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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 08.02.2007
Aktenzeichen: 17 Sa 1403/06
Rechtsgebiete: BGB, KSchG, EGGVG, ArbGG, ZPO, LPVG/NW, BAT, TVöD - VKA


Vorschriften:

BGB § 140
BGB § 187 Abs. 1
BGB § 188 Abs. 2
BGB § 626 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 1 Satz 2
KSchG § 1 Abs. 2 Satz 1
EGGVG § 12
EGGVG § 13 Abs. 2
EGGVG § 14 Abs. 1 Ziff. 4
EGGVG § 18
ArbGG § 64 Abs. 2 c
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ArbGG § 69 Abs. 2
ZPO § 222 Abs. 1
ZPO § 222 Abs. 2
ZPO § 224 Abs. 2
ZPO §§ 233 ff.
ZPO § 236 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz
ZPO § 524 Abs. 1
ZPO § 524 Abs. 3 Satz 1
LPVG/NW § 72 a Abs. 1
LPVG/NW § 72 a Abs. 2
LPVG/NW § 72 a Abs. 2 Satz 1
LPVG/NW § 72 a Abs. 3
LPVG/NW § 66 Abs. 1
BAT § 53 Abs. 2
TVöD - VKA § 34 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 25.07.2006 - 2 Ca 582/06 - wird zurückgewiesen.

Die Anschlussberufung des Beklagten wird als unzulässig verworfen. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien zu je 1/2.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch Kündigung des Beklagten beendet ist.

Der am 08.02.1968 geborene, von seiner Ehefrau getrenntlebende, gegenüber einem Kind unterhaltsverpflichtete Kläger war seit dem 16.01.2002 als Angestellter in der Tätigkeit eines Erziehers bei dem Beklagten im dem W7xxxxxxxxxxx Z1xxxxx für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik D2xxxxxx tätig.

Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Arbeitsvertrag vom 16.01.2002/21.01.2002 zugrunde, wegen dessen Einzelheiten auf die von dem Beklagten mit Schriftsatz vom 15.02.2006 vorgelegte Kopie (Bl. 55, 56 d.A.) verwiesen wird. Gemäß § 2 des Vertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung. Der Kläger erzielte ein monatliches Bruttoeinkommen nach der Vergütungsgruppe IV b des Teils IV der Anlage 1 a zum BAT - LWL.

Vor Abschluss des Arbeitsvertrages verneinte der Kläger am 04.12.2001 in einem Personalfragebogen für den Dienstgebrauch bei dem Beklagten die Frage nach Vorstrafen oder gegen ihn schwebende Ermittlungsverfahren.

Der Kläger war in der Zeit vom 01.04.1992 bis zum 31.12.2000 in der W7xxxxxxxxxxx Klinik M2xxxxx als Krankenpfleger beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis wurde am 09.11.1999 fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt mit der Begründung, mehrere Patienten hätten ihn beschuldigt, im Dienst Cannabis zu konsumieren und auch an Patienten zu verteilen. Nach Behauptung des Beklagten existierten auch nicht nachweisbare Gerüchte über sexuelle Beziehungen zu Patientinnen. Auf die Kündigungsschutzklage des Klägers wurde das Arbeitsverhältnis vergleichsweise zum 31.12.2000 gegen Zahlung einer Abfindung von 24.000,-- DM beendet.

Seit dem 15.03.2001 war der Kläger in dem Gemeinschaftskrankenhaus H7xxxxxx beschäftigt und betreute dort minderjährige Patienten. Am 06.11.2001 wurde gegen ihn Strafanzeige erstattet wegen des Konsums von Marihuana zusammen mit einer minderjährigen Patientin und des sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung des Behandlungsverhältnisses. Mit Urteil vom 19.02.2004 verurteilte das Amtsgericht Hagen den Kläger wegen unerlaubten Überlassens von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch an eine Person unter 18 Jahren, wegen gemeinschaftlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit der unerlaubter Ausfuhr und wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten. Auf die Berufung des Klägers reduzierte das Landgericht Hagen mit Urteil vom 28.04.2005 das Strafmaß auf ein Jahr und setzte die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung aus.

