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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 05.04.2005
Aktenzeichen: 19 Sa 1/05
Rechtsgebiete: ZPO, KSchG


Vorschriften:

ZPO § 322
KSchG § 1
1. Ist in einem Vorprozess die Unwirksamkeit der Kündigung rechtskräftig durch eine Sachentscheidung festgestellt worden, kann der Arbeitgeber denselben Kündigungssachverhalt nicht zur Rechtfertigung einer erneuten Kündigung vortragen. Der zweiten, rechtzeitig erhobenen Kündigungsschutzklage ist deshalb ohne eine Überprüfung des Kündigungssachverhalts stattzugeben. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber den Kündigungsgrund in dem ersten Prozess nicht ausreichend dargelegt hat.

2. Die Präklusionswirkung der rechtskräftigen Entscheidung in dem Vorprozess steht nicht zur Disposition der Prozessparteien, sondern ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen.


Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 18.11.2004 - 4 Ca 3053/03 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagten werden die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 12.500,00 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses sowie einen Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers.

Der am 21.01.1957 geborene, verheiratete Kläger, der mindestens gegenüber zwei Personen unterhaltspflichtig ist, ist seit dem 13.07.1987 bei der Beklagten als Prüfer zu einem monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt ca. 2500 € und einer regelmäßigen Arbeitszeit von 35 Stunden pro Woche angestellt. Die Beklagte beschäftigte in ihrem Werk in S2xxx, in dem der Kläger tätig war, zuletzt mehr als 200 Arbeitnehmer. Im Interesse der Aufrechterhaltung des Standortes in S2xxx entschloss sich die Beklagte bereits Mitte 2001 zu Restrukturierungsmaßnahmen, die u.a. einen Abbau von 196 Arbeitsplätzen vorsahen. In diesem Zusammenhang schloss die Beklagte mit dem bei ihr gewählten Betriebsrat unter dem 19.11.2001 einen Interessenausgleich sowie einen Sozialplan ab (Bl. 49 bis 64 d.A.). Nachdem sich die Umsatzerwartungen der Beklagten nicht erfüllten und sie in der Folgezeit weitere Verluste hinnehmen musste, entschloss sich die Beklagte Anfang 2003 zu weiteren Umstrukturierungsmaßnahmen sowie zu einem weiteren Personalabbau bezogen auf die Standorte S2xxx und T1xxxxxx. Der Umstrukturierungsbeschluss beinhaltete dabei die beschleunigte Verlagerung der Groß- und Kleinserienproduktion in die Billiglohnländer China und Slowakei, die Ende Juli 2004 abgeschlossen sein sollte, und die Beibehaltung der Kunden- und Produktstruktur bei einer Konzentrierung der Aktivitäten in beiden Standorten auf Vertriebsaufgaben, Entwicklung, Prototypenfertigung, das Industrial Engineering, Reparaturen für die entsprechenden Geräte und die Fertigung der Telekomsysteme am Standort S2xxx. Um diese Maßnahmen durchzuführen, die mit einem Personalabbau am Standort S2xxx von 335 auf 223 Arbeitnehmer verbunden waren, nahm die Beklagte Anfang April 2003 Verhandlungen mit dem Betriebsrat über den Abschluss eines weiteren Interessenausgleichs sowie Sozialplanes auf. Unter dem 17.04.2004 vereinbarten die Betriebspartner einen Interessenausgleich sowie einen Sozialplan. Wegen der Einzelheiten dieser Regelungen wird auf Bl. 68 bis 71 d.A. Bezug genommen. Außerdem schlossen die Betriebspartner unter dem 17.04.2004 eine Betriebsvereinbarung über Auswahlrichtlinien nach § 95 BetrVG ab (Bl. 71 - 73 d.A.). Im Hinblick auf die beschlossenen Umstrukturierungsmaßnahmen kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 27.06.2003 zum 31.12.2003. Diese Kündigung war Gegenstand des zwischen den Parteien geführten Kündigungsschutzverfahrens, in dem durch rechtskräftiges Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 09.07.2004 - 15 Sa 89/04 - die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt wurde. Begründet wurde die Entscheidung mit der unschlüssigen Darlegung des dringenden betrieblichen Interesses und der ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrates sowie mit einer groben Fehlerhaftigkeit der getroffenen Sozialauswahl. Noch vor Abschluss dieses Kündigungsschutzverfahrens leitete die Beklagte mit Schreiben vom 19.11.2003 die Anhörung des Betriebsrates zu einer erneuten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger unter Berufung auf die beschlossenen Umstrukturierungsmaßnahmen ein, die Gegenstand des Interessenausgleichs und des Sozialplanes vom 17.04.2003 waren. Wegen der Einzelheiten des Anhörungsschreibens vom 19.11.2003 wird auf Bl. 77 bis 82 d.A. Bezug genommen. Nachdem der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung mit Schreiben vom 27.11.2003 (Bl. 83 d.A.) unter Hinweis darauf widersprach, dass das vom Kläger am 27.06.2003 eingeleitete Verfahren auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch noch nicht abgeschlossen sei, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 27.11.2003 (Bl. 4 d.A.), dem der Widerspruch des Betriebsrates vom selben Tag beigefügt war, die vorsorgliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger. Gegen diese Kündigung wehrt sich der Kläger mit der am 04.12.2003 beim Arbeitsgericht Hamm eingegangenen Kündigungsschutzklage vom selben Tag. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe auch für die vorsorgliche Kündigung vom 27.11.2003 das Vorliegen des dringenden betrieblichen Erfordernisses nicht schlüssig dargelegt. Insbesondere habe die Beklagte, wie in dem Vorprozess, nicht ausreichend dargelegt, inwieweit die verbliebene Restauslastung in dem FAT-Bereich, in dem er beschäftigt gewesen sei, den Abbau von Arbeitsplätzen rechtfertige. Darüber hinaus sei auch die erneute Kündigung wegen grober Fehlerhaftigkeit der getroffenen Sozialauswahl sowie wegen einer nicht ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrates unwirksam. Der Kläger hat beantragt, 1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27.11.2003 nicht beendet wird, 2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Prüfer weiterzubeschäftigen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die erneute Kündigung sei wirksam. Auf eine fehlende Schlüssigkeit der Darlegung des dringenden betrieblichen Erfordernisses könne sich der Kläger nicht berufen, weil sie mit ihrem neuen Tatsachenvortrag den Rügen der in dem Vorprozess entscheidenden Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm Rechnung getragen habe, so dass die Wiederholung der Erwägungen des Landesarbeitsgerichts nicht geeignet sei, die Schlüssigkeit der Darlegung des dringenden betrieblichen Erfordernisses in Frage zu stellen. Auf eine grobe Fehlerhaftigkeit der getroffenen sozialen Auswahl könne sich der Kläger ebenfalls nicht berufen, weil das Landesarbeitsgericht Hamm bereits in dem Vorprozess zu Unrecht die grobe Fehlerhaftigkeit der getroffenen Sozialauswahl angenommen habe, indem es insbesondere fälschlicherweise nicht berücksichtigt habe, dass der, der Altersgruppe des Klägers angehörende, schwerbehinderte Mitarbeiter W3xxxxxx weiter beschäftigt werde. Schließlich sei auch die Anhörung des Betriebsrates ordnungsgemäß erfolgt, weil sie den Betriebsrat, der in die Umsetzung der Umstrukturierungsmaßnahme und insbesondere auch in die Personalauswahlentscheidungen aufgrund der geführten Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen eingebunden gewesen sei, mit Schreiben vom 19.11.2003 ordnungsgemäß unterrichtet habe. Durch Urteil vom 18.11.2004 hat das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrates festgestellt und die Beklagte zu einer Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt. Gegen das am 03.12.2004 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte am 03.01.2005 Berufung eingelegt und diese mit dem am 03.02.2005 eingegangenen Schriftsatz vom 02.02.2005 begründet. Die Beklagte greift das Urteil insgesamt an. Sie konkretisiert ihr Vorbringen zur ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrates und stützt die Berufung im Übrigen auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 18.11.2004 - 4 Ca 3053/03 abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Der Kläger verteidigt unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Er ist insbesondere der Ansicht, das Vorbringen der Beklagten zur Rechtfertigung der erneuten Kündigung leide an den gleichen Mängeln, wie ihr Vortrag in dem Vorprozess um die Wirksamkeit der Kündigung vom 27.06.2003.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 c ArbGG statthaft. Sie wurde auch form- und fristgerecht eingelegt sowie ordnungsgemäß begründet, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO. II. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Unwirksamkeit der Kündigung vom 27.11.2003 festgestellt und die Beklagte zu einer Weiterbeschäftigung des Klägers zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Prüfer bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung dieses Kündigungsschutzverfahrens verurteilt. 