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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 17.04.2008
Aktenzeichen: 17 Sa 1767/07
Rechtsgebiete: ERA-ETV, TV ERA-APF, ArbGG, ZPO, TVG, BGB


Vorschriften:

ERA-ETV § 1 Ziff. 1 a
ERA-ETV § 1 Ziff. 1 b
ERA-ETV § 2 Ziff. 2
ERA-ETV § 2 Ziff. 3
ERA-ETV § 2 Ziff. 4
ERA-ETV § 2 Abs. 3
ERA-ETV § 3 Ziff. 1
ERA-ETV § 3 Ziff. 2
ERA-ETV § 4
ERA-ETV § 4 Ziff. 2
ERA-ETV § 4 Ziff. 3
ERA-ETV § 12 Ziff. 1
ERA-ETV § 12 Ziff. 3
ERA-ETV § 12 Ziff. 4
ERA-ETV § 12 Ziff. 5
TV ERA-APF § 3
TV ERA-APF § 4 c
TV ERA-APF § 4 d
TV ERA-APF § 4 e
ArbGG § 64 Abs. 2 b
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ArbGG § 97
ArbGG § 97 Abs. 5
ZPO § 256 Abs. 1
ZPO § 519
ZPO § 520
TVG § 3 Abs. 1
TVG § 3 Abs. 3
TVG § 4 Abs. 1
TVG § 4 Abs. 5
BGB § 28 Abs. 1
BGB § 32 Abs. 2
Das ERA ist betrieblich einzuführen. Wechselt der Arbeitgeber nach Abschluss der ERA-Tarifverträge und vor Einführung von dem ERA im Betrieb von der Vollmitgliedschaft in die OT-Mitgliedschaft des Arbeitgeberverbandes und schließt er gleichzeitig mit der Mehrheit seiner Beschäftigten Änderungsverträge, die die Geltung der ERA-Tarifverträge ausschließen, so kann er nicht für zwei Arbeitnehmer, die sich den Änderungsverträgen verweigert haben, das ERA einführen.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 29.08.2007 - 3 Ca 2838/06 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass für das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht zum 01.03.2006 das Entgeltrahmenabkommen für die Metall- und Elektroindustrie NRW vom 18.12.2003 im Sinne des § 2 Abs. 3 des ERA-Einführungstarifvertrags vom 18.12.2003 eingeführt ist.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob für das Arbeitsverhältnis der Klägerin seit dem 01.03.2006 das Entgeltrahmenabkommen (ERA) für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen vom 18.12.2003 gilt.

Die am 21.03.1963 geborene, verheiratete Klägerin ist seit dem 01.11.2000 bei der Beklagten als Qualitätssicherungsmitarbeiterin beschäftigt. Sie erhält ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 2.158,91 €.

Sie ist Mitglied des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrates und der Gewerkschaft IG Metall.

Die Beklagte, die ca. 90 Arbeitnehmer beschäftigt, war bis zum 31.07.2005 Mitglied des Arbeitgeberverbandes der Metall- und Elektro-Industrie Lüdenscheid e.V. mit Tarifbindung. Mit Schreiben vom 27.01.2005 (Bl. 162 d.A.) kündigte sie die ordentliche Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband zum frühestmöglichen Termin und bat um die nahtlose Weiterführung der Mitgliedschaft ohne Tarifbindung. Mit Schreiben vom 02.02.2005 (Bl. 163 d.A.) bestätigte der Verband den Eingang der Kündigung mit Wirkung zum 31.07.2005 und verwies auf die satzungsgemäß erforderliche Zustimmung des Vorstandes zur Umwandlung der ordentlichen Mitgliedschaft in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung. Er kündigte einen entsprechenden Beschluss an.

