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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 25.02.2004
Aktenzeichen: 18 Sa 1594/03
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 126
BGB § 368
BGB § 611 Abs. 1
ZPO § 416
Eine handschriftliche nicht unterzeichnete Quittung ist beweisrechtlich nicht bedeutungslos. Bei der Bewertung der materiellen Beweiskraft dieser Urkunde gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Hinsichtlich des Inhalts der Erklärung kann einer handschriftlichen, nicht unterzeichneten Quittung die gleiche materielle Beweiskraft zukommen, wie die einer formell ordnungsgemäßen Quittung nach § 368 BGB.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 21.07.2003 - 6 Ca 1749/03 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt mit Ausnahme der Kosten, die durch die teilweise Klagerücknahme der Beklagten entstanden sind und die diese zu tragen hat.

Tatbestand:

Die Parteien streiten zuletzt noch über Lohn für den Zeitraum 01.04.2003 bis zum 03.05.2003.

Der am 23.11.1956 geborene Kläger war in der Zeit vom 08.03.2003 bis zum 11.06.2003 bei der Beklagten, die eine Schank- und Speisewirtschaft betreibt, als Koch zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von 1.710,-- EUR beschäftigt.

Am 04.05.2003 kam es zu einem Gespräch zwischen dem Kläger und dem Ehemann der Beklagten, dem Zeugen M1xxxxxx J1xxxx. Zwischen den Parteien ist streitig, ob bei diesem Gespräch 1.200,-- EUR an den Kläger ausgezahlt worden sind. Unstreitig hat der Kläger bei diesem Gespräch auf einem Zettel Folgendes auf serbisch niedergelegt:

"Übersetzung aus dem Serbischen ins Deutsche

R3xx habe von M2xxx 1200 EURO erhalten.

den, 04.05.2003"

Eine Unterschrift enthielt dieser Zettel nicht.

Nach der Lohnabrechnung der Beklagten für den Monat April 2003 (Bl. 3 d.A.) beträgt der Lohnanspruch des Klägers für diesen Monat 1.710,-- EUR brutto bzw. 1.132,59 EUR netto. Ausweislich der Lohnabrechnung für den Monat Mai 2003 (Bl. 25 d.A.) hat die Beklagte für den Zeitraum vom 01. bis zum 03.05.2003 einen Betrag in Höhe von 228,-- EUR brutto sowie 151,05 EUR netto abgerechnet. Am 21.05.2003 hat die Beklagte dem Kläger einen Betrag in Höhe von 83,64 EUR überwiesen.

Die vorliegende Klage hat der Kläger am 16.05.2003 erhoben.

Der Kläger hat behauptet:

Er habe am 04.05.2003 keine 1.200,-- EUR in bar erhalten habe. Der von der Beklagten vorgelegte Zettel sei keine Quittung. Sein Sohn D2xxxxx K1xxx habe das Gespräch am 04.05.2003 mitgehört.

Im Kammertermin vom 21.07.2003 haben die Parteien bezüglich des weiterhin eingeklagten Lohns für den Zeitraum vom 04.05.2003 bis zum 11.06.2003 einen Teilvergleich geschlossen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat April 2003 1.132,59 EUR netto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2003 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Mai 2003 für den Zeitraum vom 01. bis zum 03.05.2003 einen Betrag in Höhe von 67,41 EUR netto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet:

Am 04.05.2003 habe ihr Ehemann, der Zeuge M1xxxxxx J1xxxx, dem Kläger den Betrag in Höhe von 1.200,-- EUR in bar ausgezahlt. Der Kläger habe über die Barzahlung eine Quittung ausgestellt.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen M1xxxxxx J1xxxx und D2xxxxx K1xxx. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Verhandlungsniederschrift vom 21.07.2003 (Bl. 34 bis 38 d.A.) Bezug genommen.

Durch Urteil vom 21.07.2003 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt. Den Streitwert hat es auf 1.200,-- EUR festgesetzt.

In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass die Beklagte die Erfüllung des Vergütungsanspruchs durch Zahlung nicht nachgewiesen habe.

Gegen dieses ihr am 05.09.2003 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat die Beklagte am 25.09.2003 Berufung eingelegt und diese am 24.10.2003 begründet.

Die Beklagte greift das arbeitsgerichtliche Urteil insgesamt an. Sie rügt die arbeitsgerichtliche Beweiswürdigung und ist der Auffassung, dass die Erfüllung bewiesen sei durch die Aussage des Zeugen J1xxxx und durch die vorgelegte Quittung.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 21.07.2003 - 6 Ca 1749/03 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die weitergehende Leistungsklage hat die Beklagte zurückgenommen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagen gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 21.07.2003 - 6 Ca 1749/03 - zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Das Berufungsgericht hat den Kläger persönlich angehört. Es hat weiter Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung des Zeugen M1xxxxxx J1xxxx. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 25.02.2004 (Bl. 84 bis 87 d.A.) verwiesen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen und auf die Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet.

Dem Kläger steht der begehrte Vergütungsanspruch für April 2003 (1.132,59 EUR netto) und Mai 2003 (67,41 EUR netto) nicht zu.

