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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 08.08.2007
Aktenzeichen: 18 Sa 396/07
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 14.02.2007 - 2 Ca 1112/06 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen, krankheitsbedingten Kündigung.

Der verheiratete Kläger ist seit dem 17.10.1977 bei der Beklagten als Maschinenschlosser in der Gruppenmontage tätig. Die Gruppe besteht aus acht Personen. Seine Bruttostundenvergütung betrug zuletzt 15,01 €.

Die Beklagte beschäftigt in ihrem Betrieb in L1 cirka 78 Arbeitnehmer. Sie stellt Verpackungsmaschinen her. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kommt ein Tarifvertrag nicht zur Anwendung.

Im Betrieb der Beklagten ist ein Betriebsrat gewählt.

In der Zeit vom 01.01.1998 bis zum 31.07.2006 war der Kläger in folgenden Zeiträumen arbeitsunfähig krank:

1998 31 Arbeitstage

1999 110 Arbeitstage

2000 45 Arbeitstage

2001 60 Arbeitstage

2002 37 Arbeitstage

2003 16 Arbeitstage

2004 46 Arbeitstage

2005 39 Arbeitstage

2006 25 Arbeitstage (per 31.07.2006).

Für diese krankheitsbedingten Fehlzeiten leistete die Beklagte folgende Entgeltfortzahlung:

1998 3.289,24 €

1999 2.534,58 €

2000 1.450,34 €

2001 3.267,30 €

2002 3.390,94 €

2003 2.218,50 €

2004 4.889,00 €

2005 4.391,44 €

2006 2.776,84 €

Wegen der Krankheitsursachen wird auf die Auflistung der Vereinigten IKK H1 vom 01.11.2006 (Bl. 49 bis 51 d.A.) Bezug genommen.

Wegen dieser Fehlzeiten beschloss die Beklagte, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger durch Kündigung zu beenden. Sie teilte mit Schreiben vom 23.08.2006 (Bl. 35 bis 39 d.A.) dem Betriebsrat ihre Kündigungsabsicht mit. In der abschließenden Stellungnahme des Betriebsrats vom 28.08.2006 äußerte der Betriebsrat erhebliche Bedenken aufgrund des hohen Alters und der langen Betriebszugehörigkeit des Klägers und der daraus resultierenden schlechten Sozialprognose.

Mit Schreiben vom 29.08.2006, welches dem Kläger am 29.08.2006 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 31.03.2007.

Gegen diese Kündigung hat sich der Kläger mit der am 19.09.2006 erhobenen Kündigungsschutzklage gewehrt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die Fehlzeiten und die Entgeltfortzahlungskosten seien nicht erheblich, ebenso nicht die behaupteten Betriebsablaufstörungen. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Beklagte das betriebliche Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX nicht durchgeführt habe. Weiter müsse berücksichtigt werden, dass er seit längerem wieder arbeitsfähig und arbeitsbereit sei. Er habe jahrelang Möbelstücke mit bis zu 60 kg alleine heben müssen. Seitdem hier Abhilfe geschaffen worden sei, habe sich seine gesundheitliche Situation maßgeblich verbessert.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29.08.2006 nicht beendet wird,

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Maschinenschlosser weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wegen der erheblichen Fehlzeiten des Klägers gerechtfertigt. Die Gesundheitsprognose sei negativ. Die wirtschaftlichen Belastungen durch die Entgeltfortzahlungskosten seien ihr nicht weiter zumutbar. Daneben sei es auch zu erheblichen Betriebsablaufstörungen durch den ständigen Ausfall des Klägers gekommen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 14.02.2007 der Klage stattgegeben und die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt. Den Streitwert hat es auf 12.023,75 € festgesetzt.

In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs habe keine negative Prognose bestanden. Es liege auch keine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen vor. Die Kosten der Entgeltfortzahlung lägen im Durchschnitt unter dem Sechswochenzeitraum. Die vorgetragenen Betriebsablaufstörungen seien nicht nachvollziehbar. Der Beklagten sei es auch angesichts der Belastungen zumutbar, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, insbesondere unter Berücksichtigung der langen Betriebszugehörigkeit und des Alters des Klägers.