Die Satzung des Arbeitgeberverbandes der Metall- und Elektro-Industrie Lüdenscheid e.V. vom 20.04.1948 in der Fassung vom 14.05.2004 trifft folgende Regelung:

§ 3 Abs. 2:

Ordentliches Mitglied können alle im Handels- Vereins- und Genossenschaftsregister eingetragenen gewerblichen Unternehmen sowie jeder Unternehmer

a. der Eisen-, Metall- Elektro- und Zentralheizungsindustrie,

b. in verwandten oder verbundenen Wirtschaftszweigen, auch des Dienstleistungsbereichs

werden, der im Verbandsgebiet seinen Sitz hat oder eine Betriebsstätte unterhält. Der Verband vermittelt ordentlichen Mitgliedern nach Maßgabe des räumlichen und fachlichen Geltungsbereichs der Tarifverträge die Tarifbindung im Sinne des Tarifvertragsgesetzes.

§ 3 Abs. 3:

Die in Absatz 2 genannten Unternehmen/Unternehmer können auf besonderen Antrag Mitglied ohne Tarifbindung gemäß Abs. 2 Satz 2 (oT-Mitglied) werden. Außerordentliche Mitglieder können darüber hinaus alle sonstigen im Handels-, Vereins- oder Genossenschaftsregister eingetragenen gewerblichen Unternehmen und Unternehmer werden, die nicht von Abs. 2 Satz 1 erfasst werden.

Mitgliedern ohne Tarifbindung und außerordentlichen Mitgliedern vermittelt der Verband keine gesetzliche Tarifbindung.

§ 3 Abs. 5:

Der Wechsel von der ordentlichen Mitgliedschaft in eine oT-Mitgliedschaft ist unter Berücksichtigung einer Frist von 6 Monaten zum Schluss eines Kalendermonats schriftlich zu beantragen. Der Wechsel in eine ordentliche Mitgliedschaft ist jeder Zeit möglich. Ist eine ordentliche Mitgliedschaft im Sinne des Abs. 2 formell begründet, unterliegt das Mitglied aber nicht dem Geltungsbereich eines Tarifvertrages, so ist der Wechsel in eine Mitgliedschaft nach Abs. 3 Satz 2 jeder Zeit auf schriftlichen Antrag möglich.

§ 3 Abs. 6:

Über einen Aufnahmeantrag sowie einen Antrag auf Statuswechsel entscheidet der Vorstand. .........

§ 4 Abs. 3:

Alle Mitglieder haben insbesondere das Recht, sich zu grundsätzlichen tarifpolitischen Fragen zu äußern. In tarifpolitischen Angelegenheiten steht ein Beratungsrecht allen Mitgliedern zu, die vom fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages/der Tarifverträge betroffen sind oder seien können. Das Stimmrecht steht nur den tarifgebundenen Mitgliedern zu.

Mit Schreiben vom 01.02.2005 holte der Arbeitgeberverband die Zustimmung der Vorstandsmitglieder im schriftlichen Verfahren ein und teilte der Beklagten mit Schreiben vom 08.02.2005 (Bl. 151 in dem ebenfalls von den Parteien geführten Rechtsstreit Landesarbeitsgericht Hamm 17 Sa 1768/07) mit, dass der Vorstand dem Statuswechsel zugestimmt habe.

Nach dem Wechsel in die oT-Mitgliedschaft bot die Beklagte ihren Beschäftigten einen Änderungsvertrag an (vgl. beispielhaft Bl. 164 - 166 d.A.).

§ 5 des Änderungsvertrages lautet wie folgt:

1. Die Zahlungen der ERA-Strukturkomponenten auf der Grundlage der Entgelttarifverträge vom 16.02.2004 entfallen für die Zeit ab 01.07.2004.

2. Die ERA-Tarifverträge der M+E-Industrie NRW werden bis auf Weiteres nicht umgesetzt; es verbleibt bei den bisherigen Rechtsgrundlagen (LRA und GRA).

Allein die Klägerin und der Kläger B3 der Parallelverfahren Landesarbeitsgericht Hamm 17 Sa 1769/07 und 17 Sa 1770/07 verweigerten die Unterzeichnung der Änderungsvereinbarung.

