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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 18.01.2007
Aktenzeichen: 16 Sa 559/06
Rechtsgebiete: MVG-EKD


Vorschriften:

MVG-EKD § 38 Abs. 1 S. 2
Liegt die Zustimmung der MAV bei Ausspruch einer ordentlichen Kündigung nicht vor und ist sie auch nicht kirchengerichtlich ersetzt worden, so ist eine nach ordnungsgemäßer Einleitung des Verfahrens der eingeschränkten Mitbestimmung gleichwohl erklärte Kündigung nach § 38 I 2 MVG-EKD unwirksam.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 08.03.2006 - 5 (2) Ca 935/05 - wird unter Einbeziehung des Auflösungsantrags insoweit zurückgewiesen, als der Kündigungsschutzklage stattgegeben worden ist. Im Übrigen wird das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens zu 2/5, der Beklagte zu 3/5. Hinsichtlich der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Arbeitsgerichts.

Die Revision wird insoweit zugelassen, als die Berufung zurückgewiesen worden ist.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren nur noch um die Rechtswirksamkeit der durch den Beklagten erklärten ordentlichen Kündigung vom 31.05.2005 zum 30.09.2005.

Die am 01.01.13xx geborene, ledige und kinderlose Klägerin war seit dem 01.11.1996 bei dem Beklagten als Juristin beschäftigt. Der Beklagte ist das D6xxxxxxxxx W2xx der e2xxxxxxxxxxx K3xxxx von W3xxxxxxx - L2xxxxxxxxxxx der I1xxxxx M2xxxxx e.V. -. Die in Vollzeit tätige Klägerin erzielte zuletzt ein monatliches Einkommen von 4.231,69 € brutto. Sie nahm bei dem Beklagten eine Planstelle als Juristin der Stabsstelle Arbeitsrecht ein und war als solche Leiterin der bei diesem eingerichteten Geschäftsstelle für die Schlichtungsstelle im Bereich der e2xxxxxxxxxxx K3xxxx von W3xxxxxxx. Arbeitsvertraglich ist die Geltung des BAT-KF sowie der sonstigen für die Angestellten im Bereich der e2xxxxxxxxxxx K3xxxx von W3xxxxxxx beschlossenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen vereinbart.

Bei dem Beklagten ist eine Mitarbeitervertretung gebildet, deren Mitglied die Klägerin war.

Nachdem der Vorstand des Beklagten entschieden hatte, die Beratung der Mitglieder zum Arbeitsrecht mit dem Diakonischen Werk der e2xxxxxxxxxxx K3xxxx im R2xxxxxxx am Standort D1xxxxxxxx zusammenzufassen, wurde die Klägerin ab dem 01.04.2004 zum Diakonischen Werk der e2xxxxxxxxxxx K3xxxx im R2xxxxxxx abgeordnet. Hierüber verhält sich die Vereinbarung zwischen dem Beklagten und dem Diakonischen Werk der e2xxxxxxxxxxx K3xxxx im R2xxxxxxx vom 23.03.2004, mit dessen Inhalt sich die Klägerin ausdrücklich einverstanden erklärte. Danach wurde die Abordnung in das Zentrum "Arbeitsrecht" der Diakonischen Werke R2xxxxxxx und W3xxxxxxx vorgenommen. Dienstsitz der Klägerin war D1xxxxxxxx. Die Rechte und Pflichten als Arbeitgeber nahm in der laufenden Geschäftsführung das Diakonische Werk der e2xxxxxxxxxxx K3xxxx im R2xxxxxxx wahr, mit Ausnahme der Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Die Klägerin wurde, was ihre allgemeinen Rechte und Pflichten als Arbeitnehmerin betraf, als Mitarbeiterin in die Geschäftsstelle des Diakonischen Werkes der e2xxxxxxxxxxx K3xxxx im R2xxxxxxx eingereiht. Die Abordnung erfolgte für eine Dauer von 3 1/2 Jahren bis zum 30.09.2007. Für die Zeit danach erklärte sich das Diakonische Werk der e2xxxxxxxxxxx K3xxxx im R2xxxxxxx bereit, die Klägerin zu gleichen Rechten und Pflichten, wie sich aus dem Arbeitsvertrag zum Zeitpunkt des Übergangs ergeben würden, einzutreten. Außerdem enthält die Abordnungsvereinbarung die Bestimmung, dass während der Tätigkeit im Zentrum "Arbeitsrecht" die aktive Mitgliedschaft der Klägerin in der Mitarbeitervertretung des Diakonischen Werks der e2xxxxxxxxxxx K3xxxx von W3xxxxxxx ruht. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 62 - 63 d.A. verwiesen.

