Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 22.11.2006
Aktenzeichen: 18 Sa 640/06
Rechtsgebiete: BGB, BUrlG, ArbGG


Vorschriften:

BGB § 611 Abs. 1
BUrlG § 7 Abs. 4
BUrlG § 13
ArbGG § 67
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 17.03.2006 - 2 Ca 1042/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers.

Der am 10. Juni 1975 geborene Kläger war in der Zeit vom 1. Dezember 2004 bis zum 30. April 2005 als Facharbeiter für Betriebsinstallation zu einem Bruttostundenlohn von 12,00 € im Rahmen einer 40 Stundenwoche bei der Beklagten beschäftigt.

Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag vom 01.12.2004 in dem u.a. folgendes geregelt war:

"§ 1

Urlaub

...

II. Der Mitarbeiter erhält für jeden genommenen Urlaubstag als Urlaubsgeld einen Zuschlag in Höhe von 50 % auf sein regelmäßiges Arbeitsentgelt. Als regelmäßiges Arbeitsentgelt gilt das durchschnittliche Stundenentgelt der letzten drei abgerechneten Monate.

IV. Das Urlaubsjahr endet am 31. März des Folgejahres. Alle bis zu diesem Zeitpunkt nicht genommenen Urlaubstage aus dem Vorjahr entfallen zu diesem Termin ohne jeden Ersatz, es sei denn, die Resttage sind ausschließlich aus Gründen entstanden, welche die Firma zu vertreten hat.

§ 18

Verfallfristen

I. Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.

II. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, reagiert sie also auf die Geltendmachung nicht , so verfällt der Anspruch, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder nach Fristablauf der oben genannten zwei Wochen gerichtlich geltend gemacht wird."

In der Zeit vom 30.03.2005 bis zum 30.04.2005 war der Kläger arbeitsunfähig krank.

Beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis hatte der Kläger auf seinem Arbeitszeitkonto ein Guthaben von 9,5 Stunden. Dieses Guthaben im Gegenwert von 114,00 € brutto war bei Ausscheiden des Klägers aus dem Betrieb der Beklagten unstreitig zu verrechnen.

Dem Kläger bestanden bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch mindestens sieben Urlaubstage zu.

Mit der Klageschrift vom 03.05.2005, eingegangen bei dem Arbeitsgericht Paderborn am 06.05.2005, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Wegen der Berechnung des Urlaubsabgeltungsanspruchs wird auf die Klageschrift verwiesen.

Der Kläger hat ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung vom 11.11.2005 erstmals behauptet, er sei ab 01.05.2005 wieder arbeitsfähig gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.122,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.06.2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, Ansprüche des Klägers seien nach § 18 des Arbeitsvertrages verfallen. Weiter sei der Kläger bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig krank gewesen und habe im Urlaubsjahr die Arbeitsfähigkeit auch nicht wieder erlangt. Der Vortrag des Klägers zur wiedererlangten Arbeitsfähigkeit ab 01.05.2005 sei als verspätet zurückzuweisen.

Durch Urteil vom 17.03.2006 hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.122,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.06.2005 zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits hat es dem Kläger zu 12 % und der Beklagten zu 88 % auferlegt. Der Streitwert ist auf 1.122,00 € festgesetzt worden.

In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, sowohl der Urlaubsabgeltungsanspruch als auch der Anspruch auf Auszahlung des Wertguthabens aus dem Arbeitszeitkonto seien gerechtfertigt. Der Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 11.11.2005 sei nicht verspätet gewesen.

Gegen diese ihm am 05.04.2006 zugestellte Entscheidung hat die Beklagte am 10.04.2006 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 05.07.2006 am 04.07.2006 begründet.

Die Beklagte greift das arbeitsgerichtliche Urteil an, soweit das Arbeitsgericht der Urlaubsabgeltungsklage stattgegeben hat.

Die Beklagte rügt maßgeblich, dass der Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 11.11.2006 verspätet gewesen sei. Das Arbeitsgericht habe es rechtswidrig unterlassen, diesen Vortrag als verspätet zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 17.03.2006 - 2 Ca 1042/05 - teilweise abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger 1.008,00 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sei dem 09.06.2005.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 17.03.2006 - 2 Ca 1042/05 - zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Dem Kläger steht der begehrte Urlaubsabgeltungsanspruch für sieben Urlaubstage gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG i.V.m. dem Arbeitsvertrag in Höhe von 1.008,00 €, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat.