Unter dem 04.07.2006 übermittelte die Beklagte der Klägerin eine Übersicht über die Zusammensetzung des ERA-Entgelts ab März 2006. Während das monatliche Effektiventgelt gleichblieb, änderte sich mit der Einführung des ERA für die Klägerin das Tabellenentgelt von 1.960,50 € nach der Lohngruppe 7 auf 1.710,50 € nach der Entgeltgruppe 4. Wegen der weiteren Einzelheiten der Übersicht wird auf die von der Klägerin mit der Klageschrift vorgelegten Kopie (Bl. 7 d.A.) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 12.07.2006 (Bl. 9 d.A.) wendete sich die Klägerin gegen die Einführung des ERA für ihr Arbeitsverhältnis und vertrat die Auffassung, die Beklagte könne das ERA nur für die gesamte Belegschaft einführen.

Mit ihrer am 27.11.2006 bei dem Arbeitsgericht Iserlohn eingegangenen Klage hat die Klägerin zunächst die Feststellung begehrt, dass sie weiterhin in die Lohngruppe 7 des Abkommens über die Tariflöhne in der Metall- und Elektroindustrie NRW eingruppiert ist und nicht in die Entgeltgruppe 4 des ERA-Entgeltabkommens.

Sie hat ihre Auffassung wiederholt, die Beklagte dürfe das ERA nicht lediglich für sie und den Beschäftigten B3 einführen. Aus dem Gesamtzusammenhang des ERA-Einführungstarifvertrages - ERA-ETV - ergebe sich, dass das ERA nur betriebseinheitlich eingeführt werden könne.

Sie hat beantragt,

festzustellen, dass sie weiterhin in die Lohngruppe 7 des LRA in der Metall- und Elektroindustrie NRW einzugruppieren sei und nicht in die Entgeltgruppe EG 4 des ERA-Entgeltrahmenabkommens.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten:

Aufgrund der Tarifbindung der Klägerin und ihres Mitarbeiters B3 sei sie nach Ablehnung ihres Änderungsangebotes verpflichtet gewesen, die ERA-Regelungen umzusetzen. Die ERA-Einführung sei zum 01.03.2006 erfolgt, um die monatliche tarifliche Einmalzahlung von 2,79 % gemäß § 4 c des Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds (TV ERA-APF) vom 18.12.2003 in der Fassung vom 05.03.2004/02.06.2005 zu vermeiden.

Mit Urteil vom 29.08.2007 hat das Arbeitsgericht Iserlohn die Klage abgewiesen.

Es hat ausgeführt:

Die als Eingruppierungsfeststellungsklage zulässige Klage sei unbegründet Die Klägerin habe die ihre Eingruppierung in die begehrte Lohngruppe 7 begründenden Tatsachen entgegen ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht dargelegt, so dass es auf die Frage einer Eingruppierung nach dem ERA nicht ankomme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Bl. 78 - 82 d.A. verwiesen.

Gegen das ihr am 06.09.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 04.10.2007 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 06.12.2007 am 27.11.2007 eingehend begründet.

Sie begehrt die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und rügt, das Arbeitsgericht Iserlohn habe verkannt, dass Streitgegenstand nicht ihre Eingruppierung in die Lohngruppe 7 sei. Das Urteil sei verfahrensfehlerhaft ergangen.

Sie führt aus:

Selbst wenn die Beklagte rechtswirksam von der Vollmitgliedschaft in die sogenannte oT-Mitgliedschaft gewechselt sei und selbst wenn außer ihr und ihrem Arbeitskollegen B3 alle anderen Arbeitnehmer einen abweichenden Arbeitsvertrag dahingehend geschlossen hätten, dass die bisherigen Tarifverträge der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NRW nur noch insoweit Geltung entfalteten, als nicht im Arbeitsvertrag eine abweichende Regelung festgelegt sei, seien auch in Bezug auf die anderen Arbeitnehmer, jedenfalls soweit sie Gewerkschaftsmitglieder seien, die ERA-Tarifverträge zwingend einzuführen gewesen.

Sie behauptet:

Im Betrieb seien weitere gewerkschaftsgebundene Mitarbeiter beschäftigt.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils festzustellen, dass für das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht zum 01.03.2006 das Entgeltrahmenabkommen für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen vom 18.03.2003 im Sinne von § 2 Abs. 3 des ERA-Entgeltabkommens vom 18.12.2003 eingeführt ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bestreitet, dass ein Großteil ihrer Arbeitnehmer Mitglied der IG Metall sei.