Ende November beanstandete die Leiterin des Zentrums "Arbeitsrecht - RWL" gegenüber der Klägerin deren Arbeitsleistung anhand einer Reihe von aufgeführten Fällen schriftlich. Auf der Grundlage dieser Vermerke erteilte der Vorstand des Diakonischen Werks der e2xxxxxxxxxxx K3xxxx im R2xxxxxxx der Klägerin unter dem 03.12.2004 insgesamt sechs Abmahnungen. Zu den Einzelheiten dieser Vorgänge wird auf Bl. 104 - 107 d.A. verwiesen.

Die fachlichen Mitarbeiter der Rechtsabteilung des Diakonischen Werks der e2xxxxxxxxxxx K3xxxx im R2xxxxxxx führen regelmäßig Dienstbesprechungen durch, an denen die Klägerin am 23.09., 18.11. und 15.12.2004 sowie am 28.01.2005 teilnahm. In der Dienstbesprechung am 28.01.2005 ging es u.a. um Schlichtungsstellen, wobei sowohl das genaue Thema als auch die von einzelnen Teilnehmern abgegebenen Erklärungen zwischen den Parteien streitig sind. In dieser Dienstbesprechung erteilte der Leiter der Rechtsabteilung, das Vorstandsmitglied des Diakonischen Werks der e2xxxxxxxxxxx K3xxxx im R2xxxxxxx, D2. L1xxxxxx, der Klägerin den Auftrag, den Status quo der Schlichtungsstelle in W3xxxxxxx darzustellen, wobei die genaue Reichweite dieses Auftrages ebenfalls zwischen den Parteien streitig ist. Noch am selben Tag rief die Klägerin aus diesem Grunde bei der Assistentin des Vorstands des Beklagten, der Zeugin J1xxxx, an, die die Geschäftsstelle der Schlichtungsstelle nach dem MVG in W3xxxxxxx leitete und bat diese um Informationen. Der Inhalt des Telefongesprächs ist zwischen den Parteien streitig. Über das Telefonat unterrichtete die Zeugin J1xxxx den Vorstand der Beklagten durch E-Mail vom 31.01. (Bl. 246 d.A.) und 02.02.2005 (Bl. 91 d.A.). Nachdem die Klägerin erfahren hatte, dass der Beklagte Anweisung erteilt habe, keine Informationen über die Schlichtungsstelle herauszugeben, teilte sie dies Herrn D2. L1xxxxxx durch Vermerk vom 02.02.2005, zu dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 92 - 93 d.A. Bezug genommen wird, mit. Das Diakonische Werk der e2xxxxxxxxxxx K3xxxx im R2xxxxxxx sah in dem Verhalten der Klägerin eine Verletzung des in den verschiedenen Dienstbesprechungen hervorgehobenen und in der Dienstbesprechung am 28.01.2005 betonten Verschwiegenheitsgebots. Es hielt außerdem die Angaben der Klägerin für eine verfälschte Offenbarung von Informationen und die weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin für nicht zumutbar. Aus diesem Grunde kündigte es die Abordnungsvereinbarung vom 23.03.2004 gegenüber dem Beklagten mit Schreiben vom 09.02.2005 fristlos (Bl. 94 d.A.). Hierüber informierte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 11.02.2005.

