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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 23.05.2005
Aktenzeichen: 16 Sa 2470/04
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 4 n.F.
Die Beachtung der maßgeblichen Kündigungsfrist bei einer Arbeitgeberkündigung ist nach der Neufassung des § 4 KSchG nicht innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist gerichtlich geltend zu machen.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 19.11.2004 - 10 Ca 4240/04 - teilweise abgeändert. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum 31.12.2004 fortbestanden hat.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren nur noch um die Einhaltung der für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen Kündigungsfristen.

Die am 04.01.1966 geborene Klägerin war bei der Beklagten seit dem 27.05.1986 als Friseurin beschäftigt und deren einzige Arbeitnehmerin. Dem Arbeitsverhältnis liegt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 06.05.1986 zugrunde. Danach richten sie die Arbeitsbedingungen nach dem Manteltarifvertrag für das Friseurhandwerk. Der Manteltarifvertrag für das Friseurhandwerk vom 10.03.1999 ist durch die Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 10.09.1999 für allgemeinverbindlich erklärt worden. Nach § 15 Abs. 2 MTV beträgt bei einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 12 Jahren die Kündigungsfrist beiderseitig fünf Monate zum Schluss eines Kalendervierteljahres.

Mit Schreiben vom 14.06.2004 (Bl. 11 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis wegen Geschäftsaufgabe zum 01.08.2004. Dieses Kündigungsschreiben wurde der Klägerin noch am 14.06.2004 persönlich übergeben. Mit ihrer am 20.07.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangt die Klägerin die Einhaltung der Kündigungsfrist bis zum 31.12.2004. Sie hat außerdem ein Zwischen- und hilfsweise ein Schlusszeugnis verlangt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht hat die Beklagte den klageweise geltend gemachten Anspruch auf ein Zwischen- und Schlusszeugnis anerkannt.

Durch das als Teilanerkenntnis- und Endurteil bezeichnete Urteil vom 19.11.2004 hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, der Klägerin ein Zwischen- und ein Schlusszeugnis zu erteilen, die sich auf Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie auf Führung und Leistung erstrecken und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat es zu 77 % der Klägerin und zu 23 % der Beklagten auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei verpflichtet gewesen, die Frist des § 4 Satz 1 KSchG einzuhalten. Da dies nicht geschehen sei, trete die Fiktionswirkung gemäß § 7 KSchG auch hinsichtlich der falsch berechneten Kündigungsfrist ein.

Gegen dieses, ihr am 07.12.2004 zugestellte Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands verwiesen wird, hat die Klägerin am 30.12.2004 Berufung eingelegt und diese am 07.02.2005 begründet.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Berechnung der Kündigungsfrist weniger den Bestand, als vielmehr die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses betreffe, der Sinn und Zweck des § 4 KSchG dagegen im Wesentlichen darin bestehe, dass sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer alsbald Klarheit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses haben sollten.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 19.11.2004 verkündeten Teilanerkenntnis- und End-Urteils des Arbeitsgerichts Dortmund, AZ.: 10 Ca 4240/04, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 14.06.2004 zum 01.08.2004 beendet wurde, sondern bis zum 31.12.2004 fortbestand.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass bei falsch berechneter Kündigungsfrist in entsprechender Anwendung des § 140 BGB der Kündigungstermin verschoben werde, § 140 BGB die Nichtigkeit und damit Rechtsunwirksamkeit des Rechtsgeschäftes voraussetze. Sie behauptet, dass die Klägerin mit dem gewählten Kündigungstermin einverstanden gewesen und sogar an die Beklagte herangetreten sei. Wegen ihrer Erkrankung habe sie dies nicht vor der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht vortragen können.

Zum weiteren Sachvortrag der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.

Das als Endurteil bezeichnete Schlussurteil des Arbeitsgerichts war abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum 31.12.2004 fortbestanden hat.

I

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist aufgrund der Kündigung der Beklagten nicht bereits am 01.08.2004, sonderst erst mit Ablauf der maßgeblichen Kündigungsfrist am 31.12.2004 beendet worden. Nach dem sowohl kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung als auch aufgrund Allgemeinverbindlichkeit auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findenden Manteltarifvertrag für das Friseurhandwerk vom 10.03.1999 beträgt die Kündigungsfrist für Arbeitnehmer/innen beiderseitig bei der hier vorliegenden Betriebszugehörigkeit von mehr als 12 Jahren fünf Monate zum Schluss eines Kalendervierteljahres. Die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 14.06.2004 ist der Klägerin noch am selben Tag zugegangen, sodass sie das Arbeitsverhältnis erst am 31.12.2004 aufzulösen vermochte.