Sie vertritt die Auffassung, das ERA betrieblich eingeführt zu haben, da sie die Einführung bei allen Mitarbeitern, bei denen keine wirksame vertragliche Regelung durch den Änderungsvertrag bestanden habe, eingeführt habe.

Sie behauptet:

Sie sei nach langen Überlegungen im Hinblick auf das Scheitern eines Sanierungstarifvertrages aus der Tarifmitgliedschaft des Verbandes ausgeschieden und beabsichtige nicht, in die ordentliche Mitgliedschaft zurückzukehren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die gemäß § 64 Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. VI ArbGG, 519, 520 ZPO an sich statthafte und form- sowie fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 29.08.2007 ist begründet. Zu Unrecht hat das erstinstanzliche Gericht die Klage abgewiesen.

1. Die Feststellungsklage ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Die Parteien streiten über den Bestand eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses, nämlich die Einführung des ERA für ihr Arbeitsverhältnis. Das Rechtschutzbedürfnis der Klägerin ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie mit der Einführung des ERA bisher keine finanziellen Einbußen erleidet. Ausreichend ist es, dass ein Bedürfnis zur Klärung der tariflichen Rechtsgrundlagen für das Arbeitsverhältnis besteht.

2. Der Antrag ist begründet. Die Beklagte war weder verpflichtet noch berechtigt, das ERA zum 01.03.2006 für das klägerische Arbeitsverhältnis sowie das Arbeitsverhältnis ihres Kollegen B3 einzuführen.

a. Das ERA gilt nicht unmittelbar und zwingend zwischen den Parteien.

Gemäß § 4 Abs. 1 TVG ist Voraussetzung für die Tarifgeltung, dass beide Arbeitsvertragsparteien tarifgebunden sind. Tarifgebunden sind gemäß § 3 Abs. 1 TVG die Mitglieder der Tarifvertragsparteien.

Die Klägerin ist Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft. Die Beklagte war jedoch nur bis zum 31.07.2005 Mitglied des Arbeitgeberverbandes der Metall- und Elektro-Industrie Lüdenscheid e.V. mit Tarifbindung, der seinerseits Mitglied des tarifschließenden Verbandes der Metall- und Elektro-Industrie Nordrhein-Westfalen e.V. ist. Ab dem 01.08.2005 hat sie wirksam die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung erworben.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 23.02.2005 - 4 AZR 186/04, NZA 2005, 1320; Beschluss vom 18.07.2006 - 1 ABR 36/05, NZA 2006, 1225) bestehen keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine Verbandsmitgliedschaft ohne die Folge einer Tarifgebundenheit, soweit die Satzung diese Form der Mitgliedschaft vorsieht. Die sogenannten oT-Mitglieder sind keine Mitglieder im Sinne von § 3 Abs. 1 TVG (vgl. BAG, Beschluss vom 18.07.2006 a.a.O.). Offen gelassen hat das Bundesarbeitsgericht, welche Anforderungen an die satzungsgemäßen Bestimmungen der Mitgliedschaft ohne Tarifbindung zu stellen sind. Es hat die Fragen aufgeworfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die oT-Mitglieder von der tarifpolitischen Willensbildung des Verbandes ausgeschlossen sein müssen und welche Fristen bei einem Statuswechsel zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie einzuhalten sind (vgl. Beschluss vom 18.07.2006 a.a.O.).

In der Literatur wird vielfach gefordert, dass die Satzung die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung nicht einschränkungslos vorsieht, sondern sie so ausgestaltet ist, dass sie einerseits dem Selbstbestimmungsrecht des einzelnen Mitglieds, andererseits den Erfordernissen funktionsfähiger Tarifautonomie Rechnung trägt (vgl. Buchner, NZA 2006, 1377; ErfK/Franzen, 8. Auflage, § 2 TVG Rdnr. 9; Thüsing/Stelljes, ZfA 2005, 527, 551; Wilhelm/Dannhorn, NZA 2006, 466).

