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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 08.02.2007
Aktenzeichen: 17 Sa 1357/06
Rechtsgebiete: AO, MTA-BA, BAT-O, EStG, ArbGG, ZPO, BGB
Vorschriften:
AO § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 | |
MTA-BA § 29 | |
MTA-BA § 29 B Abs. 3 | |
MTA-BA § 29 C | |
MTA-BA § 36 Abs. 1 | |
MTA-BA § 67 | |
MTA-BA § 67 Abs. 1 | |
BAT-O § 29 B Abs. 4 | |
EStG § 32 Satz 2 | |
EStG § 32 Abs. 4 | |
EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 | |
EStG § 32 Abs. 4 Satz 2 | |
EStG § 72 | |
ArbGG § 64 Abs. 2 b | |
ArbGG § 64 Abs. 6 | |
ArbGG § 66 Abs. 1 | |
ZPO § 519 | |
ZPO § 520 | |
BGB § 187 Abs. 1 | |
BGB § 188 Abs. 2 | |
BGB § 242 |
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 12.07.2006 - 1 Ca 2093/05 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um einen Anspruch auf Zahlung von kindbezogenem Ortszuschlag in Höhe von monatlich 84,68 € für die Zeit von Oktober 1999 bis Juni 2001.
Der am 02.06.1944 geborene, verheiratete Kläger ist bei der Beklagten als Verwaltungsangestellter angestellt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Regelungen des Manteltarifvertrages für die Angestellten der Beklagten vom 21.04.1961 (MTA-BA) Anwendung.
Der am 30.09.1981 geborene Sohn des Klägers befand sich in dem streitgegenständlichen Zeitraum in einer Berufsausbildung und erzielte ein eigenes Einkommen. Mit Bescheid vom 27.03.2000 setzte die F5xxxxxxxxxxx der Beklagten das Kindergeld gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung mit Ablauf des Monats September 1999 auf "0" DM fest. Der Bescheid ist bestandskräftig.
Die Verweigerung der Zahlung von Kindergeld führte dazu, dass der Kläger auch keinen kindbezogenen Ortszuschlag nach § 29 MTA-BA bezog.
Mit Beschluss vom 11.01.2005 (2 BvR 167/02, NJW 2005, 1923) stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass die Einbeziehung von Sozialversicherungsbeiträgen des Kindes in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu Lasten der unterhaltsverpflichteten Eltern gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 GG verstößt.
Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestand von Oktober 1999 bis Juni 2001 ein Kindergeldanspruch des Klägers für seinen Sohn R1xxx. Mit Schreiben vom 30.05.2005 beantragte er entsprechend Kindergeld rückwirkend für die Zeit von Oktober 1999 bis Januar 2002. Mit Schreiben vom 22.06.2005 bat er in Abänderung seines Antrages um eine Entscheidung über den Kindergeldanspruch nur für die Zeit von Januar bis Juni 2001 und um Neuberechnung des Ortszuschlages für die gleiche Zeit. Wegen der Einzelheiten seiner Schreiben wird auf die mit der Klageschrift vorgelegte Kopie des Schreibens vom 30.05.2005 (Bl. 5 d.A.) und auf die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 27.03.2006 vorgelegte Kopie des Schreibens vom 22.06.2005 (Bl. 24 d.A.) Bezug genommen.
Der Kindergeldanspruch wurde dem Kläger für die Zeit von Januar 2001 bis Juni 2001 zuerkannt.
Entsprechend einem Erlass des Bundesministeriums des Innern vom 31.03.2006 (Bl. 35, 36 d.A.) verweigerte die Beklagte dem Kläger jedoch mit Schreiben vom 02.09.2005 und 28.10.2005 die Zahlung des kindbezogenen Ortszuschlages rückwirkend für die Zeit bis zum 30.06.2001. Nach der Erlasslage war eine rückwirkende Zahlung des kindbezogenen Ortszuschlages bei Antragstellung bis zum 30.06.2006 rückwirkend bis einschließlich Juni 2005 vorzunehmen. Wegen der Einzelheiten der Ablehnungsschreiben der Beklagten wird auf die von dem Kläger mit der Klageschrift vorgelegten Kopien (Bl. 6 bis 8 d.A.) verwiesen.
Mit seiner am 15.12.2005 bei dem Arbeitsgericht Detmold eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Zahlung von 1.778,28 € brutto nebst Zinsen.