Bereits unter dem 08.02.2005 unterrichtete der Beklagte die Mitarbeitervertretung unter Darstellung dieser Vorgänge über seine Absicht, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich zu kündigen und bat um Mitberatung gemäß § 46 b MVG.EKD. Außerdem stellte er einen Antrag nach § 21 Abs. 2 MVG.EKD, wonach einem Mitglied der Mitarbeitervertretung nur gekündigt werden darf, wenn Tatsachen vorliegen, die den Dienstgeber zur außerordentlichen Kündigung berechtigen. Nachdem die Mitarbeitervertretung ihre Zustimmung verweigert hatte, beantragte der Beklagte unter dem 14.02.2005 bei der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zu ersetzen. Durch Beschluss vom 12.05.2005 stellte die Schlichtungsstelle zum einen fest, dass sich dieser Antrag nicht erledigt habe, da die Klägerin nach wie vor Mitglied der Mitarbeitervertretung sei und wies den Antrag auf Ersetzung der Zustimmung zurück. Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde des Beklagten stellte der Kirchengerichtshof der e2xxxxxxxxxxx K3xxxx in D7xxxxxxxxx (im folgenden: Kirchengerichtshof) durch einen am 31.10.2005 verkündeten Beschluss (Az.: - I - 0124/L 33-05 -) fest, dass das Verfahren erledigt sei, weil die Klägerin aufgrund ihrer Abordnung mit Ablauf des 31.03.2004 aus der Mitarbeitervertretung ausgeschieden sei und der nachwirkende einjährige Schutz am 31.03.2005 sein Ende gefunden habe (vgl. Bl. 438 - 442 d.A.). Da das Schlichtungsverfahren zum Zeitpunkt des Auslaufens des Nachschutzes der Klägerin am 31.03.2005 noch lief, beschloss der Vorstand des Beklagten, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich und fristlos zu kündigen und sprach diese Kündigung mit Schreiben vom 07.04.2005 aus. Eine weitere außerordentliche Kündigung erklärte der Beklagte mit Schreiben vom 12.04.2005. Gegen beide Kündigungen hat sich die Klägerin mit ihrer am 27.04.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage gewehrt.

Mit Schreiben vom 13.05.2002 beantragte der Beklagte bei der Mitarbeitervertretung die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung der Klägerin zum 30.09.2005. Zur Begründung bezog er sich zum einen auf das Schreiben, das er der Mitarbeitervertretung bereits zur Mitberatung vom 07.04.2005 vorgelegt hatte. Außerdem führte er die der Klägerin vorgeworfenen Leistungsmängel an und sah hierin einen personenbedingten Kündigungsgrund. Zum Inhalt dieses von Frau J1xxxx mit dem Zusatz "i.V." unterzeichneten Schreibens wird auf Bl. 484 - 485 d.A. Bezug genommen. Die Mitarbeitervertretung verweigerte die Zustimmung mit Stellungnahme vom 24.05.2005 (Bl. 487 - 489 d.A.) und führte u.a. aus, dass, wie die Schlichtungsstelle mit Beschluss vom 12.05.2005 festgestellt habe, die Klägerin nach wie vor als MAV-Mitglied sämtlichte Kündigungsschutzrechte aus dem MVG genieße und für eine ordentliche Kündigung kein Raum sei, da einem Mitglied der MAV nach § 21 MVG nur außerordentlich gekündigt werden könne. In dem erneut eingeleiteten Schlichtungsverfahren hat die Schlichtungsstelle durch Beschluss vom 11.08.2005 den Antrag des Beklagten abgewiesen, die hiergegen eingelegte Beschwerde des Beklagten ist vom Kirchengerichtshof durch Beschluss vom 31.10.2005 unter dem Aktenzeichen - I -0124/L60-05 - mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass die gesetzliche Frist für die Anrufung des Kirchengerichts nicht gewahrt worden sei (vgl. Bl. 428 - 432 d.A:). Bereits unter dem 31.05.2005, der Klägerin noch am selben Tag zugegangen, hatte der Beklagte die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2005 erklärt. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage der Klägerin ist am 07.06.2005 beim Arbeitsgericht eingegangen.

