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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 28.06.2007
Aktenzeichen: 17 Sa 20/07
Rechtsgebiete: BAT, TVöD-VKA


Vorschriften:

BAT § 70
TVöD-VKA § 37 Abs. 1
I. Die Ausschlussfrist nach § 70 BAT/§ 37 Abs. 1 TVöD-VKA ist auf den Abfindungsanspruch nach § 5 Abs. 7 des Tarifvertrags zur Regelung der Altersteilzeit vom 25.05.1998 in der Fassung vom 30.06.2000 anwendbar.

II. Verlangt der Arbeitnehmer von sich aus die Aufhebung des Altersteilzeitverhältnisses wegen des vorzeitigen Rentenbezugs, muss ihn der Arbeitgeber nicht über den Abfindungsanspruch nach dem TV ATZ aufklären.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 21.11.2006 - 2 Ca 977/06 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Abfindungsanspruch nach dem Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeit vom 25.05.1998 in der Fassung vom 30.06.2000 (TV ATZ).

Der am 13.03.1944 geborene Kläger schloss mit der Beklagten am 20.01.1969 einen Arbeitsvertrag (Bl. 6 d.A.). Gemäß § 2 des Vertrages bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) vom 23.02.1961 und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen.

In der Zeit vom 20.01.1969 bis zum 31.05.2004 war der Kläger als Verwaltungsangestellter bei der Beklagten tätig. Am 26.08.1999 schlossen die Parteien einen Änderungsvertrag (Bl. 7, 8 d.A.). Als Grundlage des Änderungsvertrages nannten sie u.a. den Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeit (TV ATZ) vom 05.05.1998 in der jeweils geltenden Fassung und vereinbarten in §§ 1, 2 des Vertrages die Fortführung des Arbeitsverhältnisses als Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Teilzeitmodell ab dem 01.09.1999. Es sollte mit dem 31.03.2009 sein Ende finden.

Mit undatiertem Schreiben (Bl. 41 d.A.), bei der Beklagten eingegangen am 31.03.2004, teilte der Kläger mit, zum 01.06.2004 Altersruhegeld nach Altersteilzeit beantragt zu haben, und bat um Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31.05.2004.

Am 28.04.2004 schlossen die Parteien einen Auflösungsvertrag (Bl. 9 d.A.), nach dem das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis gemäß § 58 BAT im gegenseitigen Einvernehmen unter Ausschluss der Kündigungsfristen des § 53 BAT mit Ablauf des 31.05.2004 aufgelöst wurde.

Der Kläger bezieht seit dem 01.06.2004 die um 58 Monate vor Vollendung des 65. Lebensjahres vorgezogene Altersrente.

§ 5 TV ATZ "Aufstockungsleistungen" trifft in Absatz 7 folgende Regelung:

Arbeitnehmer, die nach Inanspruchnahme der Altersteilzeit eine Rentenkürzung wegen einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente zu erwarten haben, erhalten für je 0,3 v.H. Rentenminderung eine Abfindung in Höhe von 5 v.H. der Vergütung (§ 26 BAT/BAT-O/BAT-Ostdeutsche Sparkassen) und der in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen bzw. des Monatsregellohnes (§ 21 Abs. 4 MTArb/MTArb-O) ggf. zuzüglich des Sozialzuschlags bzw. des Monatsgrundlohnes (§ 67 Nr. 26 b BMT-G/BMT-G-O) und der ständigen Lohnzuschläge, die dem Arbeitnehmer im letzten Monat vor dem Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses zugestanden hätten, wenn er mit der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit (§ 3 Abs. 1 Unterabs. 2) beschäftigt gewesen wäre. Die Abfindung wird zum Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses gezahlt.

Nach § 70 BAT verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit vom Angestellten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden, soweit tarifvertraglich nichts anderes bestimmt ist.

Die Beklagte zahlte die tarifliche Abfindung nicht.

Mit Schreiben vom 01.03.2006 (Bl. 12 d.A.) forderte der Kläger die Beklagte auf, die Abfindung nach § 5 Abs. 7 TV ATZ an ihn auszuzahlen.

Mit Schreiben vom 02.03.2006 (Bl. 13 d.A.) verwies die Beklagte auf die Ausschlussfrist nach § 37 Abs. 1 TVöD-VKA und verweigerte die Auszahlung.

Mit seiner am 11.08.2006 bei dem Arbeitsgericht Detmold eingegangenen Klage verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.

Wegen der Berechnung des zuletzt geltend gemachten Betrages von 8.329,38 € wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 18.09.2006 (Bl. 37, 38 d.A.) und auf den Schriftsatz des Klägers vom 20.11.2006 (Bl. 48 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein Anspruch sei nicht verfallen, hilfsweise verfolgte er einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Aufklärungs- und Hinweispflicht in gleicher Höhe.

Er hat behauptet:

Er habe erstmals Anfang 2006 von dem Abfindungsanspruch Kenntnis erhalten.

Die Beklagte hätte ihn aufklären müssen. Sie verfüge über Fachkräfte, die sich im Tarifwesen des öffentlichen Dienstes bestens auskennen würden und denen auch der Inhalt des TV ATZ bekannt sein dürfte. Sein Informationsbedürfnis sei erkennbar gewesen, da der tarifliche Abfindungsanspruch nur Kennern der Materie bekannt sei und im TV ATZ unter der Überschrift "Aufstockungsleistungen" enthalten sei, somit auch bei der Lektüre des Tarifvertrages nicht ohne Weiteres aufgefunden werden könne. Die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe im Interesse der Beklagten gelegen, da diese durch sein vorzeitiges Ausscheiden erhebliche Personalkosten gespart habe.

Im Übrigen hat er die Auffassung vertreten, dass die tarifliche Ausschlussfrist seinen Anspruch nicht erfasse, da er offensichtlich dem Ausgleich von Rentennachteilen diene, nicht dem Ausgleich des mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbundenen sozialen Besitzstandes. Ansprüche mit Vorsorgecharakter unterlägen nach der Rechtsprechung nicht einer Ausschlussfrist.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.329,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, sie sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger bei Abschluss des Aufhebungsvertrages auf den tariflichen Abfindungsanspruch hinzuweisen, denn die Initiative zum Abschluss des Vertrages sei unstreitig von ihm ausgegangen. Im Übrigen werde die tarifliche Abfindungszahlung als Entlassungsentschädigung von der Ausschlussfrist des § 70 BAT erfasst.

Mit Urteil vom 21.11.2006 hat das Arbeitsgericht Detmold die Klage abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Es hat ausgeführt:

Die Klage sei unbegründet.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung der Abfindung nach dem TV ATZ, da dieser Anspruch gemäß § 70 BAT zum Zeitpunkt seiner erstmaligen Geltendmachung verfallen gewesen sei.

Er könne nicht damit gehört werden, er habe keine Kenntnis von dem tariflichen Abfindungsanspruch gehabt. Sein Ausscheiden aus dem Altersteilzeitverhältnis habe sich nämlich wie dieses selbst nach dem TV ATZ gerichtet. Es sei seine Sache gewesen, sich vom Inhalt des ihm bekannten Tarifvertrages im Einzelnen hinreichende Kenntnis zu verschaffen. Insbesondere komme es für den Lauf der Ausschlussfrist auf seine Kenntnis nicht an. Maßgeblich sei allein die Fälligkeit des Anspruchs.

Die Beklagte habe auch nicht durch ihr Verhalten bewirkt, dass er seinen Anspruch nicht habe erkennen können.

Der Abfindungsanspruch stelle auch einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis dar. Die Ausschlussfrist des § 70 BAT erfasse jeden Anspruch, den die Arbeitsvertragsparteien im sachlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis gegeneinander hätten. Auch tarifliche Abfindungsansprüche unterlägen regelmäßig den tariflichen Ausschlussfristen.

Der Hinweis des Klägers, dass Ansprüche, die das Arbeitsverhältnis als Statusverhältnis prägten und besonders wichtigen Charakter hätten, von Ausschlussfristen nicht erfasst würden, wie z.B. Sozialplanansprüche mit Vorsorgecharakter, verfange nicht. Der Abfindungsanspruch nach § 5 Abs. 7 TV ATZ stelle eine schlichte Entlassungsentschädigung dar. Insbesondere habe die Tarifzahlung keine Vorsorgefunktion für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Sie habe nicht einmal den Charakter eines zusatzversorgungspflichtigen Entgelts.