Er hat die Auffassung vertreten, ihm sei die Einhaltung der tariflichen Ausschlussfrist nach § 67 MTA-BA unmöglich gewesen, da für ihn angesichts des Bescheids der Beklagten vom 27.03.2000 vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.01.2005 nicht im Ansatz erkennbar gewesen sei, dass ein Kindergeldanspruch und daraus folgend auch ein Anspruch auf kindbezogenen Ortszuschlag bestanden habe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein 1.778,28 € brutto nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz aus je 84,68 € seit dem 01.11.1999, 01.12.1999, 02.01.2000, 01.02.2000, 01.03.2000, 01.04.2000, 02.05.2000, 01.06.2000, 01.07.2000, 01.08.2000, 01.09.2000, 01.10.2000, 01.11.2000, 01.12.2000, 02.01.2001, 01.02.2001, 01.03.2001, 01.04.2001, 01.05.2001, 01.06.2001 sowie 01.07.2001 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben und sich auf die tarifliche Ausschlussfrist bezogen.
Mit Urteil vom 12.07.2006 hat das Arbeitsgericht Detmold die Klage abgewiesen.
Es hat ausgeführt:
Der klägerische Anspruch auf Zahlung eines kindbezogenen Ortszuschlages für Zeit von Oktober 1999 bis Dezember 2000 sei gemäß § 67 MTA verfallen, da der Kläger nicht konkret unter Beweisantritt dargelegt habe, dass er den Ortszuschlag für diesen Zeitraum beantragt habe. Mit Schreiben vom 22.06.2005 habe er lediglich den kindbezogenen Ortszuschlag für die Zeit von Januar bis Juni 2001 verlangt.
Auch der Anspruch für die Zeit von Januar bis Juni 2001 sei verfallen. Der kindbezogene Ortszuschlag sei gemäß § 29 MTA-BA Gehaltsbestandteil und damit zusammen mit den jeweiligen am Monatsende fälligen Gehaltszahlungen fällig.
Dem Kläger sei es nicht praktisch unmöglich gewesen, seine Ansprüche geltend zu machen (vgl. BAG, Urteil vom 01.06.1995 - 6 AZR 912/94). Der Fälligkeitszeitpunkt sei tariflich festgelegt. Zwar habe der Kläger zum Zeitpunkt der tariflichen Fälligkeit der Ansprüche noch nicht gewusst, dass das Bundesverfassungsgericht zu einer anderen Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG kommen würde mit der Folge, dass ihm für den streitgegenständlichen Zeitraum Kindergeld und kindbezogener Ortszuschlag zu gewähren gewesen wären. Ihm sei es jedoch unbenommen gewesen, ebenfalls den § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in Frage zu stellen. Das diesbezügliche Verfahren sei bereits mehrere Jahre anhängig gewesen, so dass er die Möglichkeit gehabt habe, angesichts der unklaren Rechtslage bereits früher und nicht erst nach der abschließenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts den Ortszuschlag geltend zu machen.
Der Beklagten sei es unbenommen, sich auf die Verfallvorschrift zu berufen. Denn Sinn und Zweck der Tarifbestimmungen liege darin, die Parteien zur alsbaldigen Geltendmachung und Klärung ihrer Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zu veranlassen. Ausschlussfristen dienten der Rechtssicherheit und bezweckten, dass sich der Anspruchsgegner auf die aus Sicht des Anspruchstellers noch offenen Forderungen rechtzeitig einstellen könne. Gerade der öffentliche Arbeitgeber solle zudem in der Lage sein, notwendige Haushaltsmittel so zu veranschlagen, dass Nachforderungen in Grenzen gehalten werden könnten.
Wegen der Einzelheiten von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf das Urteil vom 12.07.2006 (Bl. 50 bis 55 d.A.) verwiesen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 17.07.2006 zugestellte Urteil am 16.08.2006 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese am 15.09.2006 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend begründet.
Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass der Lauf der Ausschlussfrist erst mit Bekanntwerden des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes vom 11.01.2005 begonnen habe, da es ihm zuvor praktisch unmöglich gewesen sei, seinen Anspruch überhaupt geltend zu machen, denn die Geltendmachung setze die Kenntnis der maßgebenden Umstände voraus, die den Schluss zuließen, ein Anspruch bestehe tatsächlich.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 12.07.2006 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Detmold - 1 Ca 2093/05 - die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.778,22 € brutto nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz aus je 84,68 € seit dem 01.11.1999, 01.12.1999, 02.01.2000, 01.02.2000, 01.03.2000, 01.04.2000, 02.05.2000, 01.06.2000, 01.07.2000, 01.08.2000, 01.09.2000, 01.10.2000, 01.11.2000, 01.12.2000, 02.01.2001, 01.02.2001, 01.03.2001, 01.04.2001, 02.05.2001, 01.06.2001 sowie 01.07.2001 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die gemäß § 64 Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegte sowie an sich statthafte Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 12.07.2006 ist unbegründet. Zu Recht hat das erstinstanzliche Gericht die Klage abgewiesen.