Gegen dieses ihr am 21.02.2007 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat die Beklagte am 02.03.2007 Berufung eingelegt und diese am 20.04.2007 begründet.

Die Beklagte greift das arbeitsgerichtliche Urteil insgesamt an.

Sie stützt ihre Berufung maßgeblich weiterhin auf ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 14.02.2007 - 2 Ca 1112/06 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 14.02.2007 - 2 Ca 1112/06 - zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 29.08.2006 nicht aufgelöst worden.

I. Die ordentliche Kündigung vom 29.08.2006 ist nicht sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 1 und 2 KSchG, wie das Arbeitsgericht zutreffend gesehen hat.

Das Kündigungsschutzgesetz kommt auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung (§§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG).

Nach § 1 Abs. 2 KSchG ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.

Die Kündigung der Beklagten vom 29.08.2006 ist nicht sozial gerechtfertigt und damit unwirksam, weil sie nicht durch Gründe bedingt ist, die in der Person des Klägers liegen. Die Beklagte beruft sich ohne Erfolg auf die häufigen Erkrankungen des Klägers.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die soziale Rechtfertigung einer Kündigung, die aus Anlass häufiger Erkrankungen ausgesprochen wird, in drei Stufen zu prüfen (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 10.12.2005 - 2 AZR 44/05 - NZA 2006, 655; BAG, Urteil vom 07.11.2002 - 2 AZR 599/01 - NZA 2003, 816; BAG, Urteil vom 20.01.2000 - 2 AZR 378/99 - NZA 2000, 768).

a) Danach ist zunächst - erste Stufe - eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Es müssen - und zwar abgestellt auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung - objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen.

Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können indiziell für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes sprechen. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Krankheiten ausgeheilt sind. Bei einer negativen Indizwirkung hat der Arbeitnehmer nach § 138 Abs. 2 ZPO darzulegen, weshalb mit einer baldigen Genesung zu rechnen ist, wobei er seiner prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann genügt, wenn er die Behauptungen des Arbeitgebers nicht nur bestreitet, sondern seinerseits vorträgt, die ihn behandelnden Ärzte hätten die gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt und wenn er die ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbindet. Alsdann ist es Sache des Arbeitgebers, den Beweis für das Vorliegen einer negativen Gesundheitsprognose zu führen.

b) Die prognostizierten Fehlzeiten sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, wenn sie auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes - zweite Stufe - festzustellen ist.

Dabei können neben Betriebsablaufstörungen auch wirtschaftliche Belastungen des Arbeitgebers, etwa durch zu erwartende, einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen pro Jahr übersteigende Entgeltfortzahlungskosten zu einer derartigen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen.

c) Liegt eine solche erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen vor, so ist in einem dritten Prüfungsschritt im Rahmen der nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob diese Beeinträchtigung vom Arbeitgeber billigerweise nicht hingenommen werden muss.

Dabei ist u.a. zu berücksichtigen, ob die Erkrankungen auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sind, ob und wie lange das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zunächst ungestört verlaufen ist, ob der Arbeitgeber eine Personalreserve vorhält und etwa neben Betriebsablaufstörungen auch noch hohe Entgeltfortzahlungskosten aufzuwenden hatte. Ferner sind das Alter, der Familienstand und die Unterhaltspflichten sowie ggf. eine Schwerbehinderung des Arbeitnehmers zu berücksichtigen.

d) Dabei ist des Weiteren zu berücksichtigen, dass die Kündigung unter Berufung des ultima ratio Prinzips nur dann zulässig ist, wenn der Arbeitgeber alle anderen zumutbaren Möglichkeiten zu ihrer Vermeidung ausgeschöpft hat.

Eine Kündigung kommt als äußerstes Mittel nur dann in Betracht, wenn keine Möglichkeit zu einer anderweitigen Beschäftigung unter Umständen auch zu schlechteren Arbeitsbedingungen besteht (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 30.05.1978 - 2 AZR 630/76 - AP Nr. 70 zu § 626 BGB).

e) Darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen der Voraussetzungen der krankheitsbedingten Kündigung ist der Arbeitgeber (vgl. BAG, Urteil vom 12.04.2002 - 2 AZR 148/01 - AP Nr. 36 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit).

2. Bei der gebotenen Zugrundelegung dieser Maßstäbe erweist sich die Kündigung der Beklagten vom 29.08.2006 nicht als sozial gerechtfertigt.

a) Es kann zu Gunsten der Beklagten zunächst davon ausgegangen werden, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung eine negative Zukunftsprognose im Hinblick auf weitere erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten des Klägers bestanden hat.

Legt man den Zeitraum der vorangegangenen acht Jahre (1998 bis 2005) zugrunde, so fehlte der Kläger krankheitsbedingt an 384 Arbeitstagen. Hieraus ergibt sich eine durchschnittliche jährliche Fehlzeit von 48 Arbeitstagen.

Diese bloßen Fehlzeiten sind allerdings nicht alle geeignet zur Begründung der negativen Prognose. Die aus der Aufstellung der Vereinigten IKK H1 vom 01.09.2006 erkennbaren unfallbedingten Fehlzeiten können bei der Prognosebildung nicht berücksichtigt werden, da davon ausgegangen werden kann, dass die Unfallverletzungen ausgeheilt sind und keine Wiederholungsgefahr besteht. Es handelt sich um folgende Fehlzeiten wegen Unfalls:

17.07.2000 bis 21.07.2000 (Quetschung des linken Daumens) 5 Arbeitstage

18.02.2002 bis 22.02.2002 (Kontusion linker Zeigefinger) 5 Arbeitstage

13.11.2002 bis 29.11.2002 (Fingerfraktur) 13 Arbeitstage

24.03.2006 bis 31.03.2006 (Schädelkontusion) 8 Arbeitstage.

Für den Zeitraum 1998 bis 2005 ergeben sich so 23 Fehltage, die nicht geeignet sind, eine negative Prognose zu stützen.

Der vom Kläger für die Zeit vom 19.02.2001 bis 23.02.2001 genannte Unfall ist der Aufstellung der Vereinigten IKK H1 nicht zu entnehmen. Als Ursache für die Arbeitsunfähigkeit wird hier in der Aufstellung der Vereinigten IKK H1 Kreuzschmerz angegeben.

Unter Berücksichtigung dieser 23 unfallbedingten Fehltage ergibt sich eine Gesamtfehlzeit für die Zeit 1998 bis 2005 von 367 Tagen.

Nach diesen Fehlzeiten in den letzten acht Jahren ist nach der Lebenserfahrung damit zu rechnen, dass es auch in Zukunft zu ähnlich hohen Fehlzeiten kommen wird.

Dass die Gewährung von Hilfestellung bei schwereren Lasten sich auf die Anzahl der krankheitsbedingten Fehlzeiten auswirken wird, ist bis zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch nicht ersichtlich geworden. Auch 2006 ist die Krankheitsanfälligkeit des Klägers nicht wesentlich zurückgegangen.

b) Dagegen war zum Zeitpunkt der Kündigung noch keine erhebliche Störung der betrieblichen Interessen zukünftig zu erwarten.

aa) Die Beklagte hat konkrete ausreichende Betriebsablaufstörungen für die Vergangenheit nicht vorgetragen. Sie hat lediglich pauschal vorgetragen, dass es zu betriebsbedingten Ablaufstörungen durch den Ausfall des Klägers infolge der vorzunehmenden kurzfristigen Schichtumsetzungen bzw. dem Einsatz von Leiharbeitnehmern kommt. Konkrete Angaben, wann es zu solchen Betriebsablaufstörungen gekommen ist, welche Mitarbeiter umgesetzt worden sind und welche Mehrkosten entstanden sind fehlen. Es ist auch zu berücksichtigen, dass es sich um schwerwiegende Störungen im Produktionsprozess handeln muss, die in der Regel nicht durch mögliche Überbrückungsmaßnahmen vermieden werden können (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 16.02.1989 - 2 AZR 299/88 - NZA 1989, 923).

bb) Es liegt auch keine erhebliche wirtschaftliche Belastung durch die künftig zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten vor. Die durchschnittlichen in der Vergangenheit jährlich aufzubringenden Entgeltfortzahlungskosten lagen unter dem Zeitraum von sechs Wochen jährlich, wie das Arbeitsgericht zutreffend gesehen hat.

