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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 26.06.2008
Aktenzeichen: 17 Sa 488/08
Rechtsgebiete: TzBfG, KSchG, ArbGG, ZPO, TV-BA, BGB, SGB III, LBG NW, SGB X, SGB II
Vorschriften:
TzBfG § 14 | |
TzBfG § 14 Abs. 1 Nr. 1 | |
TzBfG § 14 Abs. 1 Ziff. 1 | |
TzBfG § 14 Abs. 1 Satz 1 | |
TzBfG § 14 Abs. 2 | |
TzBfG § 14 Abs. 4 | |
TzBfG § 16 Satz 1 | |
TzBfG § 17 | |
TzBfG § 17 Satz 1 | |
TzBfG § 17 Satz 2 | |
KSchG § 7 | |
ArbGG § 64 Abs. 2 c | |
ArbGG § 64 Abs. 6 | |
ArbGG § 66 Abs. 1 | |
ZPO § 519 | |
ZPO § 520 | |
TV-BA § 33 | |
TV-BA § 33 Abs. 1 Satz 1 | |
TV-BA § 33 Abs. 2 | |
TV-BA § 33 Abs. 3 | |
BGB § 133 | |
BGB § 157 | |
SGB III § 3 Abs. 2 Ziff. 3 | |
LBG NW § 5 Abs. 1 Ziff. 3 a | |
LBG NW § 5 Abs. 1 Ziff. 4 a | |
LBG NW § 20 Abs. 1 Ziff. 2 | |
SGB X §§ 53 ff. | |
SGB II § 44 b | |
SGB II § 44 b Abs. 1 Satz 3 | |
SGB II § 44 b Abs. 2 | |
SGB II § 44 b Abs. 3 Satz 3 |
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 26.02.2008 - 1 Ca 260/01 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund seiner Befristung beendet ist.
Der am 07.09.1968 geborene Kläger war seit dem 18.07.2005 als vollbeschäftigter Angestellter gegen eine Bruttomonatsvergütung von 2.228,00 € bei der Beklagten tätig.
Diese setzte ihn als Fachassistenten in der Eingangszone des Integrationscenters für Arbeit G3 (IAG) ein.
Das Arbeitsverhältnis war befristet. Ihm liegen Arbeitsverträge vom 12.07.2005 (Bl. 9, 10 d.A.) vom 23.06.2006 (Bl. 11 d.A.) und vom 11.07.2007 (Bl. 13, 14 d.A.) zugrunde.
Gemäß § 2 des Arbeitsvertrages vom 11.07.2007 bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung.
Am 27.07.2007 erstellte die Beklagte einen Vermerk zu dem befristeten Arbeitsvertrag vom 11.07.2007 (Bl. 7 d.A.). Zur Befristung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit vom 18.07.2007 bis zum 31.12.2007 gab die sie Folgendes an:
§ 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG (vorübergehender betrieblicher Bedarf)
"Mit Beschluss der Trägerversammlung vom 20.09.2006 wurde die Personal(Soll)dimensionierung des Integrationscenters für Arbeit G3 (IAG) mit 452 Stellen beschlossen. Derzeit sind 432,7 Stellen - gemessen in Vollzeitäquivalenzen - besetzt. Das bestehende und zukünftig durch weitere Einstellungen auszugleichende Delta würde sich durch auslaufende (befristete) Arbeitsverträge um insgesamt 33 Vollzeitäquivalenzen erhöhen. Um die Arbeitsfähigkeit des IAG nicht zu gefährden, sind entsprechende Vertragsverlängerungen auszusprechen".
Das IAG wurde von der Stadt G3 und der Agentur für Arbeit G3 als ARGE G3 zur gemeinsamen Wahrnehmung von Aufgaben nach dem SGB II gegründet.
