Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 23.11.2005
Aktenzeichen: 18 Sa 1464/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 280 Abs. 1
BGB § 611 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 07.06.2005 - 2 Ca 6562/04 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.872,76 € brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.10.2004.

Die Kosten der Berufung werden dem Kläger zu 78 % und der Beklagten zu 22 % auferlegt.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges hat der Kläger 92 % und die Beklagte 8 % zu tragen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers für die Jahre 2002 und 2003.

Der am 01.01.1953 geborene Kläger war in der Zeit vom 21.02.1973 bis zum 30.04.2004 in dem Bauunternehmen der Beklagten tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer im Baugewerbe Anwendung.

Mit Schreiben vom 30.10.2001 kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen mit Wirkung zum 31.05.2002. Mit Schreiben vom 02.05.2002 teilte die Beklagte dem Kläger unter Bezugnahme auf eine damals ausgesprochene Kündigung zum 31.05.2005 Folgendes mit:

In der Zeit vom 07.05. bis einschließlich 31.05.2002 (rechtliches Ende des Arbeitsverhältnisses) stellen wir Sie unter Fortzahlung Ihrer Bezüge von der Arbeitstätigkeit frei. Dies geschieht unter Anrechnung auf den Anspruch auf Erholungsurlaub.

Gegen die Kündigung vom 30.10.2001 erhob der Kläger beim Arbeitsgericht Dortmund die Kündigungsschutzklage 7 Ca 6957/01. Das Arbeitsgericht gab durch Urteil vom 09.07.2002 der Klage statt. Die Berufung der Beklagten (LAG Hamm 6 Sa 1555/02) war erfolglos.

Mit Schreiben vom 30.09.2003 kündigte die Beklagte erneut das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30.04.2004. In dem Kündigungsschreiben heißt es u.a.:

Sehr geehrter Herr A1xxxxxx,

hiermit kündigen wir das bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich und fristgerecht aus betriebsbedingten Gründen zum Ablauf des 30.04.2004. Der Betriebsrat wurde gemäß § 102 BetrVG ordnungsgemäß angehört. Sie erhalten auf Wunsch ein wohlwollendes Zeugnis.

Sie werden mit sofortiger Wirkung von der Arbeit freigestellt, da das Unternehmen keinerlei Beschäftigungsmöglichkeiten mehr für Sie hat. Die Freistellung geschieht unter Anrechnung auf den Ihnen zustehenden Jahres-/Erholungsurlaub sowohl für das Jahr 2003 als auch ab dem 01.01.2004 für das neue Kalenderjahr.

Gegen die Kündigung vom 30.09.2003 wehrte sich der Kläger in dem Rechtsstreit ArbG Dortmund 4 Ca 6014/03 (LAG Hamm 16 Sa 977/04).

Am 28.10.2004 schlossen die Parteien in dem Rechtsstreit ArbG Dortmund 4 (3) Ca 1933/04 folgenden Vergleich:

1. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, dass das Arbeitsverhältnis, das zwischen ihnen bestanden hat, durch die fristgerechte, betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 30.09.2003 mit dem 30.04.2004 geendet hat.

2. Die Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger gemäß den §§ 9, 10 KSchG in Verbindung mit § 3 Ziffer 9 EStG für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 25.500,-- € unter Anrechnung etwaiger Ansprüche des Klägers aus dem Sozialplan zu zahlen.

3. Die Beklagte verpflichtet sich, sämtliche Ansprüche des Klägers bis einschließlich 30.04.2004 ordnungsgemäß abzurechnen und die entsprechenden Nettobeträge an den Kläger auszuzahlen.

4. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis zu erteilen, wobei sie auch erwähnen wird, dass der Kläger einen Kran gefahren hat.

5. Mit der Erfüllung dieses Vergleichs sind alle beiderseitigen Ansprüche aus und im Zusammenhang mit dem beendeten Arbeitsverhältnis, gleich ob bekannt oder unbekannt, der vorliegende Rechtsstreit 4 (3) Ca 1933/04 sowie der Rechtsstreit 4 Ca 6014/03, der vor dem LAG Hamm mit dem Aktenzeichen 16 Sa 977/04 anhängig ist, erledigt.