Der zulässige Zahlungsantrag ist unbegründet.
Der Anspruch des Klägers auf Zahlung des kindbezogenen Ortszuschlags nach § 29 B Abs. 3 des in der Zeit von Oktober 1999 bis Juni 2001 unstreitig auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren MTA-BA ist gemäß § 67 Abs. 1 MTA-BA ausgeschlossen. Danach verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von dem Angestellten oder der B2xxxxxxxxxxx f4x A1xxxx schriftlich geltend gemacht werden, soweit tariflich nichts anderes bestimmt es.
1. Für den Anspruch auf Zahlung des kindbezogenen Ortszuschlags gibt es keine anderslautende tarifliche Ausschlussfrist.
2. Die Verfallklausel erfasst auch den hier verfolgten Anspruch als Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus dem Arbeitsverhältnis (vgl. dazu BAG, Urteil vom 19.10.1983 - 5 AZR 64/91, AP Nr. 37 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche). Wie sich aus § 29 C MTA-BA ergibt, ist der Ortszuschlag monatlich mit der Grundvergütung zahlbar und gehört damit zu dem regelmäßigen Arbeitsentgelt (vgl. BAG, Urteil vom 13.11.2004 - 6 AZR 512/93, ZTR 2005, 326; Uttlinger/Breier, BAT, § 70 BAT Erläuterungen 7 b Ziff. 1; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, § 70 BAT Erläuterung 6 f. bb.; Ziff. 13 der Durchführungsanweisung zu § 67 MTA-BA).
3. Die tarifliche Verfallfrist beginnt mit dem Zeitpunkt des Entstehens und der Fälligkeit des Zahlungsanspruchs.
Die sich aus § 29 B Abs. 3, C MTA-BA ergibt, entsteht der Anspruch auf den kindbezogenen Ortszuschlag monatlich, abhängig von einem Anspruch des Arbeitnehmers auf die Zahlung von Kindergeld. Unerheblich ist, ob ein formeller Verwaltungsakt über die Gewährung von Kindergeld vorliegt oder ob tatsächlich Kindergeld gezahlt wird (vgl. BAG, Urteil vom 18.11.2004 - 6 AZR 512/03, ZTR 2005, 326). Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts folgt dies schon aus dem Wortlaut der § 29 B Abs. 3 MTA-BA vergleichbaren Vorschrift des § 29 B Abs. 4 BAT-O. Maßgeblich ist allein, dass ein Anspruch auf Kindergeld besteht.
Das bei Zugrundelegung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 11.01.2005 (2 BvR 167/02, NJW 2005, 923) ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Kindergeld für den sich in der Ausbildung befindlichen R1xxx bestand, wird auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt. Er ist jedoch entgegen der Auffassung des Klägers nicht erst mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes entstanden. Die anspruchsbegründenden Tatsachen lagen im streitgegenständlichen Zeitraum vor. Geändert hat sich allein ihre rechtliche Würdigung.
Gemäß § 36 Abs. 1 MTA-BA waren die monatlichen Entgeltansprüche der Arbeitnehmer bis November 2003 fällig am fünfzehnten des laufenden Monats (vgl. Protokollnotiz Nr. 2 zu § 36 MTA-BA).
Die gemäß §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB zu berechnende Ausschlussfrist begann somit für den jüngsten Anspruch aus Juni 2001 am 15.06.2001 und endete am 15.12.2001. Der Kläger hat seinen Anspruch nach Fristablauf frühestens mit Schreiben vom 30.05.2005 geltend gemacht. Dabei geht das Gericht zu seinen Gunsten davon aus, dass er entgegen dem Wortlaut des Schreibens nicht nur das Kindergeld, sondern als mit dem Kindergeldanspruch verbunden, § 29 B Abs. 3 MTA-BA, auch schlüssig die Zahlung des kindbezogenen Ortszuschlages geltend gemacht hat (vgl. auch Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese a.a.O. § 70 BAT Erläuterung 7a).