Durch Urteil vom 08.03.2006 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentlichen Kündigungen vom 07.04. und 12.04.2005 sowie durch die Kündigung vom 31.05.2005 nicht beendet worden ist. Es hat außerdem den Beklagten zur vorläufigen Weiterbeschäftigung der Klägerin für die Dauer des Kündigungsschutzverfahrens verurteilt. Seine Begründung hat es hinsichtlich aller in Streit stehenden Kündigungen darauf gestützt, dass der Klägerin eine schwerwiegende Loyalitäts- und Vertraulichkeitsverletzung nicht vorgeworfen werden könne. Da die Klägerin als Arbeitnehmerin des Beklagten diesem gegenüber zur Loyalität verpflichtet gewesen sei, habe sie gegenüber dem Vorstand des Diakonischen Werks der e2xxxxxxxxxxx K3xxxx im R2xxxxxxx eine Vertraulichkeitszusage gar nicht abgeben können, soweit ihr Arbeitgeber ggfs. nachteilig betroffen gewesen wäre. Soweit der Klägerin vorgeworfen werde, verfälschende Angaben gemacht zu haben, sei nicht ersichtlich, warum sie bewusst unwahre Aussagen getätigt haben solle, um den Strukturprozess der Diakonischen Werke zu stören. Objektive Anhaltspunkte dafür, dass eine entsprechende Absicht der Klägerin vorgelegen habe, ergäben sich nicht. Hinsichtlich der ordentlichen Kündigung vom 31.05.2005 sei darüber hinaus nicht erkennbar, dass ein personenbedingter Kündigungsgrund vorliege.

Gegen dieses, ihm am 22.03.2006 zugestellte Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands Bezug genommen wird, hat der Beklagte am 28.03.2006 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22.06.2006 fristgerecht begründet.

Nach Verkündung des arbeitsgerichtlichen Urteils hat der Beklagte mit Antrag vom 23.03.2006 die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zu einer betriebsbedingten Kündigung erbeten. In einem wegen dieses Antrags geführten Schlichtungsverfahrens ist von der Mitarbeitervertretung und dem Beklagten in der Sitzung am 30.05.2006 der folgende Vorschlag der Schlichtungsstelle angenommen worden:

"Die Mitarbeitervertretung gibt nunmehr einer ordentlichen Kündigung von Frau P3xxxxxxx gemäß dem Antrag vom 23.03.2006 die Zustimmung unter der Bedingung, dass die Dienststelle sich nicht mehr auf die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 07.04. und 12.04.2005 beruft und im Übrigen Frau P3xxxxxxx für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vom 31.05.2005 bzw. der jetzt anstehenden Kündigung eine Abfindung anbietet, die nicht unter dem Betrag liegt, der hierfür in § 1 a KSchG vorgesehen ist. Daraufhin erklärt die Dienststelle die Annahme der vorgenannten Bedingung."

Noch unter dem 30.05.2006 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut zum 30.09.2006. Auch gegen diese Kündigung wehrt sich die Klägerin mit einer beim Arbeitsgericht noch anhängigen Kündigungsschutzklage. Mit Schreiben vom 01.06.2006 teilte der Beklagte der Klägerin sodann mit, dass er sich nicht länger auf die Wirksamkeit der fristlosen Kündigungen vom 07. und 12.04.2005 beriefe, die Auszahlung der Vergütung bis zum 30.09.2005 veranlassen werde und ihr für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vom 31.05.2005 oder die weitere Kündigung zum 30.09.2006 eine Abfindung in der in § 1 a Abs. 2 KSchG vorgesehenen Höhe anbiete. Die Berufung im vorliegenden Verfahren hat der Beklagte sodann auf die Überprüfung der Entscheidung des Arbeitsgerichts bezüglich der Kündigung vom 31.05.2005 beschränkt und hilfsweise den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung angekündigt.