1. Der Urlaubsanspruch für das Urlaubsjahr 2004 ist durch Gewährung im Dezember 2004 erloschen (§ 162 Abs. 1 BGB).

2. Bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien am 30.04.2005 standen dem Kläger aus dem Urlaubsjahr 2005 noch ein Restanspruch von sieben Urlaubstagen zu. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.04.2005 wandelte sich der zu diesem Zeitpunkt bestehende Urlaubsanspruch des Klägers aus dem Urlaubsjahr 2005 in einen Abgeltungsanspruch um, ohne dass weitere Handlungen der Beklagten oder des Klägers notwendig waren (vgl. BAG, Urteil vom 15.01.1995 - 9 AZR 664/93 - AP Nr. 66 zu § 80 BUrlG Abgeltung; BAG, Urteil vom 05.12.1997 - 9 AZR 871/94 - AP Nr. 70 zu § 70 BUrlG Abgeltung). Diese zutreffenden Feststellungen des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit der Berufung schon nicht angegriffen.

3. Entgegen der Auffassung der Beklagten war der Abgeltungsanspruch auch ab 01.05.2005 erfüllbar.

a) Der Abgeltungsanspruch ist das Surrogat des Urlaubsanspruchs. Er ist Ersatz für die wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mögliche Befreiung von der Arbeitspflicht. Er setzt daher voraus, dass der geschuldete Urlaubsanspruch gewährt werden müsste, wenn das Arbeitsverhältnis fortbestünde.

Der Abgeltungsanspruch ist nur erfüllbar, wenn auch der Urlaubsanspruch bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis noch hätte erfüllt werden können. Erforderlich ist daher, dass der Arbeitnehmer bei Fortdauer des Arbeitsverhältnisses jedenfalls für die Dauer des Urlaubsanspruchs seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung hätte erbringen können. Dies trifft beispielsweise nicht zu, wenn ein Arbeitnehmer fortdauernd bis zum Ende des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraumes arbeitsunfähig erkrankt ist.

b) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Kläger ab 01.05.2005 wieder arbeitsfähig war und insoweit ab 01.05.2005 der Urlaubsanspruch hätte erfüllt werden können, wenn das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 30.04.2005 hinaus fortbestanden hätte. Aus dem den Bewilligungsbescheid der Agentur für Arbeit Ahlen vom 23.05.2005 ergibt sich, dass der Kläger ab 01.05.2005 Arbeitslosengeld bezogen hat. Wie das Arbeitsgericht zutreffend im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt hat, setzt die Bewilligung von Arbeitslosengeld die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers voraus.

4. Der erfüllbare Abgeltungsanspruch teilt das Schicksal des Urlaubsanspruchs auch beim Verfall.

a) Nach der Regelung des § 10 IV des Arbeitsvertrages endete das Urlaubsjahr 2005 erst am 31.03.2006. Erst dann sollte der Urlaub aus dem Urlaubsjahr 2005 entfallen.

b) Die Verfallfrist in § 18 des Arbeitsvertrages erfasst die Urlaubsansprüche des Klägers nicht. Die vertragliche Verfallklausel verstößt schon gegen § 13 des Bundesurlaubsgesetzes bezüglich des gesetzlichen Urlaubsanspruches. Bezüglich der übergesetzlichen vertraglichen Urlaubsansprüche enthält § 10 IV des Arbeitsvertrages, eine Sonderregelung.

5. Wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, war der Vortrag des Klägers, er sei seit dem 01.05.2005 wieder arbeitsfähig gewesen, nicht verspätet.

a) Die Beklagte geht zutreffend davon aus, dass der Kläger auch für die Erfüllbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruches darlegungs- und beweispflichtig war. Zu berücksichtigen ist aber hierbei, dass im Arbeitsverhältnis die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers der Normalfall ist und das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit die Ausnahme. Beide Parteien sind bis zum 11.11.2005 in ihrem Vortrag nur davon ausgegangen, dass der Kläger in der Zeit vom 30.03.2005 bis zum 30.04.2005 arbeitsunfähig krank war. So hat auch die Beklagte in der Klageerwiderung vom 25.08.2005 das Nichtentstehen eines Abgeltungsanspruches damit begründet, dass der Kläger in der Zeit vom 30.03.2005 bis zum 30.04.2005 arbeitsunfähig krank gewesen ist. Der Kläger durfte diesen Vortrag so verstehen, dass eine Arbeitsunfähigkeit lediglich bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Beklagten eingewendet wurde und ein ausdrücklicher Vortrag zum Zeitpunkt der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit entbehrlich sei, zumindest solange, bis die Beklagte die Erfüllbarkeit des Abgeltungsanspruchs wegen der Fortdauer der Erkrankung über den 30.04.2005 hinaus rügen werde.

b) Ein Zurückweisungsgrund für die Berufungsinstanz liegt nach § 67 Abs. 1 bis 4 ArbGG nicht vor.

Im Berufungsverfahren ausgeschlossen sind nur nach § 67 Abs. 1 ArbGG Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug zu Recht zurückgewiesen worden sind. Eine solche Zurückweisung ist im ersten Rechtszug nicht erfolgt.

II. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück