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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 14.06.2007
Aktenzeichen: 17 Sa 173/07
Rechtsgebiete: TVÜ-VKA


Vorschriften:

TVÜ-VKA § 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 31.10.2006 - 2 Ca 1717/06 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 815,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 90,57 € seit dem 01.03.2006, 01.04.2006, 01.05.2006, 01.06.2006, 01.07.2006, 01.08.2006, 01.09.2006, 01.10.2006 und 01.11.2006 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Kläger zu 75 %, die Beklagte zu 25 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um den Anspruch des Klägers auf eine Besitzstandszulage für kinderbezogene Entgeltbestandteile.

Der seit dem 01.07.1991 bei der Beklagten beschäftigte Kläger befand sich in der Zeit vom 01.04.2003 bis zum 29.01.2006 in Elternzeit. Nach § 2 des Arbeitsvertrags vom 01.07.1991 (Bl. 3 d.A.) richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) vom 23.02.1991 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen.

Mit Wirkung zum 01.10.2005 führte die Beklagte die zu ihr bestehenden Arbeitsverhältnisse in den TVöD-S über.

Bezüglich der an die Beschäftigten nach dem BAT gezahlten kinderbezogenen Entgeltbestandteile gilt nach § 11 TVÜ-VKA Folgendes:

(1) Für im September 2005 berücksichtigte Kinder werden die kinderbezogenen Entgeltbestandteile des BAT/BAT-O/BAT-Ostdeutsche Sparkassen oder BMT-G/BMT-G-O in der für September 2005 zustehenden Höhe als Besitzstandszulage fortgezahlt, solange für diese Kinder Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) oder nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) ununterbrochen gezahlt wird oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 EStG oder des § 3 oder § 4 BKGG gezahlt würde. Unterbrechungen wegen Ableistung von Grundwehrdienst, Zivildienst oder Wehrübungen sowie eines freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahres sind unschädlich.....

(3) Absätze 1 und 2 geltend entsprechend für

a) zwischen dem 01.10.2005 und dem 31.12.2005 geborene Kinder der übergeleiteten Beschäftigten,

b) die Kinder von bis zum 31.12.2005 in ein Arbeitsverhältnis übernommenen Auszubildenden, Krankenpfleger- und Hebammenschülern, sowie Praktikantinnen und Praktikanten aus tarifvertraglich geregelten Beschäftigungsverhältnissen, soweit diese Kinder vor dem 01.01.2006 geboren sind.

Gleichlautende Regelungen wurden von den Tarifvertragsparteien im TVÜ-Bund getroffen.

Die Tarifvertragsparteien des TVÜ-Länder haben folgende Protokollerklärung zu § 11 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-L aufgenommen:

Die Unterbrechung der Entgeltzahlung im Oktober 2006 bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses wegen Elternzeit, Rente auf Zeit oder Ablauf der Krankenbezugsfristen ist für das Entstehen des Anspruchs auf die Besitzstandszulage unschädlich. Bei späteren Unterbrechungen der Entgeltzahlung in den Fällen von Satz 1 wird die Besitzstandszulage nach Wiederaufnahme der Beschäftigung weitergezahlt. Die Höhe der Besitzstandszulage nach Satz 1 richtet sich nach § 5 Abs. 6 (TVÜ-L). Diejenigen Beschäftigten, die im Oktober 2006 nicht kindergeldberechtigt waren und deshalb keinen kinderbezogenen Ortszuschlag erhalten haben und bis zum 31.12.2006 einen berechtigten Wechsel beim Kindergeld vornehmen, haben Anspruch auf die Besitzstandszulage nach Satz 1. Die Höhe der Besitzstandszulage ist so zu bemessen, als hätte die/der Beschäftigte bereits im Oktober 2006 Anspruch auf Kindergeld gehabt.