Wegen der Einzelheiten des amtsgerichtlichen Urteils sowie des Urteils des Landgerichts Hagen wird auf die von dem Beklagten mit Schriftsatz vom 15.02.2006 vorgelegten Kopien (Bl. 24 bis 49 d.A.) Bezug genommen. Das Urteil des Landgerichts Hagen ist rechtskräftig.

Am 05.01.2006 erhielt der Beklagte erste Kenntnis von dem gegen den Kläger geführten Strafverfahren. Auf seinen Antrag hin erhielt er am 23.01.2006 Einsicht in die Akten der Staatsanwaltschaft Hagen - 600 Js 279/02 -. Nach Durchsicht der Unterlagen unterrichtete die Rechtsabteilung des Beklagten am 26.01.2006 die Betriebsleitung der W7xxxxxxxxxxx Kliniken. Mit Schreiben von diesem Tag wurde das Arbeitsverhältnis wegen arglistiger Täuschung angefochten.

Mit Personalinformationsbogen vom 30.01.2006 (Bl. 64 d.A.) unterrichtete der Beklagte den Personalrat unter Vorlage von Kopien beider Strafurteile sowie eines Entwurfes eines Kündigungsschreibens von ihrer Absicht, das zu dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich kündigen zu wollen. Am 31.01.2006 erklärte der Personalrat durch seinen Vorsitzenden schriftlich die Zustimmung zu der außerordentlichen Kündigung.

Mit Schreiben vom 06.02.2006, dem Kläger nach seinem Vorbringen am 11.02.2006, nach Behauptung des Beklagten am 8.2. 2006 zugegangen kündigte dieser das Arbeitsverhältnis fristlos aus personen- und verhaltensbedingten Gründen. Wegen der Einzelheiten des Kündigungsschreibens wird auf die von dem Kläger mit Schriftsatz vom 15.02.2006 vorgelegte Kopie (Bl. 11, 12 d.A.) Bezug genommen.

Mit seiner am 07.02.2006 bei Gericht eingegangenen und unter dem 18.02.2006 erweiterten Klage hat sich der Kläger u.a. gegen die außerordentliche Kündigung gewendet.

Er hat die Auffassung vertreten:

Der Beklagte habe die Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Da der Personalrat ausschließlich zu einer außerordentlichen Kündigung angehört worden sei, komme eine Umdeutung der außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung nicht in Betracht.

Er hat behauptet:

Der Beklagte setze ihn als Krankenpfleger in einem Wohngruppenverbund ein mit dem Ziel, ältere Menschen nach einem längeren Aufenthalt in der Psychiatrie wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Insoweit habe er nunmehr andere Aufgaben als in seinem früheren Arbeitsverhältnis zu dem Gemeinschaftskrankenhaus in H7xxxxxx.

In seinem Arbeitsverhältnis zu dem Beklagten habe er sich stets korrekt und ordentliche verhalten.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 06.02.2006 aufgelöst worden ist, sondern weiter fortbesteht,

2. den Beklagten zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen wie im Arbeitsvertrag vom 21.01.2002 festgelegt als Pfleger über den 06.02.2006 weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet:

Das zu einer Verurteilung im Strafverfahren führende Verhalten des Klägers zeige seine Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufes als Angestellter in der Tätigkeit eines Erziehers. Durch wissentliches Verschweigen des Ermittlungsverfahrens habe ihn der Kläger im Übrigen arglistig getäuscht.

Mit Urteil vom 25.07.2006 hat das Arbeitsgericht Dortmund festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 06.02.2006 nicht außerordentlich fristlos mit sofortiger Wirkung, sondern ordentlich, fristgemäß mit Ablauf des 31.03.2006 geendet hat. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Es hat ausgeführt:

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis habe nicht durch die Kündigung des Beklagten fristlos mit sofortiger Wirkung sein Ende gefunden, da es ihm zuzumuten gewesen sei, den Kläger bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen.

