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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 31.05.2006
Aktenzeichen: 18 Sa 115/06
Rechtsgebiete: EFZG, ZPO


Vorschriften:

EFZG § 3 Abs. 1
EFZG § 4 Abs. 1
EFZG § 5 Abs. 1
ZPO § 286 Abs. 1
ZPO § 383 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 385 Abs. 2
ZPO § 427
ZPO § 444
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 01.12.2005 - 3 Ca 592/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum 28.09.2004 bis 17.10.2004.

Der am 03.08.1969 geborene Kläger ist seit dem 23.08.1999 als Produktionshelfer im Betrieb der Beklagten tätig. Grundlage des Arbeitsverhältnisses sind die Arbeitsverträge vom 18.08.1999 und vom 04.08.2000 (Bl. 6 bis 9 d.A.).

Die Beklagte betreibt ein metallverarbeitendes Unternehmen. Kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit finden die einschlägigen Tarifverträge der Metallindustrie NRW Anwendung.

Der Kläger leidet seit mehr als vier Jahren unter einer chronischen psychischen/psychosomatischen Krankheit, die unter Therapie keine Arbeitsunfähigkeit hervorruft. Er war wegen dieser Krankheit (zumindest) in den letzten sechs Monaten vor dem hier streitigen Zeitraum nicht arbeitsunfähig krank.

Am 28.09.2004 sollte der Kläger zur Behandlung seiner Krankheit eine Kurmaßnahme in der psychosomatischen Fachklinik Bad Pyrmont antreten. Der Kläger begab sich dorthin, wurde jedoch nach einem Eingangsgespräch mit dem dort zuständigen Arzt als nicht therapiefähig bzw. nicht kurfähig abgewiesen. Er wurde an seinen behandelnden Arzt verwiesen, wo er weiter behandelt wurde.

Der Kläger begab sich am 29.09.2004 zu seinem behandelnden Arzt Dr. G2xxx, einem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, der das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit ab 28.09.2004 bis zum 13.10.2004 in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 29.09.2004 attestierte.

Am 07.10.2004 fand im Betrieb der Beklagten ein Mitarbeitergespräch mit dem Kläger statt. In diesem Gespräch erklärte der Kläger ausdrücklich, er sei arbeitsfähig.

Durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 11.10.2004 wurde die Arbeitsunfähigkeit verlängert bis zum 17.10.2004.

Am 18.10.2004, dem ersten Arbeitstag, fand eine Untersuchung des Klägers durch den Betriebsarzt Dr. M3xxxx statt.

Der Kläger bezog für die Zeit vom 30.09.2004 bis 17.10.2004 Krankengeld von seiner Krankenkasse in einer Gesamthöhe von 916,02 € netto.

Die vorliegende Klage hat der Kläger am 08.03.2005 erhoben. Wegen der Berechnung der Klageforderung wird auf den Schriftsatz vom 30.05.2005 (Bl. 32 f d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen der Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum 28.09.2004 bis 17.10.2004 gegen die Beklagte zu. Das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit habe er durch die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 29.09.2004 und vom 11.10.2004 bewiesen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.862,66 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit abzüglich am 19.01.2005 gezahlten Krankengeldes in Höhe von 916,02 € netto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger sei in der Zeit vom 28.09.2004 bis 17.10.2004 tatsächlich arbeitsfähig gewesen. Der Beweiswert der vom Kläger vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei erschüttert.

Die Erschütterung des Beweiswertes ergebe sich schon daraus, dass der Kläger vor und nach dem angeblichen Arbeitsunfähigkeitszeitraum aufgrund der angewandten Therapiemaßnahmen nicht wegen seiner psychosomatischen Krankheit arbeitsunfähig krank gewesen sei. In dem streitigen Zeitraum habe ein objektiver Anhaltspunkt für eine Veränderung des Krankheitsbildes nicht vorgelegen. Der Kläger sei von der Kurklinik auch nicht arbeitsunfähig krank geschrieben worden. Der Kläger habe in dem Mitarbeitergespräch am 07.10.2004 gesagt, er arbeitsfähig gewesen sei.

Im Übrigen hat die Beklagte behauptet, der Betriebsarzt Dr. M3xxxx sei am 18.10.2004 zu der fachlichen Einschätzung gelangt, der Kläger sei in den vorhergehenden drei Wochen arbeitsfähig gewesen, da er - wie schon im vorausgegangenen Halbjahr - die angeordneten Therapiemaßnahmen durchgeführt habe.

Die Beklagte hat bestritten, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach gründlicher Untersuchung und Besprechung durch den Arzt ausgestellt worden seien. Umstände, nach denen sich der Gesundheitszustand des Klägers "über Nach" so verschlechtert habe, dass sich hieraus eine Arbeitsunfähigkeit ergeben habe, hätten nicht vorgelegen. Zum Beweis für diese Behauptung hat sich die Beklagte auf das sachverständige Zeugnis des behandelnden Arztes Dr. G2xxx berufen.

Das Arbeitsgericht ist der Auffassung der Beklagten gefolgt und hat die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits sind dem Kläger auferlegt worden. Den Streitwert hat das Arbeitsgericht auf 946,64 € festgesetzt.

