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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 08.12.2004
Aktenzeichen: 18 Sa 1011/04
Rechtsgebiete: EFZG


Vorschriften:

EFZG § 3 Abs. 1
EFZG § 4 Abs. 1
EFZG § 5 Abs. 1 Satz 2
EFZG § 7 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 22.04.2004 - 1 Ca 240/04 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.926,48 EUR brutto nebst Jahreszinsen in Höhe von jeweils 5 Prozentpunkten über dem Basissatz aus 2.155,48 EUR brutto seit dem 01.04.2003 und aus 771,00 EUR brutto seit dem 01.05.2003 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden dem Kläger zu 4 % und der Beklagten zu 96 % auferlegt.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges trägt der Kläger 43 % und die Beklagte 57 %.

Tatbestand: Der am 11.11.12xx geborene Kläger trat am 12.11.2002 in die Dienste der Beklagten als Kraftfahrer im Fernverkehr. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag vom 12.11.2002 (Bl. 6 bis 10 d.A.). Die Monatsvergütung des Klägers betrug zuletzt 2.570,-- EUR brutto. Der Kläger erbrachte die vertraglich geschuldeten Arbeitsleistungen bis Freitag, den 14.03.2003. Danach erbrachte er keine Arbeitsleistungen mehr für die Beklagte. Mit Schreiben vom 30.03.2003 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, rückwirkend zum 17.03.2003. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 13.04.2003 zu. Die vorliegende Klage hat der Kläger am 15.04.2003 erhoben. Am 22.04.2004 haben die Parteien folgenden Teil-Vergleich geschlossen: 1. Sie stellen fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen aufgrund fristgerechter, betriebsbedingter Kündigung des Beklagten in der Probezeit vom 30.03.2003, zugegangen beim Kläger am 13.04.2003, gemäß § 20 BMT-Fern mit Ablauf des 14.04.2003 zu Ende gegangen ist. 2. Damit ist der Klageantrag zu Ziff. 1 erledigt. Zur Stützung der weiter verfolgten Zahlungsansprüche hat der Kläger vorgetragen: Bis zum 18.03.2003 habe er seine Arbeitsleistungen erbracht. In der Zeit ab 19.03.2003 sei er bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig krank gewesen. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.140,-- EUR brutto für die Monate März und April 2003 nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem gesetzlichen Basiszinssatz aus 2.570,-- EUR brutto seit dem 01.04.2003 und aus 2.570,-- EUR brutto seit dem 01.05.2003 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat vorgetragen: Der Kläger habe bereits am 17. und 18.03.2003 nicht mehr für sie gearbeitet. Der Kläger sei spurlos verschwunden gewesen. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen habe der Kläger ihr nicht vorgelegt. Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch die Einholung von schriftlichen Auskünften gemäß § 377 Abs. 3 ZPO der Ärzte D1. P2xxxx vom 26.03.2003 (Bl. 36 d.A.), D1. F2xxxxx vom 26.06.2003 (Bl. 37 d.A.) und D1. H1xxx vom 28.06.2003 (Bl. 38 d.A.). Durch Urteil vom 22.04.2004 hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger 3.012,14 EUR brutto nebst Jahreszinsen in Höhe von jeweils 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 2.155,48 EUR brutto seit dem 01.04.2003 und aus 856,66 EUR brutto seit dem 01.05.2003 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat es dem Kläger zu 2/5 und der Beklagten zu 3/5 auferlegt. Der Streitwert ist auf 5.140,-- EUR festgesetzt worden. In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe dem Kläger ein Vergütungsanspruch für die Zeiten vom 19.03.2003 bis zum 27.03.2003, vom 31.03.2003 bis 02.04.2003 und vom 08.04.2003 bis 14.04.2003 zu. Gegen dieses ihr am 30.04.2004 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat die Beklagte am 26.05.2004 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.07.2004 am 22.07.2004 begründet. Die Beklagte greift das arbeitsgerichtliche Urteil insoweit an, als sie verurteilt worden ist, eine über 1.101,43 EUR brutto hinausgehende Vergütung zu zahlen. Sie stützt die Berufung maßgeblich auf ihre erstinstanzlich vorgetragenen Auffassungen. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 22.04.2004 - 1 Ca 240/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit das Arbeitsgericht Bocholt dem Kläger mehr als 1.101,43 EUR zugesprochen hat. Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 22.04.2004 - 1 Ca 240/04 - zurückzuweisen. Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung verwiesen. Entscheidungsgründe: A. Die zulässige Berufung ist im Wesentlichen nicht begründet. Dem Kläger steht der begehrte Vergütungsanspruch für die Zeiten vom 01.03.2003 bis 16.03.2003, 19.03.2003 bis 27.03.2003, 31.03.2003 bis 02.04.2003 und 08.04.2003 bis 14.04.2003 zu, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat. I. Für die Zeit vom 01.03. bis 16.03.2003 steht dem Kläger der Vergütungsanspruch gemäß § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag zu. Der Kläger hat für diesen Zeitraum die geschuldeten Arbeitsleistungen erbracht. Bei der Monatsvergütung von 2.570,-- EUR brutto ergibt sich für diesen Zeitraum ein Vergütungsanspruch in Höhe von 1.326,45 EUR (2.570,-- EUR : 31 Kalendertage x 16 Kalendertage). II. Für die Zeiten vom 19.03. bis 27.03.2003, 31.03. bis 02.04.2003 und vom 08.04. bis 14.04.2003 kann der Kläger den geltend gemachten Klageanspruch auf § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 EFZG stützen. 