Mit Rundschreiben der VKA zur Besitzstandsregelung für Kinder vom 08.11.2005 - R 379/2005 - erläuterte diese als auf Arbeitgeberseite tarifschließende Partei die Voraussetzungen für die Zahlungsaufnahme der Besitzstandszulage für vor September 2005 geborene Kinder und vertrat die Auffassung, gemäß § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA sei an Beschäftigte, die im September 2005 keine kinderbezogenen Entgeltbestandsteile bezogen hätten, weil sie sich im Referenzmonat in Elternzeit, in (unbezahltem) Sonderurlaub befunden hätten oder ihnen eine Rente auf Zeit gewährt worden sei, keine Besitzstandszulage zu zahlen. Dagegen sei an sich im September 2005 im Mutterschutz befindliche Beschäftigte bzw. an arbeitsunfähig erkrankte Beschäftigte ohne Anspruch auf Krankenbezüge die Besitzstandszulage so zu zahlen, als wenn ihnen im September 2005 kinderbezogene Entgeltbestandteile zugestanden hätten.

Mit Rundschreiben vom 23.05.2006 an die obersten Bundesbehörden - D II 2 - 220 210 - 1/11 erklärte sich das Bundesministerium des Innern im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen mit der Zahlung einer außertariflichen Besitzstandszulage in entsprechender Anwendung des § 11 TVÜ-Bund ab Wiederaufnahme der Arbeit einverstanden, wenn der Beschäftigte im September 2005 nur deshalb keinen kinderbezogenen Anteil im Ortszuschlag erhalten habe, weil er sich in Elternzeit befunden habe. Bei der Höhe der Besitzstandszulage sei fiktiv darauf abzustellen, welcher Anspruch auf kinderbezogene Entgeltbestandteile im September 2005 bestanden hätte, wenn die Arbeit mit dem bisherigen Arbeitszeitumfang, der vor der Unterbrechung des Bezügeanspruchs u.a. wegen Elternzeit maßgeblich gewesen sei, fortgesetzt worden wäre.

Bis zum Herbst 2006 führten die Tarifvertragsparteien des TVöD-VKA und des TVÜ-VKA Nachverhandlungen, die zunächst zu dem Ergebnis führten, dass ab dem 01.10.2006 Besitzstandszulagen in Höhe der kinderbezogenen Anteile auch an Beschäftigte gezahlt werden sollten, die u.a. wegen Elternzeit im September 2005 kein Entgelt erhalten hätten (vgl. dazu Tarifinformation 2006 Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di (Bl. 48, 49 d.A.); Information der dbb tarifunion Nr. 43/2006 vom 03.11.2006). Gemäß der Auskunft des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Nordrhein-Westfalen vom 30.04.2007 (Bl. 73, 74 d.A.) und der Presseinformation der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände vom 10.11.2006 (Bl. 75, 76 d.A.) kam es zu keiner Tarifvereinbarung, da eine Einigung bzgl. der Verlängerung der Arbeitszeit auf 40 Wochenstunden nicht erzielt werden konnte.

Der Kläger nahm nach dem 29.01.2006 seine Arbeit wieder auf und begehrte mit Schreiben vom 30.01.2006 (Bl. 12 d.A.) die Zahlung einer kinderbezogenen Besitzstandszulage von 90,57 € für Februar 2006.

Mit Schreiben vom 03.02.2006 verwies die Beklagte auf die Nachverhandlungen der Tarifvertragsparteien bzgl. der kinderbezogenen Besitzstandszulage und erklärte, nach Abschluss der laufenden Verhandlungen zeitnah unaufgefordert auf die Angelegenheit zurückkommen zu wollen.

Mit seiner am 27.07.2006 bei dem Arbeitsgericht Bochum eingegangenen Klage begehrt der Kläger die kinderbezogene Besitzstandszulage für die Zeit von Februar 2006 bis Oktober 2006.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag i.H.v. 815,13 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus jeweils 90,57 € zum 01.02.2006, 01.03.2006, 03.04.2006, 02.05.2006, 01.06.2006, 03.07.2006, 01.08.2006, 01.09.2006, 02.10.2006 an ihn

zu zahlen,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kinderortszuschlag monatlich rückwirkend ab dem 01.01.2006 an ihn zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 31.10.2006 hat das Arbeitsgericht Bochum die Beklagte verurteilt, einen Betrag i.H.v. 815,13 € nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz aus jeweils 90,57 € zum 01.02.2006, 01.03.2006, 03.04.2006, 02.05.2006, 01.06.2006, 03.07.2006, 01.08.2006, 01.09.2006, 02.10.2006 an den Kläger zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat es unter Festsetzung des Streitwertes auf 3.260,52 € zu einem Viertel dem Kläger, zu drei Vierteln der Beklagten auferlegt.

