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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 05.12.2007
Aktenzeichen: 18 Sa 1188/07
Rechtsgebiete: BGB, MTV
Vorschriften:
BGB § 611 Abs. 1 | |
MTV für das Karosserie- und Fahrzeugbauerhandwerk |
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 16.05.2007 - 6 Ca 7/07 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über Ansprüche auf Vergütung und Mehrarbeitszuschläge.
Der am 13.11.1949 geborene Kläger war vom 10.04.1989 bis zum 30.04.2007 als gewerblicher Arbeitnehmer bei der Beklagten tätig. Sein Stundenlohn betrug zuletzt 11,86 € brutto.
Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der am 05.04.1989 zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag (Bl. 82 f d.A.), in dem in § 8 Folgendes vereinbart war:
§ 8 Tarifverträge
Für das Arbeitsverhältnis sind die jeweils gültigen Tarifverträge für das Wagner- und Karosseriebauer-Handwerk bindend.
Die Beklagte beschäftigt ca. 170 Arbeitnehmer. Sie befindet sich seit 2003 in der Restrukturierung.
Unter dem 19.05.2004 schloss die Beklagte mit der IG Metall einen Tarifvertrag zur Arbeitsplatzsicherung (TV-Arbeitsplatzsicherung), in dem u.a. Folgendes geregelt wurde:
§ 3 Sanierungsbeitrag
Im Jahr 2004 erbringt jeder Vollzeitbeschäftigte eine zusätzliche Arbeitsleistung von 160 Stunden, die nicht vergütet wird und die einmal jährlich einem neu zu bildenden Arbeitszeitkonto belastet wird.
Im Jahr 2005 erbringt jeder Vollzeitbeschäftigte eine zusätzliche Arbeitsleistung von 120 Stunden, die nicht vergütet wird und die einmal jährlich einem neu zu bildenden Arbeitszeitkonto belastet wird.
...
§ 2 Nr. 11 im Tarifvertrag zur Flexibilisierung der Arbeitszeit vom 10.06.2003 wird wie folgt verändert:
Wird das Arbeitsverhältnis durch arbeitgeberseitige Kündigung beendet und ist ein Ausgleich des Zeitguthabens durch bezahlte Freizeit nicht möglich, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf finanzielle Abgeltung. Arbeitszeitdefizite gehen zu Lasten des Arbeitgebers.
Im Falle einer arbeitnehmerseitigen Kündigung kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis (Minuskonto) mit noch fälligen Lohn- bzw. Gehaltsansprüchen verrechnen, soweit das Arbeitszeitdefizit nicht auf den von den Beschäftigten zu erbringenden Sanierungsbeitrag zurückzuführen ist. Besteht im Falle einer arbeitnehmerseitigen Kündigung noch ein Minuskonto und besteht keine Möglichkeit der Verrechnung mit Lohn- bzw. Gehaltsansprüchen, weil der Arbeitnehmer nach Ausspruch der Kündigung seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nicht mehr nachkommt, so besteht eine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers bzgl. der an ihn zuviel gezahlten Stunden.
§ 7 Laufzeit
Dieser Tarifvertrag tritt am 01.06.2004 in Kraft und endet bis auf den § 6 Einkommenstarifverträge ohne Nachwirkung am 31.12.2005.
Dieser Tarifvertrag endet mit sofortiger Wirkung, wenn eine der nachstehenden Voraussetzungen eintritt:
a) Einführung von Kurzarbeit
b) Verkauf des Betriebes/Unternehmens
c) Stellung eines Insolvenz- oder Vergleichsantrages.
Außerdem sind die Regelungen aus § 3 dieses Tarifvertrages von Anfang an gegenstandslos, wenn von berechtigter Seite ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenz- oder Vergleichsverfahrens gestellt wird. In diesem Fall leben die Ansprüche der Beschäftigten in vollem Umfang wieder auf und sich unverzüglich zu erfüllen.
Der Kläger erbrachte in den Jahren 2004 und 2005 insgesamt 277,75 Stunden als Sanierungsbeitrag gemäß § 3 Abs. 1 und 2 des TV-Arbeitsplatzsicherung vom 19.05.2004.
Im Herbst 2005 wurde das Unternehmen der Beklagten durch einen Investor übernommen.