Der Beklagte beruft sich darauf, dass von den Teilnehmern an den Besprechungen der Rechtsabteilung des Diakonischen Werks der e2xxxxxxxxxxx K3xxxx im R2xxxxxxx Verschwiegenheit habe verlangt werden können. Wenn der Vorgesetzte der Klägerin, der Zeuge D2. L1xxxxxx, in der Besprechung am 28.01.2005 ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass die besprochenen Sachverhalte "nicht in W3xxxxxxx" offenbart werden dürften, so habe er das Aufkommen von Spekulationen und Irritationen bei dem Beklagten und der dort eingerichteten Schiedsstelle verhindern wollen, nicht aber beabsichtigt, dass irgendetwas sozusagen "hinter dem Rücken" des Beklagten habe veranlasst werden sollen. Hätte die Klägerin einen Loyalitätskonflikt verspürt, so hätte sie den Zeugen D2. L1xxxxxx darauf hinweisen und ggfs. darauf hinwirken müssen, dass sie bei Erörterungen, deren Gegenstand den Beklagten betrafen, nicht teilzunehmen bräuchte. Darüber hinaus habe die Klägerin gegenüber der Zeugin J1xxxx wahrheitswidrige Äußerungen getan, die den Strukturprozess gestört hätten. Die Wahrheitswidrigkeit ihrer Behauptungen hätte der Klägerin auch bewusst gewesen sein müssen. Die Kündigung sei im Übrigen personenbedingt gerechtfertigt. Die Leistungen der Klägerin während ihrer Tätigkeit im Zentrum "Arbeitsrecht" hätten Mängel in einer solchen Fülle und Schwere aufgewiesen, dass der Schluss, dass sie nicht in der Lage sei, den Anforderungen an die von ihr geschuldete Arbeitsleistung als Juristin gerecht zu werden und dass diese Leistungsmängel unbehebbar seien, zulässig sei. Den Auflösungsantrag stützt der Beklagte zum einen auf die dargestellten Kündigungsgründe und zum anderen auf den Vortrag der Klägerin im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses, den er teilweise für wahrheitswidrig hält. Aus mitarbeitervertretungsrechtlichen Gründen sei die Kündigung nicht unwirksam. Die Mitarbeitervertretung sei vor Ausspruch der Kündigung beteiligt worden, sodass die Bestimmung des § 38 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD nicht zum Zuge komme. Für den Fall, dass die Mitarbeitervertretung beteiligt worden sei, aber ihre Zustimmung versagt habe, bestimme § 38 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD die schwächere Sanktion, nämlich dass die Maßnahme nicht durchgeführt werden dürfe. Diese Sanktion sichere ausschließlich die Rechte der Mitarbeitervertretung, nicht aber des betroffenen Mitarbeiters. Im Übrigen seien weder der Beschluss des Kirchengerichtshofs vom 31.10.2005 noch der Beschluss der Schlichtungsstelle zutreffend.

Der Beklagte beantragt:

1. Unter Abänderung des angefochtenen Urteils wird die Klage abgewiesen, soweit es ausspricht, dass die Kündigung vom 31.05.2005 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet habe, und dass der Beklagte verurteilt werde, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens als Mitarbeiterin mit wissenschaftlichem Hochschulabschluss weiterzubeschäftigen.

2. Hilfsweise, für den Fall der Zurückweisung der Berufung:

Das Arbeitsverhältnis wird gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zum Ablauf des 30.09.2005 aufgelöst.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung vom 27.03.2006 in der Fassung der Berufungsanträge vom 22.06.2006 im Haupt- und Hilfsantrag zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und hält die Kündigung insbesondere deshalb für rechtsunwirksam, weil die erforderliche Zustimmung der Mitarbeitervertretung fehle und auch nicht anderweitig ersetzt worden sei.

Zum weiteren Sachvortrag der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist nur teilweise begründet.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 31.05.2005 nicht mit Ablauf des 30.09.2005 aufgelöst worden, da die Mitarbeitervertretung ihre Zustimmung mit beachtlichen Gründen verweigert hat und diese nicht kirchengerichtlich ersetzt worden ist. Damit ist auch der hilfsweise gestellte Auflösungsantrag unbegründet. Die Klägerin kann allerdings ihre vorläufige Weiterbeschäftigung nicht verlangen, da der Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut gekündigt hat und die Kündigungsfrist abgelaufen ist.

I

1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts findet das staatliche Arbeitsrecht Anwendung, soweit sich die Kirchen der Privatautonomie zur Begründung von Arbeitsverhältnissen bedienen. Dabei hat das Arbeitsgericht auch zu überprüfen, ob die kirchliche Mitarbeitervertretung ordnungsgemäß beteiligt worden ist, wenn der kirchliche Arbeitnehmer geltend macht, die Kündigung des kirchlichen Arbeitgebers sei unwirksam, weil es hieran fehlt (vgl. BAG vom 10.12.1992 - 2 AZR 271/92 - AR-Blattei 960 Kirchenbedienstete Nr. 48).

2) Eine der Mitbestimmung unterliegende Maßnahme ist nach § 38 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD unwirksam, wenn die Mitarbeitervertretung nicht beteiligt worden ist. Zur Beteiligung der Mitarbeitervertretung bestimmt § 37 Abs. 1 MVG.EKD, dass diese sich in den Verfahren der Mitbestimmung nach § 38 MVG.EKD, der eingeschränkten Mitbestimmung nach § 41 MVG.EKD sowie der Mitberatung nach § 45 MVG.EKD vollzieht. Für ordentliche Kündigungen nach Ablauf der Probezeit ist gemäß § 42 b MVG.EKD ein eingeschränktes Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung im Sinne des § 41 MVG.EKD vorgesehen.

Die Einschränkung des Mitbestimmungsrechts beruht nicht darauf, dass ein gegenüber dem uneingeschränkten Mitbestimmungsrecht verkürztes Verfahren gilt, sondern bedeutet, dass die Mitarbeitervertretung ihre Zustimmung nur aus den in § 41 MVG.EKD genannten Gründen verweigern darf, wobei für Kündigungen in § 41 Abs. 2 MVG.EKD ein besonderer Katalog der Verweigerungsgründe besteht. § 41 Abs. 3 MVG.EKD verweist daher ausdrücklich auf die vollständige Anwendung des § 38 MVG.EKD (vgl. hierzu Richardi, NZA 1998, 113, 115; Fey/Rehren, MVG.EKD, Praxiskommentar § 42 RdNr. 44; K2xxxxx, Die Beteiligung der Mitarbeitervertretung bei Kündigungen nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der EKD, S. 2).

3) Die Dienststelle darf nach § 38 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD eine Maßnahme nicht vollziehen, wenn die Zustimmung der Mitarbeitervertretung nicht vorliegt oder nicht kirchengerichtlich ersetzt worden ist. Der Ausspruch einer Kündigung stellt eine solche Maßnahme dar (vgl. Richardi, aaO., S. 115). Mit der Feststellung einer Dienstpflichtverletzung, gegen die die Mitarbeitervertretung ggfs. mit den ihr nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz zur Verfügung stehenden Mitteln (z.B. § 48 MVG.EKD, Unterlassungsanspruch bei drohender Mitbestimmungswidriger Maßnahme, s. Beschluss des VerwG. EKD vom 14.05.1998 - 0124/C1-98) vorgehen könnte, sind die Rechtswirkungen des Verstoßes gegen die Mitbestimmungsrechte jedoch nicht ausgeschöpft. Auf individualrechtlicher Ebene hat die mitbestimmungswidrige Maßnahme vielmehr deren Unwirksamkeit zur Folge, was in § 38 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD ausdrücklich geregelt ist. Da diese bei einer Kündigung mit deren Ausspruch vollzogen wird, ergreift die Unwirksamkeitsfolge die Kündigung als Ganzes.

4) Im Streitfall hat weder die Mitarbeitervertretung die Zustimmung zu der beabsichtigten Kündigung vom 31.05.2005 erteilt noch ist diese kirchengerichtlich ersetzt worden.

Der Beklagte hat mit Schreiben vom 13.05.2005 die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zu der beabsichtigten ordentlichen Kündigung beantragt. Durch ihr am 24.05.2005, damit nach § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD fristgerecht bei der Dienststellenleitung eingegangenes Schreiben hat die Mitarbeitervertretung ihre Zustimmung verweigert und diese Entscheidung im Einzelnen begründet. Ohne dass die Zustimmung der Mitarbeitervertretung im kirchengerichtlichen Verfahren ersetzt worden wäre, hat der Beklagte am 31.05.2005 die ordentliche Kündigung erklärt.