Es hat ausgeführt:

Die Klage sei hinsichtlich des Zahlungsantrages begründet. Die Verpflichtung der Beklagten zur Leistung einer kinderbezogenen Besitzstandszulage ergebe sich daraus, dass der Kläger nach Abschluss der Elternzeit finanziell nicht schlechter gestellt werden dürfe als vor der Elternzeit. Eine verfassungskonforme, an Artikel 3 GG gemessene Auslegung des § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA könne nur zu diesem Ergebnis führen. So komme das Arbeitsgericht Göttingen (2 Ca 55/06, EzBAT 320 § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA Nr. 1) zu dem Ergebnis, dass die Regelung des § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA dahingehend auszulegen sei, dass alle Arbeitnehmer, die schon vor dem 01.10.2005 beschäftigt gewesen seien, einen erhöhten Ortszuschlag als Besitzstandszulage zu erhalten hätten. Die Höhe richte sich nach den diesjährigen tarifvertraglichen Regelungen.

Angesichts der außergerichtlichen Erklärung der Beklagten, die Entgeltangelegenheit entsprechend den von den Tarifvertragsparteien noch zu treffenden Vereinbarungen zu regeln, könne davon ausgegangen werden, dass die Beklagte bei Rechtskraft des streitbefangenen Urteils zu Ziff. 1 das Weitere entsprechend regeln werde. Insoweit sei das Feststellungsbegehren abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten von Tatbestand und Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 31 bis 34 d.A. Bezug genommen.

Gegen das ihr am 12.01.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23.01.2007 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese am 23.02.2007 eingehend begründet.

Sie rügt die Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Urteils und führt im Übrigen aus, das Gericht dürfe nicht sein eigenes Ermessen über ein sinnvolles oder gewünschtes Verhandlungsergebnis an die Stelle der Entscheidungen der Tarifvertragsparteien setzen.

Sie verweist auf die Nachverhandlungen der Tarifvertragsparteien, in denen diese zum Ausdruck gebracht hätten, dass dem Kläger bis zum 30.09.2006 keine Zahlung zustehen solle.

§ 11 TVÜ-VKA enthalte für diese Zeit eine eindeutige Regelung.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 31.10.2006 teilweise abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die gemäß §§ 64 Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO an sich statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 31.10.2006 ist im Wesentlichen unbegründet.

Die Klage ist zulässig und bzgl. der Hauptforderung begründet.

1. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung einer Besitzstandszulage von monatlich 90,52 € für die Zeit von Februar 2006 bis Oktober 2006 in entsprechender Anwendung von § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA. Insgesamt ergibt sich ein der Höhe nach unstreitiger Betrag von 815,13 €.

a) Gemäß § 2 des Arbeitsvertrages vom 01.07.1991 ist der TVÜ-VKA als ein den BAT ersetzender Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis anwendbar.

b) Gemäß § 3 TVÜ-VKA waren die von § 1 Abs. 1 TVÜ-VKA erfassten Angestellten, zu denen auch der Kläger gehört, zum 01.10.2005 in den TVöD überzuleiten. Dazu gehörte auch die Zuordnung zu den Entgeltgruppen der Anlage 1 TVÜ-VKA, § 4 Abs. 1 TVÜ-VKA. Gleichzeitig war gem. § 11 TVÜ-VKA eine Besitzstandszulage für die kinderbezogenen Entgeltbestandteile des BAT zu bilden. Familienbezogene Entgeltbestandteile sind im neuen Tarifrecht nicht mehr vorgesehen (vgl. Breier/Dessau/Kiefer/Lang/Langenbrinck § 11 TVÜ-VKA Rdnr. 1).

Nach § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA werden diese Besitzstandszulagen für Kinder erbracht, die im September 2005 berücksichtigt wurden, solange für diese Kinder Kindergeld nach dem Einkommenssteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz ununterbrochen gezahlt wird oder ohne Berücksichtigung der §§ 64, 65 EStG oder der §§ 3, 4 BKGG gezahlt würde. Die Höhe bestimmt sich nach der Höhe der im September 2005 gezahlten kinderbezogenen Entgeltbestandteile nach dem BAT.

