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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 21.01.2004
Aktenzeichen: 18 Sa 1802/03
Rechtsgebiete: EFZG, BGB


Vorschriften:

EFZG § 3 Abs. 1
EFZG § 4 Abs. 1
BGB § 313 Abs. 1
BGB § 397 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 09.10.2003 - 1 (3) Ca 608/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand: Die Parteien streiten über Krankenvergütung der Klägerin für die Zeit vom 17.12.2002 bis zum 27.01.2003. Die am 28.09.1971 geborene Klägerin war bei dem Beklagten in der Zeit vom 08.04.2002 bis zum 31.01.2003 als Fahrerin beschäftigt. Ihre Bruttomonatsvergütung betrug zuletzt 1.500,-- EUR. Der Beklagte betreibt ein Transportunternehmen und beschäftigt cirka 11 Arbeitnehmer. Am 09.12.2002 kam es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen den Parteien (ArbG Rheine - 1 Ca 2270/02 -). Die Parteien stritten hier über die Zahlung von 15,-- EUR netto als Restlohn für den Monat Oktober 2003, über die Zahlung des Verdienstes für den Monat November 2002 in Höhe von 1.500,-- EUR und über Schmerzensgeld, das die Klägerin angesichts behaupteter Beleidigungen und Verleumdungen von dem Beklagten forderte. Nachdem der Beklagte mit Schreiben vom 26.12.2002 das Arbeitsverhältnis zum 31.01.2003 gekündigt hatte, erweiterte die Klägerin die Klage um einen Kündigungsschutzantrag. Der Vorprozess wurde beendet durch folgenden Vergleich:

1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen begründete Arbeitsverhältnis durch ordentliche, fristgerechte und betriebsbedingte Kündigung des Beklagten vom 26.12.2002 mit Ablauf des 31.01.2003 aufgelöst worden ist.

2. Der Beklagte zahlt an die Klägerin für den Verlust des Arbeitsplatzes in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG, 3 Nr. 9 EStG eine Abfindung in Höhe von 2.300,-- EUR (i.W. zweitausenddreihundert), fällig in Höhe von 800,-- EUR (i.W. achthundert) am 15.02.2003, in Höhe von 800,-- EUR (i.W. achthundert) am 15.03.2003 und in Höhe von 700,-- EUR (i.W. siebenhundert) am 15.04.2003.

3. Der Beklagte zahlt an die Klägerin auf restliche Vergütungsansprüche für den Monat November 2002 insgesamt 1.500,-- EUR (i.W. tausendfünfhundert) brutto.

4. Zwischen den Parteien besteht Einvernehmen, dass die Klägerin für den Fall der Gesundung mit Ablauf des 24.01.2003 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Arbeit unter Anrechnung auf etwaige offene Urlaubsansprüche und unter Vergütungsfortzahlung unwiderruflich freigestellt wird.

5. Der Beklagte füllt eine Verdienstbescheinigung zur Vorlage bei der Krankenkasse zugunsten der Klägerin unter Berücksichtigung des Inhalts dieses Vergleichs aus und gibt die ausgefüllte Verdienstbescheinigung an die Klägerin heraus.

6. Zwischen den Parteien besteht Einvernehmen, dass mit Erfüllung dieses Vergleichs sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erledigt sind, seien sie bekannt oder unbekannt, insbesondere mögliche Ansprüche des Beklagten gegen die Klägerin auf Herausgabe von Arbeitsbekleidung angesichts der an Gerichtsstelle übergebenen Arbeitsbekleidung an den Beklagten sowie Ansprüche der Klägerin auf Zahlung eines Schmerzensgeldes vor dem Hintergrund der behaupteten Äußerungen des Beklagten. Es besteht Einvernehmen, dass der der Klägerin zustehende Urlaub in Natura erfüllt ist.