1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber bis zur Dauer von sechs Wochen, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert wird, ohne dass ihn ein Verschulden trifft. Diese Voraussetzung ist erfüllt. Der Kläger war in den oben angeführten Zeiträumen arbeitsunfähig krank. Das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung ist durch die schriftliche Aussage des Zeugen D1. F2xxxxx vom 26.03.2003 für die Zeit vom 19.03. bis 27.03.2003, durch die schriftliche Aussage des Zeugen D1. H1xxx vom 28.06.2003 für die Zeit vom 31.03. bis 02.04.2003 und durch die schriftliche Aussage des Zeugen D1. P2xxxx vom 26.06.2003 für die Zeit vom 08.04. bis 14.04.2003 nachgewiesen. 2. Ein Vergütungsanspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG entsteht aber nur, wenn die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit die alleinige und ausschließliche Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung und damit für den Verlust des Lohnanspruchs bildet (vgl. BAG, Urteil vom 20.03.1985 - 5 AZR 229/83 - NZA 1986, 193; BAG, Urteil vom 04.12.2002 - 5 AZR 494/01 - AP Nr. 17 zu § 3 EFZG; BAG, Urteil vom 24.03.2004 - 5 AZR 355/03 - ZTR 2004, 423). Auch diese Voraussetzung liegt vor. a) Die Tatsache, dass der Kläger vor und zwischen den Zeiten der Arbeitsunfähigkeit keine Arbeitsleistungen an den Tagen 17.03. und 18.03., 28.03., 03.04., 04.04. und 07.04.2003 erbracht hat, lässt für sich genommen nicht darauf schließen, dass er in diesen Fehlzeiten arbeitsunwillig gewesen ist und dass er auch für die Dauer der anschließenden Lohnfortzahlungszeiträume arbeitsunwillig war. b) Allein die Nichterbringung der Arbeitsleistungen indiziert im vorliegenden Fall nicht die Arbeitsunwilligkeit. Es steht nur nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass der Kläger nicht den Beweis erbracht hat, dass er auch an diesen Tagen wegen eines Nervenzusammenbruchs arbeitsunfähig krank gewesen ist. c) Die Tatsache, dass aber bewiesen ist, dass der Kläger wegen einer psychischen Erkrankung in den nachgewiesenen Zeiträumen nicht in der Lage war, seine Arbeitsleistungen zu erbringen, spricht dafür, dass die Nichterbringung seiner Arbeitsleistungen während der Fehlzeiten im Zusammenhang mit der Erkrankung steht. Dies lässt aber nicht den Schluss auf Arbeitsunwilligkeit zu. Erst wenn ein Arbeitnehmer längere Zeit "gebummelt" hat und dann arbeitsunfähig krank geworden ist, muss er vortragen und erforderlichenfalls beweisen, dass er während der Zeit der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit arbeitswillig war (so ausdrücklich BAG, Urteil vom 20.03.1985 - 5 AZR 229/83 - NZA 1986, 193). 3. Der Beklagten steht auch kein Leistungsverweigerungsrecht nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG zu. a) Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtlicher Dauer vorzulegen, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage dauert. Solange eine solche ärztliche Bescheinigung nicht vorgelegt worden ist, kann der Arbeitgeber die Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach § 7 Abs. 1 EFZG verweigern (vgl. Schmitt, EFZG, 5. Aufl., § 7 Rz. f). b) Auch wenn der Kläger keine ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei der Beklagten eingereicht hat, so endete das Zurückbehaltungsrecht spätestens mit den schriftlichen Erklärungen der sachverständigen Zeugen D1. F2xxxxx vom 26.03.2003, D1. H1xxx vom 28.06.2003 und D1. P2xxxx vom 26.03.2003. Aus diesen Bescheinigungen ergibt sich, dass der Kläger in den bescheinigten Zeiträumen arbeitsunfähig krank war. Es handelt sich hier auch um ärztliche Bescheinigungen im Sinne des § 5 Abs. 1 EFZG, die von den behandelnden Ärzten stammen. 4. Nach alledem hat der Kläger für den Zeitraum 17.03. bis 27.03.2003 und für den 31.03.2003 einen Entgeltfortzahlungsanspruch in Höhe von 829,03 EUR (2.570,-- EUR : 31 Kalendertage x 10 Kalendertage). Insgesamt ergibt sich für den Monat März 2003 ein Vergütungsanspruch in Höhe von 2.155,48 EUR. Für die Zeiträume 01. bis 02.04.2003 und 08.04. bis 16.04.2003 ergibt sich ein Vergütungsanspruch von 771,-- EUR (2.570,-- EUR : 30 Kalendertage x 9 Kalendertage). Das Arbeitsgericht hat für diesen Zeitraum einen Vergütungsanspruch für 10 Kalendertage bejaht. Insoweit war die arbeitsgerichtliche Entscheidung zu korrigieren. B. Nach alledem hat das Rechtsmittel nur teilweise Erfolg. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

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