Der Kläger hat in diesem Monat keinen kinderbezogenen Ortszuschlag bezogen, jedoch Kindergeld. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist er damit von dem Bezug der Besitzstandszulage ausgeschlossen, da er auch nicht die Ausnahmetatbestände des § 11 Abs. 3 TVÜ-VKA erfüllt.

c) Die Tarifvorschrift ist nicht der erläuternden Auslegung zugänglich. Durch die Bezeichnung als "Besitzstandszulage" und durch den Begriff "Fortzahlung" sowie durch das Abstellen auf den Monat September 2005 sowohl bei der Frage nach den berücksichtigungsfähigen Kindern als auch bei der Bemessung der Höhe der Besitzstandszulage haben die Tarifvertragsparteien eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass es für ihre Gewährung darauf ankommt, dass im September 2005 tatsächlich die entsprechenden kinderbezogenen Entgeltbestandteile an den Arbeitnehmer gezahlt worden sind (vgl. LAG Köln, Urteil vom 30.11.2006 - 5 Sa 973/06, ZTR 207, 196; Arbeitsgericht Würzburg, Urteil vom 22.08.2006 - 9 Ca 75/06 S; ArbG Dresden, Urteil vom 09.11.2006 - 12 Ca 2640/06; ArbG Stuttgart, Urteil vom 18.04.2007 - 14 Ca 177/07; Breier/Dessau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 11 TVÜ-VKA Rdnr,. 8; Rundschreiben des VKAŽs zur Besitzstandsregelung für Kinder vom 08.11.2005 - R 379/2005; Ziff. 1.1).

Das Gericht vermag nicht der Auffassung des Arbeitsgerichts Göttingen (Urteil vom 22.06.2006 - 2 Ca 55/06, EzBAT 320 § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA Nr. 1) und des Arbeitsgerichts Karlsruhe (Urteil vom 09.05.2007 - 5 Ca 294/05) zu folgen, die erkannt haben, die Vorschrift sei dahin auszulegen, dass alle Mitarbeiter, die bereits vor dem 01.10.2005 im Anwendungsbereich des BAT beschäftigt gewesen seien, einen kinderbezogenen Ortszuschlag als Besitzstandszulage zu erhalten hätten, deren Höhe sich nach dem BAT habe richten sollen. Ausgenommen seien nur die Mitarbeiter, bei denen die Kindergeldzahlung ohne die Ausnahmetatbestände des § 11 Abs. 1 Satz 3 TVÜ-VKA unterbrochen gewesen sei. Die Bezugnahme auf die im September 2005 zustehende Höhe der kinderbezogenen Entgeltbestandteile stelle nur eine Berechnungsmethode dar.

Die Tarifvertragsparteien haben - wie bereits dargestellt - nicht auf dem Bestand eines Beschäftigungsverhältnisses im September 2005, sondern auf den tatsächlich Bezug von kinderbezogenen Entgeltbestandteilen abgestellt.

d. Der Anspruch des Klägers rechtfertigt sich jedoch bei ergänzender Auslegung der tariflichen Vorschriften.

Die ergänzende Auslegung von Tarifvorschriften kommt dann in Betracht, wenn die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Frage unbewusst ungeregelt lassen und dies in einer entsprechenden Auslassung seinen Ausdruck findet. Im Falle einer unbewussten Regelungslücke haben die Gericht grundsätzlich die Möglichkeiten und die Pflicht, die Lücke zu schließen, wenn sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ausreichende Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien ergeben (vgl. BAG, Urteil vom 20.05.1999 - 6 AZR 451/97, BAGE 91, 358; Urteil vom 03.11.1998 - 3 AZR 432/97, ZTR 1999, 375; Urteil vom 24.02.1988 - 4 AZR 614/87, BAGE 57, 334; Urteil vom 10.12.1986 - 5 AZR 517/85, BAGE 54,30). Die Lückenschließung durch das Gericht scheidet allerdings aus, wenn verschiedene Möglichkeiten bestehen und es deshalb aufgrund der bestehenden Tarifautonomie den Tarifvertragsparteien überlassen bleiben muss, für welche Lösungsmöglichkeit sie sich entscheiden wollen (vgl. BAG, Urteil vom 20.05.1999, a.a.O.).