4. Der Lauf der Ausschlussfrist war nicht nach Treu und Glauben, § 242 BGB, gehemmt.
Grundsätzlich beginnt die Ausschlussfrist unabhängig von der Kenntnis des Anspruchsberechtigten. Nach dem Wortlaut des § 67 MTA-BA ist allein die Fälligkeit des Anspruchs maßgeblich mit der Folge, dass die Ausschlussfrist grundsätzlich auch Ansprüche erfasst, die der Berechtigte nicht kennt. Das gilt auch bei einer zweifelhaften Rechtslage, die zu einer Unsicherheit des Arbeitnehmers führt, ob ihm der fragliche Anspruch zusteht (vgl. BAG, Urteil vom 03.02.1961 - 1 AZR 140/59, AP Nr. 14 zu § 4 TVG Ausschlussfristen; Urteil vom 01.08.1966 - 3 AZR 60/66, DB 1966, 1613).
Mit der Vereinbarung einer Ausschlussfrist wollen die Tarifvertragsparteien jede Geltendmachung der Ansprüche nach Ablauf der Verfallfrist grundsätzlich und endgültig ausschließen. Sie tragen damit dem Gedanken der Klarheit und der schnellen Abwicklung der gegenseitigen Forderungen im Arbeitsverhältnis Rechnung. Daraus möglicherweise entstehende Belastungen oder Benachteiligungen nehmen sie bewusst in Kauf (vgl. BAG, Urteil vom 01.08.1966 a.a.O.; Beschluss vom 30.03.1973 - 4 AZR 259/72, AP Nr. 4 zu § 390 BGB; Urteil vom 21.01.1993 - 6 AZR 174/92, ZTR 1993, 466; Urteil vom 01.06.1995 - 6 AZR 912/94, AP Nr. 16 zu § 812 BGB).
Trotz einer finanzgerichtlichen Rechtsprechung, die einem Anspruch des Klägers auf Zahlung von Kindergeld für den Sohn R1xxx im streitgegenständlichen Zeitraum entgegenstand (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 11.12.2001 - VI R 16/00, EzFamR EStG §§ 32, 32 a, 32 b, 32 c, 32 d, Nr. 13) war dem Kläger die Geltendmachung des Anspruchs weder unmöglich noch unzumutbar. Schon in seinem Urteil vom 04.02.1999 (V 111/98 Ki, EFG 1999, 713) hat das Finanzgericht Niedersachsen die Verfassungsgemäßheit der Begrenzung der kindergeldunschädlichen Begrenzung bei Einkünften und Bezügen, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung von volljährigen Kindern bestimmt sind, auf einen Höchstbetrag von 12.360,00 DM diskutiert und im Ergebnis § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 EStG für verfassungsgemäß gehalten. Das Urteil ist schon 1999 publiziert worden. Dem Kläger war es möglich, sich über die in Rechtsprechung und Literatur kontrovers diskutierte Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 32 Abs. 4 EStG zu informieren. Schon in seinem Urteil vom 15.08.1972 (5 AZR 32/72, AP Nr. 14 zu § 242 BGB Auskunftspflicht) hat das Bundesarbeitsgericht dem im 20. Jahrhundert lebenden deutschen Arbeitnehmer auferlegt, sich im Grundsatz selbst zu bemühen, die Rechtskenntnisse zu erwerben oder sich mit Hilfe Dritter zugänglich zu machen, die er im Arbeitsleben zur Wahrung seiner sozialen Belange braucht. So hätte der Kläger angesichts der Diskussion um die Bestimmung der kindergeldschädlichen Einkommensgrenze des § 32 Abs. 4 EStG (vgl. auch FG Niedersachsen, Urteil vom 20.07.1999 - VII 471/98 Ki, FR 1999, 1074) und die Verfassungsgemäßheit der Vorschrift schon 1999 den Rechtsstandpunkt der Beklagten, es bestehe kein Kindergeldanspruch und damit auch kein Anspruch auf den kindbezogenen Ortszuschlag, in Frage stellen und seinen Anspruch geltend machen können. Insoweit hatte er dieselben rechtlichen Möglichkeiten wie die Klägerin des letztlich vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Verfahrens.
Zu Recht hat deshalb das Bundesministerium des Innern mit Erlass vom 31.03.2006 für seine nachgeordneten Behörden entschieden, dass kindbezogene Ortszuschläge für die Zeit vor dem 01.07.2005 nur dann nachzuzahlen sind, wenn der Anspruch dem Grunde nach innerhalb der jeweiligen tariflichen Ausschlussfrist geltend gemacht wurde und keine abschließende Entscheidung vorliegt.
