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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 01.12.2004
Aktenzeichen: 18 Sa 795/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 611 Abs. 1
BGB § 388
BGB § 389
BGB § 394
ZPO § 850 c
ZPO § 850 d
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 25.02.2004 - 3 Ca 1717/03 - wird zurückgewiesen.

Die Berufung und die Anschlussberufung der Klägerin werden als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 64 % und dem Beklagten zu 36 % auferlegt

Tatbestand: Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche der Klägerin für die Zeit vom 23.05.2003 bis zum 31.08.2003. Gegenüber diesen Ansprüchen hat der Beklagte mit Vorschüssen, Barentnahmen und Forderungen wegen konsumierter Getränke, Speisen und Tabakwaren aufgerechnet. Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 4.830,-- € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.08.2003 zu zahlen sowie weiter den Beklagten zu verurteilen, an sie 881,67 € (brutto) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.10.2003 zu zahlen. Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Durch Urteil vom 25.02.2004 hat das Arbeitsgericht den Beklagten verurteilt, an die Klägerin als Vergütung für die Zeit vom 15.06.2003 bis 31.07.2003 1.188,33 € zu zahlen und als Vergütung für den Zeitraum 01.08.2003 bis 31.08.2003 881,67 € brutto zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin zu 40 % und dem Beklagten zu 60 % auferlegt. Den Streitwert hat es auf 5.711,67 € festgesetzt. In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass der Klägerin die zugesprochene Vergütung für die Zeit vom 15.06.2003 bis zum 31.08.2003 zusteht. Diese Vergütung sei wegen Unpfändbarkeit auch nicht durch die Aufrechnung des Beklagten erloschen. Gegen dieses ihm am 23.03.2004 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat der Beklagte am 22.04.2004 Berufung eingelegt und diese am 17.05.2004 begründet. Die Berufungsbegründung ist der Klägerin am 02.06.2004 zugestellt worden. Die Klägerin hat gegen das ihr am 22.03.2004 zugestellte arbeitsgerichtliche Urteil am 21.06.2004 Berufung, hilfsweise Anschlussberufung eingelegt. Beide Parteien stützen sich maßgeblich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Der Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 25.02.2004 - 3 Ca 1717/03 - abzuändern und unter Zurückweisung der Berufung und Anschlussberufung der Klägerin die Klage insgesamt abzuweisen. Die Klägerin beantragt, unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 25.02.2004 - 3 Ca 1717/03 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 4.830,-- € (brutto) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.08.2003 zu zahlen sowie weiter den Beklagten zu verurteilen, an sie 881,67 € (brutto) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.10.2003 zu zahlen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung verwiesen. Entscheidungsgründe: A. Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet. I. Der Klägerin steht für die Zeit vom 15.06.2003 bis zum 31.08.2003 ein Vergütungsanspruch in Höhe von insgesamt 2.070,-- € brutto zu, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat. II. Dieser von dem Beklagten monatlich abgerechnete Vergütungsanspruch ist nicht durch Aufrechnung bzw. Verrechnung des Beklagten erloschen (§§ 388, 389 BGB). 1. Gegen die Vergütungsansprüche der Klägerin kann der Beklagte nach Maßgabe des § 394 Satz 1 BGB grundsätzlich nur insoweit wirksam aufrechnen, wie sie der Pfändung unterworfen sind. Die sich aus dem Bruttobetrag 2.070,-- € ergebende Nettovergütung ist nach § 850 c ZPO nicht pfändbar, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat. Insoweit wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG verwiesen. 