Der Anspruch rechtfertige sich auch nicht als Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes der Beklagten gegen sie treffende Hinweis- und Aufklärungspflichten.

Nach herrschender Meinung treffe den Arbeitgeber im Rahmen des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages grundsätzlich keine Verpflichtung, den daran beteiligten Arbeitnehmer über die sich daraus ergebenden rechtlichen Folgen aufzuklären. Nur ausnahmsweise sei er verpflichtet, den Arbeitnehmer z.B. über den Verlust einer Versorgungsanwartschaft aufzuklären. Auch im öffentlichen Dienst brauche er grundsätzlich nicht die versorgungsrechtliche Situation zu überprüfen und deshalb auch nicht darüber aufzuklären, es sei denn, aus konkreten Umständen des Einzelfalles habe beim Arbeitnehmer der Eindruck entstehen können, der Arbeitgeber werde sich um seine Ansprüche kümmern.

Hier verweise die Beklagte zu Recht darauf hin, dass es der Kläger selbst gewesen sei, der um die vorzeitige Auflösung seines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses gebeten und an sie herangetreten sei. Auch habe der Kläger ihr mit seinem undatierten Schreiben mitgeteilt, dass das Altersruhegeld nach Altersteilzeit bereits beantragt gewesen sei. Dieses Verhalten zeige hinreichend, dass er sich um die Konsequenzen seiner vorzeitigen Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses gekümmert habe und dazu auch in der Lage gewesen sei. In einem solchen Fall, in dem der Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb quasi die Voraussetzungen für einen tariflichen Abfindungsanspruch schaffe, sei es nicht mehr Verpflichtung des Arbeitgebers, seinerseits auf arbeitnehmergünstige Tarifansprüche hinzuweisen. Die zitierte Hinweis- und Aufklärungspflicht habe die Rechtsprechung bisher richtigerweise nur angenommen, wenn es um Ansprüche des Arbeitnehmers auf Versorgungsleistungen, etwa im Zusammenhang mit einer betrieblichen Altersversorgung gegangen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf das Urteil vom 21.11.2006 (Bl. 55 bis 61 d.A.) Bezug genommen.

Gegen das ihm am 20.12.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.01.2007 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20.03.2007 am 20.03.2007 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend begründet.

Er ist weiterhin der Auffassung, § 70 BAT erfasse seinen Anspruch nicht. Die Abfindung nach § 5 Abs. 7 TV ATZ habe Ausgleichsfunktion. Das ergebe sich schon aus ihrer Berechnung. Sie sei gleichzustellen mit Ansprüchen aus betrieblicher Altersversorgung und Ausgleichsgeldansprüchen aus einem Sozialplan, die die Rechtsprechung nicht als von tariflichen Ausschlussfristen erfasst ansehe.

Zur Begründung seines Schadensersatzanspruchs bezieht sich der Kläger auf seinen erstinstanzlichen Sachvortrag und behauptet weiterhin:

Er habe darauf vertrauen dürfen, dass die Beklagte ihn auf den Abfindungsanspruch hinweisen würde, weil Abfindungsansprüche im öffentlichen Dienst die Ausnahme darstellten.

Er beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 21.11.2006 - 2 Ca 977/06 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.329,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die gemäß §§ 64 Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO an sich statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 21.11.2006 ist unbegründet. Zu Recht hat das erstinstanzliche Gericht die zulässige Klage abgewiesen.

1. Der Anspruch aus § 5 Abs. 7 TV ATZ ist verfallen. Der Kläger hat die tarifliche Ausschlussfrist nicht gewahrt.

a) Gemäß § 2 des Arbeitsvertrages vom 20.01.1969 findet der BAT auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Da das Arbeitsverhältnis mit dem 31.05.2004 sein Ende gefunden hat, ist es nicht mehr mit Wirkung zum 01.10.2005 in den TVöD-VKA übergeleitet worden.

