streitig. In diesem Schreiben teilte sie außerdem mit, dass sie beabsichtige, diese Frage auf dem Rechtsweg zu klären und wies darauf hin, dass sie für den Fall, dass sich die Sozialversicherungsträger mit ihrer Auffassung durchsetzten, den erstatteten Anteil an den Sozialversicherungsbeiträgen wieder vom Lohn oder Gehalt abziehen und an die Sozialversicherungsträger abführen müsste.
Am 15.07.2003 fand zur Frage der Rückerstattung von Sozialversicherungsbeiträgen im Zusammenhang mit der Umstellung der Versorgungssysteme im Kirchlichen Bereich ein Gespräch zwischen Vertretern der Sozialversicherungsträger und u.a. der Evangelischen und Katholischen Kirche statt. Es wurde eine Einigung dahingehend erzielt, dass das Datum der ersten staatlichen Genehmigung einer Satzungsänderung für die Rückzahlung der verrechneten Beiträge zur Sozialversicherung maßgeblich sein solle, wobei es sich um einen Bescheid vom 17.06.2002 handelte. Aufgrund dieses Datums wurde eine Beitragspflicht für die Monate Januar bis Juni 2002 festgelegt. Die ab Juli 2002 abgeführten Sozialversicherungsbeiträge sollten erstattet werden. Diese Vereinbarung, zu deren Einzelheiten auf den Besprechungsvermerk vom 01.09.2003 (Bl. 17 - 20 d.A.) verwiesen wird, wurde durch die mit Schreiben vom 01.09.2003 erteilte Zustimmung der Sozialversicherungsträger wirksam.
Mit der Abrechnung für November 2003 (Bl. 96 d.A.) verrechnete die Beklagte einen Bruttobetrag von 313,09 € auf das Gehalt der Klägerin und kürzte die Nettobezüge um 63,72 €. Mit Schreiben vom 10.12.2003 forderte die Klägerin die Beklagte zur Auszahlung dieses Betrages auf, was die Beklagte unter dem 29.12.2003 (Schreiben Bl. 87 d.A.) ablehnte. Mit ihrer am 09.02.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.
Durch Urteil vom 25.08.2004 hat das Arbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung von 63,72 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.02.2004 verurteilt und ihr die Kosten die Rechtsstreits auferlegt. Es hat die Berufung gegen dieses Urteil für die Beklagte zugelassen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass die Beklagte nach § 28 g Satz 1 SGB IV nicht berechtigt gewesen sei, den strittigen Betrag von dem November-Gehalt abzuziehen oder in Höhe dieser Forderung gegen den Vergütungsanspruch der Klägerin für den Monat November aufzurechnen. Im November 2003 seien mehr als drei Monate seit dem 30.06.2002 verstrichen gewesen. Die Beklagte treffe ein Verschulden, da sie sich vor Erstattung der bereits abgezogenen Arbeitnehmeranteile bei den Sozialversicherungsträgern wegen einer Rückerstattung hätte erkundigen können. Außerdem sei ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen Überzahlung im November 2002 nach der in § 70 BAT-KF geregelten Ausschlussfrist von sechs Monaten ab Fälligkeit verfallen gewesen. Das Schreiben vom 17.02.2003 genüge nicht den an eine schriftliche Geltendmachung zu stellenden Anforderungen.
Gegen dieses, ihr am 17.09.2004 zugestellte Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands verwiesen wird, hat die Beklagte am 07.10.2004 Berufung eingelegt und diese am 11.11.2004 begründet.