§ 11 Abs. 1 TVÜ-VKA ist nach Auffassung des Gerichts lückenhaft. Trotz des zunächst eindeutigen Wortlauts der Vorschrift sind ihr keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Tarifvertragsparteien sich im September 2005 in Elternzeit befindliche Arbeitnehmer bei der Bildung der Besitzstandszulage schlechter stellten wollten als zuvor zur Zeit der Geltung des BAT bzw. dass sie die Schlechterstellung dieser Arbeitnehmergruppe billigend in Kauf genommen haben, um ein anderes Tarifziel zu erreichen.

Ihr erklärter Wille war es, ein modernes Tarifrecht zu schaffen, in dem durch eine stärkere Betonung des Leistungsprinzips attraktivere Entgeltbedingungen für jüngere Beschäftigte geschaffen und deshalb an den familiären Status gebundene Ehegatten- sowie kinderbezogene Entgeltbestandteile nicht mehr gezahlt werden sollten (vgl. LAG Köln, Urteil vom 30.11.2006, a.a.O.). Gleichzeitig sollte die Überleitung für die Arbeitgeber möglichst kostenneutral erfolgen und sollten die betroffenen Arbeitnehmer nicht schlechter gestellt werden (vgl. Litschen, Das Tarifrecht der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, Vergleichsentgelt § 5 TVÜ-VKA Rdnr. 1). Zur geordneten Überleitung der Entgelte der am 01.10.2005 bei einem unter den Geltungsbereich des TVÜ-VKA fallenden Arbeitgeber Beschäftigten war die Festlegung eines Stichtages - hier September 2005 - erforderlich und kraft des Gestaltungsspielraums der Tarifvertragsparteien zulässig (vgl. LAG Köln, Urteil vom 30.11.2006, a.a.O.).

Damit ist jedoch nicht die Frage beantwortet, ob den Tarifvertragsparteien bewusst war, dass die Tarifvorschrift nach ihrem Wortlaut nur die im September 2005 tatsächlich Beschäftigten erfasst, die tatsächlich den kinderbezogenen Ortszuschlag in diesem Monat bezogen haben, und dass sie diese Rechtsfolge in ihren Willen aufgenommen haben.

Der Ausschluss der sich im September 2005 in Elternzeit befindlichen Beschäftigten rechtfertigt sich nicht unter dem Gesichtspunkt der Kostenneutralität, da die von dem Kläger begehrte Besitzstandszulage kostenneutral ist. Nach § 29 B Abs. 3 BAT hätte er bei Fortgeltung des BAT ab dem Zeitpunkt seiner Rückkehr aus der Elternzeit Anspruch auf den Ortszuschlag der Stufe 3 gehabt. Der Beklagten werden keine zusätzlichen Belastungen aufgebürdet, während der Kläger, dessen Kind vor dem 01.10.2005 geboren wurde, schlechter gestellt wird.

Dass sich die Tarifvertragsparteien um eine größtmögliche Einzelfallgerechtigkeit bemüht haben, wissend, dass es angesichts der vielen Eingruppierungsmöglichkeiten und persönlichen Situationen, die sich auf die Bezüge auswirken könnten, nicht möglich sein würde, jeden Einzelfall befriedigend zu lösen (vgl. Litschen, a.a.O., § 5 TVÜ-VKA Rdnr. 1), zeigt sich in den Ausnahmeregelungen in § 11 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 TVÜ-VKA. Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 TVÜ-VKA ist die Unterbrechung des Bezugs des Kindergeldes im September 2005 - eine Voraussetzung der Besitzstandszulage nach § 11 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA - unschädlich, wenn die Ableistung des Grundwehrdienstes, des Zivildienstes, von Wehrübungen oder eines freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahres zu der Bezugsunterbrechung geführt haben. Die Wahrung des Besitzstandes soll also nicht an der "zufälligen" Unterbrechung des Kindergeldbezuges im September 2005 scheitern.

In § 11 Abs. 3 a) TVÜ-VKA haben die Tarifvertragsparteien bestimmt, dass § 11 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA entsprechend gilt für zwischen dem 01.10.2005 und dem 31.12.2005 geborene Kinder der übergeleiteten Beschäftigten. Mit dieser Regelung sollten offenbare Härten im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des TVöD und dem Wegfall der kinderbezogenen Entgeltbestandteile gemildert werden (vgl. Dessau u.a., § 11 TVÜ-VKA Rdnr. 19). Das bedeutet, dass die Besitzstandszulage gezahlt wird, wenn das Kind zum Beispiel am 01.10.2005 geboren worden ist, damit der Mutterschutz nach § 6 Abs. 1 1. Alt. MuSchG mit dem 26.11.2005 endete und anschließend Elternzeit in Anspruch genommen wird. Kehrt dieser Beschäftigte aus der Elternzeit zurück, hätte er Anspruch auf die Besitzstandszulage, denn auch nach Auffassung der VKA (Rundschreiben vom 08.11.2005 a.a.O. Rdnr. 1.3.) sind Fälle des Bezugs eines Zuschusses zum Mutterschaftsgeld gemäß § 14 MuSchG der Fallgestaltung des tatsächlichen Bezugs von kindergeldbezogenen Entgeltbestandteilen gleichzusetzen.

Gerade die Ausnahmeregelung des § 11 Abs. 3 a) TVÜ-VKA spricht dagegen, dass die Tarifvertragsparteien die Schlechterstellung der Beschäftigten, deren Kind vor dem 01.10.2005 geboren wurde und die sich im September 2005 in Elternzeit befanden, nicht gesehen haben und nicht durch Ausschluss von der Zahlung der Zulage regeln wollten.

Dafür gibt es weitere Anhaltspunkte. Nach dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA ist ein Anspruch auf die Zahlung der Besitzstandszulage nicht nur in der typischen Lebenslage der Elternzeit, sondern auch bei Wegfall der Krankenbezüge, in Fällen des Mutterschutzes, des (unbezahlten) Sonderurlaubs und im Fall der Gewährung einer Rente auf Zeit ausgeschlossen. Das räumt der die Arbeitgeberseite vertretende Verband, die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, in seinem Rundschreiben vom 08.11.2005 (a.a.O.) ausdrücklich ein. Die Tatsache, dass er gleichwohl zur Vermeidung unzulässiger Benachteiligungen eine (ergänzende) Auslegung in Fällen des Mutterschutzes und der Arbeitsunfähigkeit ohne Bezüge für erforderlich hält, ist Hinweis auf die Richtigkeit der gerichtlichen Annahme, die aufgezeigten typischen Fälle seien von den Tarifvertragsparteien nicht bedacht worden.

Dafür spricht auch, dass sich das Bundesministerium des Innern zu dem gleichlautenden § 11 Abs. 1 TVÜ-Bund mit Schreiben vom 23.05.2006 einverstanden erklärt hat, dass Beschäftigte, die nur deshalb keinen Anspruch auf den kinderbezogenen Anteil im Ortszuschlag im September 2005 hatten, weil sie sich in Elternzeit befanden, bei Erfüllung der übrigen Tatbestandsmerkmale des § 11 Abs. 1 TVÜ-Bund eine außertarifliche Besitzstandszulage in entsprechender Anwendung der Tarifnorm erhalten sollen, um Benachteiligungen zu vermeiden.

Der später abgeschlossene TVÜ-L enthält eine Protokollnotiz zu § 11 Abs. 1 Satz 1, nach der die Unterbrechung des Entgeltbezuges im Referenzmonat Oktober 2006 bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses wegen der Elternzeit für das Entstehen des Anspruchs auf die Besitzstandszulage unschädlich ist. Insoweit haben die Tarifvertragsparteien des TVÜ-L - auf Seiten der Arbeitnehmer war wie bei dem TVÜ-VKA die Gewerkschaft ver.di beteiligt - für eine Erläuterung Sorge getragen.

Die Tarifvertragsparteien des vorliegenden Überleitungstarifvertrages haben erkennbar

ebenfalls die Lückenhaftigkeit der Tarifnorm gesehen. Denn sie haben im Jahre 2006 Verhandlungen u.a. zu der Frage der kinderbezogenen Besitzstandszulage für Beschäftigte aufgenommen, die im Hinblick auf die Elternzeit im September 2005 ohne Bezüge waren. Nach der Stellungnahme des KAV NW vom 30.04.2007 hat die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände ihre Zustimmung zu dem Verhandlungsergebnis verweigert, das die Zahlung kinderbezogener Anteile ab dem 01.10.2006 auch an Beschäftigte vorsah, die im September 2005 kein Entgelt erhalten haben. Hintergrund war die gescheiterte Einigung über die Erhöhung der tariflichen Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden auf 40 Stunden. Das ergibt sich aus der Presseinformation der VKA vom 10.11.2006 sowie aus der Stellungnahme der KAV NW vom 30.04.2007. Das Bedürfnis für eine Lückenausfüllung ist damit auch von der Arbeitgeberseite anerkannt worden.

