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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 26.10.2005
Aktenzeichen: 18 Sa 553/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 28.01.2005 - 2 Ca 1832/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.

Tatbestand: Die Parteien streiten über restliche Vergütungsansprüche des Klägers für die Monate Juni bis August 2004. Die Beklagte betreibt in D1xxxxxx eine Möbelfabrik. Sie beschäftigt dort cirka 400 Arbeitnehmer. Der am 01.13.14xx geborene Kläger war in der Zeit vom 01.09.1999 bis zum 31.08.2004 als Außendienstmitarbeiter für die Beklagte tätig. Das letzte monatliche Bruttogehalt des Klägers betrug cirka 4.500,-- €. Ab Mitte 2003 gab es Umstrukturierungen im Außendienst der Beklagten. Diese hatten u.a. zum Inhalt, dass die Außendienstmitarbeiter, die zuvor neben einem fixen monatlichen Gehalt Provisionen erhielten, zwar Provisionen zu einem geringeren Satz erhielten, ihnen dafür aber im Gegenzug u.a. ein Dienstwagen gestellt wurde. Im Sommer 2003 holte die Beklagte wegen der Anschaffung der Dienstwagen des Herstellers BMW Angebote ein. Die Beklagte räumte ihren Außendienstmitarbeitern ein, in die Dienstwagen, weil diese auch privat genutzt werden durften, zusätzliche Sonderausstattungen aufzunehmen. Die Außendienstmitarbeiter, so auch der Kläger, erhielten ein Formular über die Ausstattung des Dienstwagens mit dem Angebot für zusätzliche Sonderausstattungen. Der Kläger strich Sonderausstattungen im Wert von 1.422,-- € an und unterzeichnete dieses Schreiben unter dem 14.08.2003 (Bl. 11 d.A.). Im Oktober 2003 wurden die neuen Dienstwagen, die von der Beklagten nebst den Sonderausstattungen bestellt worden waren, den Außendienstmitarbeitern übergeben. Ob und wann der Kaufpreis für die neuen Dienstfahrzeuge und auch der Kaufpreis für die Sonderausstattungen von der Beklagten bezahlt wurde, ist nicht vorgetragen. Unter dem 15.01.2004 schlossen die Parteien einen neuen Arbeitsvertrag (Bl. 5 bis 10 d.A.). In diesem Arbeitsvertrag wurden erstmalig in § 3 Ziffer 3 die Bedingungen geregelt, unter denen die Beklagte den Außendienstmitarbeitern, so auch dem Kläger, einen Dienstwagen zur Verfügung stellte. In dem Arbeitsvertrag heißt es u.a.: § 3 Vertragsunterlagen, Arbeitsmittel ... 3. Darüber hinaus stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zur ordnungsgemäßen Verrichtung seiner Tätigkeit einen Dienstwagen der sog. Mittelklasse, z.B. einen 3er BMW. Werden Zusatzausstattungen gewünscht, die den vom Arbeitgeber vorgegebenen maximalen Kostenrahmen für den Dienstwagen übersteigen, so sind diese vom Arbeitnehmer selbst zu zahlen. Auf eine Erstattung dieser Kosten im Fall der Fahrzeugrückgabe verzichtet der Arbeitnehmer bereits jetzt. .. § 13 Ausschlussklausel 1. Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb einer Frist von einem Monat nach Fälligkeit, spätestens aber innerhalb eines Monats nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses schriftlich gegenüber der anderen Partei geltend zu machen, anderenfalls verfallen sie. 2. Lehnt die andere Partei den Anspruch ab oder erklärt sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs gemäß der Ziffer 1, so verfällt dieser auch, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. Unter dem 15.05.2004 kündigte der Kläger sein Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung. Die Beklagte, die bisher den Betrag für die Sonderausstattung in Höhe von 1.422,-- € von dem Kläger nicht eingefordert und auch nicht schriftlich geltend gemacht hatte, zog vom Nettogehalt des Klägers in den Monaten Juni und Juli 2004 jeweils einen Betrag von 467,50 € und im Monat August 2004 einen Betrag in Höhe von 710,60 € ab. Mit Schreiben vom 06.07.2004 machte der Kläger die Auszahlung der Restvergütung für den Monat Juni 2004 geltend. Die vorliegende Klage hat der Kläger am 07.09.2004 erhoben. Auf die Klageforderung von 1.645,60 € netto hat die Beklagte zwischenzeitlich 223,60 € an den Kläger gezahlt. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, 1.645,60 € netto einzubehalten. Auch ein Einbehalten in Höhe von 1.422,-- € sei ungerechtfertigt, da er durch die Regelung hinsichtlich der Kostenbeteiligung bei Sonderausstattung unangemessen benachteiligt würde. Die Regelung beinhalte nämlich, dass er auch bei einer nur kurzen Nutzungsdauer des Dienstfahrzeugs die Sonderausstattung voll bezahlen müsse, obwohl der Mehrwert nach Rückgabe des Fahrzeugs in das Vermögen der Beklagten fiele. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.422,-- € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.09.2004 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte ist der Auffassung, die Regelung in § 3 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages sei wirksam. Die §§ 305 ff BGB kämen auf den Arbeitsvertrag nicht zur Anwendung, da es sich um individuell ausgehandelte Arbeitsbedingungen handele. Durch Urteil vom 28.01.2005 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Den Streitwert hat es auf 1.422,-- € festgesetzt. In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Anspruch der Beklagten auf Erstattung der Kosten der Sonderausstattung sei nach § 13 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 15.01.2004 verfallen. Der Zahlungsanspruch, auf den die Aufrechnung gestützt werde, sei spätestens am 15.01.2004 mit Vertragsschluss fällig geworden. Eine schriftliche Geltendmachung der Beklagten sei bis zur Aufrechnung nicht erfolgt. Gegen dieses ihr am 24.02.2005 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat die Beklagte am 18.03.2005 Berufung eingelegt und diese am 14.04.2005 begründet. Die Beklagte stützt die Berufung weiter auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie greift das arbeitsgerichtliche Urteil insgesamt an. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei ihr Anspruch auf Bezahlung der Sonderausstattung durch den Kläger schon mit der Unterzeichnung des Angebots für zusätzliche Sonderausstattung am 14.08.2003 entstanden und anerkannt worden. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 28.01.2005 - 2 Ca 1832/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 28.01.2005 - 2 Ca 1832/04 - zurückzuweisen. Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und stützt den Zurückweisungsantrag im Übrigen auch auf seinen erstinstanzlichen Vortrag. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen. Entscheidungsgründe: A. Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Dem Kläger steht der begehrte Restvergütungsanspruch für die Monate Juni, Juli und August 2004 in Höhe von 1.422,-- € gemäß § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag vom 15.01.2004 zu. Der begehrte Vergütungsanspruch ist nicht durch die Aufrechnung der Beklagten gemäß § 389 BGB erloschen. Wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, stand der Beklagten zum Zeitpunkt der Aufrechnung die von ihr geltend gemachte Gegenforderung nicht zu. Falls der Kläger der Beklagten gegenüber zur Zahlung der von ihm gewünschten Sonderausstattung verpflichtet war, so war dieser Anspruch zum Zeitpunkt der Aufrechnung nach § 13 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 15.01.2004 verfallen. I. Entgegen der Auffassung der Beklagten erfasste die Verfallklausel des § 13 des Arbeitsvertrages auch den Erstattungsanspruch, auf den die Beklagte die Aufrechnung stützt. 1. Das Berufungsgericht verkennt nicht, dass, wenn eine tarifliche Ausschlussklausel erstmals auf ein bestehendes Arbeitsverhältnis zur Anwendung kommt, die bis zum Zeitpunkt der Tarifgeltung entstandenen Ansprüche jedenfalls dann nicht erfasst werden, wenn die Klausel keine Regelung über die Rückwirkung enthält (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 26.09.1990 - 5 AZR 218/90 - NZA 1991, 246; BAG, Urteil vom 27.11.1958 - 2 AZR 9/58 - AP Nr. 69 zu § 1 TVG Auslegung). Bei einer tariflichen Verfallklausel führt die Unterwerfung eines schon entstandenen Anspruchs unter die Verfallklausel eines erst von einem späteren Zeitpunkt an geltenden Tarifvertrags zu einer wesentlichen inhaltlichen Veränderung des Anspruchs. Eine spätere Ausschlussklausel greift in die Substanz eines Anspruchs ein, weil dieser nach Ablauf der Ausschlussfrist erlischt und die dann entstehende Rechtslage einem Erfüllungstatbestand gleichkommt, ohne dass die Vertragsparteien eine Einwirkungsmöglichkeit haben. 2. Die Ausgestaltung einer vertraglichen Verfallklausel steht dagegen in der Dispositionsbefugnis der Parteien selbst. Schon aus diesem Grund kann allenfalls davon ausgegangen werden, dass bei Vereinbarung einer vertraglichen Verfallklausel diese nur im Regelfall schon entstandene Ansprüche auch nicht erfasst (vgl. ErfK/Preis, 5. Aufl., §§ 184 bis 218 BGB Rdnr. 54). Bei der Vereinbarung einer vertraglichen Verfallklausel ist maßgeblich dafür, welche Ansprüche von dieser Klausel erfasst werden sollen, der Wille der vertragsschließenden Parteien, so auch im vorliegenden Fall. a) Der Inhalt von Willenserklärungen ist nach §§ 133, 157 BGB objektiv unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach der Sicht des Empfängers zu bestimmen. Der in der auszulegenden Erklärung verkörperte rechtlich maßgebliche Wille ist zu ermitteln. Lässt sich dabei ein überstimmender Wille der Parteien feststellen, so ist dieser allein maßgeblich, auch wenn er in einer Vereinbarung nur unvollkommen oder gar keinen Ausdruck gefunden hat. Das übereinstimmend Gewollte hat Vorrang vor dem insoweit falsch oder nicht ausdrücklich Erklärten. Kann eine solche Feststellung nicht getroffen werden, so sind die jeweiligen Erklärungen der Vertragsparteien jeweils aus der Sicht des