Die unwirksame außerordentliche Kündigung sei jedoch gemäß § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umzudeuten. Diese sei auch wirksam.

Die erneute Beteiligung des Personalrates sei ausnahmsweise entbehrlich, da dieser der außerordentlichen Kündigung uneingeschränkt zugestimmt habe.

Die Kündigung sei gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt. Aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung sei die mangelnde Eignung des Klägers für die Tätigkeit als Krankenpfleger/Erzieher in den W7xxxxxxxxxxx Kliniken D2xxxxxx indiziert. Er habe durch seine Taten aufgezeigt, dass es ihm an der Fähigkeit fehle, bedeutsame dienstliche und rechtsstaatliche Regeln einzuhalten. Seine fehlende Eignung berühre die Interessen des Beklagten in doppelter Hinsicht. Käme es in seiner Einrichtung, in der überwiegend Menschen mit Erkrankungen aus dem schizophrenen Personenkreis mit Persönlichkeitsstörungen sowie Bewohner mit der Doppeldiagnose Psychose und Sucht betreut würden, zu einem ähnlichen Vorfall wie im Gemeinschaftskrankenhaus H7xxxxxx, so wäre die Einrichtung in schwerwiegender Weise in ihren Behandlungszielen, aber auch in ihrem öffentlichen Ansehen beeinträchtigt.

Die Interessenabwägung habe zu Lasten des Klägers erfolgen müssen. Der Beklagte hätte ihn bei wahrheitsgemäßen Angaben im Personalfragebogen nicht eingestellt. Zu seinen Lasten sei auch zu berücksichtigen gewesen, dass er die Straftaten nicht zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn in einem noch jugendlichen Alter begangen habe.

Dem Beklagten sei es auch nicht zuzumuten, ihn anderweitig einzusetzen. Zum einen würde das Weisungsrecht unangemessen beeinträchtigt. Zum anderen sei das Gericht nicht der Überzeugung, dass die durch die Verurteilung indizierten Zweifel an der Eignung des Klägers durch eine Beschränkung auf lediglich bestimmte Einsatzbereiche überhaupt zurückgestellt werden könnten.

Gemäß §§ 12, 13 Abs. 2, 14 Abs. 1 Ziff. 4, 18 EGGVG i.V.m. Ziff. 1 Abs. 2 und Ziff. 16 der Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen seien die Staatsanwaltschaft und die Strafgerichte zur Auskunftserteilung an den Beklagten verpflichtet gewesen. Dieser habe die Auskünfte auch verwerten dürfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 25.07.2006 (Bl. 82 bis 93 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 15.08.2006 zugestellte Urteil am 25.08.2006 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt, die er gleichzeitig begründet hat.

Dem Beklagten ist die Berufungsschrift nebst Begründung am 15.09.2006 zugestellt worden. Mit am 16.10.2006 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz hat er Anschlussberufung eingelegt und diese am 17.10.2006 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend begründet.

Der Kläger wiederholt seine Auffassung, die Umdeutung der unwirksamen außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung sei unzulässig, da der Beklagte ausweislich seiner Formulierung in dem Kündigungsschreiben eine ordentliche Kündigung nicht gewollt habe und der Personalrat nicht zu der ordentlichen Kündigung angehört worden sei.

Das erstinstanzliche Gericht habe verkannt, dass er sich im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zu dem Beklagten nichts habe zu Schulden kommen lassen. Er habe sich über viele Jahre als geeignet gezeigt und sei rehabilitiert. Eine Wiederholungsgefahr bestehe seiner Auffassung nach nicht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 25.07.2006 - 2 Ca 582/06 - abzuändern und nach seinen erstinstanzlichen Schlussanträgen zu erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 25.07.2006 - 2 Ca 582/06 - insoweit abzuändern, als die fristlose Kündigung für unwirksam erklärt wurde und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, gerade wegen des der Verurteilung des Klägers zugrundeliegenden strafbaren Verhaltens habe er den einzig möglichen Schluss gezogen, dass der Kläger für krankenpflegerische/erzieherische Tätigkeiten nicht geeignet sei bzw. eine jederzeit drohende Wiederholungsgefahr vorliege. Zu Unrecht sei das erstinstanzliche Gericht von der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ausgegangen.