Die Satzung des Arbeitgeberverbandes Lüdenscheid sieht ein Stufenmodell der Mitgliedschaft vor und unterscheidet zwischen der Vollmitgliedschaft und der oT-Mitgliedschaft, § 3 Abs. 2, Abs. 3. Die Differenzierung ist klar und eindeutig und verhindert einen entscheidungserheblichen Einfluss der oT-Mitglieder auf das Tarifgeschehen. Gemäß § 4 Abs. 3 der Satzung haben zwar alle Mitglieder das Recht, sich zu grundsätzlichen tarifpolitischen Fragen zu äußern und Beratungsrechte auszuüben, soweit sie von dem fachlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages betroffen sind oder sein können. Stimmberechtigt sind aber nur die tarifgebundenen Mitglieder.

Die Umwandlung der Vollmitgliedschaft in eine oT-Mitgliedschaft ist verfahrensmäßig geregelt. Nach § 3 Abs. 5 der Satzung ist ein Wechsel unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Monatsende schriftlich zu beantragen. Über den Antrag entscheidet gemäß § 3 Abs. 6 der Vorstand.

Hier hat die Beklagte den Wechsel mit Schreiben vom 27.01.2005 zum frühestmöglichen Zeitpunkt beantragt, das war der 31.07.2005. Der Vorstand des Arbeitgeberverbandes hat dem Statuswechsel zugestimmt. Dass der Beschluss im Umlaufverfahren gefasst wurde, hindert seine Wirksamkeit gemäß §§ 28 Abs. 1, 32 Abs. 2 BGB nicht.

Gegen die Länge der Kündigungsfrist bestehen keine Bedenken. Zwar berührt der Wechsel des Mitgliedschaftsstatus nicht nur die Interessen des Verbandes, sondern auch die Interessen der Arbeitnehmer als Vertragspartner des Arbeitgebers. Diese werden jedoch durch die in § 3 Abs. 3 TVG geregelte Nachwirkung der Tarifbindung gestützt (vgl. Buchner a.a.O.; BAG, Urteil vom 23.02.2005 a.a.O.).

Die Kammer war nicht gehindert, über die Frage der oT-Mitgliedschaft der Beklagten als Vorfrage der von der Klägerin begehrten Feststellung zu entscheiden. Des 1. Senat des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 18.07.2006 a.a.O.) vertritt die Auffassung, dass die oT-Mitgliedschaft im Stufenmodell keine Regelung zur personellen Tarifzuständigkeit des Arbeitgebers darstellt und daher eine Überprüfung in einem Verfahren nach § 97 ArbGG nicht in Betracht kommt. Der 4. Senat ist zwar der Ansicht, die Frage der Zulässigkeit der Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband ohne Verbandstarifbindung sei eine Frage der Tarifzuständigkeit (Urteil vom 23.02.2005 a.a.O.). Er hält die Aussetzung des Verfahrens nach § 97 Abs. 5 ArbGG aber nur dann für geboten, wenn die Frage der Tarifzuständigkeit des Verbandes zwischen den Parteien streitig ist und der Ausgang des Rechtsstreits davon abhängt. Erforderlich sind demnach ernsthafte Zweifel an der Tarifzuständigkeit, die nicht auf eine grundsätzliche Unzulässigkeit der oT-Mitgliedschaft, sondern nur darauf gestützt werden können. dass die satzungsgemäßen Voraussetzungen im Einzelfall nicht vorliegen. Entsprechende Behauptungen hat die Klägerin jedoch nicht aufgestellt.

b. Die Tarifbindung bestand am 01.03.2006 auch nicht gemäß § 3 Abs. 3 TVG fort. Danach bleibt sie bestehen, bis der Tarifvertrag endet.

aa. Gemäß § 12 Ziff. 5 ERA ist dieser Tarifvertrag erstmals zum 30.06.2009 kündbar.

bb. Voraussetzung der nachwirkenden Tarifbindung ist, dass im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Tarifvertrages eine Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG bestand. Denn Zweck des § 3 Abs. 3 TVG ist es, zur Absicherung des Gestaltungsauftrages der Tarifvertragsparteien die Flucht aus den Tarifverträgen zu verhindern. Die Fortgeltung der Tarifgebundenheit ist legitimiert durch die frühere Verbandsmitgliedschaft (vgl. BAG, Urteil vom 17.05.2000 - 4 AZR 363/99, NZA 2001, 453).