Mit der Bezugnahme auf den BAT ist auch die Ausschlussfrist des § 70 BAT wirksam vereinbart worden (vgl. dazu BAG, Urteil vom 05.11.1963 - 5 AZR 136/63, AP Nr. 1 zu § 1 TVG Bezugnahme auf den Tarifvertrag; Urteil vom 05.11.2003 - 5 AZR 469/02, NZA 2004, 102).

b) Gemäß § 70 BAT verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von dem Angestellten schriftlich geltend gemacht werden, soweit tariflich nichts anderes geregelt ist.

aa) Der TV ATZ enthält keine eigenständige Ausschlussfrist.

bb) Der Anspruch auf Zahlung einer Abfindung nach § 5 Abs. 7 TV ATZ ist nach Satz 2 der Tarifnorm zum Ende des Altersteilzeitverhältnisses fällig, hier am 01.06.2004 (vgl. zur Fälligkeit auch Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, Altersteilzeit-TV Erl. 16.13).

Der Kläger hätte seinen Anspruch innerhalb der gemäß §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB zu berechnenden Ausschlussfrist bis zum 01.12.2004 schriftlich geltend machen müssen. Das hat er nicht getan.

cc) Entgegen seiner Auffassung wird der Anspruch von der Ausschlussfrist erfasst.

Was unter Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis zu verstehen ist, haben die Tarifvertragsparteien nicht geregelt. Die Tarifnorm ist auszulegen.

Der normative Teil eines Tarifvertrages ist nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln auszulegen. Auszugehen ist zunächst von dem Tarifwortlaut. Zu ermitteln ist der maßgebliche Sinn der Regelung, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können (vgl. BAG, Urteil vom 21.11.2006 - 9 AZR 323/05, DB 2007, 1092; Urteil vom 21.04.2005 - 6 AZR 440/04, n.v.; Urteil vom 28.05.1998 - 6 AZR 349/96, AP Nr. 52 zu § 611 BGB Bühnenengagementsvertrag).

Der Wortlaut der Tarifvorschrift ist weit gefasst und erfasst damit alle Ansprüche, die die Parteien des Arbeitsverhältnisses als Gläubiger und Schuldner geltend machen können, soweit sie im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen und eine Leistung aus dem Vermögen des Schuldners Anspruchsgegenstand ist (vgl. BAG, Urteil vom 19.10.1983 - 5 AZR 64/81, AP Nr. 37 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche; LAG Berlin, Urteil vom 27.07.1998 - 9 Sa 58/98, NZA-RR 1999, 39 m.w.N.). Zu den Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis zählen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch tarifliche Abfindungsansprüche (vgl. BAG, Urteil vom 30.01.2002 - 6 AZR 43/01, ZTR 596; Urteil vom 01.06.1995 - 6 AZR 926/94, BAGE 80, 158; Urteil vom 28.05.1998 - 6 AZR 585/96, BAGE 89, 57).

Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht bestimmte Ansprüche des Arbeitnehmers aus dem Geltungsbereich der tariflichen Ausschlussklauseln ausgenommen. So hat es mit Urteil vom 27.02.1990 (- 3 AZR 216/88, NZA 1990, 627) entschieden, dass Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge nur dann den tariflichen Ausschlussfristen unterliegen, wenn sich dies eindeutig und unmissverständlich aus dem Tarifvertrag ergibt. Es hat ausgeführt, im Zweifel sei davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien Versorgungsansprüche keinen tariflichen Ausschlussklauseln unterwerfen würden (vgl. auch BAG, Urteil vom 13.07.1978 - 3 AZR 278/77, AP Nr. 4 zu § 1 BetrVAG Wartezeit; Urteil vom 29.11.1979 - 3 AZR 289/78, AP Nr. 3 zu § 242 BGB Ruhegehalt-Zusatzversorgung; Urteil vom 13.07.1982 - 3 AZR 34/80, AP Nr. 1 zu § 1 BetrVAG). Ausschlussklauseln hätten den Zweck, im Arbeitsverhältnis fortwährend entstehende und zu erfüllende Ansprüche schnell erlöschen zu lassen. Nach Ablauf längerer Fristen sei im allgemeinen nicht mehr damit zu rechnen, dass eine Arbeitsvertragspartei noch auf abgeschlossene Vorgänge zurückkomme, zumal regelmäßig weit zurückliegende Umstände nicht mehr aufgeklärt werden könnten. Diese Zielsetzung treffe jedoch auf Ruhegeldansprüche nicht zu, deren Entstehungsvoraussetzungen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses gesetzt würden. Lägen diese einmal vor, stünden auch die einzelnen Raten fest und unterlägen nur noch in beschränktem Umfang der Änderung. Es bestehe daher kein Bedarf, diese Ruhegeldraten kurzfristig erlöschen zu lassen. Hinzu komme, dass ausgeschiedene Arbeitnehmer vom Informationsfluss im Betrieb abgeschnitten seien.