Erklärungsempfängers so auszulegen, wie er sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte und musste. Dabei sind die den Parteien erkennbaren Begleitumstände, die für den Erklärungsinhalt von Bedeutung sein können, zu berücksichtigen, wie die Entstehungsgeschichte, das Verhalten der Parteien vor und nach Vertragsschluss, der Zweck der Abmachung und die gegebene Interessenlage (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 24.09.2003 - 10 AZR 34/03 - NZA 2004, 149). b) Nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 des Arbeitsvertrages erfasst die Ausschlussfrist "alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis". Allein aus dem Wortlaut kann nicht festgestellt werden, ob auch schon vor Vertragsschluss begründete Forderungen hierunter fallen. Die erkennbaren Begleitumstände, wie die Entstehungsgeschichte, das Verhalten der Parteien vor und nach Vertragsschluss, der Zweck der Abmachung und die gegebene Interessenlage, sprechen aber für den Willen der Parteien, dass der Arbeitsvertrag vom 15.01.2004 die Neuordnung des Außendienstes der Beklagten und die damit verbundenen geänderten arbeitsvertraglichen Bedingungen der Außendienstmitarbeiter vertraglich bindend festschreiben soll. c) So regelt § 3 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages erstmals die Rechte und Pflichten der Parteien im Rahmen der Stellung eines Dienstwagens durch die Beklagte. Hinsichtlich der Zusatzausstattung ist geregelt, dass, wenn eine solche gewünscht wird, die vom Arbeitgeber vorgegebenen maximalen Kostenrahmen für den Dienstwagen übersteigen, diese vom Arbeitnehmer selbst zu zahlen sind. Auf eine Erstattung dieser Kosten im Fall der Fahrzeugrückgabe verzichtet der Arbeitnehmer bereits jetzt, d.h. bei Vertragsschluss. Zu berücksichtigen ist, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Gestellung der Dienstwagen durch die Beklagte schon vollzogen war. In dem zeitlich kurz nach der Stellung der Dienstwagen abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 15.01.2004 wurden anschließend die rechtlichen Bedingungen der Stellung des Dienstwagens festgeschrieben. Nach dem Willen der Parteien sollte durch den Arbeitsvertrag die rechtliche Grundlage für die Stellung des Dienstwagens geschaffen werden. So stützt die Beklagte den Erstattungsanspruch, den sie der Aufrechnung zugrunde legt, auch auf § 3 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages. Der neue Arbeitsvertrag sollte nach dem Willen der Parteien das vertragliche Dienstwagenrecht erstmalig und abschließend regeln. Damit ergreifen nach dem Willen der Parteien aber auch die vertraglichen Ausschlussfristen in § 13 Abs. 1 des Arbeitsvertrages alle beiderseitigen Ansprüche aus dem neu begründeten vertraglichen Dienstwagenrecht. Da diese Ansprüche erst durch die Vereinbarung in § 3 Abs. 3 des Arbeitsvertrages konkretisiert und begründet worden sind, konnte die Verfallklausel des § 13 bezüglich dieser Ansprüche auch erst mit Vertragsschluss zu laufen beginnen. d) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine Zahlungsverpflichtung des Klägers hinsichtlich der Bezahlung des bestellten Zubehörs durch die Unterzeichnung der Vereinbarung vom 14.08.2003 nicht begründet worden. Durch die Ankreuzung und Unterzeichnung des Angebots für zusätzliche Sonderausstattung vom 14.08.2003 hat sich der Kläger verbindlich allenfalls zur Abnahme der Sonderausstattung verpflichtet. Eine konkrete Zahlungsverpflichtung der Beklagten gegenüber ist durch diese "Bestellung" nicht erfolgt. Aus dem Schreiben vom 14.08.2003 ergibt sich z.B. nicht, wer den Kaufpreis zahlen soll, an wen der Kaufpreis bezahlt werden soll, wer Eigentümer der Zusatzausrüstung wird und welche Erstattungsleistungen bei der Rückgabe des Dienstwagens erfolgen. Erst in § 3 Ziffer 3 Satz 2 des Arbeitsvertrages ist geregelt, dass der Eigenanteil zunächst von den Arbeitnehmern an die Beklagte zu zahlen ist, der Arbeitnehmer aber bereits bei Vertragsschluss auf die Erstattung dieser Kosten bei einer Fahrzeugrückgabe verzichtet. II. Nach § 13 Abs. 1 des Arbeitsvertrages sind alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Frist von einem Monat nach Fälligkeit, spätestens aber innerhalb eines Monats nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses schriftlich gegenüber der anderen Partei geltend zu machen, anderenfalls verfallen sie. Der Erstattungsanspruch der Beklagten bezüglich der Bezahlung der Sonderausstattung des Dienstwagens ist mit der Konkretisierung des Anspruchs in § 3 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages am 15.01.2004 entstanden. Der Anspruch ist verfallen, da die Beklagte den Anspruch nicht innerhalb der einmonatigen Verfallfrist geltend gemacht hat. B. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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