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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 23.06.2004
Aktenzeichen: 18 Sa 311/04
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, EFZG


Vorschriften:

ArbGG § 62 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 2
ZPO § 301
ZPO § 301 Abs. 1
EFZG § 3 Abs. 1
EFZG § 4 Abs. 1
EFZG § 5 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 11.09.2003 - 1 Ca 54/03 - wird als unzulässig verworfen.

Die Berufung des Beklagten gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 22.01.2004 - 1 Ca 54/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufungen werden dem Beklagten auferlegt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlungsansprüche im Krankheitsfall.

Der am 19.08.1969 geborene Kläger war in der Zeit vom 15.05.2000 bis zum 30.11.2002 als Betriebsschlosser bei dem Beklagten tätig. Sein Stundenlohn betrug zuletzt 13,50 EUR bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden.

Mit Schreiben vom 03.11.2002 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis zum 30.11.2002.

Am 12.11.2002 kam es im Betrieb des Beklagten zu einem Gespräch zwischen dem Kläger und dem Betriebsleiter des Beklagten, dem Zeugen D2xxxx. Der Inhalt des Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig.

In der Zeit vom 13. bis 22.11.2002 und in der Zeit vom 25.11. bis 29.11.2002 erschien der Kläger nicht zur Arbeit, sondern legte dem Beklagten ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die genannten Zeiträume vor. Der Beklagte leistete für diese Zeit keine Entgeltfortzahlung. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 19.12.2002 forderte der Kläger den Beklagten erfolglos zur Entgeltfortzahlung auf.

Die vorliegende Klage hat der Kläger am 13.01.2003 erhoben.

Der Kläger hat behauptet, in der Zeit 13.11. bis 22.11.2002 sei er arbeitsunfähig gewesen wegen einer Erkrankung der Bandscheibe. In der Zeit vom 25.11.2002 bis 29.11.2002 sei er arbeitsunfähig krank gewesen wegen eines Katzenbisses, der sich infiziert habe. In dem Gespräch mit dem Zeugen D2xxxx am 12.11.2002 habe er nicht erklärt, sich krank schreiben zu lassen.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.404,00 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 18.01.2003 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe unentschuldigt gefehlt. Er hat behauptet, der Kläger habe im Gespräch am 12.11.2002 gegenüber dem Betriebsleiter D2xxxx erklärt, dass er keine Lust mehr habe bei dem Beklagten zu arbeiten und dass er sich jetzt erst einmal krank schreiben lassen werde, wenn ihm der beantragte Urlaub nicht gewährt werde.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung des Zeugen N1xxxxxx J2xxxxxx D2xxxx. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 11.09.2003 (Bl. 65 bis 66 d.A.) verwiesen. Weiter hat das Arbeitsgericht Beweis erhoben durch die schriftliche Vernehmung der Zeugin Dr. E1xx M1xxxxxx. Auf die schriftliche Aussage der Zeugin vom 23.11.2003 (Bl. 86 d. A.) wird verwiesen.

Durch Teilurteil vom 11.09.2003 hat das Arbeitsgericht den Beklagten verurteilt, als Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 25.11.2002 bis 29.11.2002 an den Kläger 540,00 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 18.01.2003 zu zahlen. Den Streitwert hat das Arbeitsgericht auf 540,00 EUR festgesetzt. Die Berufung gegen das Teilurteil ist durch das Arbeitsgericht nicht zugelassen worden. Eine Rechtsmittelbelehrung enthält das Teilurteil nicht.

Durch Schlussurteil vom 22.01.2004 hat das Arbeitsgericht den Beklagten weiter verurteilt, an den Kläger 864,00 EUR brutto nebst 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 18.01.2003 zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits hat es dem Beklagten auferlegt. Den Streitwert für das Schlussurteil hat das Arbeitsgericht auf 864,00 EUR festgesetzt.

Gegen das ihm am 30.09.2003 zugestellte Teilurteil hat der Beklagte am 16.03.2004 Berufung eingelegt und diese ebenfalls am 16.03.2004 begründet.

Gegen das ihm am 12.02.2004 zugestellte Schlussurteil hat der Beklagte am 18.02.2004 Berufung eingelegt und diese am 16.03.2004 begründet.

Der Beklagte greift das Teilurteil und das Schlussurteil in vollem Umfang an. Er ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe über den Klageanspruch nur einheitlich entscheiden dürfen, da ein einheitlicher Sachverhalt, nämlich die Vortäuschung einer Erkrankung, zugrunde gelegen habe. Im Übrigen stützt sich der Beklagte maßgeblich auf seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Der Beklagte beantragt,

das Teilurteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 11.09.2003 - 1 Ca 54/03 O - und das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 22.01.2004 - 1 Ca 54/03 O - abzuändern und die Klage abzuweisen

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 11.09.2003 - 1 Ca 54/03 O - und das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 22.01.2004 - 1 Ca 54/03 O - zurückzuweisen.

Der Kläger hält die Berufung gegen das Teilurteil vom 11.09.2003 schon für unzulässig. Im Übrigen verteidigt er die arbeitsgerichtlichen Entscheidungen.

Das Berufungsgericht hat erneut Beweis erhoben durch die schriftliche Vernehmung der sachverständigen Zeugin M1xxxxxx. Auf die schriftliche Aussage der Zeugin vom 14.04.2004 (Bl. 141 d.A.) wird verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichtes Siegen vom 11.09.2003 ist schon unzulässig, weil der gesetzlich vorgeschriebene Wert des Beschwerdegegenstandes von 600,00 EUR nicht erreicht wird.