Setzen die Tarifvertragsparteien einen Tarifvertrag mit Zeitverschiebung in Kraft, entsteht eine Tarifbindung nur, wenn der Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt tarifgebundenes Verbandsmitglied ist. Für bereits ausgeschiedene Mitglieder oder Mitglieder mit einem oT-Status besteht keine Regelungskompetenz des tarifschließenden Verbandes (vgl. BAG, 20.06.1958 - 1 AZR 245/97, AP § 1 TVG Rückwirkung Nr. 2; 13.12.1995 - 4 AZR 603/94, AP § 1 TVG Rückwirkung Nr. 15; ErfK/Schaub/Franzen a.a.O. § 3 TVG Rdnr. 22).

Tritt der Tarifvertrag mit seinem Abschluss in Kraft, treten seine Rechtsfolgen jedoch stufenweise ein, reicht es aus, dass bei seinem Abschluss eine Tarifbindung bestand. Diese besteht dann gemäß § 3 Abs. 3 TVG fort (vgl. BAG, Urteil vom 17.05.2000 a.a.O.). Voraussetzung ist jedoch, dass die Regelungen auf den jeweiligen Stufen abschließend sind, so dass es keines weiteren vollziehenden Tarifvertrages bedarf. Das Verbandsmitglied kann sich der Automatik der Stufen nicht durch Verbandsaustritt entziehen (vgl. BAG, 19.09.2007 - 4 AZR 711/06, BB 2008, 447). Müssen zur Umsetzung der weiteren Stufen (ausführende) Tarifverträge geschlossen werden, beschränkt sich die Tarifgebundenheit auf die Bezugstarifverträge, die zum Zeitpunkt des Verbandsaustritts oder der Umwandlung der Vollmitgliedschaft in eine oT-Mitgliedschaft schon vorlagen (vgl. BAG, Urteil vom 17.05.2000 a.a.O.; Wiedemann/Oetker, TVG, 7. Auflage, § 3 TVG Rdnr. 80; Kempen/Zachert/Stein, TVG, 4. Auflage, § 3 TVG Rdnr. 63; Kania, BB 2004, 665; Wisskirchen/Jordan/Bissels, BB 2007, 2289).

Das ERA ist gemäß § 12 Ziff. 1 ERA am 01.03.2004 in Kraft getreten und wirksam geworden. Dagegen spricht nicht, dass das ERA gemäß § 12 Ziff. 3 ERA erst mit seiner Einführung im Betrieb andere Tarifverträge ersetzt und es gemäß § 12 Ziff. 4 ERA, § 2 Ziff. 2 ERA-ETV erst am 01.03.2009 verbindlich für alle Betriebe gilt. Die Tarifvertragsparteien haben damit nicht die Geltung des ERA im Sinne des § 4 Abs. 1 TVG aufgeschoben, sondern durch die Wortwahl "betriebliche Geltung" (vgl. § 12 Ziff. 2 ERA) eine zeitliche Zäsur zwischen der Einführungsphase des ERA ab dem 01.03.2005 mit der fakultativen stichtagsbezogenen Einführung durch den Arbeitgeber und dem Zeitpunkt bezeichnet, zu dem das ERA zwingend in allen Betrieben eingeführt sein muss, § 2 Ziff. 2 ERA-ETV (vgl. auch Hohenhaus/Otzipka, BB 2004, 1737). Auch vor der betrieblichen Umsetzung entfaltet das ERA Wirkung, etwa durch die Verpflichtung zur Einführung nach den Regeln des ERA-ETV. Gemäß § 3 Ziff. 1 ERA-ETV sind die Bestimmungen des ERA bei der Vorbereitung der betrieblichen Einführung bereits anzuwenden. Gemäß § 3 Ziff. 2 ERA-ETV sind die Beschäftigten rechtzeitig vor dem betrieblichen Einführungsstichtag entsprechend dem ERA einzugruppieren. Die Tarifvertragsparteien haben dem Unternehmen mithin lediglich den Einführungszeitpunkt innerhalb eines zeitlichen Rahmens freigestellt (vgl. Hohenhaus/Otzipka a.a.O.; a.A. Wisskirchen/Jordan/Bissels a.a.O., die sich auf die Anordnung der unmittelbaren und zwingenden Wirkung von dem ERA in § 13 ERA Hessen und § 16 Nr. 1 ERA Nordverbund beziehen). Gegen die Wirksamkeit des ERA mit Inkrafttreten spricht auch nicht, dass bis zur Einführung des ERA die bisherigen Gehalts- und Lohnrahmenabkommen weitergelten. Ihre Fortgeltung verhindert die materielle Entleerung des Arbeitsverhältnisses vor der stichtagsbezogenen ERA-Einführung.