Sie ist der Ansicht, § 28 g SGB IV sei für den hier in Frage stehenden Abzug nicht einschlägig. Sie habe im November 2002 die zunächst einbehaltenen Sozialversicherungsbeiträge ohne Rechtsgrund erstattet und könne diese deshalb nach § 812 Abs. 1 BGB zurückverlangen. Dieser Anspruch scheitere nicht an der Verfallklausel des § 70 BAT-KF. Zwar seien Gehaltsüberzahlungen in der Regel bereits im Zeitpunkt der Überzahlung zur Rückzahlung fällig. Besondere Umstände könnten aber dazu führen, dass Entstehungs- und Fälligkeitszeitpunkt auseinander fielen. Sie seien im vorliegenden Fall gegeben, da sie, die Beklagte, sich auf die von den Zusatzversorgungskassen eingeholten Gutachten hätte verlassen können. Im Übrigen wäre eine Geltendmachung durch das Schreiben vom 17.02.2003 rechtzeitig erfolgt. Dieses Schreiben sei der Klägerin mit der Gehaltsmitteilung übermittelt worden. Den Ausführungen in der Klageschrift sei zu entnehmen, dass der Klägerin der Inhalt dieses Schreibens bekannt gewesen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 25.08.2004 - 6 (7) Ca 437/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt im Übrigen vor, dass ihre Ausführungen in der Klageschrift auf dem Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 29.12.2003 basierten.
Zum weiteren Sachvortrag der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Auszahlung restlichen Arbeitsentgelts nicht zu. Die Beklagte war berechtigt, wegen ihres Erstattungsanspruchs einen Einbehalt vom Gehalt der Klägerin für November 2003 zu machen.
I
Die Beklagte kann ihren Anspruch auf § 28 g Satz 1 SGB IV stützen.
1. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber gegen den Beschäftigten einen Anspruch auf den vom Beschäftigten zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrages. § 28 e Abs. 1 Satz 1 SGB IV verpflichtet den Arbeitgeber, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen. Er allein ist damit Schuldner des Gesamtsozialversicherungsbeitrages, obwohl die Beiträge für versicherungspflichtige Beschäftigte zu den einzelnen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung - mit Ausnahme der Unfallversicherung - vom Arbeitgeber und vom Beschäftigten gemeinsam zu tragen sind. Zum Ausgleich seiner vollen Beitragsschuld gegenüber der Einzugsstelle, also einschließlich des Beitragsanteils des Beschäftigten, gibt § 28 g Satz 1 SGB IV dem Arbeitgeber einen Anspruch gegen den Beschäftigten auf den von diesem zu tragenden Beitragsanteil (Hauck/Haines, Sozialgesetzbuch IV, § 28 g RdNr. 1, 3).
2. Der Ausgleichsanspruch nach § 28 g SGB IV stellt eine abschließende Regelung der Rückerstattung der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitnehmeranteile dar. Andere Formen der Rückerstattung sind grundsätzlich ausgeschlossen, wie das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung annimmt (vgl. BAG vom 14.01.1998 - 8 AZR 238/85 - DB 1988, 1850; vom 08.12.1981 - 2 AZR 71/79 - DB 1982, 910; s. auch BAG vom 16.03.1994 - 2 AZR 111/93 - zit. nach JURIS; LAG Rheinland-Pfalz vom 26.08.1999 - 4 Sa 430/99 - zit. nach JURIS; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 11. Aufl. § 71 RdNr. 28). § 28 g SGB IV ist dem verfahrensrechtlichen Teil des öffentlich-sozialversicherungsrechtlichen Versicherungsverhältnisses zuzuordnen (vgl. LSG-Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.11.1999 - L 4 KR 2910/99 B; BSG vom 07.06.1979 - Az 12 RK 13/78 -,48, 195, 197). Er dient dem Schutz des Arbeitnehmers, indem er den Rückerstattungsanspruch in der Regel nur noch durch Abzug vom Arbeitsentgelt zulässt, wodurch dieser nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses - abgesehen von der Ausnahme des Satzes 4 - ausgeschlossen ist. Dies hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer Rückerstattungsansprüche in der Regel nicht unmittelbar aus seinem Vermögen zu begleichen hat. Durch die Bindung an einen Zeitraum von drei Monaten, in dem eine unterbliebene Abführung der Arbeitnehmerbeiträge durch Lohnabzug nach Satz 3 nur noch nachgeholt werden kann, ist der Arbeitnehmer außerdem vor einer Anhäufung von Ansprüchen geschützt.