Mit Schreiben vom 17.10.2005 teilte die IG Metall der Beklagten mit, dass damit gemäß § 7 Abs. 2 b) des Tarifvertrages vom 19.05.2004 der Tarifvertrag sein sofortiges Ende gefunden habe.
Zwischen der Beklagten und der IG Metall wurde am 16.11.2005 ein weiterer Sanierungstarifvertrag (Sanierungs-TV) geschlossen, in dem u.a. Folgendes geregelt wurde:
§ 3 Beitrag der Tarifmitarbeiter
...
(4) Bis zum 31.12.2006 erbringt jeder Vollzeitbeschäftigte eine zusätzliche Arbeitsleistung von insgesamt 160 Stunden, die nicht vergütet wird (20 Stunden für das Jahr 2005 und 140 Stunden für das Jahr 2006). Die Betriebsparteien haben im Rahmen der Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit dafür Sorge zu tragen, dass dieses Zeitkontingent bis zum 31.12.2006 geleistet ist. Zeitschulden aus diesem Zeitkontingent, die am 31.12.2006 nicht ausgeglichen sind, verfallen.
...
§ 8 Betriebsbedingte Kündigungen
Im Fall einer betriebsbedingten Kündigung erhalten die Betroffenen den Mitarbeiterbeitrag gemäß § 3 zurückerstattet. Diese Regelung gilt für alle betriebsbedingten Kündigungen, die bis zum 31.12.2007 ausgesprochen werden.
...
§ 10 Laufzeit, Nachwirkungen
1. Dieser Sanierungstarifvertrag tritt zum 01.11.2005 in Kraft. Er endet am 31.12.2006 ohne Nachwirkung und ohne dass es einer Kündigung bedarf.
...
Der Kläger leistete als Beitrag der Tarifmitarbeiter nach § 3 Abs. 4 Sanierungs-TV im Jahre 2005 20 zusätzliche Stunden und im Jahr 2006 140 zusätzliche Stunden. Am 25.10.2006 schlossen die Beklagte und der im Betrieb in B1 gewählte Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan (Bl. 16 bis 24 d.A.).
Der Kläger schied im Rahmen des Sozialplanes durch die betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 27.10.2006 mit Wirkung zum 30.04.2007 aus dem Arbeitsverhältnis aus.
Die Beklagte zahlte an den Kläger nach § 8 des Sanierungs-TV die Vergütung für die 160 in den Jahren 2005 und 2006 geleisteten zusätzlichen Stunden aus.
Die vorliegende Klage hat der Kläger am 02.01.2007 erhoben. Mit der Klage hat er zuletzt Vergütung für 280 zusätzlich geleistete Arbeitsstunden nebst Mehrarbeitszuschlag von 25 % nach dem TV-Arbeitsplatzsicherung verlangt, insgesamt einen Betrag von 4.151,-- € und Mehrarbeitszuschläge für in den Jahren 2005 und 2006 geleistete zusätzliche Stunden nach dem Sanierungs-TV in Höhe von 475,20 €.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.626,20 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 07.12.2006 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dem Kläger stünden aus dem beendeten Arbeitsverhältnis keine weiteren Ansprüche zu. Im Übrigen seien die mit der Klage verfolgten Ansprüche nach den tariflichen Ausschlussfristen verfallen.
Das Arbeitsgericht ist der Auffassung der Beklagten gefolgt und hat durch Urteil vom 16.05.2007 die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Den Streitwert hat es auf 4.626,20 € festgesetzt.
Gegen dieses ihm am 04.06.2007 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat der Kläger am 04.07.2007 Berufung eingelegt und diese am 01.08.2007 begründet.
Der Kläger greift das arbeitsgerichtliche Urteil in vollem Umfang an.
Der Kläger stützt sich maßgeblich auf seinen erstinstanzlichen Vortrag.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 16.05.2007 - 6 Ca 7/07 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.626,20 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 07.12.2006 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 16.05.2007 - 6 Ca 7/07 - zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
A. Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
I. Dem Kläger steht der begehrte Anspruch auf Vergütung für 280 nach dem Tarifvertrag für Arbeitsplatzsicherung in den Jahren 2004 und 2005 zusätzlich geleistete Stunden nicht nach § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag zu.
1. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger in den Jahren 2004 und 2005 277,75 Stunden und nicht 280 Stunden zusätzlich als Sanierungsbeitrag nach § 3 Abs. 1 und 2 TV-Arbeitsplatzsicherung geleistet hat.