II

Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin erst mit ihrer am 20.07.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage die Einhaltung der Kündigungsfrist gerichtlich geltend gemacht hat. Die nicht fristgerecht erklärte Kündigung ist nicht dadurch zu dem mit ihr vorgesehenen Kündigungstermin nach § 7 1. Halbsatz KSchG fiktiv wirksam geworden, dass die Klägerin nicht innerhalb der dreiwöchigen Frist des § 4 KSchG Klage erhoben hat.

1. Allerdings findet § 4 KSchG auf das Arbeitsverhältnis der Parteien grundsätzlich Anwendung. Zwar wird der Schwellenwert des § 23 KSchG im Betrieb der Beklagten nicht erreicht, sodass sich die Klägerin nicht auf die Sozialwidrigkeit der Kündigung berufen könnte. Nach der Neufassung des Kündigungsschutzgesetzes mit Wirkung vom 01.01.2004 gelten die §§ 4 - 7, wie sich aus § 23 Satz 2 und 3 KSchG ergibt, jedoch auch für Arbeitsverhältnisse in Kleinbetrieben, auf die das Kündigungsschutzgesetz im Übrigen keine Anwendung findet.

2. Nach einer im Vordringen befindlichen Meinung, der sich das Arbeitsgericht angeschlossen hat, soll die dreiwöchige Anrufungsfrist des § 4 KSchG indes auch dann Anwendung finden, wenn es nur um die Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist geht.

Das Arbeitsgericht hat seine Meinung damit begründet, dass bei einer falsch berechneten Kündigungsfrist § 140 BGB entsprechend Anwendung finde und diese Vorschrift gerade von der Nichtigkeit des ursprünglichen Rechtsgeschäfts ausgehe. Darüber hinaus gebiete die Intention des Gesetzgebers, nach einer bestimmten Zeit Rechtsklarheit zu erzielen, die Anwendbarkeit der Dreiwochenfrist auch für fehlerhaft angegebene Kündigungsfristen. Mit seiner Rechtsauffassung befindet sich das Arbeitsgericht in Einklang mit maßgeblichen Stimmen in der Literatur (Bader, NZA 2004, 65, 68; Löwisch, BB 2004, 154, 159; Zimmer, FA 2004, 34, 36, ErfK/Ascheid, 5. Aufl. 2005, § 4 KSchG RdNr. 2). Auch andere instanzgerichtliche Entscheidungen sind dieser Rechtsmeinung gefolgt (ArbG Stralsund vom 16.11.2004 - 5 Ca 215/04 - ; ArbG Herne vom 24.01.2005 - 2 Ca 4001/04 -). Unter Hinweis auf rechtsmethodische bzw. rechtskonstruktive Fragestellungen werden jedoch auch Zweifel an dieser Rechtsauffassung geäußert bzw. diese abgelehnt (vgl. Bender/Schmidt, NZA 2004, 358, 362; Raab, RdA 2004, 321, 326; Dollmann, BB 2004, 2073, 2077).

3. Die dreiwöchige Klagefrist des § 4 KSchG n.F. ist regelmäßig, so auch im Entscheidungsfall, beim Streit um die Länge der Kündigungsfrist nicht einzuhalten.

Nach § 4 Satz 1 KSchG n.F. muss der Arbeitnehmer, der geltend machen will, dass eine Kündigung aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage beim Arbeitsgericht erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Entscheidend ist demnach, ob bei einer ordentlichen Kündigung, die mit einer zu kurz bemessenen Frist erklärt worden ist, dies ihre Rechtsunwirksamkeit zur Folge hat.

a) Im Ergebnis besteht freilich Einigkeit darüber, dass eine die Kündigungsfrist unterschreitende Kündigungserklärung ihre Wirkung regelmäßig zum nächst zulässigen Kündigungstermin entfaltet (vgl. BAG vom 18.04.1985 - 2 AZR 197/84 - EzA § 622 BGB Nr. 21). Dogmatisch begründet worden ist dieser Auffassung in der Vergangenheit freilich nicht. Während zum Teil ausdrücklich vertreten worden ist, dass eine Verkürzung der Kündigungsfristen nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führe (vgl. APS/Linck, Kündigungsrecht 2000, § 622 BGB RdNr. 66), wird diese Rechtsfolge zum Teil aus einer Umdeutung gewonnen (z.B. ErfK/Müller/Glöge, Arbeitsrecht 2000, § 622 RdNr. 26). Konstruktiv ließe sich nur dann, wenn das Hinausschieben des Kündigungstermins das Ergebnis einer Umdeutung der Kündigungserklärung nach § 140 BGB wäre, begründen, dass die erklärte Kündigung rechtsunwirksam ist und damit überhaupt die Voraussetzungen des § 4 KSchG n.F. erfüllt sind (s. auch Bender/Schmidt, aaO., S 362; Dollmann aaO., S. 2075).

