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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 16.02.2005
Aktenzeichen: 18 (8) Sa 1646/04
Rechtsgebiete: BUrlG, BGB


Vorschriften:

BUrlG § 7 Abs. 3 Satz 1
BGB § 280 Abs. 2
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 249 Satz 1
BGB § 397 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Herne vom 02.07.2004 - 1 Ca 4062/03 - unter Zurückweisung der Berufung des Klägers teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 187,47 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.10.2003 zu zahlen.

In Höhe von 4.307,52 € brutto wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand: Gegenstand des Berufungsverfahrens gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Herne vom 02.07.2004 - 1 Ca 4062/03 - ist noch die anteilige Jahresprämie für das Jahr 2003 in Höhe von 1.201,54 € brutto und die Urlaubsabgeltung für das Jahr 2002 in Höhe von 3.105,98 €. Der Kläger war in der Zeit vom 01.08.1989 bis zum 31.03.2003 als Leiter der Bauabteilung im Betrieb der Beklagten tätig. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der zwischen den Parteien am 28.06.1989 geschlossene Arbeitsvertrag (Bl. 6 bis 8 d.A.), in dem u.a. Folgendes vereinbart wurde: 2. Herr B2xxxx bezieht ein Gehalt von monatlich DM 5.250,-- (brutto), welches monatlich nachträglich überwiesen wird. 3. ...

4. Herr B2xxxx erhält eine Prämie in Höhe eines Monatsgehaltes, die nur mit dem Novembergehalt ausgezahlt wird.

Dies setzt voraus, dass er mindestens bis zum 31. März des folgenden Jahres Mitarbeiter unserer Gesellschaft ist und das volle Jahr für die Gesellschaft tätig war. Ansonsten wird die Prämie anteilig für den Beschäftigungszeitraum ermittelt. 5. Herr B2xxxx erhält Urlaubsgeld von 50 % eines Monatsgehaltes. 6. Herr B2xxxx erhält einen Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen. Mit Schreiben vom 09.09.2002 (Bl. 9 d.A.) kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis fristlos, vorsorglich und hilfsweise fristgemäß zum 31.03.2003. Das gegen diese Kündigung seitens des Klägers eingeleitete Kündigungsschutzverfahren ArbG Herne 6 Ca 3414/02 wurde durch gerichtlichen Vergleich vom 27.06.2003 beendet, in dem Folgendes vereinbart wurde: 1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher, betrieblich veranlasster Kündigung der Beklagten mit dem Ablauf des 31. März 2003 sein Ende gefunden hat. 2. Die Beklagte verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis bis zu diesem Zeitpunkt ordnungsgemäß abzurechnen und die sich ergebenden Nettobeträge unter Beachtung etwaiger auf Dritte übergegangene Ansprüche an den Kläger auszuzahlen. 3. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger eine Abfindung entsprechend §§ 9, 10 KSchG, § 3 Ziffer 9 EStG in Höhe von 10.000,-- € zu zahlen. 4. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Zeugnis zu erteilen. 5. Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit der Erfüllung dieses Vergleichs sämtliche gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus dem beendeten Arbeitsverhältnis, gleich ob bekannt oder unbekannt und gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigt sind. 6. Damit ist der Rechtsstreit erledigt. Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.563,90 € brutto abzüglich 600,78 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.10.2003 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Durch Teilurteil vom 02.07.2004 hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.391,01 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.10.2003 zu zahlen. In Höhe von 3.105,98 € hat es die Klage abgewiesen. Den Streitwert hat es auf 4.496,99 € festgesetzt. In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass der Kläger von der Beklagten die restliche Vergütung für den Monat September 2002 in Höhe von 112,13 € brutto, die Abgeltung von Überstunden in Höhe von 77,34 € brutto sowie die anteilige Jahresprämie in Höhe von 1.201,54 € brutto, nicht aber die Abgeltung seines Urlaubsanspruchs aus dem Jahr 2002 in Höhe von 3.105,93 € brutto verlangen kann. Gegen dieses ihr am 09.08.2004 zugestellte und wegen des weiteren Inhalts hiermit in Bezug genommene Teilurteil hat die Beklagte am 27.08.2004 Berufung eingelegt und diese am 04.10.2004 begründet. Mit der Berufung greift die Beklagte das erstinstanzliche Urteil insoweit an, als sie zur Zahlung der anteiligen Jahresprämie für das Jahr 2003 in Höhe von 1.201,54 € brutto verurteilt worden ist. Gegen das ihm am 09.08.2004 zugestellte Teilurteil hat der Kläger am 02.09.2004 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 08.11.2004 am 26.10.2004 begründet. Der Kläger greift das Teilurteil des Arbeitsgerichts Herne an, soweit der Anspruch auf Abgeltung des Urlaubsanspruchs für das Jahr 2002 in Höhe von 3.105,98 € brutto abgewiesen worden ist. Die Beklagte beantragt, unter Zurückweisung der Berufung des Klägers und teilweiser Abänderung des Teilurteils des Arbeitsgerichts Herne vom 02.07.2004 die Klage in Höhe von weiteren 1.201,54 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.10.2003 abzuweisen. Der Kläger beantragt, unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten das Teilurteil des Arbeitsgerichts Herne vom 02.07.2004 - teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 3.105,98 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 02.10.2003 zu zahlen. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen und auf die Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung verwiesen. Entscheidungsgründe: A. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht die begehrte anteilige Jahresprämie für das Jahr 2003 in Höhe von 1.201,54 € brutto nicht nach Ziffer 4 des zwischen den Parteien am 28.06.1989 geschlossenen Arbeitsvertrags zu. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Anspruch nach Ziffer 4 des Arbeitsvertrags wirksam entstanden ist. Auch wenn der Anspruch anteilig entstanden ist, so ist er durch die Erledigungsklausel in Ziffer 5 des Vergleichs vom 27.06.2003 erloschen. Der Kläger hat in Ziffer 5 des Vergleichs (§ 779 BGB) im Wege des gegenseitigen Nachgebens auf mögliche Forderungen, die nicht Gegenstand des Vergleichs waren, verzichtet. Nach der gewählten Formulierung wollten die Parteien, dass alle anderen gegenseitigen Ansprüche, die nicht Gegenstand des Vergleichs waren, aus dem beendeten Arbeitsverhältnis, gleich ob bekannt oder unbekannt und gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigen. Insoweit stellt Ziffer 5 des Vergleichs ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis dar (§ 397 Abs. 2 BGB; vgl. Erf.Komm/Preis, 4. Aufl., § 611 BGB Rdnr. 514). Ausgleichsklauseln in gerichtlichen und außergerichtlichen Vergleichen und Aufhebungsverträgen sind im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen (vgl. BAG, Urteil vom 28.07.2004 - 10 AZR 661/03 - NZA 2004, 1098; BAG, Urteil vom 19.11.2003 - 10 AZR 174/03 - NZA 2004, 554; BAG, Urteil vom 31.07.2003 - 10 AZR 513/01 - NZA 2003, 100). Neben dem Wortlaut der Vereinbarung sind immer auch die Begleitumstände zu berücksichtigen, unter denen die Erklärung abgegeben wurde. Unter Anwendung dieser Grundsätze wird der Anspruch auf die Jahresprämie für das Jahr 2003 von der Erledigungsklausel in Ziffer 5 des Vergleichs erfasst. Der Anspruch auf die Jahresprämie ist nicht ausdrücklich im Vergleich angeführt. Er fällt auch nicht unter die nach Ziffer 2 des Vergleichs abzurechnenden und auszuzahlenden Ansprüche. Nach Ziffer 2 des Vergleichs war die Beklagte verpflichtet, das Arbeitsverhältnis bis zum Zeitpunkt der Beendigung (31.03.2003) ordnungsgemäß abzurechnen. Der Anspruch, ein Arbeitsverhältnis bis zum Zeitpunkt der Beendigung ordnungsgemäß abzurechnen, beinhaltet, dass die bis zu diesem Zeitpunkt fällig gewordenen Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis abgerechnet werden sollen. Zu diesen abzurechnenden und auszuzahlenden Forderungen nach Ziffer 2 des Vergleichs gehörte nicht der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Jahresprämie für das Jahr 2003. Nach dem eindeutigen Wortlaut in Ziffer 4 Satz 1 des Arbeitsvertrags war die Prämie nur mit dem Novembergehalt auszuzahlen. Da dieser Anspruch erst am 30.11.2003 fällig wurde, zählte dieser Anspruch nicht zu den Ansprüchen, die im Rahmen der Abrechnung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2003 abzurechnen waren. B. Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. I. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Abrechnung und Auszahlung der Urlaubsansprüche aus dem Jahre 2002 nach § 7 Abs. 4 BUrlG zu. Ob dem Kläger noch ein Resturlaubsanspruch in Höhe von 14 Urlaubstagen für das Urlaubsjahr 2002 zusteht, kann dahingestellt bleiben. Dieser Anspruch ist gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG mit Ablauf des 31.12.2002 erloschen. Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Die Voraussetzungen für eine Übertragung des Urlaubs auf das Urlaubsjahr 2003 nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG liegen ebenfalls nicht vor. Dringende betriebliche oder in seiner Person liegende Gründe hat der Kläger schon nicht vorgetragen. II. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des mit Ablauf des Urlaubsjahres 2002 untergegangenen Urlaubsanspruchs in Höhe von 3.105,98 € brutto. 1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 05.09.1985 - 6 AZR 86/82 - NZA 1986, 394; BAG, Urteil vom 26.06.1986 - 8 AZR 266/84 - NZA 1986, 833; BAG, Urteil vom 17.01.1995 - 9 AZR 664/93 - a.a.O.; BAG, Urteil vom 21.09.1999 - 9 AZR 705/98 - NZA 2000, 590; BAG, Urteil vom 18.09.2001 - 9 AZR 570/00 - ZTR 2002, 139) kann ein Arbeitnehmer einen der Urlaubsabgeltung entsprechenden Geldbetrag als Schadensersatz für den zwischenzeitlich infolge Fristablaufs erloschenen Anspruch fordern, soweit er seinen Arbeitgeber zuvor in Verzug gesetzt hatte (§§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1, 249 Satz 1 BGB). 2. Dem Vortrag des Klägers ist nicht zu entnehmen, dass er die Beklagte durch die Geltendmachung des Urlaubsanspruchs in Verzug gesetzt hat. a) Durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage in dem Verfahren ArbG Herne 6 Ca 3414/02 gegen die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 09.09.2002 ist Verzug nicht begründet worden. In der Erhebung der Kündigungsschutzklage liegt keine Geltendmachung des Urlaubsanspruchs, da Gegenstand der Kündigungsschutzklage allein die Kündigung des Arbeitsverhältnisses und nicht dagegen einzelne Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 21.09.1999 - 9 AZR 705/98 - NZA 2000, 590; Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, 2. Aufl., § 7 Rz. 170 m.w.N.). Dies gilt auch im Falle einer außerordentlichen Kündigung. Auch einer außerordentlichen Kündigungserklärung kann nicht ohne Weiteres der Inhalt beigemessen werden, der Arbeitgeber werde, wenn der Arbeitnehmer den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend mache, die für die Erfüllung des Urlaubsanspruchs nötige Freistellung von der Arbeitspflicht verweigern. Es liegt vielmehr im wohlverstandenen eigenen Interesse des Arbeitgebers, sobald der Arbeitnehmer Urlaub von ihm verlangt, ihn vorsorglich von der Arbeitspflicht in diesem Umfang zu befreien, um die Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen zu verhindern. b) Im vorliegenden Fall haben die Parteien durch Vergleich vom 27.06.2003 vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 09.09.2002 nicht fristlos aufgelöst worden ist, sondern mit Wirkung zum 31.03.2003. In der Zeit vom Zugang der Kündigung vom 09.09.2002 bis zum 31.12.2002 bestand nach der Vereinbarung der Parteien das Arbeitsverhältnis fort. In dieser Zeit hätte der Resturlaubsanspruch des Klägers aus dem Jahr 2002 realisiert werden können, wenn der Kläger diesen Urlaubsanspruch geltend gemacht hätte. Wie das Arbeitsgericht zutreffend gesehen hat, ist dies nicht der Fall. aa) Eine Geltendmachung liegt nicht in dem Schreiben des Klägers vom 12.09.2002. In diesem Schreiben verlangt der Kläger, ihm "noch ausstehende Urlaubstage...zu vergüten", also Urlaubsabgeltung für das nach seiner Auffassung am 09.09.2002 durch die außerordentliche Kündigung beendete Arbeitsverhältnis. Gerade diese Beendigungswirkung haben die Parteien durch den Vergleich vom 27.06.2003 abgeändert. Damit sind die geltend gemachten Ansprüche auf Urlaubsabgeltung und auch die Abrechnungsschreiben der Beklagten vom 01.10.2002, 23.10.2002 und 31.10.2002 hinfällig geworden. Auch sie betreffen die Abrechnung des Arbeitsverhältnisses auf der Grundlage der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 09.09.2002. Diese Berechnungsgrundlage haben die Parteien aber durch Vergleich vom 27.06.2003 geändert. bb) Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass er mit Schreiben vom 04.07.2002 gebeten worden ist, den Urlaubsantrag vom 11.06.2002 um 10 Urlaubstage zu reduzieren. Falls die Reduzierung erfolgt ist, ist der Gesamtjahresurlaubsanspruch des Klägers hierdurch nicht berührt worden. Der Kläger hatte ausreichend Zeit, den Resturlaub in der Zeit vom 09.09.2002 bis zum 31.12.2002 zu realisieren. 3. Die Beklagte handelt auch nicht treuwidrig, wenn sie sich auf die fehlende Geltendmachung des Resturlaubsanspruchs für das Jahr 2002 beruft. Der Kläger hat die Kündigung vom 09.09.2002 mit der Klage angegriffen. Er ging davon aus, dass das Arbeitsverhältnis nicht beendet worden ist. Insoweit lag es an ihm, das Erlöschen des Urlaubsanspruchs durch die vorsorgliche Beantragung zu verhindern bzw. die Beklagte hierdurch in Verzug zu setzen. C. Nach alledem hatte nur das Rechtsmittel der Beklagten Erfolg. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger allein zu tragen nach § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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