Im Übrigen verteidigt der Beklagte das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird Bezug genommen auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Terminsprotokolle.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Kammer hatte nicht erneut über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung des Beklagten vom 06.02.2006 zu entscheiden, da die Anschlussberufung unzulässig ist. Sie war entsprechend zu verwerfen.

Zwar konnte sich der Beklagte gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 524 Abs. 1 ZPO der Berufung des Klägers anschließen. Gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO, 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG kann die Anschlussberufung nur innerhalb eines Monats nach Zustellung der Berufungsbegründungsschrift eingelegt werden und muss gemäß § 524 Abs. 3 Satz 1 ZPO auch innerhalb dieser Frist begründet werden.

Dem Beklagten wurde die Berufungsbegründungsschrift am 15.09.2006 zugestellt. Die gemäß §§ 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB zu berechnende Frist zur Berufungserwiderung endete gemäß § 222 Abs. 2 ZPO am 16.10.2006 (Montag). Der Beklagte hat zwar an diesem Tag bei dem Landesarbeitsgericht eingehend die Anschlussberufung eingelegt, diese aber erst am 17.10.2006 bei dem erkennenden Gericht eingehend begründet. Die Frist des § 524 Abs. 3 Satz 1 ZPO stellt keine Notfrist dar, sondern eine gesetzliche Frist im Sinne des § 224 Abs. 2 ZPO mit der Folge, dass eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nach §§ 233 ff. ZPO nicht in Betracht kommt (vgl. Schwab, Die Anschlussberufung im arbeitsgerichtlichen Verfahren, FA 2006, 130, 132; Gerken, Probleme der Anschlussberufung nach § 524 ZPO, NJW 2002, 1095). Teilweise wird eine analoge Anwendung der §§ 233 ff. ZPO befürwortet (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., § 524 ZPO Rdnr. 10 mwN; abgelehnt vom BGH, Urteil vom 06.07.2005 - XII ZR 293/02, NJW 2006, 3067; Gerken a.a.O.; Schwab a.a.O.). Das Gericht brauchte über diese Frage nicht abschließend zu entscheiden, da die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung von Amts wegen, § 236 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz ZPO nicht gegeben sind. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte ohne sein Verschulden an der fristgerechten Begründung der Anschlussberufung gehindert war, § 233 ZPO in entsprechender Anwendung.

II.

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt worden und an sich statthaft, §§ 64 Abs. 2 c, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO. Sie ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Dortmund die zulässige gegen eine Beendigung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses durch eine ordentliche Kündigung gerichtete Kündigungsschutzklage abgewiesen.

1. Zutreffend hat es die unwirksame außerordentliche Kündigung vom 06.02.2006 gemäß § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umgedeutet. Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde.

Die Umdeutung ist immer dann zu prüfen, wenn nicht schon die Auslegung dazu führt, dass hilfsweise hier eine ordentliche Kündigung erklärt worden ist. Dem Schreiben des Beklagten vom 06.02.2006 lässt sich eine ordentliche Kündigungserklärung nicht entnehmen. Zwar hat er darauf hingewiesen, dass die Kündigung aus personen- und verhaltensbedingten Gründen erfolge, nach § 1 Abs. 1 Satz 2 KSchG typische Gründe für eine ordentliche Kündigung. Er hat gleichzeitig aber auf die Anhörung des Personalrats nach § 72 a Abs. 2 LPVG/NW Bezug genommen und damit verdeutlicht, von einer wirksamen außerordentlichen Kündigung auszugehen.

Die Voraussetzungen der Umdeutung sind von Amts wegen zu prüfen. Der Arbeitgeber muss sich nicht auf eine Umdeutung berufen (vgl. BAG, Urteil vom 15.11.2001 - 2 AZR 310//00, EzA § 140 BGB Nr. 24; KR-Fischermeier, 7. Aufl., § 626 BGB Rdnr. 366).