Seit dem 07.05.2002 erbrachte der Kläger keine Arbeitsleistungen mehr für die Beklagte.

Gemäß Ziffer 3 des Vergleichs vom 28.10.2004 rechnete die Beklagte in der Folgezeit das Arbeitsverhältnis rückwirkend ab und zahlte die sich aus den Abrechnungen ergebenden Nettobeträge an den Kläger aus.

Der Kläger war mit der Abrechnung nicht einverstanden.

Die vorliegende Klage hat er am 22.11.2004 erhoben.

Bezüglich der noch in der Berufungsinstanz anhängigen Ansprüche verlangt der Kläger die sich aus der Kontoübersicht der Urlaubskasse, Stand 20.12.2004, (Bl. 293 d.A.) ergebenden Guthaben von 30 Urlaubstagen aus dem Urlaubsjahr 2002 in Höhe von 3.883,42 € und für das Urlaubsjahr 2003 in Höhe von 3.941,60 €. Zur Stützung der Klage hat der Kläger vorgetragen, die Beklagte habe die Guthaben an sich auszahlen lassen und damit die Durchsetzung seines tariflichen Anspruchs unmöglich gemacht.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 22.113,84 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz wie folgt zu zahlen: aus 3.883,42 € seit dem 31.12.2002, aus weiteren 3.941,60 € seit dem 31.12.2003 sowie aus dem Restbetrag seit dem 28.10.2004,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm gegenüber nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften für die Wintermonate des Zeitraumes Juni 2002 bis einschließlich April 2004 Wintergeld und Winterausfallgeld abzurechnen und die sich ergebende Summe zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit auszuzahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, die Urlaubsansprüche des Klägers seien durch Freistellung unter Anrechnung auf den Erholungsurlaub vollständig erfüllt und vergütet.

Durch Urteil vom 07.06.2005 hat das Arbeitsgericht bezüglich der in der Berufungsinstanz noch anhängigen Urlaubsansprüche der Klage stattgegeben mit der Begründung, die Beklagte habe unberechtigt die Rückzahlungen von der Urlaubskasse verlangt, da eine Urlaubsgewährung an den Kläger in den Jahren 2002 und 2003 nicht erfolgt sei.

Gegen dieses ihr am 23.06.2005 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat die Beklagte am 22.07.2005 Berufung eingelegt und diese ebenfalls am 22.07.2005 begründet.

Die Beklagte greift das arbeitsgerichtliche Urteil an, soweit sie unterlegen geblieben ist.

Sie stützt sich weiterhin auf ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 07.06.2005 - 2 Ca 6562/04 - abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 07.06.2005 - 2 Ca 6562/04 - zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.

I. Der Urlaubsanspruch des Klägers für das Urlaubsjahr 2003 ist entgegen der Auffassung des Klägers schon durch Gewährung erloschen.

1. Die Urlaubsgewährung erfolgte im Kündigungsschreiben vom 30.09.2003 durch die erklärte Freistellung des Klägers unter Anrechnung auf den zustehenden Jahres-/Erholungsurlaub sowohl für das Jahr 2003 als auch ab dem 01.01.2004 für das neue Kalenderjahr.

a) Die mit der Freistellung im Kündigungsschreiben erklärte Urlaubserteilung ist hinreichend bestimmt (vgl. zu den Voraussetzungen: BAG, Urteil vom 23.01.2001 - 9 AZR 26/00 - NZA 2001, 597; BAG, Urteil vom 20.06.2000 - 9 AZR 405/99 - NZA 2001, 100; BAG, Urteil vom 09.06.1998 - 9 AZR 43/97 - NZA 1999, 80). Für den Kläger war erkennbar, dass die Beklagte ihn freistellte zur Erfüllung ihrer Verpflichtung zur Urlaubsgewährung. Auch die ohne Wunsch des Arbeitnehmers erfolgte zeitliche Festlegung des Urlaubs durch den Arbeitgeber ist wirksam, wenn der Arbeitnehmer auf die Urlaubserteilung des Arbeitgebers keinen anderen Urlaubswunsch äußert (vgl. BAG, Urteil vom 23.01.2001, a.a.O.).

b) Die Beklagte hat weiter die Urlaubsvergütung für den gewährten Urlaub auch in den Abrechnungen 11/03, 12/03 und 3/04 abgerechnet und ausgezahlt.