Gleichwohl wirkte die Tarifbindung nicht nach Wechsel in die oT-Mitgliedschaft gemäß § 3 Abs. 3 TVG am 01.03.2006 fort. Denn das ERA enthält keine in sich abgeschlossenen Regelungsstufen. Es ist ergänzungsbedürftig durch weitere tarifvertragliche Regelungen.

Zwar bildet es ein in sich geschlossenes, vollständiges System der Entgeltfindung. Es reicht von den Niveaubeispielen über das Punkteverfahren zur Bewertung von Arbeitsaufgaben bis zur Regelung der Verwendung von Strukturkomponenten im TV ERA-APF (vgl. Hohenhaus/Otzipka a.a.O.). Der Geltungsbereich des ERA ist jedoch nur unter Heranziehung des bei Einführung jeweils gültigen Entgeltabkommens (EA) zu bestimmen. Denn gemäß § 1 Ziff. 1 a, b ERA fallen unter den persönlichen Geltungsbereich nicht die Beschäftigten, die aufgrund der Neubewertung der Arbeitsaufgaben mehr als 170 Punkte erreichen oder die Beschäftigten mit einer Bewertung der Arbeitsaufgaben von 155 - 170 Punkten, wenn ihre Beschäftigung im Arbeitsvertrag als außertariflich bezeichnet ist. Weitere Voraussetzung ist, dass ihre geldwerten materiellen Arbeitsbedingungen unter Berücksichtigung einer individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 40 Stunden in einer Gesamtschau diejenigen der höchsten tariflichen Entgeltgruppe regelmäßig überschreiten. Auf die Ausgestaltung der Entgeltabkommen hat die Beklagte nach Eintritt in die oT-Mitgliedschaft keinen Einfluss mehr (vgl. dazu auch Wisskirchen/Jordan/Bissels a.a.O.).

Zu bedenken ist auch, dass die im ERA geregelten Grundlagen zur Eingruppierung der Beschäftigten allein noch nicht zu einem der Höhe nach bestimmten Vergütungsanspruch führen. Gemäß § 2 Ziff. 2 ERA hat der Beschäftigte Anspruch auf die Vergütung der Entgeltgruppe, in die er eingruppiert ist. Der konkrete Entgeltbetrag folgt aus dem jeweils gültigen EA. Gemäß § 4 ERA-ETV sind zum Einführungsstichtag das bisherige Entgelt und das ERA-Entgelt zu vergleichen und bei Unterschreiten bzw. Überschreiten des bisherigen Entgelts die in § 4 Ziff. 2 und 3 ERA-ETV bestimmten Ausgleichsmaßnahmen zu treffen. Die Bestimmung des ERA-Vergleichsentgelts kann nur anhand des jeweiligen EA geschehen (vgl. auch Kania a.a.O.).

Ist das ERA durch das jeweilige EA zu ergänzen, gilt in Anlehnung an die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zum Lohntarifvertrag für die Metallindustrie Sachsen-Anhalt (vgl. Urteil vom 17.05.2000 a.a.O.) Folgendes: Die Beklagte war nach dem 31.07.2005 bis zur nächsten Änderung des EA gemäß § 3 Abs. 3 TVG an den ERA gebunden. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts führt in dem Fall der Verweisung in einem Lohntarifvertrag auf die Lohnbestimmungen in einem Bezugstarifvertrag die Änderung des Bezugstarifvertrags nach Verbandsaustritt zu einer Beendigung der Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 3 TVG. Es schließt sich die Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG an (vgl. BAG, Urteil vom 17.05.2000 a.a.O.). Die Normen des Bezugstarifvertrages sind nämlich richtigerweise als Inhalt des Verweisungstarifvertrags zu verstehen.