5) Der hieraus folgenden Unwirksamkeit der Kündigung steht die Vereinbarung vor der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz vom 30.05.2006 nicht entgegen. Allerdings betrifft diese Vereinbarung, die in dem Verfahren zu einer beantragten weiteren Kündigung ergangen ist, auch die streitgegenständliche Kündigung. Selbst wenn der Vereinbarung der Wille der Mitarbeitervertretung zu entnehmen wäre, der Kündigung vom 31.05.2005 nachträglich zuzustimmen, so kann hierdurch die Unwirksamkeit der einmal erklärten Kündigung nicht geheilt werden. Dies ergibt sich aus § 38 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD, der die Vollziehung einer mitbestimmungswidrigen Maßnahme untersagt (so auch Fey/Rehren, aaO., § 38 RdNr. 36; Richardi, aaO., 118).

6) Freilich besteht im vorliegenden Fall die Besonderheit, dass die Mitarbeitervertretung ihre Zustimmung mit einer Begründung verweigert hat, der das Kirchengericht in dem das Arbeitsverhältnis der Klägerin betreffenden Verfahren - I - 0124/L33-05 - durch Beschluss vom 31.10.2005 die Anerkennung versagt hat. Die Mitarbeitervertretung hat sich darauf bezogen, dass die Klägerin nach wie vor als Mitglied der Mitarbeitervertretung sämtliche Kündigungsschutzrechte aus dem Mitarbeitervertretungsgesetz genieße, da sie nur vorübergehend an das Diakonische Werk R2xxxxxxx abgeordnet worden sei und ein Erlöschungsgrund nach § 18 MVG.EKD nicht ersichtlich sei. Für eine ordentliche Kündigung sei kein Raum, einem Mitglied der Mitarbeitervertretung könne nach § 21 MVG.EKD nur außerordentlich gekündigt werden. Demgegenüber hat der Kirchengerichtshof erkannt, dass die Mitgliedschaft der Klägerin in der Mitarbeitervertretung mit dem 31.03.2004 nach § 18 Abs. 1 d MVG.EKD ihr Ende gefunden habe, weil die Klägerin aus der Dienststelle ausgeschieden sei. Es handele sich um den Fall einer langfristigen Abordnung mit dem Ziel der dauerhaften "Versetzung", weswegen ein Fall des Ruhens der Mitgliedschaft in der Mitarbeitervertretung nach § 18 Abs. 2 MVG.EKD nicht vorliege. Dieser setze voraus, dass das Mitglied der Mitarbeitervertretung nach einer Abordnung bzw. nach seiner Beurlaubung planmäßig in die Dienststelle, deren Mitarbeitervertretung es angehöre, zurückkehre.

Ob das erkennende Gericht an die rechtliche Beurteilung durch den Kirchengerichtshof gebunden ist, worüber die Parteien streiten, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Denn auch wenn die Mitarbeitervertretung ihre Zustimmung mit einer rechtlich unzutreffenden Begründung verweigert haben sollte, hätte dies nicht zur Folge, dass sich der Beklagte hierüber hinwegsetzen und die Kündigung ohne die Ersetzung der Zustimmung im mitarbeitervertretungsrechtlichem Beschlussverfahren aussprechen konnte. Die Zustimmung der Mitarbeitervertretung bzw. ihre Ersetzung im kirchengerichtlichen Verfahren ist Tatbestandsvoraussetzung für eine wirksam erklärte Kündigung. Die Entscheidung des Kirchengerichtshofs hat zur Folge, dass es an der für die Wirksamkeit der Kündigung notwendigen Tatbestandserfüllung fehlt, ihr kommt also Tatbestandswirkung zu. Diese bindet das erkennende Gericht in der Weise, dass es die durch den Kirchengerichtshof getroffene Feststellung seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat, ohne deren Rechtmäßigkeit nochmals überprüfen zu dürfen oder zu müssen (vgl. BAG vom 02.03.2006 - 2 AZR 46/05 - NZA 2006, 1211 zur Tatbestandswirkung der Zustimmung des Integrationsamts).