3. Der Ausgleichsanspruch der Beklagten ist im Rahmen dieses verfahrensrechtlichen Systems zu beurteilen:
Bei den mit der Lohnabrechnung für November 2003 einbehaltenen Beträgen handelt es sich um den von der Klägerin zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrages. Es geht nicht um die Rückforderung einer bloßen Überzahlung, die die Beklagte im November 2002 vorgenommen hätte.
Freilich fordert die Beklagte einen Teil der Auszahlung von November 2002 - von 521,77 € brutto bzw. 105,29 € netto einen Betrag von 313,09 € brutto bzw. 63,72 € netto - zurück. Die im November 2002 geleistete Zahlung hatte ihren Grund jedoch darin, dass die Beklagte ihrerseits gegenüber den Sozialversicherungsträgern eine Erstattung der seit Januar 2002 geleisteten Sozialversicherungsbeiträge für die kirchliche Zusatzversorgung verlangt hat. Zu Unrecht entrichtete Beiträge sind nach § 26 Abs. 2 SGB IV zu erstatten, wobei der Erstattungsanspruch demjenigen zusteht, der die Beiträge getragen hat. Zwar ist, wie oben ausgeführt, der Arbeitgeber Beitragsschuldner und verpflichtet, alle Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Nach § 26 Abs. 3 Satz 2 SGB IV entfällt sein Anspruch jedoch, soweit Beiträge, die er getragen hat, von einem Dritten ersetzt worden sind, was für vom Entgelt des Arbeitnehmers einbehaltene Sozialversicherungsbeiträge zutrifft (vgl. BAG vom 29.03.2001 - 6 AZR 653/99 - NZA 2003, 105 m.w.N.). Die Auszahlung der Sozialversicherungsbeiträge an die Klägerin im November 2002 diente demnach dem Zweck, die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge insgesamt, also auch hinsichtlich der Arbeitnehmeranteile, gegenüber den Sozialversicherungsträgern durchsetzen zu können. Durch dieses Vorgehen befreite die Beklagte die Klägerin und die mit ihr betroffenen Arbeitnehmer davon, ihrerseits ihre Ansprüche, die im Ergebnis für die Klägerin eine Erstattung von 208,60 € brutto bzw. 41,57 € netto ausgemacht haben, gegen die Sozialversicherungsträger durchsetzen zu müssen. Es diente damit den Interessen der Arbeitnehmer der Beklagten. Es darf bezweifelt werden, dass alle Betroffenen in der Lage gewesen wären, etwaige Erstattungsansprüche eigenständig durchzusetzen. Ist aber die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge an die Klägerin im November 2002 notwenige Voraussetzung für die Geltendmachung der Erstattungsansprüche auch zugunsten der Klägerin gegenüber den Sozialversicherungsträgern durch die Beklagte, so erweist sie sich als Teil des im SGB IV geregelten sozialversicherungsrechtlichen Verfahrens.
4. Mit dem - erneuten - Einbehalt eines Teilbetrages der nach der Einigung mit den Sozialversicherungsträgern geschuldeten Arbeitnehmerbeiträge hat die Beklagte den Ausgleichsanspruch nach § 28 g SGB IV fristgerecht geltend gemacht.
Dies ist durch Abzug vom Arbeitsentgelt der Klägerin geschehen. Damit sind die Voraussetzungen des § 28 g Satz 2 SGB IV erfüllt.
Im Ergebnis nicht zu entscheiden ist, ob auf die vorliegende Fallgestaltung § 28 g Satz 3 SGB IV anzuwenden ist. Dies erscheint deshalb zweifelhaft, weil nach dieser Vorschrift ein "unterbliebener Abzug" nur in den nächsten drei Lohn- und Gehaltszahlungen nachgeholt werden darf, die Beklagte im vorliegenden Fall den Abzug aber zunächst ordnungsgemäß vorgenommen, ihn später lediglich teilweise erstattet hatte. Der Dei-Monats-Zeitraum des § 28 g Satz 3 SGB IV war mit der Einbehaltung im November 2003 jedenfalls gewahrt.