Die Umdeutung entspricht dem mutmaßlichen Willen des Beklagten, das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall zu beenden, bei Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung auch durch eine ordentliche Kündigung. Dieser Wille war für den Kläger im Zeitpunkt des Kündigungszugangs erkennbar (vgl. zu den Voraussetzungen der Umdeutung KR-Friedrich a.a.O. § 13 KSchG, Rdnr. 76 ff.). Insoweit wird auf die überzeugende Begründung des erstinstanzlichen Gerichts gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist nicht Voraussetzung der Umdeutung, dass der Arbeitgeber hilfsweise eine ordentliche Kündigung ausspricht. In diesem Fall liegen nämlich zwei Kündigungserklärungen vor. Die Prüfungsreihenfolge ergibt sich daraus, dass die ordentliche Kündigung vorsorglich für den Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung erklärt wird. Einer Umdeutung nach § 140 BGB bedarf es in diesem Fall aufgrund der eindeutigen Willenserklärungen des Arbeitgebers gerade nicht.

2. Zu Recht ist das erstinstanzliche Gericht davon ausgegangen, dass die umgedeutete ordentliche Kündigung nicht gemäß § 72 a Abs. 1, Abs. 3 LPVG/NW unwirksam ist.

Zwar stimmt der Personalrat bei Ausspruch einer ordentlichen Kündigung mit, während er vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung gem. § 72 a Abs. 2 Satz 1 LPVG/NW nur anzuhören ist. Gemäß § 66 Abs. 1 LPVG/NW kann eine der Mitbestimmung unterliegende Maßnahme nur mit Zustimmung des Personalrates durchgeführt werden. Daraus folgt, dass bei Umdeutung einer außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung grundsätzlich das Mitbestimmungsverfahren nach § 72 a Abs. 1 LPVG/NW durchgeführt werden muss (vgl. zu § 102 BetrVG KR-Etzel a.a.O. § 102 BetrVG Rd. 182). Ausnahmsweise ist die Einleitung eines neuen personalvertretungsrechtlichen Verfahrens dann entbehrlich, wenn im konkreten Verfahren die Beteiligung des Personalrats den für eine ordentliche Kündigung vorgesehenen Voraussetzungen tatsächlich entspricht und der Personalrat der außerordentlichen Kündigung einschränkungslos zugestimmt hat (vgl. BAG, Urteil vom 03.12.1981 - 2 AZR 679/79; zu § 102 BetrVG BAG, Urteil vom 16.03.1978 - 2 AZR 424/76, AP Nr. 15 zu § 102 BetrVG 1972; KR-Etzel a.a.O. § 102 BetrVG Rdnr. 182 a). Der Beklagte hat den Personalrat mit Schreiben vom 30.01.2006 unter Vorlage der Strafurteile und eines Entwurfs des Kündigungsschreibens umfänglich sowohl über die Sozialdaten des Klägers als auch über seine Gründe für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung informiert. Das stellt der Kläger nicht in Abrede. Der Personalrat hat mit Stellungnahme vom 31.01.2006 einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses uneingeschränkt zugestimmt.

3. Die Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt, da sie durch Gründe in der Person des Klägers bedingt ist.

Ein personenbedingter Kündigungsgrund ist dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Kündigungszugangs und voraussichtlich auch für die Zeit danach die Fähigkeit und/oder Eignung nicht besitzt, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (vgl. KR-Etzel a.a.O. § 1 KSchG Rdnr. 266; BAG, Urteil vom 21.11.1985 - 2 AZR 21/85, AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969; vom 13.03.1987 - 7 AZR 724/85, AP Nr. 37 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Dazu gehört auch die persönliche Ungeeignetheit z.B. aus charakterlichen Gründen (vgl. BAG, Urteil vom 26.03.1992 - 2 AZR 519/91, AP Nr. 23 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; KR-Etzel a.a.O. § 1 KSchG Rdnr. 303).