Diese Grundsätze führen hier nicht zu dem von dem Kläger gewünschten Ergebnis.

Ihm ist zuzugestehen, dass die Abfindung nach § 5 Abs. 7 TV ATZ auch der sozialen Absicherung des vorzeitig ausscheidenden Arbeitnehmers dient, da die vorzeitige Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente mit Rentenabschlägen verbunden ist, die bis zu einer Höhe von maximal drei Monatsgehältern durch die Abfindung ausgeglichen werden sollen. Der Zweck der Leistung, sozial abfedernd zu wirken, begründet allein aber noch nicht den Ausschluss der Forderung aus dem Geltungsbereich des § 70 BAT. So hat das BAG (Urteil vom 31.01.2002 - 6 AZR 41/01, ZTR 2002, 596) zu einer Abfindung nach § 4 des Tarifvertrages zur sozialen Absicherung vom 25.04.1994 im Bereich der Landesverwaltung des Landes Brandenburg entschieden, dass diese Abfindung der sozialen Absicherung des Arbeitnehmers bei seinem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst diene. Es hat gleichwohl erkannt, dass der Abfindungsanspruch wie auch der Anspruch des Arbeitgebers auf Rückzahlung dieser Abfindung der Ausschlussfrist nach § 70 BAT unterliege.

Sinn und Zweck der Ausschlussfrist sprechen ebenfalls für die Einbeziehung des Anspruchs. Sie soll die Parteien zur alsbaldigen Geltendmachung und Klärung der Ansprüche veranlassen. Insbesondere soll die verspätete Geltendmachung oft zweifelhafter und schwer feststellbarer Ansprüche vermieden werden. Der öffentliche Arbeitgeber soll in den Stand versetzt werden, die notwendigen Haushaltsmittel so zu veranschlagen, dass Nachforderungen in engen Grenzen gehalten werden können (vgl. BAG, Urteil vom 27.03.1963 - 4 AZR 72/62, AP Nr. 9 zu § 59 BetrVG; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, § 70 BAT Erl. 1). Die Ausschlussfrist dient dem Ziel der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit (vgl. BAG, Urteil vom 10.08.1967 - 3 AZR 221/66, AP Nr. 37 zu § 4 TVG Ausschlussfristen).

Bei der vom Kläger geforderten Abfindung handelt es sich um eine Einmalzahlung zum Ende des Arbeitsverhältnisses. Anders als bei Ruhegeldansprüchen, deren Raten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses laufend neu fällig werden, soll das Bedürfnis des Arbeitnehmers nach sozialer Absicherung pauschal mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses festgestellt und befriedigt werden. Der Vorgang soll abschließend beurteilt werden. Die Zielsetzung der Ausschlussfrist, für Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu sorgen, betrifft auch diesen Anspruch. Der ausscheidende Arbeitnehmer verfügt zum Ende des Arbeitsverhältnisses über alle zur Geltendmachung des Anspruchs erforderlichen Informationen. Er erleidet mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis keinen Informationsverlust. Der öffentlich-rechtliche Arbeitgeber hat dagegen das Bedürfnis, alsbald Kenntnis von der Inanspruchnahme der Abfindung zu erhalten, um die notwendigen Haushaltsmittel zu veranschlagen. Anders als bei Ruhegeldraten, bei denen das Stammrecht schon lange vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses begründet wird und von dem Arbeitgeber in seiner Versorgungsplanung berücksichtigt werden kann, handelt es sich bei der Abfindung wegen des vorzeitigen Ausscheidens des Arbeitnehmers infolge der vorgezogenen Inanspruchnahme der Altersrente nicht um ein eingeplantes, im Rahmen der Bemessung von Haushaltsmitteln berücksichtigungsfähiges Ereignis. Insoweit unterscheidet sich die Abfindung nach dem TV ATZ nicht von einer Abfindung nach § 9, 10 KSchG oder nach einem Sozialplan, die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis darstellen, die der tariflichen Ausschlussfrist unterliegen (vgl. LAG Berlin, Urteil vom 27.07.1998, a.a.O., zu einer in einem außergerichtlichen Vergleich vereinbarten Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG; BAG, Urteil vom 30.11.1994 - 10 AZR 79/94, AP Nr. 88 zu § 112 BetrVG zur Sozialplanabfindung).