Hier stehen das ERA und das EA zwar nicht in einem Verhältnis eines Verweisungs- und eines Bezugstarifvertrages zueinander. Das ERA ist aber - wie dargestellt - ohne das jeweilige gültige EA nicht einzuführen. Da der von § 3 Abs. 3 TVG verfolgte Zweck, zur Absicherung des Gestaltungsauftrags der Tarifvertragsparteien eine Flucht aus den Tarifverträgen zu verhindern, sich insbesondere dadurch rechtfertigt, dass die Fortgeltung der Tarifgebundenheit noch durch die frühere Mitgliedschaft legitimiert ist, ist auch hier die Fortgeltung der Tarifbindung auf die Laufzeit des EA zu beschränken, auf das die Beklagte über ihre Vollmitgliedschaft noch einwirken konnte. Das ist das EA vom 16.02.2004, das erstmals zum 28.02.2006 kündbar war und mit Wirkung vom 01.03.2006 durch das EA vom 22.04.2006 geändert wurde.

Bei Einführung von ERA gegenüber der Klägerin und ihrem Kollegen B3 befanden sich das ERA und das EA vom 16.02.2004 in der Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG. Diese beschränkt sich darauf, bis zum Abschluss einer anderen Abmachung den materiell-rechtlichen Zustand für das Arbeitsverhältnis beizubehalten, der bei Eintritt der Nachwirkung bestanden hat. Die Beklagte konnte somit mit ihren Beschäftigten unabhängig von deren Tarifbindung Änderungsvereinbarungen schließen, sie war nicht zur Einführung von ERA verpflichtet. Sie hat von ihrem Recht, ablösende Abmachungen zu schließen, durch entsprechende Angebote an alle Beschäftigten Gebrauch gemacht, die sich mit Ausnahme der Klägerin und des Beschäftigten B3 einverstanden erklärt haben. Mit Abschluss von Änderungsverträgen mit 98 % der Mitarbeiter hat sie sich nach Auffassung der Kammer der Möglichkeit begeben, ERA auf der Basis des EA vom 16.02.2004 für die beiden eine Änderung ablehnenden Mitarbeiter einzuführen. Denn das ERA kann nur betrieblich, nicht für einzelne Arbeitsverhältnisse eingeführt werden. Dass die Tarifvertragsparteien von einer Geltung des ERA für den jeweiligen Betrieb ausgegangen sind, zeigt sich schon in dem Wortlaut des § 2 Ziff. 2, 3, 4 ERA-ETV sowie des § 12 Ziff. 3, 4 ERA. Danach ist von einer "betrieblichen" Geltung und der Einführung "im Betrieb" die Rede. Für die Verpflichtung zu einer betriebsbezogenen Einführung spricht auch § 4 d TV ERA-APF. Im Rahmen der Bestimmungen zur Ermittlung der ERA-Strukturkomponenten haben die Tarifvertragsparteien auch den Sonderfall berücksichtigt, dass feststeht, dass das ERA "betrieblich" nicht eingeführt wird. Eine Sonderregelung zur Auszahlung der auf dem ERA-Konto befindlichen Beträge haben sie in § 4 e TV ERA-APF für den Fall dauerhafter Nichteinführung von ERA "im Betrieb" getroffen. Dass es sich bei der Einführung um einen kollektiven Sachverhalt handelt, zeigt sich auch in den Normen zum Aufbau des ERA-Anpassungsfonds, § 3 TV ERA-APF, zu seiner Auflösung auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung, § 4 e TV ERA-APF und zur Bildung der ERA-Strukturkomponenten in § 4 d TV ERA-APF, die pauschal, nicht individuell zu ermitteln sind.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die Zulassung der Revision aus § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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