Zu Recht verweist das erstinstanzliche Gericht auf die besonderen Anforderungen an einen Angestellten des öffentlichen Dienstes. Nach Artikel 33 Abs. 2 GG ist nur geeignet, wer dem angestrebten Amt in körperlicher, psychischer und charakterlicher Hinsicht gewachsen ist. Dazu gehört auch die Bereitschaft, die Rechtsordnung zu wahren (vgl. BAG, Urteil vom 20.05.1999 - 2 AZR 320/98, EzA § 123 BGB Nr. 52).

Begeht der Arbeitnehmer - wie hier - Straftaten im außerdienstlichen Bereich, so liegt nicht in jedem Fall gleichzeitig eine Vertragsverletzung vor. Die Straftaten können jedoch die Eignung für die geschuldete Tätigkeit beeinträchtigen (vgl. BAG, Urteil vom 23.09.1976 - 2 AZR 309/75, EzA § 1 KSchG Nr. 35; LAG Berlin, Urteil vom 15.12.1989 - 2 Sa 29/89, ZTR 1990, 166).

Hier hat der Kläger vor Abschluss des Arbeitsvertrages vom 21.01.2002 am 01.09.2001 durch sexuellen Missbrauch einer ihm im Rahmen eines Behandlungsverhältnisses anvertrauten Person und durch Abgabe von Marihuana an diese seine Vertragspflichten gegenüber seinem damaligen Arbeitgeber, dem Gemeinschaftskrankenhaus H7xxxxxx verletzt. Da eine vertragliche Verbindung für den Beklagten noch nicht bestand, kommt eine Verletzung (vor)vertraglicher Pflichten durch das außerdienstliche Verhalten ihm gegenüber nicht in Betracht. Der Kläger hat aber durch seine Straftaten gezeigt, dass er für die Tätigkeit eines Krankenpflegers/Erziehers charakterlich ungeeignet ist.

Das Landgericht Hagen hat ihn rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, die Strafe aber zur Bewährung ausgesetzt. Allein das Strafmaß zeigt schon, dass er in erheblichem Maße gegen die Rechtsordnung verstoßen hat. Die der Verurteilung zugrunde liegenden Delikte zeigen, dass er sich seiner besonderen Verantwortung als Krankenpfleger in eine Abteilung für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie des Kindes- und des Jugendalters nicht bewusst war und sich den pflegerischen und erzieherischen Aufgaben nicht gewachsen gezeigt hat. Wie das Amtsgericht Hagen in seinen Urteilsgründen festgestellt hat, hat er die psychische Stabilität der ihm anvertrauten minderjährigen Patientin zumindest erheblich gefährdet und das therapeutische Konzept seines damaligen Arbeitgebers unterlaufen.

Das Gericht verkennt nicht, dass das Landgericht Hagen für den Kläger eine günstige Sozialprognose gestellt hat, da er Ersttäter ist und bis dahin ein sozial angepasstes und arbeitsames Leben geführt hat. Diese zur Frage der Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe getroffenen Erwägungen sind nicht gleichermaßen einschlägig für die Frage, ob der Kläger geeignet ist, seine berufliche Tätigkeit als Krankenpfleger/Erzieher in den Diensten des Beklagten fortzuführen. Entscheidungserheblich war für die Kammer, dass auch in der Einrichtung des Beklagten psychisch kranke Menschen mit Persönlichkeitsstörungen, Sucht- und Missbrauchserfahrungen behandelt werden. Unerheblich ist, dass es sich nicht um minderjährige Patienten handelt. Denn auch die Behandlung psychisch labiler Erwachsener erfordert ein besonderes Verantwortungsbewusstsein der Betreuern, eine Festigkeit in der Persönlichkeit, die emphatisches Verhalten ohne Distanzverlust ermöglicht. Vor diesem Hintergrund hatte der Beklagte die strafrechtliche Verurteilung des Klägers besonders ernst zu nehmen und sich schützend vor die ihm anvertrauten Patienten zu stellen. Eine Wiederholungsgefahr ist nicht zuverlässig auszuschließen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch das Amtsgericht Hagen hat sich der Kläger zumindest auf eine weitere (volljährige) Patientin des Krankenhauses H7xxxxxx unter Verstoß gegen seine Dienstpflichten sexuell eingelassen. Die missbräuchliche sexuelle Beziehung zu der Patientin G5xx stellt demnach keinen Einzelfall dar.