2. Die Berufung auf das Aufrechnungsverbot in § 394 Satz 1 BGB ist nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) dann unzulässig, wenn der Arbeitgeber gegen eine Lohnforderung mit einer Schadensersatzforderung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Arbeitnehmers aufrechnen will (vgl. BAG, Urteil vom 18.03.1997 - 3 AZR 756/95 - NZA 1997, 1108 m.w.N.). a) Aber auch in diesen Fällen ist eine Aufrechnung über die Grenzen des § 850 c ZPO hinaus nur bis zur Grenze des § 850 d ZPO möglich. Zu Lasten des Arbeitgebers sind die Interessen der Allgemeinheit an der Einhaltung von Pfändungsgrenzen zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber darf nicht so weitgehend in die Vergütungsansprüche eingreifen, dass der Arbeitnehmer auf Sozialhilfe angewiesen ist. Der Einwand der Arglist rechtfertigt es nicht, Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers im wirtschaftlichen Ergebnis aus Mitteln der öffentlichen Hand zu befriedigen. Diesem schützenswerten Interesse ist genügt, wenn dem Arbeitnehmer das Existenzminimum verbleibt (vgl. BAG, Urteil vom 18.03.1997 - 3 AZR 756/95 - NZA 1997, 1108; BAG, Urteil vom 16.06.1960 - 5 AZR 121/60 - AP Nr. 8 zu § 394 BGB; BGH, Urteil vom 16.06.1993 - XII ZR 6/92 - NJW 1993, 2105, 2106). Ebenso ist die Interessenlage, wenn der Arbeitgeber gezahlte Vorschüsse mit Vergütungsansprüchen verrechnen will. Auch hier ist eine Verrechnung nur zulässig bis zur Grenze des § 850 d ZPO (vgl. z.B. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 11. Aufl., § 70 Rdnr. 13, § 91 Rdnr. 36). Dem Arbeitnehmer muss ein Betrag zur Bestreitung des notwendigen Unterhalts verbleiben. b) Der zu belassene notwendige Unterhalt liegt zwischen dem angemessenen Unterhalt (§ 1360 a Abs. 1, § 1610 Abs. 1 BGB), der sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen bestimmt und dem "notdürftigen" Unterhalt (§ 1611 Abs. 1 BGB a.F.), der völlige Anspruchslosigkeit voraussetzt. Was zum notwendigen Unterhalt gehört, kann den §§ 22 ff BSHG entnommen werden. In Anlehnung an die Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes würde der Klägerin nach den Grundsätzen der Prozesskostenhilfe ein Notbedarf von 722,-- € (= 24,07 € kalendertäglich) monatlich zustehen (364,-- € Freibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO; 148,-- € Erwerbstätigenfreibetrag nach § 76 Abs. 2 a BSHG; 210,-- € Warmmiete nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO). c) Die vom Beklagten abgerechneten Vergütungsansprüche der Klägerin liegen unter diesem notwendigen Unterhalt. Für die Lohnperiode 15.06. bis 30.06.2003 (16 Tage) stand der Klägerin ein Nettovergütungsanspruch von 273,24 € (= 17,08 € pro Tag) zu. Für die Lohnperiode 01.07. bis 31.07.2003 hat der Beklagte 667,92 € netto abgerechnet. Bei 31 Tagen ergibt sich ein Nettolohnanspruch pro Tag in Höhe von 21,54 €. Für die Lohnperiode 01.08. bis 31.08.2003 hat der Beklagte einen Nettolohn von 694,75 € abgerechnet. Für 31 Tage ergibt sich ein Nettolohnanspruch von 22,41 €. In der gesamten abgerechneten Zeit hat die von der Klägerin erzielte Vergütung die Grenze des notwendigen Unterhalts im Sinne des § 850 d ZPO nicht überschritten. Damit ging die Aufrechnung und Verrechnung des Beklagten ins Leere, selbst dann, wenn es der Klägerin verwehrt gewesen wäre, sich auf das Aufrechnungsverbot nach § 394 Satz 1 BGB zu berufen. B. Die Berufung und die Anschlussberufung der Klägerin sind unzulässig. I. Die Berufung der Klägerin gegen das ihr am 22.03.2004 zugestellte arbeitsgerichtliche Urteil ist verspätet nach Ablauf der bis zum 22.04.2004 laufenden Berufungsfrist bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen. II. Die hilfsweise eingelegte Anschlussberufung ist zwar fristgerecht (§ 64 Abs. 6 ArbGG, § 524 Abs. 2 ZPO) eingelegt worden. Sie ist aber nicht ordnungsgemäß begründet worden (§ 64 Abs. 6 ArbGG, § 524 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Es fehlt eine Auseinandersetzung mit den Gründen des arbeitsgerichtlichen Urteils. Es ist nicht erkennbar, in welchen Punkten tatsächlicher und rechtlicher Art das Urteil unrichtig sein soll. Die vorliegende bloße Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag reicht nicht aus (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 06.12.1994 - 9 AZN 337/94 - NZA 1995, 445). C. Nach alledem haben die eingelegten Rechtsmittel der Parteien keinen Erfolg. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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