II. Bezüglich des Jahresurlaubs für das Jahr 2002 stand bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Kläger noch ein Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe von 14,5 Urlaubstagen offen. Dieser Anspruch steht dem Kläger auch weiterhin nach § 280 Abs. 1 BGB als Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu.

1. Der ursprünglich in Höhe von 30 Urlaubstagen (3.883,42 €) entstandene Urlaubsanspruch ist in Höhe von 12,5 Urlaubstagen durch die vom Kläger beantragte Entschädigungszahlung der Urlaubskasse erloschen.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 23.11.2005 eingeräumt, dass ihm am 09.01.2004 als Entschädigung für 12,5 Urlaubstage aus dem Jahr 2002 1.634,97 € durch die Urlaubskasse ausgezahlt worden sind.

2. Weitere drei Urlaubstage sind auf das Urlaubsjahr 2003 von der Beklagten übertragen worden und dem Kläger, wie sich aus der Lohnabrechnung 11/03 ergibt, im November 2003 gewährt und ausgezahlt worden (Urlaubsvergütung für drei Tage 287,86 €, Urlaubsgeld für drei Tage 87,83 €).

3. Der restliche Abgeltungsanspruch in Höhe von 14,5 Urlaubstagen (1.872,76 €) ist nicht durch die Auszahlung von Urlaubsvergütung für 15 Urlaubstage, wie sie in der Abrechnung der Beklagten für 12/02 angeführt ist, erloschen.

a) Ein Urlaubsanspruch kann während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses nur durch Urlaubsgewährung erlöschen.

aa) Im Jahr 2002 hat die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 02.05.2002 lediglich für die Zeit vom 07.05.2002 bis einschließlich 31.05.2002 freigestellt unter Fortzahlung der Bezüge und unter Anrechnung auf den Anspruch auf Erholungsurlaub. Entgegen der Auffassung der Beklagten erfolgte mit dem Schreiben vom 02.05.2002, wie sich aus dem Wortlaut schon ergibt, keine Freistellung über den 31.05.2002 hinaus. Weitere Tatsachen für eine Urlaubsgewährung im Jahre 2002 nach der Gewährung vom 02.05.2002 sind von der Beklagten nicht vorgetragen.

bb) In der Freistellungszeit vom 07.05.2002 bis zum 31.05.2002 wurden von der Beklagten dem Kläger 11 Urlaubstage gewährt und vergütet, wie sich aus der Abrechnung 5/02 ergibt. Aus der Abrechnung ergibt sich aber auch weiter, dass es sich bei den 11 gewährten Urlaubstagen um übertragenen Urlaub aus dem Urlaubsjahr 2001 handelte. Damit ist der in der Zeit vom 07.05.2002 bis 31.05.2002 gewährte Urlaub nicht auf den Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 2002 anzurechnen.

4. Dem Kläger steht die Abgeltung des nicht gewährten Resturlaubs für das Jahr 2002 in Höhe von 14,5 Urlaubstagen (1.872,76 €) als Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag zu.

Nach § 280 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger den Ersatz des entstandenen Schadens verlangen, wenn der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis schuldhaft verletzt.

Diese Voraussetzungen liegen vor. Durch die Rückforderung der an die Urlaubskasse entrichteten Beiträge durch die Beklagte, ohne dass eine entsprechende Urlaubsgewährung vorgenommen wurde, hat die Beklagte ihre tarifvertraglichen Verpflichtungen und auch ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen gegen den Kläger schuldhaft verletzt. Wie das Arbeitsgericht im Einzelnen dargelegt hat, ist es dem Kläger hierdurch unmöglich geworden, seine Ansprüche auf Entschädigung gegen die Urlaubskasse durchzusetzen. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen.

B. Nach alledem hatte das Rechtsmittel teilweise Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

Zurück