In Übereinstimmung mit dem erstinstanzlichen Gericht ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass die Abfindung als Pauschalentschädigung weder zusatzversorgungspflichtig ist noch nach der zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis geltenden Rechtslage zu versteuern war. Die Abfindung stellt auch kein sozialversicherungsrechtlich beitragspflichtiges Entgelt dar (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, Altersteilzeit TV Erl. 16.15).

c) Der Kläger kann nicht einwenden, ihm sei der Abfindungsanspruch bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nicht bekannt gewesen.

Nach dem Wortlaut des § 70 BAT ist allein die Fälligkeit des Anspruchs maßgeblich mit der Folge, dass die Ausschlussfrist grundsätzlich auch Ansprüche erfasst, die der Berechtigte nicht kennt. Das gilt selbst bei einer - hier nicht gegebenen - zweifelhaften Rechtslage, die zu einer Unsicherheit des Arbeitnehmers führt, ob ihm der fragliche Anspruch zusteht (vgl. BAG, Urteil vom 03.02.1961 - 1 AZR 140/59, AP Nr. 14 zu § 4 TVG Ausschlussfristen; Urteil vom 01.08.1966 - 3 AZR 60/66, DB 1966, 1613).

Dem Kläger war die Geltendmachung des Anspruchs im Übrigen weder unzumutbar noch unmöglich. Aus der Präambel des Altersteilzeitvertrags vom 26.08.1999 ergibt sich als Rechtsgrundlage des Altersteilzeitverhältnisses der TV ATZ, der Rechtsgrundlage auch des geltend gemachten Abfindungsanspruchs ist. Dem Kläger war es demnach möglich, sich über seine Rechte und Pflichten aus diesem Tarifvertrag notfalls unter Hinzuziehung des Personalrats oder einer sonstigen rechtskundigen Person zu informieren. Schon in seinem Urteil vom 15.08.1972 (5 AZR 32/72, AP Nr. 14 zu § 242 BGB Auskunftspflicht) hat das BAG dem im 20. Jahrhundert lebenden deutschen Arbeitnehmer auferlegt, sich im Grundsatz selbst zu bemühen, die Rechtskenntnisse zu erwerben oder sich mit Hilfe Dritter zugänglich zu machen, die er im Arbeitsleben zur Wahrung seiner sozialen Belange braucht.

d) Der Hinweis der Beklagten auf die Ausschlussfrist stellt auch keine missbräuchliche Ausnutzung einer Rechtsposition dar. Da die Versäumung einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist das Erlöschen von Rechten ohne das Zutun des Verpflichteten bewirkt, beruft sich derjenige, der seine Leistung im Hinblick auf die abgelaufene Frist verweigert, auf eine kraft Tarifnorm eingetretene Rechtslage (vgl. LAG Berlin, Urteil vom 27.07.1998, a.a.O.). Das ist regelmäßig nicht rechtsmissbräuchlich.

Ausnahmsweise kann der Lauf der Ausschlussfrist nach § 242 BGB deshalb gehemmt sein, weil der Arbeitgeber es pflichtwidrig unterlassen hat, dem Arbeitnehmer Umstände mitzuteilen, die die Geltendmachung der Ansprüche innerhalb der Ausschlussfrist ermöglicht hätten (vgl. BAG, Urteil vom 01.06.1995 - 6 AZR 912/94, ZTR 1996, 32).

Dem Kläger waren alle Tatsachen bekannt, die zur Geltendmachung des Anspruchs erforderlich waren.

Der Einwand des Rechtsmissbrauchs kann im Übrigen nur in besonders krassen Fällen greifen, wenn dem Gläubiger ein grob unbilliges Verhalten zur Last gelegt werden muss (vgl. BAG, Urteil vom 09.08.1990 - 2 AZR 579/89, NZA 1991, 226).

Hier kann der Kläger sich nicht darauf berufen, die Beklagte habe gebotene Hinweise auf die Anspruchsgrundlage der Abfindung in grob unbilliger Weise unterlassen und ihn dadurch von der Geltendmachung des Anspruchs abgehalten. Die Beklagte hat nicht die Ursache für die verspätete Rechtsverfolgung gesetzt.