1. Nach § 64 Abs. 2 ArbGG kann gegen Urteile des Arbeitsgerichtes, hierunter fällt auch ein Teilurteil nach § 301 ZPO, Berufung nur eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt.

Die Höhe des Beschwerdewertes bestimmt sich nach dem Berufungsantrag. Der Beklagte hat uneingeschränkt Berufung eingelegt, so dass der im erstinstanzlichen Urteil festgesetzte Streitwert von 540,00 EUR für das Landesarbeitsgericht verbindlich ist (vgl. BAG, Urteil vom 27.05.1994 - 5 AZB 3/94 - NZA 1995, 545).

2. Das Berufungsgericht teilt nicht die Auffassung des Beklagten, dass die Aufteilung des Streitgegenstandes unzulässig war.

Nach § 301 Abs. 1 ZPO hat das Gericht durch Endurteil (Teilurteil) zu entscheiden, wenn von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder wenn nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif ist. Diese Voraussetzungen lagen vor.

Mit der Klage hat der Kläger zwei auf unterschiedliche Lebenssachverhalte gestützte Ansprüche geltend gemacht, nämlich den Entgeltfortzahlungsanspruch für die Zeit vom 25.11. bis 29.11.2002 wegen der durch einen Katzenbiss verursachten Arbeitsunfähigkeit und den Entgeltfortzahlungsanspruch für die Zeit vom 13.11. bis 22.11.2002 wegen der Erkrankung des Klägers aufgrund eines Bandscheibenleidens. Es handelt sich um zwei selbständige Streitgegenstände, die auch in getrennten Rechtsstreitigkeiten hätten entschieden werden können (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 12.01.1999 - VI ZR 77/98 - NJW 1999, 1035).

II. Die Berufung des Beklagten gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichtes Siegen vom 22.01.2004 ist zulässig aber nicht begründet.

Dem Kläger steht gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 EFZG ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 13. bis 22.11.2002 zu, wie das Arbeitsgericht richtig erkannt hat.

Nach § 3 Abs. 1 EFZG hat ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft.

Diese Voraussetzungen sind nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bewiesen.

1. Der Arbeitnehmer hat die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 01.10.1997 - 5 AZR 726/96 - NZA 1998, 370; BAG, Urteil vom 19.02.1997 - 5 AZR 83/96 - NZA 1997, 652).

a) In der Regel führt der Arbeitnehmer diesen Nachweis gegenüber dem Arbeitgeber, wie auch vor dem Gericht, durch die Vorlage einer förmlichen ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG.

Die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist der gesetzlich ausdrücklich vorgesehene und insoweit wichtigste Beweis für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Einer solchen Bescheinigung kommt ein hoher Beweiswert zu. Dies ergibt sich aus der Lebenserfahrung. Der Tatrichter kann normalerweise den Beweis, dass eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorliegt, als erwiesen ansehen, wenn der Arbeitnehmer im Rechtsstreit eine solche Bescheinigung vorlegt (vgl. BAG, Urteil vom 19.02.1997 - 5 AZR 83/96 - a.a.O.).

b) Bestreitet der Arbeitgeber trotz der vorgelegten ordnungsgemäß erteilten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, muss er den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern.

Dies ist dann der Fall, wenn ernsthafte Zweifel am Bestehen der Arbeitsunfähigkeit dargelegt werden. Der Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann erschüttert werden durch Umstände im Zusammenhang mit der Bescheinigung selbst, durch das Verhalten des Arbeitnehmers vor der Erkrankung und durch das Verhalten des Arbeitnehmers während der bescheinigten Dauer der Arbeitsunfähigkeit.

2. Im vorliegenden Fall konnte der Kläger den vollen Beweis für die Arbeitsunfähigkeit nicht durch die Vorlage der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erbringen.

Der Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung war durch die Aussage des Zeugen D2xxxx erschüttert, wie das Arbeitsgericht dargelegt hat - insoweit wird gemäß § 62 Abs. 2 ArbGG auf die zutreffenden Ausführungen im arbeitsgerichtlichen Urteil verwiesen -.

3. Aufgrund der schriftlichen Aussage der sachverständigen Zeugin Dr. M1xxxxxx vom 23.11.2003 und vom 14.04.2004 steht aber auch zur Überzeugung des Berufungsgerichtes fest (§ 286 Abs. 1 ZPO), dass der Kläger in der Zeit vom 13.11.2002 bis zum 22.11.2002 wegen eines Bandscheibenschadens nicht in der Lage war, die vertraglich geschuldete Tätigkeit auszuführen. Nach der glaubhaften schriftlichen Aussage hat die Zeugin M1xxxxxx ihre Diagnose aufgrund objektiver Befunde getroffen, deren Vorliegen durch die Auswertung der Computertomographie im Bericht der Ärzte D5xx. M2xxxxx, S5xxxxxxx, W2xxxxx in deren Bericht vom 26.11.2002 bestätigt werden. Um letzte Zweifel auszuräumen, hat das Berufungsgericht im schriftlichen Verfahren der Zeugin Dr. M1xxxxxx die Aussage des Zeugen D2xxxx vom 11.09.2003 vorgehalten. Die Zeugin hat hierauf in ihrer schriftlichen Aussage vom 14.04.2004 bestätigt, dass die von ihr am 13.11.2002 festgestellte Symptomatik eine Krankschreibung aus medizinischer Sicht notwendig gemacht hat und dass dies auch geschehen wäre, wenn ihr zu diesem Zeitpunkt die Aussage des Zeugen D2xxxx bekannt gewesen wäre.

Anhaltspunkte, die gegen die Richtigkeit der Aussage der Zeugin M1xxxxxx sprechen, sind nicht ersichtlich.

III. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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