Nach den Gründungsverträgen vom 20.12.2004 (Bl. 105 ff.d.A.) verpflichteten sich beide Vertragspartnerinnen, dem IAG Personal zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte unterrichtete den Kläger mit Schreiben vom 27.06.2005 (Bl. 64 d.A.) über die Struktur der ARGE G3.
Mit Schreiben vom 29.10.2007 (Bl. 4 d.A.) informierte sie ihn über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31.12.2007.
Mit seiner am 20.12.2007 bei dem Arbeitsgericht Gelsenkirchen eingegangenen Klage macht der Kläger die Unwirksamkeit der Befristungsvereinbarung vom 11.07.2007 geltend.
Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe bei Abschluss des Arbeitsvertrages vom 11.07.2007 keine solide Prognose gestellt, dass mit dem 31.12.2007 ein Bedarf für seine Beschäftigung nicht mehr bestehen werde. Der Arbeitskräftebedarf im Bereich der Eingangszone des IAG bestehe dauerhaft.
Er hat beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Befristung nicht am 31.12.2007 beendet wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet:
Die Stadt G3 habe ab Mitte 2007 3 bis 5 Nachwuchskräfte des mittleren Dienstes nach Abschluss ihrer Ausbildung im IAG einsetzen wollen. Anfang Juni 2007 sei dann klar gewesen, dass die Stadt G3 ihre Nachwuchskräfte zur Neuberechnung von Kindergartenbeiträgen in der Kernverwaltung benötigte. Ein Wechsel in das IAG habe erst Anfang 2008 erfolgen sollen. Im Hinblick auf den späteren Einsatz der Nachwuchskräfte in der ARGE habe sich ein vorübergehender Bedarf für die Arbeitskraft des Klägers ergeben.
Mit Urteil vom 26.02.2008 hat das Arbeitsgericht Gelsenkirchen festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Befristung nicht am 31.12.2007 beendet ist.
Es hat ausgeführt:
Die Befristung des Arbeitsvertrages sei nicht durch einen Sachgrund im Sinne von § 14 Abs. 1 Ziffer 1 TzBfG gedeckt und gerechtfertigt. An die Darlegung der Befristungsgründe seien hohe Anforderungen zu stellen. Die Beklagte habe diese Darlegungslast nicht erfüllt. Der als Fachassistent im Eingangsbereich des Integrationscenters eingesetzte Kläger habe eine Funktion erfüllt, die nicht zum 01.01.2008 in Wegfall gekommen sei. Es sei auch nicht vollziehbar, ob drei bis fünf Nachwuchskräfte diese Stellen besetzen könnten und sollten.
Entsprechend sei die Befristung unwirksam und bestehe das Arbeitsverhältnis gem. § 16 Satz 1 TzBfG als unbefristetes fort.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 40 bis 44 d.A. Bezug genommen.
Gegen das ihr am 04.03.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 31.03.2008 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese am 30.04.2008 eingehend begründet.
Sie behauptet:
Im März 2007 habe die Stadt G3 dem IAG u.a. mitgeteilt, dass der sich bis zum 30.06.2007 in der Ausbildung befindliche Beamtenanwärter des mittleren Dienstes M1 H1 diesem zugewiesen und als Fachassistent in der Eingangszone eingesetzt werden sollte. Herr H1 habe den Kläger ersetzen sollen.
Aufgrund der Änderung des § 18 b des 2. Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechtes durch Artikel 3 des Gesetzes vom 21.12.2006 habe die Stadt G3 aufgrund der Änderung des Haushaltskonsolidierungsbeitrages Elternbeiträge für Kindergärten und Horte in einem überaus komplizierten Verfahren neu berechnen und teilweise rückwirkend einfordern sowie entsprechende Widersprüche der Eltern möglichst kurzfristig bescheiden müssen. Sie habe daher Anfang Juni 2007 dem IAG mitgeteilt, die in der Ausbildung befindlichen Beamtenanwärter nach Ausbildungsabschluss vorübergehend zur Erledigung dieser Zusatzaufgaben zu benötigen und sie daher nicht wie vorgesehen zum 01.07.2007, sondern erst zum 01.08.2008 dem IAG zuweisen zu können. Es sei auch der Beamte H1 betroffen gewesen.
Nach Anhörung des Personalrates und der Gleichstellungsbeauftragten am 21.06.2007 habe der Kläger am 11.07.2007 den bis zum 31.12.2007 befristeten Arbeitsvertrag unterzeichnet. Er sei ausschließlich als Platzhalter für den Beamten H1 beschäftigt worden.
Dieser sei allerdings nicht zum 01.01.2008 in das IAG versetzt worden. Am Anfang der Zusammenarbeit habe die Stadt G3 der ARGE sehr viel mehr Leute zur Verfügung gestellt als die Bundesagentur für Arbeit. Inzwischen habe die Stadt G3 einen erhöhten Eigenbedarf und sei deshalb geneigt, Personal wieder abzuziehen.
Sie habe mit der Stadt G3 keine bestimmte Quote für die jeweilige Verpflichtung vereinbart, der ARGE Personal zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 26.02.2008 - 1 Ca 2601/07 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und verweist insbesondere darauf, dass die Beklagte gegenüber dem Beamten der Stadt G3 nicht zur Beschäftigung in dem IAG verpflichtet gewesen sei.
Wegen der Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 16.06.2008 (Bl. 87 - 92 d.A.) verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die gemäß §§ 64 Abs. 2 c, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO an sich statthafte und form- sowie fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen ist unbegründet.
Zu Recht hat das erstinstanzliche Gericht der zulässigen Klage stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis hat nicht mit dem 31.12.2007 sein Ende gefunden.
1. Der sich gegen die Rechtswirksamkeit der Befristung seines Arbeitsvertrags vom 11.07.2007 wendende Kläger hat die Klagefrist von 3 Wochen nach § 17 Satz 1 TzBfG durch Klageeingang bei dem erstinstanzlichen Gericht am 20.12.2007 gewahrt. Die Klage kann bereits vor Ablauf des befristeten Arbeitsverhältnisses erhoben werden (vgl. BAG 10.03.2004 - 7 AZR 402/03, NZA 2004, 925).
2. Zur Überprüfung steht allein der Arbeitsvertrag vom 11.07.2007. Folgen mehrere befristete Arbeitsverträge aufeinander (Kettenarbeitsverträge), unterliegt jeder befristete Vertrag für sich der Kontrolle, soweit er innerhalb der Frist des § 17 TzBfG angegriffen wurde. Gemäß §§ 17 Satz 2 TzBfG, 7 KSchG wird eine unwirksame Befristung wirksam, wenn nicht fristgerecht Klage erhoben wird (vgl. Annuß/Thüsing/Maschmann, Teilzeit- und Befristungsgesetz, 2. Aufl., § 17 TzBfG, Rdnr. 5; KR-Bader, 8. Aufl., § 17 TzBfG, Rdnr. 51).
Mit dem Abschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrages haben die Parteien im Übrigen ihr Arbeitsverhältnis auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt, die künftig für ihre Rechtsbeziehung allein maßgebend ist. Damit wird zugleich ein etwaiges unbefristetes Arbeitsverhältnis aufgehoben.
Ausnahmsweise gilt dann etwas anderes, wenn sich die letzte Vereinbarung ein sogenannten "Annex" ist. Ausnahmsweise kommt es auf die Verhältnisse beim Abschluss des vorletzten Vertrages an, wenn sich der letzte Vertrag lediglich als unselbständiger Annex des vorhergehenden darstellt, mit dem das bisherige befristete Arbeitsverhältnis nur hinsichtlich seines Endzeitpunktes modifiziert werden sollte (vgl. BAG, 13.10.2004 - 7 AUR 654/03, AP TzBfG § 14 Nr. 13; 10.10.2007 - 7 AZR 795/06, NJW 2008, 538). Zur Annahme eines entsprechenden Parteiwillens reicht es aber nicht aus, dass der letzte und vorletzte Vertrag in den Vertragsbedingungen übereinstimmen und auch die zu erfüllende Arbeitsaufgaben die gleichen bleiben, wie es hier der Fall ist. Es müssen viele besondere Umstände hinzukommen. Diese liegen etwa vor, wenn der Anschlussvertrag lediglich eine verhältnismäßig geringfügige Korrektur des im früheren Vertrag vereinbarten Endzeitpunktes betrifft, diese Korrektur sich am Sachgrund der Befristung des früheren Vertrags orientiert und allein in der Anpassung der ursprünglich vereinbarten Vertragszeit an später eintretende, zum Zeitpunkt des vorangegangenen Vertragsschlusses nicht vorhersehbare Umstände besteht. Es darf den Parteien nur darum gegangen sein, die Laufzeit des alten Vertrages mit dem Sachgrund der Befristung in Einklang zu bringen.
Hier handelt es sich schon deshalb nicht um eine geringfügige Anpassung des Endzeitpunktes an den Sachgrund, weil die Arbeitsverträge vom 12.07.2005 und 23.06.2006 sachgrundlos befristet waren, während es sich bei dem Arbeitsvertrag vom 11.07.2007 um eine Sachgrundbefristung handelt.
Da der Kläger nur den Vertrag aus 2007 mit seiner Klage angegriffen hat, gelten die früheren Befristungen als wirksam.
3. Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 TV-BA, gültig ab 01.01.2006, sind befristete Arbeitsverträge nach Maßgabe des TzBfG zulässig. Für Beschäftigte, auf die die Regelungen des Tarifgebietes West wie hier Anwendung finden und deren Tätigkeit vor dem 01.01.2005 der Rentenversicherung der Angestellten unterlegen hätte, gelten ferner die Besonderheiten des § 33 Abs. 2, Abs. 3 TV-BA.
Die Tarifvorschrift ist auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrages vom 11.07.2007 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit.
4. Die Rechtfertigung der letzten Befristung folgt nicht aus § 33 Abs. 1 Satz 1 TV-BA i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG.
Nachdem der Kläger das Vorliegen eines Sachgrundes bestritten hat, ist es Sache der Beklagten, die tatsächlichen Grundlagen eines Sachgrundes darzulegen und zu beweisen (vgl. LAG Hamm, 25.10.2007 - 15 Sa 1894/06; LAG Köln, 14.12.2007 - 4 Sa 992/07; KR-Lipke, a.a.O., § 14 TzBfG Rdnr. 374).
a) Im Arbeitsvertrag vom 11.07.2007 selbst haben die Parteien die Grundlage der Befristung nicht genannt. Weder § 33 TV-BA noch § 14 TzBfG enthalten ein Zitiergebot. Gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG ist Wirksamkeitsvoraussetzung nur die Schriftform der Befristungsabrede an sich. Der Rechtfertigungsgrund muss weder im Vertrag stehen noch bei Abschluss des Arbeitsvertrages mitgeteilt werden. Es reicht aus, wenn er objektiv vorliegt (vgl. Gräfl/Arnold/Hemke/Imping/Lehmann/Rambach/Spinner, TzBfG, § 14 TzBfG, Rdnr. 21; zu § 1 Abs. 1 Beschäftigungsförderungsgesetz BAG, 04.12.2002 - 7 AZR 545/01, DB 2003, 1174). Dabei kann ein Arbeitgeber bei einer Sachgrundbefristung grundsätzlich auch einen anderen als den im Arbeitsvertrag genannten Sachgrund anführen oder sich hilfsweise auf die Bestimmung des § 14 Abs. 2 TzBfG berufen (vgl. BAG, 05.06.2002 - 7 AZR 241/01, DB 2002, 2166; 26.06.2002 - 7 AZR 64/01).
Hier hat die Beklagte dem Kläger ausweislich des Vermerkes vom 27.07.2007 nachträglich den Sachgrund des vorübergehenden betrieblichen Bedarfs nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG mit der Begründung mitgeteilt, die Personalsollstärke des IAG betrage 452 Stellen, von denen 432,7 Stellen gemessen an Vollzeitäquivalenzen, besetzt seien; das bestehende und zukünftig durch weitere Einstellungen auszugleichende Delta würde sich durch auslaufende befristete Arbeitsverträge erhöhen und die Arbeitsfähigkeit des Integrationscenters gefährdet sein. Ob diese Begründung allein tatsächlich die Befristung des klägerischen Arbeitsverhältnisses rechtfertigte, kann dahinstehen. Sie hindert die Beklagte nicht, sich auf einen anderen Sachgrund zu berufen. Der Kläger konnte ihren Hinweis vom 27.07.2007 nicht dahin verstehen, die Befristung solle ausschließlich auf einen einzigen, dem im Vermerk mitgeteilten Sachgrund gestützt werden.
Für die Frage, ob ein - konkludenter - Ausschluss anderer Befristungsgründe vorliegt, sind die Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer die Erklärung des Arbeitgebers dahin verstehen darf, dass die Befristung ausschließlich auf einen bestimmten Sachgrund gestützt wird und von dessen Bestehen abhängig sein soll. Die Benennung des Sachgrundes kann hierbei ein wesentliches Indiz darstellen. Sie reicht allerdings noch nicht aus, um anzunehmen, die sachgrundlose Befristung oder andere Befristungsgründe sollten damit ausgeschlossen sein. Vielmehr müssen im Einzelfall noch zusätzliche Umstände hinzutreten. Die vertragliche Vereinbarung ist gemäß §§ 133, 157 BGB auszulegen (vgl. zum konkludenten Ausschluss der sachgrundlosen Befristung BAG 04.12.2002 a.a.O.; 05.06.2002 a.a.O.).
Hier ist zu bedenken, dass die Parteien im Text des Vertrages von Juli 2007 selbst keine Aussage zu dem Grund der Befristung getroffen haben. Die Auslegung des erheblich später erstellten Vermerks ergibt nicht, dass die Parteien durch Angebot und Annahme eine Vereinbarung schließen wollten. Der Vermerk stellt allein eine Dokumentation der dem Kläger von der Beklagten erteilten Hinweise und Belehrungen dar. So dient er unter anderem dem Nachweis der Erfüllung der die Beklagte nach § 3 Abs. 2 Ziffer 3 SGB III treffenden Verpflichtung. Der Kläger ist ferner über den nach Auffassung der Beklagten gegebenen Befristungsgrund informiert und über die Folgen der Befristung aufgeklärt worden. Entsprechend hat er durch Unterschrift bestätigt, die Hinweise zur Kenntnis genommen zu haben.
b) Der von der Beklagten in dem Prozess angeführte Befristungsgrund, die weitere Trägerin des IAG, die Stadt G3, habe mitgeteilt, die Stelle des Klägers als Fachassistent in der Eingangszone mit Wirkung zum 01.01.2008 mit dem Beamten H1 besetzen zu wollen, entsprechend habe ab dem 18.07.2007 nur ein vorübergehendes Bedürfnis für seine Beschäftigung bestanden, rechtfertigt die Befristung nicht.
In Literatur und Rechtsprechung besteht Einigkeit darüber, dass die für einen späteren Zeitpunkt geplante anderweitige Besetzung des Arbeitsplatzes die befristete Einstellung eines Arbeitnehmers bis zu diesem Zeitpunkt sachlich rechtfertigen kann. Während ein Teil der Literatur den zeitlich begrenzten Einsatz eines sogenannten "Platzhalters" als Unterfall der mittelbaren Vertretung ansieht (vgl. KR-Lipke, a.a.O., § 14 TzBfG, Rdnr. 114; ErfK/Müller-Glöge, 8. Auflage § 14 TzBfG, Rdnr. 40), ordnet das Bundesarbeitsgericht die Platzhalterbefristung den sonstigen gesetzlich nicht ausdrücklich benannten Sachgründen zu (vgl. BAG 13.10.2004 - 7 AZR 218/04, BB 2005, 1279).