Der Vergütungsanspruch ist zwar gemäß § 611 Abs. 1 BGB wirksam entstanden. Er ist aber durch Zahlung der Beklagten am 04.05.2003 erloschen (§ 362 BGB).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren sieht es das Berufungsgericht durch die vom Kläger ausgestellte Quittung vom 04.05.2003 und durch die Aussage des Zeugen M1xxxxxx J1xxxx als bewiesen an (§ 286 Abs. 1 ZPO), dass der Ehemann der Beklagten, der Zeuge M1xxxxxx J1xxxx, dem Kläger am 04.05.2003 1.200,-- EUR in bar ausgezahlt hat.

1. Die Auszahlung hat der Zeuge J1xxxx bestätigt. Er hat im Einzelnen den Ablauf des Gesprächs zwischen ihm und dem Kläger am 04.05.2003 wiedergegeben. Das Berufungsgericht teilt die Wertung des Arbeitsgerichts, dass die widerspruchsfreie Aussage des Zeugen J1xxxx glaubhaft war und der Zeuge auch bei Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Interessen am Ausgang des Rechtsstreits einen glaubwürdigen Eindruck machte.

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass wegen des hohen persönlichen und wirtschaftlichen Interesses am Ausgang des Rechtsstreits der Aussage des Ehemanns der Beklagten kein höherer Beweiswert zugemessen werden kann als der einer Parteivernehmung.

2. Das Berufungsgericht sieht aber den vollen Beweis als erbracht an, da die Aussage des Zeugen J1xxxx voll bestätigt wird durch die vom Kläger unstreitig am 04.05.2003 geschriebene Quittung, die die Beklagte zu Beweiszwecken vorgelegt hat.

a) Das Schreiben vom 04.05.2003 ist vom Inhalt her eine Quittung. Es enthält das Bekenntnis des Klägers "R3xx" von "M2xxx", dem Zeugen J1xxxx, am 04.05.2003 1.200,--EUR erhalten zu haben.

b) Diese Urkunde erfüllt allerdings, wie das Arbeitsgericht zutreffend gesehen hat, nicht die Anforderungen, die an die in § 368 BGB geforderte Schriftform nach § 126 BGB gestellt werden. Trägt eine Quittung die Unterschrift des Ausstellers, so erbringt sie gemäß § 416 ZPO den vollen Beweis dafür (formelle Beweiskraft), dass das in ihr enthaltene Empfangsbekenntnis von dem Aussteller abgegeben worden ist.

c) Trotzdem ist die hier vorgelegte handschriftliche Quittung ohne ausdrückliche Unterschrift beweisrechtlich nicht bedeutungslos. Die Schriftform einer Quittung ist nur dann von Belang, wenn die Beteiligten darüber streiten, ob das Empfangsbekenntnis überhaupt abgegeben worden ist. Dies ist aber im vorliegenden Fall unstreitig. Bei der Bewertung der materiellen Beweiskraft dieser Urkunde gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Es kommt auf den Inhalt der Erklärung an. Vom Inhalt her steht die vorgelegte Urkunde vom 04.05.2003 hinsichtlich ihrer materiellen Beweiskraft einer formell ordnungsgemäßen Quittung gleich. Wie eine solche ordnungsgemäße Quittung enthält auch die vom Kläger ausgestellte Quittung vom 04.05.2003 ein außergerichtliches Geständnis hinsichtlich des Leistungsempfangs (vgl. BGH, Urteil vom 28.09.1987 - 2 ZR 35/87 - NJW-RR 1988, 881; OLG Frankfurt, Urteil vom 21.11.1989 - 10 U 151/88 - NJW -RR 1991, 172). Die vom Kläger erteilte Quittung lässt den Schluss zu, dass die Beklagte auch tatsächlich erfüllt hat (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 368 Rdnr. 4; Münch.Komm. Wenzel, 4. Aufl., § 368 BGB Rnr. 5; Staudinger/Karduk, BGB, 12. Aufl., § 368 BGB Rdnr. 10). Diesem Geständnis des Klägers kommt der ausschlaggebende Beweiswert zu.

3. Dieser ist durch den Gegenbeweis des Klägers nicht entkräftet worden.

Der Kläger selbst konnte schon, persönlich angehört, nicht überzeugend begründen, warum er die Quittung geschrieben hat angesichts seiner Behauptung, der Zeuge J1xxxx habe sich geweigert, Zahlungen zu leisten. Auch ist der Vortrag des Klägers nicht nachzuvollziehen, warum der Zeuge J1xxxx die Quittung an sich nehmen konnte, obwohl - wie der Kläger behauptet - der Zeuge J1xxxx zuvor keine Zahlungen leistete.

Auch die Vernehmung des Zeugen K1xxx hat das Beweisergebnis nicht geändert. Die Aussage des Zeugen war, bezogen auf das Beweisthema, schon nicht ergiebig. Zwischen den Parteien ist unstreitig geworden, dass der Zeuge K1xxx zum Zeitpunkt des maßgeblichen Gesprächs am 04.05.2003 sich nicht in der Gaststätte der Beklagten aufgehalten hat.

II. Nach alledem hat das Rechtsmittel Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 269 Abs. 3 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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