Nach § 140 BGB gilt dann, wenn ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts entspricht, das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde. Umdeutungsfähig sind dabei Rechtsgeschäfte aller Art, also einseitige wie eine Kündigung, was für die Umdeutung einer fristlosen in eine ordentliche Kündigung allgemein anerkannt ist (vgl. etwa BAG vom 18.08.1987 - 2 AZR 599/86 - EzA § 140 BGB Nr. 12; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 123 RdNr. 163).

Zwar spricht § 140 BGB nur von nichtigen Rechtsgeschäften. Die Vorschrift erfasst jedoch nicht nur die vom Gesetz ausdrücklich als nichtig bezeichneten Geschäfte, sondern auch alle übrigen Fälle der Unwirksamkeit. Dagegen macht die bloße Teilnichtigkeit ein Rechtsgeschäft noch nicht umdeutungsfähig. Das ist nur dann der Fall, wenn sie über § 139 BGB zur Gesamtnichtigkeit führt (Staudinger/Roth, BGB 1996, § 140 RdNr. 14; MK-Mayer-Mali-Busche, 4. Aufl., § 140, RdNr. 10, jeweils m.w.N.).

Die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber mit zu kurz bemessener Kündigungsfrist ist aus diesem Grunde nicht als solche rechtsunwirksam, sondern lediglich insoweit, als die maßgebliche Kündigungsfrist nicht beachtet worden ist. Es handelt sich um einen Fall der Teilnichtigkeit im Sinne des § 139 BGB, die nur dann das gesamte Rechtsgeschäft erfasst, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Dem entspricht es, dass in Rechtsprechung und Schrifttum allgemein angenommen wird, dass bei einer zu kurz bemessenen Kündigungsfrist der Kündigungstermin lediglich hinausgeschoben wird.

Die Länge der Kündigungsfrist richtet sich entweder nach § 622 BGB oder nach Tarifverträgen oder nach vertraglichen Vereinbarungen. Es erscheint schon zweifelhaft, ob ein Verstoß gegen eine arbeitsvertraglich vereinbarte Kündigungsfrist die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung als solche erfassen soll. Jedoch ist es auch im Anwendungsbereich gesetzlicher oder tariflicher mit Normwirkung ausgestatteter Kündigungsfristen nicht gerechtfertigt, die Kündigung als solche mit einer Nichtigkeitsfolge zu belegen. Es liegt zwar ein Verstoß gegen ein gesetzliches Gebot vor (§ 134 BGB). Nach § 134 BGB ist ein gesetzwidriges Rechtsgeschäft aber nur nichtig, wenn sich aus dem verletzten Gesetz nichts anderes ergibt. Damit ist der Normzweck der Verbotsnorm festzustellen. Mit Kündigungsfristen und Kündigungsterminen wird die Vertragsbeendigungsfreiheit aus sozialpolitischen Gründen eingeschränkt. Kündigungsfristen bezwecken den Schutz des Vertragspartners, der sich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtzeitig einstellen soll (BAG vom 18.04.1985, aaO.). Sie zielen grundsätzlich in Richtung beider Vertragsparteien. Dem Arbeitgeber soll die Möglichkeit eröffnet werden, zeitnah Personalplanungen anzustellen. Die Schutzbedürftigkeit auch des Arbeitgebers wird vorliegend daraus deutlich, dass nach § 15 Abs. 2 MTV die verlängerten Kündigungsfristen auch für die Kündigung durch den Arbeitnehmer gelten. Dem Arbeitnehmer seinerseits wird eine gewisse Zeit eingeräumt, um ohne wirtschaftliche Nachteile einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Bei zunehmender Betriebszugehörigkeit soll mit verlängerten Kündigungsfristen der temporäre Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses erhöht werden (§ 622 Abs. 2 BGB). Es handelt sich bei § 622 BGB um ein Schutzgesetz, was durch die eingeschränkte Dispositivität der Norm unterstrichen wird. Sie enthält in weiten Teilen zwingendes Recht und gestattet die Abkehr vom gesetzlichen Mindestschutz nur den Tarifpartnern (vgl. Dollmann, aaO., S. 2076 m.w.N.).