Übereinstimmung besteht hinsichtlich der Anforderungen an die Wirksamkeit einer "Platzhalterbefristung". Der Arbeitgeber muss sich im Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrages bereits an den anderen, als Dauerbesetzung vorgesehenen Arbeitnehmer vertraglich gebunden haben (BAG 13.10.2004, a.a.O.; 06.11.1996 - 7 AZR 909/95, AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 188). Geht es um die Übernahme eines Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis, ist eine Zusage der Übernahme im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem befristet Beschäftigten nicht zu fordern (BAG 19.09.2001 - 2 AZR 333/00, NZA 2003, 696; 21.04.1993 - 2 AZR 388/92, DB 1994, 98; 06.06.1984 - 7 AZR 458/82, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 83). Der Darlegung eines besonderen Interesses an der Übernahme des Auszubildenden bedarf es nicht, weil es ein berechtigtes Eigeninteresse des Arbeitgebers ist, für den Auszubildenden, den er mit erheblichem Aufwand für seine Zwecke ausgebildet hat, bei Ende der Berufsausbildung auch eine Beschäftigungsmöglichkeit zu haben. Ausreichend ist es, dass zwischen der Befristung und der geplanten Übernahme ein Kausalzusammenhang besteht.
Hier geht es nicht um die Frage, ob der Kläger befristet eingestellt werden durfte, um den Arbeitskräftebedarf bis zur späteren Übernahme eines Auszubildenden zu decken. Nach der ersten Planung hätte der Beamte H1 im Juli 2007 nach Ausbildungsende spätestens am 30.06.2007 den Arbeitsplatz des Klägers nach Auslaufen seines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages vom 23.08.2006 am 17.07.2007 problemlos übernehmen können. Der streitgegenständliche Vertrag von Juli 2007 beruht allein darauf, dass die Stadt G3 nach Mitteilung an die Beklagte aus Juni 2007 H1 nach Ausbildungsende anderweitig im eigenen Geschäftsbereich einsetzen und erst am 01.01.2008 dem IAG zuweisen wollte.
aa) Bedenken bestehen, ob sich die Beklagte zur Begründung der Befristung auf eine Bindung der Stadt G3 an den Beamtenanwärter H1 berufen kann. Dieser hat als Beamter auf Widerruf i.S.d. § 5 Abs. 1 Ziffer 4 a LBG NW den für seine Laufbahn erforderlichen Vorbereitungsdienst bei der Stadt G3 absolviert, um die Laufbahnbefähigung i.S.d. § 20 Abs. 1 Ziffer 2 LBG zu erlangen und anschließend als Beamter auf Probe, § 5 Abs. 1 Ziffer 3 a LBG NW, verwendet zu werden. Zugunsten der Beklagten wird unter-stellt, dass sich die Stadt G3 verpflichtet hat, bei erfolgreichem Abschluss H1 zum Beamten auf Probe zu ernennen. Die Beklagte ist ihm gegenüber jedoch weder vertraglich noch gesetzlich verpflichtet. Sie ist nicht seine Dienstbehörde.
Eine vertragliche Bindung besteht jedoch zwischen der Beklagten und der Stadt G3 aufgrund des am 20.12.2004 geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrags gem. §§ 53 ff. SGB X über die Gründung und Ausgestaltung einer Arbeitsgemeinschaft gem. § 44 b SGB II, geändert durch den Vertrag vom 20.12.2007.