Die Auszahlung eines Teils der zuvor einbehaltenen Sozialversicherungsbeiträge war notweniger Teil eines mit den Sozialversicherungsträgern geführten Erstattungsverfahrens, das erst mit der am 01.09.2003 wirksam gewordenen Einigung vom 15.07.2003 abgeschlossen war. Hierbei handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrag nach §§ 53, 54 SGB X. Danach kann auch im öffentlich-sozialversicherungsrechtlichen Verfahren ein Vergleich geschlossen werden, der anstelle eines sonst durch die Behörde zu erlassenden Verwaltungsaktes tritt. Die Behörde ist ermächtigt, einen Vergleich zu schließen, wenn durch diesen Vergleich eine bei verständiger Würdigung des Sachverhaltes oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt wird und die Behörde den Abschluss des Vergleichs zur Beseitigung der Ungewissheit nach pflichtgemäßen Ermessen für zweckmäßig hält. Diese Voraussetzungen sind im Entscheidungsfall erfüllt.
Dem durch die Beklagte überreichten Kurzgutachten des Prof. Dr. S7xxxxxxxx ist die Auffassung zu entnehmen, dass die abgeführten Sozialversicherungsbeiträge zu erstatten waren. Demgegenüber haben sich die Sozialversicherungsträger auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts zu ihrer gegenteiligen Auffassung bezogen. Welche Rechtsauffassung zutrifft, wäre durch langjährige sozialgerichtliche Verfahren zu klären gewesen. Auch im Hinblick auf die praktischen Probleme, die angesichts der Vielzahl von Arbeitgebern - nach dem vorliegenden Besprechungsprotokoll 60.000 - sowie Arbeitnehmern - etwa 1 Million - bei Durchführung solcher Rechtsstreite aufgetreten wären, erscheint die Eingehung eines Kompromisses sachgerecht.
Für die hier zu entscheidende Frage kommt es nicht darauf an, ob dieser Vergleich auch im Hinblick auf die Klägerin wirksam geworden ist. Nach § 57 Abs. 1 SGB X wird zwar ein öffentlich rechtlicher Vertrag, der in Rechte eines Dritten eingreift, erst wirksam, wenn der Dritte schriftlich zustimmt. Ein Eingriff in Rechte Dritter im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn sich Vertragspartner zu einem Verhalten verpflichten, durch das subjektiv-öffentlich-rechtliche Rechte Dritter beeinträchtigt werden (von Wulffen/Engelmann, SGB X, § 57 RdNr. 4). Die Klägerin hat nicht geltend gemacht, dass ein solcher Eingriff vorläge. Dies würde voraussetzen, dass ihr ein weitergehender Erstattungsanspruch zustände, worauf sie sich nicht berufen hat. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Erstattungsanspruch in Höhe der gefundenen Einigung zutreffend ist. Entsprechend diesem Kompromiss ist die Beklagte innerhalb des Drei-Monats-Zeitraums verfahren.
II
Die Beklagte könnte den einbehaltenen Betrag jedoch auch dann beanspruchen, wenn die Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht vorzunehmen wäre.
1. Die Beklagte hat im November 2002 einen Teil der erstatteten Sozialversicherungsbeiträge ohne Rechtsgrund geleistet (§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB).
Allerdings steht nicht abschließend fest, in welcher Höhe tatsächlich Rechtsansprüche auf Erstattung der bereits abgeführten Sozialversicherungsbeiträge bestanden. An die mit den Sozialversicherungsträgern getroffene Einigung ist die Klägerin, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, nicht ohne weiteres gebunden. Andererseits steht jedoch auch nicht fest, dass ein Erstattungsanspruch in Höhe der von der Beklagten zunächst vorgenommenen Erstattung besteht. Die Beklagte hat umfangreich zur rechtlichen Auseinandersetzung mit den Sozialversicherungsträgern und zu der gefundenen Einigung vorgetragen. Demgegenüber hat die Klägerin nicht geltend gemacht, dass sie einen höheren Erstattungsanspruch gegen die Sozialversicherungsträger besäße als er durch die getroffene Einigung festgestellt worden ist. Damit ist davon auszugehen, dass die von der Beklagten im November 2002 vorgenommene - überschießende - Erstattung ohne Rechtsgrund geleistet worden ist.