Mangels absehbarer Einigung der Tarifvertragsparteien ist das Gericht zur Lückenfüllung aufgerufen. Es kann sich im hier gegebenen Fall nicht unter Hinweis auf die Tarifautonomie der Entscheidung entziehen, da die in § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA getroffene Regelung durch die Lückenhaftigkeit Ungerechtigkeiten enthält, die die Tarifvertragsparteien offenkundig kurzfristig zu beseitigen nicht bereit sind (vgl. dazu auch ErfK/Franzen 7. Aufl., 600, § 1 TVG Rdnr. 203).

Zur Lückenausfüllung drängt sich auf den ersten Blick das im Oktober 2006 gefundene Verhandlungsergebnis der Tarifvertragsparteien auf, die Zahlung der Besitzstandszulage ab dem 01.10.2006 aufzunehmen. Nach Auffassung der Kammer ist jedoch kein rechtfertigender Grund dafür ersichtlich, die vorgefundene Lücke erst mit einer Verzögerung von einem Jahr zu Lasten der Beschäftigten zu füllen. Zwar sind Stichtagsregelungen als "Typisierungen in der Zeit" ungeachtet der damit verbundenen Härten zur Abgrenzung von begünstigten Personenkreisen anerkannt (vgl. BAG, Urteil vom 11.12.2003 - 6 AZR 64/03, NZA 2004, 723; ErfK/Dieterich, a.a.O., 10 Art. 3 GG Rdnr. 48). Die Wahl des Stichtags muss sich allerdings an dem gegebenen Sachverhalt orientieren und die Interessenlage der Betroffenen angemessen erfassen (vgl. BAG, Urteil vom 14.06.1983 - 3 AZR 365/81, AP Nr. 58 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).

Das ist hier nicht der Fall. Die fiskalischen Interessen an einem verzögerten Lückenschluss überwiegen nicht das Interesse der sich im September 2005 in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmer, zumal nach dem Rundschreiben der VKA Beschäftigte, die sich im Referenzmonat in Mutterschutz befanden oder ohne Anspruch auf Krankenbezüge arbeitsunfähig krank waren, die Besitzstandszulage ohne zeitliche Verzögerung erhalten haben.

Zur Schließung der Lücke kann vielmehr die bei Bildung des Vergleichsentgelts heranzuziehende Regelung das § 5 Abs. 6 TVÜ-VKA herangezogen werden. Nach dieser Tarifnorm wird das Vergleichsentgelt so bestimmt, als hätten die Beschäftigten, die nicht für alle Tage im September 2005 oder für keinen Tag dieses Monats Bezüge erhalten, gleichwohl im September 2005 Bezüge bezogen.

d) Der Kläger hat mit Schreiben vom 30.01.2006 die Ausschlussfrist nach § 37 TVöD-S gewahrt. Er hat mit diesem Schreiben die Zahlung der Besitzstandszulage dem Grunde nach geltend gemacht. Gemäß der tariflichen Ausschlussfrist reicht die Geltendmachung des Stammrechtes.

2. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Ziffer 1, 247 BGB i.V.m. § 24 Abs. 1 Satz 2 TVöD-S. Da die Vergütung des Beschäftigten erst am Monatsende fällig ist, befand sich die Beklagte erst jeweils ab dem 01. des Folgemonats in Annahmeverzug. Insoweit war der Berufung stattzugeben und die Klage abzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten aus § 92 Abs. 1 ZPO. Bei einem vom erstinstanzlichen Gericht gemäß § 42 Abs. 1 GKG zutreffend zugrunde gelegten Streitwert von 3.260,52 € und einem Obsiegen des Klägers in Höhe von 815,13 € hat er 75 % der Kosten zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte gemäß § 97 ZPO.

Die Zulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 Ziffer 1, Ziffer 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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