§ 44 b Abs. 1 Satz 3 SGB II überlässt Ausgestaltung und Organisation der Arbeitsgemeinschaften den beteiligten Trägern, wobei deren Besonderheiten sowie Besonderheiten des regionalen Arbeitsmarktes und der regionalen Wirtschaftstruktur zu berücksichtigen sind. Mit Ausnahme von Verfahrensanweisungen zur Bestimmung einer Geschäftsführung, § 44 b Abs. 3 Satz 3 SGB II enthält die Vorschrift keine Regelung zum Personaleinsatz.
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20.12.2007 (2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 NVwZ 2008, 183) widersprechen die Arbeitsgemeinschaften nach § 44 b SGB Abs. 2 dem Prinzip der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung, das den Verwaltungsträger verpflichtet, seine Aufgaben grundsätzlich durch eigene Verwaltungseinrichtungen wahrzunehmen. Die Norm ist aber bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens bis zum 31.12.2010 anwendbar. Die Rechtswirksamkeit des Gründungsvertrags steht damit gegenwärtig nicht in Frage.
Ergäbe sich aus diesem Vertragsverhältnis, dass die Beklagte gegenüber der Stadt G3 verpflichtet war, die vom Kläger besetzte Stelle für den Einsatz eines städtischen Beschäftigten freizuhalten, könnte diese Verpflichtung nach Auffassung der Kammer der unmittelbaren arbeitsvertraglichen Verpflichtung eines Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer gleichgesetzt werden, für den durch eine Befristungsvereinbarung die spätere Beschäftigung gesichert werden soll.
Eine derartige Verpflichtung der Beklagten ist jedoch nicht feststellbar. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 der bei Vertragsschluss gültigen Fassung des öffentlich-rechtlichen Vertrages vom 20.12.2004 haben sich die Vertragsparteien verpflichtet, dem IAG die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlichen Bearbeitungskapazitäten zur Verfügung zu stellen, gemäß § 10 Abs. 1 Satz 4 nach gesonderter Vereinbarung, soweit erforderlich. Als gesonderte Vereinbarung ist der Kammer der Dienstleistungsüberlassungsvertrag zwischen der Arbeitsgemeinschaft G3 (ARGE) und der Agentur für Arbeit G3 (AA) vom 31.11.2005 vorgelegt worden, in der sich jedoch nur die AA verpflichtet hat, der ARGE Dienstleistungen ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zur Verfügung zu stellen.
Nach § 10 Abs. 3 des Vertrages vom 20.12.2004 werden die für die Aufgabenerledigung erforderlichen Bearbeitungsvolumina zu Planungszwecken festgelegt und dem jeweiligen Aufgabenbereich nach § 3 Abs. 2, 3 und § 9 Abs. 2 des Vertrages zugeordnet, wobei zu Abrechnungszwecken die Höhe der für die Bearbeitungsvolumina zu leistende Erstattung festzulegen ist. § 19 des Vertrags enthält weitere Regelungen zur Kostenerstattung. Ein Recht einer Vertragspartnerin auf Besetzung bestimmter Stellen oder einer bestimmten Quote von Stellen oder von Stellen in bestimmten Aufgabenbereichen nach § 3 Abs. 2, Abs. 3 des Vertrages folgt aus den Vereinbarungen nicht.
bb) Die Befristung erweist sich auch dann als unwirksam, wenn zugunsten der Beklagten die Bindung der Stadt G3 an den Beamten H1 einer eigenen Verpflichtung zur Beschäftigung gleichgestellt wird.
Die allein auf eine schlichte Ankündigung der Stadt G3 gestützte Prognoseentscheidung der Beklagten war nicht tragfähig.
Da die Befristung des Arbeitsvertrages durch den vorübergehenden Bestand des Arbeitsverhältnisses geprägt ist, ist bei allen Befristungsgründen die Prognose des Arbeitgebers zur Begrenztheit des Beschäftigungsbedarfs Teil des Sachgrundes (BAG 18.10.2006 - 7 AZR 419/05, DB 2007, 329; 25.08.2004 - 7 AZR 7/04, DB 2005, 502; KR-Lipke, a.a.O., § 14 TzBfG Rdnr. 46; ErfK/Müller-Glöge, a.a.O., § 14 TzBfG Rdnr. 22). An die Prognose des Arbeitgebers hinsichtlich des zukünftig wegfallenden Beschäftigungsbedarfs sind strenge Anforderungen zu stellen. Der Arbeitgeber muss aufgrund greifbarer Tatsachen mit einiger Sicherheit annehmen können, dass der in der Zukunft liegende Ungewissheitszustand auch eintritt (BAG 28.03.2001 - 7 AZR 701/99, NZA 2002, 666). Er hat die Grundlagen seines Wahrscheinlichkeitsurteils im Streitfall auszuweisen, damit der Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, deren Richtigkeit zu überprüfen (BAG 25.08.2004, a.a.O.).
Da es für die Wirksamkeit der Befristung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt, ist es grundsätzlich unerheblich, ob sich die Prognose im Nachhinein bewahrheitet oder ob dies aufgrund später eintretender, bei Vertragsschluss nicht vorhersehbarer Umstände nicht der Fall ist. Erweist sich die Prognose später als unzutreffend, unterliegt der Arbeitgeber einer erhöhten Begründungspflicht. Er muss darlegen, dass die tatsächliche Entwicklung aufgrund unvorhersehbarer Umstände anders verlaufen ist als bei Vertragsschluss prognostiziert. Gelingt ihm dazu ein widerspruchsfreier, als richtig festzustellender Tatsachenvortrag, ist die Befristung trotz des Auseinanderfalles von Prognose und tatsächlichen Verlauf wirksam (BAG 13.10.2004 - 7 AZR 218/04, NZA 2005, 401).
Hier hat sich die bei Vertragsschluss im Juli 2007 gestellte Prognose der Beklagten eines vorübergehenden Bedarfs bis zum 31.12.2007 nicht bewahrheitet. Sie hat unstreitig gestellt, dass der Beamte H1 den Aufgabenbereich des Klägers jedenfalls bis zum 25.06.2008 nicht übernommen hat, tatsächlich nicht in dem IAG eingesetzt wird und ein Einsatz auch nicht absehbar ist. Sie vermochte nicht schlüssig darzulegen, dass ihre im Juli 2007 gestellte Prognose gleichwohl richtig war, weil unvorhersehbare Umstände den Einsatz Hoffmanns verhindert haben. Nach ihrer Darlegung wurde dieser nach Ausbildungsende zur Neuberechnung der Elternbeiträge für Kindergarten und Horte und zur Bescheidung von Widersprüchen der Eltern nach Änderung der Gesetzeslage eingesetzt. Sie bezeichnet das Verfahren der Neuberechnung selbst als überaus kompliziert und trägt keine weiteren Tatsachen vor, die den Schluss zulassen, dass die Aufgaben gleichwohl prognostisch in 6 Monaten zu bewältigen waren. Es ist insbesondere nicht deutlich geworden, mit welchen Tatsachen die Stadt G3 ihrerseits ihre Prognose begründet hat, der Beamte H1 werde zum 01.01.2008 dem IAG zur Verfügung stehen. Die Beklagte räumt selbst ein, dass die Stadt G3 zu Anfang der Zusammenarbeit in dem IAG ein größeres Interesse hatte, eigene Mitarbeiter einzubringen, sich aber ein erhöhter Eigenbedarf zeigte und sie deshalb geneigt ist, Personal abzuziehen. Dass diese Entwicklung im Juli 2007 nicht absehbar war, lässt sich dem Vortrag nicht entnehmen.
Folge der Rechtsunwirksamkeit der Befristungsvereinbarung ist gemäß § 16 Satz 1 TzBfG, dass der auf bestimmte Zeit geschlossene Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die Zulassung der Revision aus § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.
Ende der Entscheidung
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