Ausnahmsweise ist der Lauf der Ausschlussfrist gehemmt, wenn der Anspruchsberechtigte seine Ansprüche nicht erheben kann, weil der Anspruchsschuldner keine Abrechnung erteilt oder diese verzögert. Der Lauf der Verfallfrist für die Zahlungsansprüche ist dann so lange gehemmt, wie die fehlende Abrechnung noch verlangt werden kann (vgl. BAG, Urteil vom 16.11.1989 - 6 AZR 168/89, AP Nr. 3 zu § 11 BAT).
Der Anspruch des Klägers auf Zahlung des kindbezogenen Ortszuschlages ist ohne weiteres anhand der tariflichen Vorschriften dem Grunde und der Höhe nach zu ermitteln und bedarf keiner vorherigen Abrechnung oder Auskunftserteilung des Arbeitgebers. Insbesondere ist er nicht abhängig von einem Bescheid über die Gewährung von Kindergeld.
Der Ablauf der tariflichen Ausschlussfrist ist auch nicht deshalb gehemmt, weil es die Beklagte pflichtwidrig unterlassen hätte, dem Kläger Umstände mitzuteilen, die die Geltendmachung des Zahlungsanspruchs innerhalb der Ausschlussfrist ermöglicht hätten (vgl. dazu BAG, Urteil vom 01.06.1995 a.a.O.). Dem Kläger waren die die Geltendmachung ermöglichenden Tatsachen bekannt. Eine Verpflichtung der Beklagten, ihn über eine unsichere Rechtslage aufzuklären, bestand nicht.
5. Sie ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt unzulässiger Rechtsausübung gehindert, den Verfall der streitgegenständlichen Ansprüche einzuwenden. Eine unzulässige Rechtsausübung i.S. des § 242 BGB ist von der Rechtsprechung anerkannt worden, wenn der Arbeitgeber durch sein Verhalten die Ursache dafür gesetzt hat, dass der Arbeitnehmer nicht erkennen konnte, ob ihm ein Anspruch zustand, er ihm z.B. eine falsche Auskunft oder Belehrung erteilt hat (vgl. BAG, Urteil vom 23.06.1961 - 1 AZR 239/59, DB 1961, 1198). Die Beklagte hat den Kläger in keiner Hinsicht durch eine falsche Belehrung von der Geltendmachung seiner Ansprüche abgehalten. Sie hat sich nur auf einen von der damaligen Rechtsprechung gedeckten Rechtsstandpunkt gestellt (vgl. FG Niedersachsen, Urteil vom 04.02.1999 a.a.O.; BFH, Urteil vom 11.12.2001 - VI R 16/00, HFR 2002, 508).
Sie hat dem Kläger auch nicht zugesagt oder ihn durch ihr Verhalten zu der begründeten Annahme veranlasst, dass sie seine Ansprüche auch erfüllen werde, unterlasse er die fristgerechte Geltendmachung. So gibt es keine verbindliche Zusage, sie werde aus dem Ausgang eines Musterrechtsstreits für die sonstigen gleichgelagerten Fälle die entsprechenden Folgerungen ziehen (vgl. dazu BAG, Urteil vom 27.03.1963 - 4 AZR 72/62, AP Nr. 9 zu § 59 BetrVG; Urteil vom 18.12.1984 - 3 AZR 383/82, AP Nr. 87 zu § 4 TVG Ausschlussfristen).
Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten folgt auch nicht daraus, dass der Kläger für die Zeit vom 01.01.2001 bis zum 30.06.2001 eine Kindergeldnachzahlung erhalten hat, ihm aber der kindbezogene Ortszuschlag für diese Zeit verweigert wird. Aufgrund der unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzungen bindet der Bescheid der F5xxxxxxxxxxx der Beklagten vom 03.08.2005 diese nicht hinsichtlich der Verpflichtung zur Nachzahlung des kindbezogenen Ortszuschlags. Wie die Beklagte mit Schreiben vom 28.10.2005 zutreffend ausgeführt hat, unterliegt der Anspruch auf Zahlung des Kindergeldes als öffentlich-rechtlicher Anspruch nach dem Einkommensteuer- oder nach dem Bundeskindergeldgesetz nicht der tariflichen Ausschlussfrist, selbst wenn das Kindergeld gemäß § 72 EStG von dem öffentlichen Arbeitgeber unmittelbar ausgezahlt wird (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese a.a.O. § 70 BAT Erläuterung 6.f. bb).
6. Auf die Frage, ob der Kläger seinen Anspruch nicht durch sein Schreiben vom 22.06.2005 auf die Zeit von Januar bis Juni 2001 beschränkt hat, kommt es angesichts des Verfalls seiner gesamten Forderungen nicht an.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
Ende der Entscheidung
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