Bei einer ordentlichen Kündigung kann danach unterschieden werden, ob diese dem Grunde nach gerechtfertigt ist und ob die maßgeblichen Kündigungsfristen eingehalten worden sind. Diese Unterscheidung hat, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der Vorschrift des § 622 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BGB a.F. festgestellt hatte (vgl. Beschluss vom 16.11.1982 - 1 BvL 16/75 und 1 BvL 36/79 - EzA Art. 3 GG Nr. 13) die arbeitsgerichtliche Praxis über Jahre bestimmt (vgl. hierzu BAG vom 28.01.1985 - 2 AZR 403/83 - EzA § 622 BGB Nr. 22). Hieran wird deutlich, dass die Rechtswirksamkeit einer Kündigung nicht einheitlich festgestellt werden muss und von der Beachtung der maßgeblichen Kündigungsfristen abhängig ist. Dabei lässt es der Normzweck des § 622 BGB sowie auch der maßgeblichen tariflichen Kündigungsfristen ohne weiteres zu, die Nichtigkeitsfolge auf die Kündigungsfristen zu beschränken. Die Wirksamkeit der Kündigung dem Grunde nach wird hiervon nicht umfasst. Dies hat zur Folge, dass nach § 134 BGB eine mit verkürzter Kündigungsfrist erklärte Kündigung nur insoweit nichtig ist, als die maßgebliche Kündigungsfrist nicht beachtet worden ist. Damit kommt § 139 BGB zum Zuge. Diese Vorschrift regelt die geltungserhaltende Reduktion. Nach ihrem Sinn und Zweck ist ein teilweise nichtiges Rechtsgeschäft nach Möglichkeit aufrechtzuerhalten, wenn dies dem hypothetischen Parteiwillen entspricht. Für eine Arbeitgeberkündigung ist grundsätzlich anzunehmen, dass diese mit ex tunc Wirkung aufrechterhalten bleiben soll und ihre Beendigungswirkung zu dem maßgeblichen Kündigungstermin beabsichtigt ist, wenn sich die gewählte Kündigungsfrist als rechtlich nicht haltbar erweist. Sollte dies ausnahmsweise anders und in der Kündigungserklärung zum Ausdruck gebracht worden sein, dass von der Beendigung des Rechtsverhältnisses zu einem bestimmten Termin die Wirksamkeit der Kündigung selbst abhängig sei, der Beendigungstermin damit zum Inhalt der rechtsgeschäftlichen Erklärung gemacht worden ist, so mag in einem solchen Ausnahmefall ein einheitliches Rechtsgeschäft anzunehmen sein, dessen einzelne Elemente nach dem Willen des Kündigenden so miteinander verbunden sind, dass sie nicht teilbar sind. In einem solchen Fall mag die Verkürzung der Kündigungsfrist auf die Rechtswirksamkeit der Kündigungserklärung selbst durchschlagen. Ist es für den Erklärungsempfänger erkennbar, dass der Kündigungstermin eine solche Bedeutung besitzt, dass von seiner rechtlichen Wirksamkeit die Kündigung als solche abhängig ist, besteht ein Anknüpfungspunkt für eine fristgebundene gerichtliche Geltendmachung (vgl. auch Raab, RdA, aaO. S. 326).

Im Entscheidungsfall gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nur dann Rechtswirksamkeit entwickeln sollte, wenn der von der Beklagten gewählte Beendigungstermin, der 01.08.2004, Bestand hat. Es ist im Gegenteil davon auszugehen, dass die Beklagte, die ihr Geschäft aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben hat, eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses in jedem Fall herbeiführen wollte, zwar lieber früher als später, aber doch lieber später als gar nicht. Spätestens mit Ablauf der maßgeblichen Kündigungsfrist am 31.12.2004 sollte das Arbeitsverhältnis damit sein Ende finden.

4. Der Notwendigkeit eines Anknüpfungspunktes für die Anwendbarkeit des § 4 KSchG an einem rechtlichen Gesichtspunkt, der die Rechtswirksamkeit einer Kündigung dem Grunde nach betrifft, kann nicht mit dem Hinweis auf den Zweck der Neuregelung des § 4 Satz 1 KSchG begegnet werden. Das Interesse an einer raschen Klärung der Frage, ob eine Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hat oder nicht, gilt nicht entsprechend für die Frage, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis beendet worden ist. Hierbei handelt es sich in der Regel um einen überschaubaren Zeitraum, für den eine fortbestehende Ungewissheit einerseits zumutbar ist. Andererseits geht es bei der maßgeblichen Kündigungsfrist um eine regelmäßig einfach zu klärende Frage, die von den Parteien selbst leicht vorgenommen werden kann, sodass der kündigende Arbeitgeber auch ohne die Anrufung des Arbeitsgerichts schnell selbst feststellen kann, ob er die maßgebliche Kündigungsfrist beachtet hat. Demgegenüber ist die Feststellung der Rechtswirksamkeit einer Kündigung dem Grunde nach vielfach hoch komplex. Schon wegen der damit einhergehenden wirtschaftlichen Risiken besteht ein hohes und in besonderem Maße schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers daran, schnell Klarheit darüber zu erlangen, ob er von einem Bestand seiner Kündigung ausgehen kann.