Bei der 37-Stunden-Woche hat die Beklagte für die Entgeltfortzahlung für sechs Wochen 3.332,22 € auszugeben (37 Stunden x 15,01 € x sechs Wochen).

Legt man die von der Beklagten gezahlte Entgeltfortzahlung in dem Referenzzeitraum 1998 bis 2005 von 25.431,34 € zugrunde, so ist von diesem Betrag zunächst die Vergütung für 23 Unfalltage in Höhe von 2.554,70 (23 Tage x 110,07 €) abzuziehen. Der sich ergebende Betrag (22.876,64 €) kommt für die anzustellende Prognose hinsichtlich der Kosten in Zukunft in Betracht. Hieraus ergibt sich die jährlich zu erwartende Durchschnittsbelastung von 2.859,58 €.

Berücksichtigt man nur die Jahre 2002 bis 2005, bleiben die zu erwartenden Kosten der Entgeltfortzahlung in Zukunft auch unter dem für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen aufzuwendenden Betrag.

Die Addition der gezahlten Entgeltfortzahlungskosten für die vier Jahre dieses Referenzzeitraums betragen 14.889,88 €. Hiervon abzuziehen ist die für 18 Unfalltage gezahlte Vergütung in Höhe von 1.981,26 € (18 x 110,07 €). Zieht man diesen Betrag von 14.889,88 € ab, so ergibt sich ein Prognosebetrag in Höhe von 12.908,62 € für den Referenzzeitraum 2002 bis 2005. Die durchschnittliche jährliche Belastung beträgt hier 3.227,16 €. Dieser Betrag liegt ebenfalls unter dem Betrag der für sechs Wochen Entgeltfortzahlung aufzubringen ist (3.332,22 €).

c) Auch wenn man der Auffassung der Beklagten folgt, dass es in Zukunft zu einer erheblichen Belastung durch Entgeltfortzahlungskosten kommt, die einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen überschreiten, so führt die nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gebotene Interessenabwägung dazu, dass diese zu erwartende Beeinträchtigung durch die Entgeltfortzahlung aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles von der Beklagten noch hinzunehmen sind und es der Beklagten zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis trotz dieser zu erwartenden wirtschaftlichen Belastung fortzusetzen.

aa) Die Entgeltfortzahlungskosten, die die Beklagte erwartet, übersteigen den Betrag für die Entgeltfortzahlung von sechs Wochen nicht erheblich. Die Überschreitungen sind nicht als außergewöhnlich (vgl. BAG, Urteil vom 05.07.1990 - 2 AZR 154/90 - AP Nr. 26 zu § 1 Krankheit) bzw. erheblich (BAG, Urteil vom 06.09.1989 - 2 AZR 19/89 - AP Nr. 21 zu § 1 KSchG 1969) anzusehen.

bb) Berücksichtigt man die persönlichen Verhältnisse des Klägers, seine Betriebszugehörigkeit und das Alter, so hat die Beklagte diese Belastung billigerweise noch hinzunehmen. Sie wird hierdurch nicht überfordert, auch wenn die Erkrankungen nicht auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sind.

II. Da die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, kann dahingestellt bleiben, ob schon ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vorliegt, da die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung das Verfahren nach § 84 Abs. 2 SGB IX (betriebliches Eingliederungsmanagement) nicht durchgeführt hat. Weiter kann dahingestellt bleiben, ob der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 BetrVG angehört worden ist.

B. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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