7. Der Beklagte erteilt der Klägerin ein einfaches Arbeitszeugnis mit dem Ausstellungsdatum des 31.01.2003.

Vor Abschluss des Vergleichs im Vorprozess gab die Klägerin dort folgende Erklärung auf Nachfrage des Gerichts zu Protokoll der Gütesitzung vom 23.01.2003: "Sofern in der Klageschrift angegeben ist, ich sei seit dem 16.08.2002 krank geschrieben, handelt es sich um ein Informationsversehen. Ich habe zunächst an einer Grippe gelitten im August oder Anfang September 2002 und zwar für in etwa eine Woche. Sodann habe ich gearbeitet. Seit dem 16.10.2002 bin ich wegen einer Lungenentzündung durchgehend erkrankt. Krankengeld erhalte ich seit dem 28.11.2002. Ich bin beim Beklagten seit dem 08.04.2002 beschäftigt." Nach Abschluss des Vergleichs erteilte der Beklagte der Klägerin entsprechend Ziffer 5 des Vergleichs eine Verdienstbescheinigung zur Vorlage bei der Krankenkasse. Die Krankenkasse bescheinigte der Klägerin am 27.01.2003 einen Leistungszeitraum zum Bezug von Krankengeld vom 28.11.2002 bis zum 16.12.2002 und sodann mit weiterem Schreiben vom 04.02.2003 eine Arbeitsunfähigkeit vom 17.12.2002 bis zum 04.02.2003. Leistungen gewährte die Krankenkasse ab 17.12.2002 nicht mehr. Die vorliegende Klage hat die Klägerin am 11.03.2003 erhoben. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten: Ihrer Forderung stehe die Erledigungsklausel unter Ziffer 6 des Vergleichs vom 23.01.2003 nicht entgegen. Zwischen den Parteien habe Einvernehmen bestanden, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 31.01.2003 habe fortbestehen sollen. In Ziffer 4 des Vergleichs sei ausdrücklich klargestellt worden, dass sie für den Fall einer Gesundung nach dem 24.01.2003 unter Vergütungsfortzahlung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe freigestellt werden sollen. Damit sei klargestellt, dass mit dem Vergleich Vergütungsansprüche bis zum 31.01.2003 nicht insgesamt hätten erledigt werden sollen. Sie hat behauptet, der Beklagte habe am 22.01.2003, also unmittelbar vor Abschluss des Vergleichs im Parallelverfahren, telefonisch bei ihrer Krankenkasse erfahren, dass sie an zwei verschiedenen Krankheiten gelitten habe, so dass die Lohnfortzahlung für ihn, den Beklagten, weiter laufe. Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.032,38 EUR (brutto) nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 19.02.2003 zu zahlen. Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beklagte hat die Auffassung vertreten: Grundlage für den im Parallelverfahren am 23.01.2003 abgeschlossenen Vergleich sei die Erklärung der Klägerin im Termin vom 23.01.2003 gewesen, sie sei durchgehend aufgrund einer Lungenentzündung seit dem 16.10.2002 erkrankt und beziehe Krankengeld seit dem 28.11.2002. Nur auf dieser Basis sei der Vergleich geschlossen und eine unter Ziffer 2 aus seiner Sicht überhöhte Abfindung gezahlt worden. Aus Ziffer 4 des Vergleichs sei deutlich sichtbar, dass der Klägerin nur für den Fall einer Gesundung mit Ablauf des 24.01.2003 weitere Vergütungsansprüche bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.01.2003 hätten zustehen sollen. Weitere Forderungen könne die Klägerin angesichts der Regelung in Ziffer 6 des Vergleichs nicht einfordern. Das Arbeitsgericht ist der Auffassung des Beklagten gefolgt und hat durch Urteil vom 09.10.2003 die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt. Der Streitwert ist auf 2.032,38 EUR festgesetzt worden. Gegen dieses ihr am 20.10.2003 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat die Klägerin am 30.10.2003 Berufung eingelegt und diese am 17.11.2003 begründet. Die Klägerin stützt die Berufung maßgeblich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 09.10.2003 - 1 (3) Ca 608/03 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.032,38 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 19.02.2003 zu zahlen. Der Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 09.10.2003 - 1 (3) Ca 608/03 - zurückzuweisen. Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung verwiesen. Entscheidungsgründe: I. Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten der begehrte Entgeltfortzahlungsanspruch nicht gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 EFZG in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag zu. 1. Die Erledigungsklausel in Ziffer 6 des Vergleichs vom 23.01.2003 erfasst auch einen möglichen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Zahlung des streitgegenständlichen Betrags, wie das Arbeitsgericht im Einzelnen eingehend begründet ausgeführt hat. Das Berufungsgericht hält die Ausführungen des Arbeitsgerichts für zutreffend. Von einer nochmaligen Darlegung der Rechtslage wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Die Angriffe der Klägerin gegen die gerichtliche Auslegung des selbständigen negativen Schuldanerkenntnisses in Ziffer 6 des Vergleichs vom 23.01.2003 gehen fehl. Bei der gebotenen objektiven Auslegung des Vergleichs kommt es nicht darauf an, ob sich die Klägerin der Tragweite ihrer Erklärungen bewusst war. Falls sie sich geirrt hat, ist dies für die Wirksamkeit des Vergleichs ohne Einfluss. Eine Anfechtung des Vergleichs durch die Klägerin ist nicht erklärt worden. Das negative Schuldanerkenntnis ist auch keine Wissenserklärung, sondern eine verpflichtende Willenserklärung, die alle Ansprüche zum Erlöschen gebracht hat, die der Klägerin zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bekannt waren oder mit deren Bestehen sie auch nur rechnen musste, so auch die streitgegenständliche Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 17.12.2002 bis zum 27.01.2003. Bezüglich der Vergütung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist haben die Parteien lediglich vereinbart, dass die Klägerin als Restvergütung für den Monat November 2002 1.500,-- EUR erhält (Ziffer 3 des Vergleichs) und dass der Beklagte die Klägerin für den Fall der Gesundung mit Ablauf des 24.01.2003 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Arbeit unter Anrechnung auf etwaige offene Urlaubsansprüche und unter Vergütungsfortzahlung unwiderruflich freistellt. Nur hinsichtlich dieser Ansprüche sollte bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ein Vergütungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten bestehen und abgerechnet werden. Alle übrigen Vergütungsansprüche sollten von der Erledigungsklausel in Ziffer 6 des Vergleichs erfasst werden, so auch der streitige Entgeltfortzahlungsanspruch. 2. Die Klägerin kann auch nicht im Wege der Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB von dem Beklagten die begehrte Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 17.12.2002 bis zum 27.01.2003 verlangen. Nach § 313 Abs. 1 BGB kann die Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Soweit die Klägerin vorträgt, bei Vertragsschluss seien sich die Parteien darüber einig gewesen, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 31.01.2003 abgerechnet werden sollte, so ist eine solche Verpflichtung nicht Gegenstand des Vergleichs geworden. Welche Vergütung noch abgerechnet werden sollte, ist in den Ziffern 3 und 4 des Vergleichs abschließend geregelt worden. Die Tatsache, dass die Klägerin auch weiterhin zumindest bis zum 24.01.2003 Krankengeld beziehen würde, ist nicht Geschäftsgrundlage des Vergleichs gewesen. Es mag sein, dass die Klägerin und auch der Beklagte davon ausgegangen sind, dass die Klägerin mindestens bis zum 24.01.2003 krank sein und Krankengeld erhalten werde. Hier geht es aber nicht um eine beiderseitige Geschäftsgrundlage, sondern um eine einseitige Erwartung der Klägerin. Wie auch das Arbeitsgericht ausgeführt hat, war beiden Parteien klar, dass durchaus Entgeltfortzahlungskosten entstehen konnten. Dies war nicht ausgeschlossen. Die Klägerin hat aber mit der Vereinbarung der Ausgleichsklausel in Ziffer 6 des Vergleichs auf mögliche Entgeltfortzahlungsansprüche dem Beklagten gegenüber im Ergebnis verzichtet. Damit hat sie auch das Risiko übernommen, ob und wie lange die Krankenkasse Krankengeld zahlen würde. Falls der Krankengeldanspruch tatsächlich ab 17.12.2002 entfallen ist, so ist der Wegfall dieser Leistung der durch den Vergleich übernommenen Risikosphäre der Klägerin zuzuordnen. Insoweit kann es auch dahingestellt bleiben, ob dem Beklagten am 22.01.2003 telefonisch von der Zeugin N1xxx mitgeteilt worden ist, dass die Klägerin an zwei verschiedenen Krankheiten litt, so dass die Lohnfortzahlung für ihn weiterlaufe. Diese Mitteilung ist nicht verbindlich und stellt lediglich die Auffassung der zuständigen Krankenkasse dar. Wären die nach der Behauptung der Klägerin mitgeteilten Tatsachen zutreffend gewesen, so wäre bei einem Hinzutreten einer weiteren Erkrankung nach dem Grundsatz der Einheit des Versicherungsfalls kein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten ab 17.12.2002 entstanden. Falls aber, wie die Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht behauptet hat, das Grundleiden Lungenentzündung am 16.12.2002 ausgeheilt und sie ab 17.12.2002 wegen einer Sehnenscheidenentzündung arbeitsunfähig krank gewesen ist, so ist es nicht zu verstehen, dass die Klägerin vor Vergleichsabschluss auf die gerichtliche Frage hin erklärt hat, sie sei seit dem 16.12.2002 wegen einer Lungenentzündung durchgehend erkrankt. II. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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