Der Gesetzgeber hat schließlich dem Interesse an einer raschen Klärung auch keineswegs alle anderen Gesichtspunkte untergeordnet. So ist der Arbeitnehmer nicht gehalten, bei einer mündlichen Kündigung, deren Rechtsunwirksamkeit, abgesehen von besonderen Umständen, feststeht, Klage innerhalb der dreiwöchigen Frist zu erheben. Auch andere Unwirksamkeitsgründe, wie z.B. die fehlende oder beschränkte Geschäftsfähigkeit des Kündigungsempfängers müssen nicht innerhalb der Klagefrist des § 4 KSchG geltend gemacht werden (vgl. hierzu Bender/Schmidt, aaO., S. 361 ff; Raab, aaO., S. 322 ff.).

5. Keine Bedeutung für die hier zu entscheidende Fragestellung kommt der sogenannten punktuellen Streitgegenstandstheorie zu (a.A: Zimmer, aaO.). Diese wird gerade aus § 4 KSchG abgeleitet (s. BAG vom 13.11.1958 - 2 AZR 573/57 - AP Nr. 17 zu § 3 KSchG - später: § 4 KSchG). Hier geht es jedoch darum, unter welchen Voraussetzungen eine Klage nach § 4 KSchG zu erheben ist. In der Sache ist nach dem punktuellen Streitgegenstandsbegriff zu überprüfen, ob ein Arbeitsverhältnis durch eine bestimmt zu bezeichnende Kündigung zu dem von dieser gewollten Termin aufgelöst ist oder nicht. Bei dem Streit um den Beendigungstermin geht es demgegenüber nur um ein einzelnes Element dieses Streitgegenstands.

6. Gegen die Wahrung der Klagefrist unter allen Umständen bei arbeitgeberseitigen Kündigungen spricht des weiteren eine Betrachtung der Arbeitnehmerkündigung. Entspricht diese z.B. nicht den rechtsgeschäftlichen Anforderungen an die Kündigungserklärung, so wäre der Arbeitgeber einseitig privilegiert, würde er solche Unwirksamkeitsgründe ohne Bindung an eine bestimmte Frist geltend machen können, während dies für den Arbeitnehmer nicht der Fall ist (vgl. Raab, aaO., S. 325).

7. Demnach kann die Verkürzung der Kündigungsfrist bei einer arbeitgeberseitigen Kündigung im Regelfall auch außerhalb der Frist des § 4 KSchG, allerdings im Rahmen des allgemeinen Rechtsgrundsatzes der Verwirkung, geltend gemacht werden. Ein Klagerecht ist verwirkt, wenn der Arbeitnehmer die Klage erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums erhebt (Zeitmoment) und dadurch ein Vertrauenstatbestand auf Seiten des Arbeitgebers geschaffen worden ist, dass die Unwirksamkeit der Kündigung nicht mehr gerichtlich geltend gemacht werde (Umstandsmoment). Beide Gesichtspunkte sind ohne kausalen Bezug zueinander zu prüfen. Ist das Zeitmoment nicht erfüllt, kommt das Umstandsmoment nicht zum Tragen (vgl. BAG vom 02.12.1999 - 8 AZR 890/98 - NZA 2000, 540).

Im Entscheidungsfall liegen die Voraussetzungen für eine Verwirkung schon deshalb nicht vor, weil das Zeitmoment nicht erfüllt worden ist. Die Kündigung ist der Klägerin am 14.06.2004 übergeben worden. Sie hat zwar erst nach Ablauf der Dreiwochenfrist am 05.07.2004 Klage erhoben, dies jedoch bereits am 20.07.2004, also etwa zwei Wochen später, aber noch vor Ablauf der von der Beklagten gewählten Kündigungsfrist. Auf die Erfüllung des Umstandsmoments, zu dem die Beklagte erstmalig in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht vorgetragen hat, kommt es damit nicht an.

III

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Revision ist nach § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen worden.



Ende der Entscheidung

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