Unerheblich ist, ob sich der Kläger in dem seit ca. 4 Jahren bestehenden Arbeitsverhältnis nichts hat zu Schulden kommen lassen. Es entzieht sich letztlich der Erkenntnis des Beklagten, ob der Kläger charakterlich gereift ist, ob er tatsächlich keiner Konfliktsituation ausgesetzt war oder ob ihm - dem Beklagten - Probleme nur nicht zur Kenntnis gelangt sind. Nicht unberücksichtigt bleiben kann im Übrigen der Anpassungsdruck, der von dem seit Ende 2001/Anfang 2002 gegen den Kläger geführten Ermittlungsverfahren ausgegangen ist.

Im Interesse seiner Patienten, aber auch im Interesse seines Behandlungskonzeptes und seines guten Rufes brauchte der Beklagte eine Wiederholung strafrechtlich relevanten Verhaltens des Klägers nicht in Kauf zu nehmen.

3. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt eine ordentliche Kündigung allerdings dann nicht in Betracht, wenn eine Möglichkeit zu einer Weiterbeschäftigung des Gekündigten besteht und der Grund, der einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu dem bisherigen Inhalt entgegensteht, es nicht zugleich ausschließt, den Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz zu beschäftigen (vgl. KR-Fischermeier a.a.O. § 626 BGB Rdnr. 288, 290). Die Pflicht des Beklagten zur Umsetzung setzt allerdings einen anderweitigen geeigneten und freien Arbeitsplatz voraus, dessen Bestehen auch der Kläger nicht behauptet. Im Übrigen bestehen Zweifel, ob es in der Einrichtung des Beklagten überhaupt geeignete Arbeitsplätze gibt. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts verwiesen.

4. Die auch im Rahmen der ordentlichen Kündigung stets gebotene Interessenabwägung musste zu Ungunsten des Klägers ausfallen.

Auch insoweit schließt sich die Kammer den überzeugenden Erwägungen des Arbeitsgerichts Dortmund an. Der Kläger ist ihnen nicht erheblich entgegengetreten. Zwar ist er erstmalig wegen Straftaten im Zusammenhang mit dem Genuss von Betäubungsmitteln verurteilt worden. Gegen ihn ist aber nach den von ihm nicht bestrittenen Ausführungen des Amtsgerichts Hagen bereits zuvor von der Staatsanwaltschaft Münster wegen Betäubungsmittelkonsums ermittelt worden ist. Das Verfahren wurde eingestellt. Auch hat er nicht erstmalig eine nach seinen arbeitsvertraglichen Pflichten unzulässige sexuelle Beziehung zu einer psychisch kranken Patientin aufgenommen. Die Beziehung war allerdings im Hinblick auf deren Volljährigkeit strafrechtlich nicht relevant.

Vor diesem Hintergrund musste das Interesse des Klägers zurücktreten, sich zu bewähren und in seinem Beruf tätig zu sein, zumal eine Beschäftigung als Krankenpfleger außerhalb psychotherapeutischer Einrichtungen durchaus denkbar ist.

5. Die von dem erstinstanzlichen Gericht angenommene Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende entspricht der Frist nach § 53 Abs. 2 BAT bzw. § 34 Abs. 1 TVöD - VKA. Die Anwendung der Tarifvorschriften ist arbeitsvertraglich vereinbart.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO. Dem Beklagten waren die Kosten der wegen eigener Mängel unzulässigen Anschlussberufung aufzuerlegen (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, § 524 ZPO Rdnr. 43).

Gründe im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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