Allerdings sind nicht begründete oder nicht ausreichend begründete Ablehnungen rechtsunwirksam mit der Folge, dass die Zustimmung nach Ablauf der Äußerungsfrist als erteilt gilt (Fey/Rehren, aaO., RdNr. 54 m.w.N.). Auch wenn die Mitarbeitervertretung eine Verweigerung der Zustimmung gegenüber der Dienststelle schriftlich zu begründen hat (§ 38 Abs. 3 Satz 5 MVG.EKD), folgt daraus nicht, dass die Zustimmungsverweigerung schlüssig sein muss (vgl. Richardi, aaO., 115). Ähnlich wie bei § 99 BetrVG steht das Recht, die Stichhaltigkeit der Gründe nachzuprüfen, nicht dem Dienstgeber zu, sondern bleibt dem dafür vorgesehenen Verfahren vorbehalten (vgl. Fitting, BetrVG, 22. Aufl., § 99 RdNr. 215). Nur wenn die Begründung der Mitarbeitervertretung offensichtlich unsinnig ist, ist sie unbeachtlich. Diese Voraussetzungen liegen im Entscheidungsfall jedoch nicht vor. Die Mitarbeitervertretung hat ihre Zustimmung mit einer Begründung verweigert, die einen Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift darstellen könnte. Ein solcher liegt vor, wenn der besondere Kündigungsschutz für Mitglieder der Mitarbeitervertretung nach § 21 Abs. 2 MVG.EKD nicht gewahrt wird (Fey/Rehren, aaO., § 41 RdNr. 30). Auch wenn sich diese Begründung der Mitarbeitervertretung im Ergebnis als nicht stichhaltig erweisen mag, so standen ihr jedoch gute Gründe zur Seite. Immerhin ist in der Abordnungsvereinbarung vom 23.03.2004 bestimmt, dass die aktive Mitgliedschaft der Klägerin in der Mitarbeitervertretung während der Tätigkeit im Zentrum "Arbeitsrecht" ruht. Außerdem hat dies die Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der e2xxxxxxxxxxx K3xxxx von W3xxxxxxx in ihrem Beschluss vom 12.05.2005 ebenfalls vertreten. Der Standpunkt der Mitarbeitervertretung ließ sich zum Zeitpunkt ihrer Entscheidungsfindung am 20.05.2005 gut vertreten.

II

Da die Kündigung aus mitarbeitervertretungsrechtlichen Gründen unwirksam ist, kommt eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG nicht in Betracht. Ein Auflösungsantrag des Arbeitgebers scheidet schon dann aus, wenn die Kündigung nicht nur sozialwidrig ist, sondern es auch an der ordnungsgemäßen Beteiligung des zuständigen betrieblichen Vertretungsorgans fehlt (vgl. BAG vom 27.09.2001 - 2 AZR 389/00 - AP Nr. 41 zu § 9 KSchG 1969 m.w.N.).

Allerdings wird diese Rechtsprechung nach der Änderung des § 4 KSchG, die bewirkt, dass nunmehr alle schriftlichen Kündigungen innerhalb der Drei-Wochen-Frist angegriffen werden müssen, in Frage gestellt (vgl. ErfKomm./Ascheid, 7. Aufl., § 9 KSchG RdNr. 3). Da § 9 Abs. 2 KSchG jedoch weiterhin auf eine sozial gerechtfertigte Kündigung abstellt, § 13 Abs. 2 KSchG in diesem Fall überflüssig wäre und auch für § 13 Abs. 3 KSchG kein Regelungsspielraum verbliebe, ist nicht anzunehmen, dass durch die Gesetzesänderung mittelbar die Änderung der Rechtslage für die gerichtliche Auflösung eines Arbeitsverhältnisses bewirkt werden sollte.

III

Die Berufung des Beklagten hat jedoch insoweit Erfolg, als er verurteilt worden ist, die Klägerin für die Dauer des vorliegenden Verfahrens weiterzubeschäftigen. Mit Ablauf der Kündigungsfrist nach Ausspruch der erneuten Kündigung vom 30.05.2006 ist diesem Anspruch die Grundlage entzogen worden. Der vorläufige Weiterbeschäftigungsanspruch ist davon abhängig, dass aufgrund eines instanzgerichtlichen Urteils, welches die Unwirksamkeit einer Kündigung festgestellt hat, eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass das Arbeitsverhältnis besteht (BAG vom 27.02.1985 - AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). Diese Voraussetzungen liegen nicht mehr vor, nachdem der Beklagte erneut gekündigt hat.

IV

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat die Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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