Gegen diese ihm am 20.12.2005 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Entscheidung hat der Kläger am 19.01.2006 Berufung eingelegt und diese am 17.02.2006 begründet. Der Klüger stützt die Berufung maßgeblich auf seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Die Entbindung des behandelnden Arztes D2. G2xxx von der ärztlichen Schweigepflicht hat der Kläger abgelehnt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 01.12.2005 - 3 Ca 592/05 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.862,66 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit abzüglich am 19.01.2005 gezahlten Krankengeldes in Höhe von 916,02 € netto zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 01.12.2005 - 3 Ca 592/05 - zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Dem Kläger steht der begehrte Entgeltfortzahlungsanspruch für die Zeit vom 28.09.2004 bis zum 17.10.2004 nicht gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 EFZG i.V.m. §§ 9 Abs. 2, 16 MTV Metall NRW zu.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Kläger nicht bewiesen, dass er in der Zeit vom 28.09.2004 bis zum 17.10.2004 arbeitsunfähig krank war.

1. Wie das Arbeitsgericht richtig gesehen hat, ist ein Arbeitnehmer für die Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung darlegungs- und beweispflichtig (vgl. z.B. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 11. Aufl., § 98 Rdnr. 142).

a) Er genügt seiner Beweislast im Allgemeinen dann, wenn er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 01.10.1997 - 5 AZR 499/97 - NZA 1998, 372). Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat einen hohen Beweiswert. Das Gericht kann grundsätzlich den Beweis der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit als erbracht ansehen, wenn der Arbeitnehmer eine solche Bescheinigung vorlegt (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 01.10.1997 - 5 AZR 726/96 - NZA 1998, 369). Daneben kann der Nachweis auch in anderer Weise geführt werden (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 01.10.1997, a.a.O.; Schaub, a.a.O., § 98 Rdnr. 142).

b) Der Arbeitgeber kann jedoch den Beweiswert vorgelegter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erschüttern, so dass diese nur noch einen geringen oder überhaupt keinen Beweiswert mehr haben (Schaub, a.a.O., § 98 Rdnr. 143). Hierzu muss er im Rechtsstreit Umstände darlegen und beweisen, die zu ernsthaften Zweifeln einer behaupteten krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit Anlass geben (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 19.02.1997 - 5 AZR 83/96 -, NZA 1997, 652; BAG, Urteil vom 26.08.1993 - 2 AZR 154/03 -, AP Nr. 112 zu § 626 BGB). Dabei kann insbesondere z.B. die Tatsache, dass der Arbeitnehmer während der behaupteten Arbeitsunfähigkeit für einen anderen Arbeitgeber vergleichbare Arbeiten errichtet hat, wie er sie seinem bisherigen Arbeitgeber vertraglich schuldet, ein deutliches Indiz dafür sein, das den Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 26.08.1993 - 2 AZR 154/93 - AP Nr. 112 zu § 626 BGB). Der Beweiswert kann aber auch durch ein anderes, zum Misstrauen veranlassendes Verhalten des Arbeitnehmers erschüttert werden, z.B. durch die Ankündigung der Krankheit für den Fall, dass Urlaubswünschen nicht entsprochen wird (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 17.06.2003 - 2 AZR 123/02 - NZA 2004, 564; BAG, Urteil vom 04.10.1978 - 5 AZR 326/77 - DB 1979, 61x; Hanau/Kramer, Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit, DB 1995, S. 94 m.w.N.).

2. Vorliegend ist der Beweiswert der vom Kläger vorgelegten und von dem behandelnden Arzt Dr. R3xx G2xxx ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 29.09.2004 und vom 11.10.2004 erschüttert. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Kläger durch die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht bewiesen, dass er in der Zeit vom 28.09.2004 bis zum 17.10.2004 arbeitsunfähig krank war.

a) Gegen das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit spricht die eigene Angabe des Klägers in dem Mitarbeitergespräch im Betrieb der Beklagten am 07.10.2004, dass er arbeitsfähig sei.

b) Auch spricht gegen eine plötzliche Erkrankung die Tatsache, dass der Kläger durch Therapiemaßnahmen gelernt hat, mit der Erkrankung umzugehen.

c) Des Weiteren ist zu Lasten des Klägers die Behauptung der Beklagten als richtig zu unterstellen, dass zum Zeitpunkt der Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen keine Umstände vorlagen, aus denen sich eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers ergab.

aa) Diese Behauptung ist zu Lasten des Klägers als richtig zu unterstellen, da der Kläger die Durchführung der Beweisaufnahme zu diesem Beweisthema durch Vernehmung des sachverständigen Zeugen Dr. G2xxx dadurch vereitelt hat, dass er die gemäß §§ 383 Abs. 1 Nr. 6, 385 Abs. 2 ZPO erforderliche Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht verweigert hat.

bb) Beweisvereitelung durch den Gegner des Beweisführers ist nach dem Rechtsgedanken aus §§ 444, 427 ZPO nachteilig bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen.

Ein missbilligenswertes Verhalten liegt nur dann nicht vor, wenn für die Verweigerung der Entbindung verständliche Gründe angeführt werden (vgl. z.B. Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 286 Rdnr. 14 a), was im vorliegenden Fall nicht geschehen ist.

B. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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