Es fehlt schon an ihrer Verpflichtung, den Kläger auf seinen Anspruch hinzuweisen.

Gemäß § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet ein Schuldverhältnis jeden Teil zur Rücksichtnahme auf die Rechte und Rechtsgüter sowie die Interessen des anderen Teils. Der Umfang der Nebenpflichten ist abhängig von dem jeweiligen Vertragszweck, der Verkehrssitte und den Anforderungen des redlichen Geschäftsverkehrs (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 241 BGB Rdnr. 7; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.06.2005 - 2 Sa 213/05 -).

Grundsätzlich gilt, dass jede Vertragspartei selbst für die Wahrnehmung ihrer Interessen zu sorgen hat. Daher dürfen auch vertragliche Schutz- und Fürsorgepflichten nicht überspannt werden. Hinweis- und Aufklärungspflichten können vor allem dadurch entstehen, dass der Arbeitgeber einen Vertrauenstatbestand oder durch sein früheres Verhalten eine Gefahrenquelle geschaffen hat. Je größer das beim Arbeitnehmer erweckte Vertrauen ist oder je größer, atypischer und schwerer erkennbar die Gefahrenquelle für den Arbeitnehmer ist, desto eher treffen den Arbeitgeber Informationspflichten und desto weitreichender sind sie (vgl. BAG, Urteil vom 10.03.1988 - 8 AZR 420/85, NZA 1988, 837; Urteil vom 17.10.2000 - 3 AZR 605/99, NZA 2001, 206; Urteil vom 11.12.2001 - 3 AZR 339/00, NZA 2002, 1152).

Hier geht es nicht um eine besondere Gefahrenquelle, vor der die Beklagte den Kläger hätte schützen müssen. Sie hat aber auch keinen besonderen Vertrauenstatbestand gesetzt. Die Initiative zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist von dem Kläger ausgegangen, nicht von ihr. Da dieser zum Zeitpunkt seiner Bitte um Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses schon die vorgezogene Altersrente beantragt hatte, ihm aus dem Altersteilzeitvertrag der TV ATZ bekannt war, durfte die Beklagte davon ausgehen, er habe sich die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses und die Rechtsfolgen wohl überlegt und sich entsprechend informiert (vgl. dazu auch BAG, Urteil vom 17.10.2000, a.a.O.; Urteil vom 11.12.2001, a.a.O.). Ein besonderes Beratungsbedürfnis hat der Kläger nicht kundgetan (vgl. dazu auch BAG, Urteil vom 13.12.1988 - 3 AZR 322/87, BB 1989, 988).

Die Beklagte hat auch kein Verhalten gezeigt, das in ihm das gerechtfertigte Vertrauen hervorrufen konnte, sie werde ihn umfassend beraten und über seine Rechte aufklären. Dass sie Fachkräfte beschäftigt, die sich im Tarifwesen auskennen, ist unerheblich. Unmaßgeblich ist auch, dass der tarifliche Abfindungsanspruch nach Auffassung des Klägers nur "Kennern der Materie" bekannt ist und die Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch nicht ohne Weiteres auffindbar ist, dass eine Abfindung im öffentlichen Dienst nur ausnahmsweise gezahlt wird. Der Kläger hätte sich intensiv mit dem Tarifvertrag beschäftigen müssen, er hätte sich der Hilfe und Beratung Dritter bedienen können. Er hat noch nicht einmal vorgetragen, den Tarifvertrag überhaupt gelesen zu haben.

Die Aufhebung des Altersteilzeitverhältnisses lag auch nicht im überwiegenden Interesse der Beklagte. Sie mag Personalkosten eingespart haben, sie war aber nicht initiativ. Nachdem der Kläger bereits mit Beantragung des vorzeitigen Altersruhegeldes zum 01.06.2004 die entscheidenden Tatsachen für ein Ausscheiden herbeigeführt hatte, lag der Abschluss des Aufhebungsvertrages eindeutig in seinem Interesse, hat sich die Beklagte insoweit entgegenkommend verhalten.

2. Aus den dargestellten Gründen haftet sie nicht auf Schadensersatz in Höhe der verfallenen Forderung aus §§ 280 Abs. 1, 249 ff BGB. Sie hat keine Aufklärungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Gründe im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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