2. Dieser Rückforderungsanspruch der Beklagten ist nicht nach § 70 Abs. 1 BAT-KF verfallen. Danach verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht worden sind.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird der Anspruch des Arbeitgebers auf Rückzahlung überzahlter Vergütungsbeträge in der Regel bereits im Zeitpunkt der Überzahlung fällig, wenn die Vergütung fehlerhaft berechnet worden ist, obwohl die maßgebenden Umstände bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen. Die zuviel gezahlte Summe kann sofort zurückverlangt werden. Auf die Kenntnis des Arbeitgebers von seinem Rückzahlungsanspruch kommt es nicht an. Fehler bei der Berechnung der Löhne fallen im Normalfall in seine Sphäre (vgl. zuletzt, BAG vom 19.02.2004 - 6 AZR 664/02 - ZTR 2004, 539 m.w.N.).
Bei einer Gehaltszahlung können jedoch besondere Umstände dazu führen, dass Entstehens- und Fälligkeitszeitpunkt des Rückzahlungsanspruchs nicht übereinstimmen. Solche liegen im Entscheidungsfall vor.
Vorliegend bestand zwischen den kirchlichen Arbeitgebern und den Sozialversicherungsträgern ein Streit über die Höhe der rückzuerstattenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge. Zum Zeitpunkt der von der Beklagten vorgenommenen Erstattung im November 2002 war die Frage, ob und in welcher Höhe ein Erstattungsanspruch gegen die Sozialversicherungsträger bestand, offen. Dieser Streit ist erst mit der Einigung zwischen den kirchlichen Arbeitgebern und den Sozialversicherungsträgern zum Abschluss gekommen. Erst durch diesen öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrag ist der Rückzahlungsanspruch der Beklagten auch fällig geworden. Fälligkeit im Sinne tariflicher Ausschlussfristen tritt erst ein, wenn es dem Gläubiger praktisch möglich ist, seinen Anspruch geltend zu machen. Erst wenn er überhaupt in der Lage ist, den Anspruch zu verfolgen, kann von ihm eine Geltendmachung nach Maßgabe der tariflichen Ausschlussfristen verlangt werden (BAG vom 19.02.2004, aaO., s. auch LAG Berlin vom 07.10.1998 - 17 Sa 53/98 - ZTR 1999, 169 LS 1-3).
Bei dem vom Arbeitgeber zu entrichtenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag handelt es sich um eine Beitragserhebung, die für den Regelfall eines Festsetzungsbescheides nicht bedarf, weil Grund und Höhe der Beitragspflicht vom Arbeitgeber leicht festgestellt werden können. Werden jedoch Beitragsansprüche nicht rechtzeitig erfüllt, ergehen durch die Einzugsstellen Bescheide zu ihrer Durchsetzung (§ 28 h Abs. 2 SGB IV). Anstelle dieses Bescheides tritt, wie bereits dargestellt, nach §§ 53, 54 SGB X der öffentlich rechtliche Vergleichsvertrag. Erst mit der Einigung bestand für die Beklagte Kenntnis über die Höhe der der Klägerin zustehende Erstattung der abgeführten Arbeitnehmeranteile. Zugleich wurde erst hierdurch deutlich, dass eine Überzahlung stattgefunden hat (vgl. auch BGH vom 23.09.2004 - IV ZR 148/03 - MDR 2005, 89). Bezogen auf den Zeitpunkt der Einigung ist die Ausschlussfrist des § 70 BAT-KF eingehalten.
III
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Revision ist nach § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen worden.
Ende der Entscheidung
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