2. Wie das Arbeitsgericht zutreffend gesehen hat, ist der Vergütungsanspruch für die 277,75 geleisteten Stunden durch § 3 Abs. 1 und 2 TV-Arbeitsplatzsicherung ausdrücklich ausgeschlossen worden. § 3 Abs. 1 und 2 TV-Arbeitsplatzsicherung enthalten ausdrücklich die Regelung, dass die zusätzlich geleisteten Stunden nicht vergütet werden.
a) Der TV-Arbeitsplatzsicherung kommt kraft der Vereinbarung in § 8 des Arbeitsvertrages auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung.
b) Der Ausschluss der Vergütung für die als Sanierungsbeitrag erbrachten Stunden ist nicht mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 27.10.2006 zum 30.04.2007 beseitigt worden.
Die Regelung in § 3 Abs. 6 Unterabs. 1 TV-Arbeitsplatzsicherung sieht im Fall einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch betriebsbedingte Kündigung des Arbeitgebers anders als die Regelung in § 8 Sanierungs-TV keine Erstattung des Mitarbeiterbeitrages vor.
Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Regelung in § 3 Abs. 6 Unterabs. 1 TV-Arbeitsplatzsicherung. Der Sanierungsbeitrag nach § 3 Abs. 1 und 2 TV-Arbeitsplatzsicherung wurde dadurch erbracht, dass das Arbeitszeitkonto jährlich mit den zusätzlich zu leistenden Stunden belastet wurde. § 3 Abs. 6 Unterabs. 1 TV-Arbeitsplatzsicherung begründet lediglich einen Anspruch auf Ausgleich des Zeitguthabens auf dem Arbeitszeitkonto. Durch die Belastung des Arbeitszeitkontos mit den als Sanierungsbeitrag zu erbringenden Stunden konnte auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers durch die Ableistung der Stunden kein Guthaben entstehen, sondern er konnte lediglich die Arbeitszeitdefizite ausgleichen. Die Regelung in § 3 Abs. 6 Unterabs. 1 TV-Arbeitsplatzsicherung sah im Fall der betriebsbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber zu Gunsten des Arbeitnehmers lediglich vor, dass Arbeitszeitdefizite zu Lasten des Arbeitgebers gingen und daher nicht vom Arbeitnehmer auszugleichen waren.
3. Dem Kläger steht weiter kein Anspruch auf die begehrten Mehrarbeitszuschläge für die nach dem TV-Arbeitsplatzsicherung geleisteten 277,75 Stunden nach Ziffer 23 des Manteltarifvertrages für das Karosserie- und Fahrzeugbauerhandwerk (MTV) zu.
a) Nach § 3 Abs. 1 und 2 TV-Arbeitsplatzsicherung sind die als Sanierungsbeitrag des Arbeitnehmers zu leistenden zusätzlichen Stunden nicht zu vergüten. Das bedeutet auch, dass kein Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung besteht.
b) Eine Regelung, dass die tarifliche Überstundenvergütung im Falle einer arbeitgeberseitigen betriebsbedingten Kündigung zu zahlen ist, enthält der Tarifvertrag zur Arbeitsplatzsicherung nicht.
II. Der Kläger kann von der Beklagten nicht Zahlung von 475,20 € brutto als Mehrarbeitszuschläge für 160 nach dem Sanierungs-TV geleisteten Stunden nach Ziffer 23 MTV in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag verlangen.
Nach Ziffer 17 MTV ist Mehrarbeit die über die regelmäßige tägliche Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeit.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Kläger hat die zusätzlichen 160 Stunden geleistet im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit, die durch den Tarifvertrag verlängert wurde. Dies ergibt sich schon aus § 3 Abs. 4 Sanierungs-TV. Nach § 3 Abs. 4 Satz 2 Sanierungs-TV haben die Betriebsparteien im Rahmen der Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit dafür Sorge zu tragen, dass das Zeitkontingent bis zum 31.12.2006 geleistet ist.
III. Da die vom Kläger begehrten Ansprüche schon nicht entstanden sind, kann dahingestellt bleiben, ob diese durch den Kläger rechtzeitig nach den tariflichen Verfallvorschriften geltend gemacht worden sind.
B. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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