1. Ob die Kündigung vom 27.11.2003 bereits nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG wegen einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrates oder nach § 1 Abs. 3, 4 KSchG wegen einer fehlerhaften sozialen Auswahl unwirksam ist, kann dahingestellt bleiben. Denn diese Kündigung ist jedenfalls nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG bedingt und damit nach § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam. 2. Die Beklagte kann sich auf das Vorliegen eines dringenden betrieblichen Erfordernisses für die Kündigung vom 27.11.2003 nicht berufen, weil es sich dabei im Verhältnis zu der ersten Kündigung vom 27.06.2003, deren Unwirksamkeit durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 09.07.2004 festgestellt worden ist, um eine sog. Wiederholungskündigung handelt. Der Beklagten ist es deshalb im Hinblick auf die Rechtskraft dieser Entscheidung verwehrt, sich zur Rechtfertigung der Wirksamkeit der zweiten Kündigung vom 27.11.2003 auf den gleichen Kündigungssachverhalt zu berufen, der bereits Gegenstand des vorangegangenen Kündigungsschutzverfahrens war. a) Die Rechtskraft einer Entscheidung schließt gemäß § 322 ZPO im Verhältnis zwischen den Parteien zueinander jede hiervon abweichende Feststellung in einem neuen Verfahren über denselben Streitgegenstand aus. Die unterlegene Partei kann ein für sie günstigeres Ergebnis auch nicht dadurch erreichen, dass sie in einem späteren Verfahren andere Tatsachen vorträgt. Mit dem Vortrag solcher Tatsachen ist sie aufgrund der Rechtskraftwirkung ebenso ausgeschlossen wie mit ihrem bisherigen Vorbringen. Der Streitgegenstand eines Verfahrens wird dabei durch die Art des Klagebegehrens, den Antrag und die Begründung der klagenden Partei festgelegt (BAG, Urteil vom 26.03.1981 - 2 AZR 54/79, Juris; LAG Sachsen, Urteil vom 19.03.2002 - 7 Sa 651/01, Juris; Zöller/Vollkommer, 25. Auflage, vor § 322 ZPO Rdnr. 14 ff.; Stein/Jonas/Leipold § 322 ZPO Rdnr. 196 ff., 21 Aufl.). b) Streitgegenstand eines Kündigungsschutzverfahrens ist, ob das Arbeitsverhältnis aus Anlass einer ganz bestimmten Kündigung zu dem von der Kündigung gewollten Termin aufgelöst worden ist oder nicht. Daraus folgt zwar, dass in dem Vorprozess mit Rechtskraftwirkung lediglich entschieden worden ist, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 27.06.2003 zum 31.12.2003 aufgelöst worden ist. Da die Kündigung vom 27.11.2003 eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu 30.04.2004 bewirken soll, hat das vorliegende Verfahren einen anderen Streitgegenstand als der Vorprozess. Die Unwirksamkeit der erneuten Kündigung vom 27.11.2003 kann damit nicht unmittelbar mit der Rechtskraft des ersten Urteils und der sie sichernden Präklusionswirkung begründet werden, weil diese nur eine Rechtsfolge der Rechtskraft ist und deshalb grundsätzlich nicht weiter gehen kann als die Rechtskraft selbst (vgl. BAG, Urteil vom 26.03.1981 - 26.03.1981 - 2 AZR 54/79, Juris). Es ist jedoch weitgehend anerkannt, dass es dem Arbeitgeber aufgrund der sog. erweiterten Präklusionswirkung einer rechtskräftigen Entscheidung im Kündigungsschutzprozess verwehrt ist, eine erneute Kündigung auf einen Kündigungssachverhalt zu stützen, der bereits Gegenstand des vorangegangenen Kündigungsschutzverfahrens war. Denn bei Beschränkung der Präklusionswirkung auf den Streitgegenstand des Kündigungsschutzverfahrens könnte der Arbeitgeber durch Ausspruch von Wiederholungskündigungen erreichen, dass derselbe Kündigungssachverhalt mehrmals Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung und Entscheidung wäre, was mit Sinn und Zweck der Rechtskraft nicht zu vereinbaren wäre. Ist also in einem Kündigungsschutzprozess bereits rechtskräftig entschieden worden, dass ein bestimmter Kündigungssachverhalt nicht geeignet ist, eine Kündigung zu rechtfertigen, so kann der Arbeitgeber eine erneute Kündigung nicht mehr auf die Kündigungsgründe stützen, die er schon zur Begründung der ersten Kündigung vorgebracht hat und die in dem vorangegangenen Kündigungsschutzverfahren auch materiell geprüft worden sind mit dem Ergebnis, dass sie die Kündigung nicht rechtfertigen können. Der zweiten, rechtzeitig erhobenen Kündigungsschutzklage ist in einem solchen Fall ohne eine Überprüfung des Kündigungssachverhalts stattzugeben. Denn das Urteil in dem ersten Prozess ist in der Weise präjudiziell für das zweite Kündigungsschutzverfahren, dass eine erneute materielle - möglicherweise von dem Ergebnis des ersten Prozesses abweichende - Nachprüfung des zur Rechtfertigung der ersten Kündigung verbrauchten Kündigungsgrundes im zweiten Verfahren nicht mehr erfolgen darf (vgl. dazu BAG, Urteil vom 12.02.2004 - 2 AZR 307/03, AP Nr. 75 zu § 1 KSchG 1969; Urteil vom 22.05.2003 - 2 AZR 485/02, BB 2003, 1905; Stein/Jonas/Leipold § 322 ZPO Rdnr. 99 ff., 21 Aufl.; Zöller/Vollkommer vor § 322 ZPO Rdnr. 52 ff.). c) Unter Zugrundlegung dieser Kriterien war das Vorliegen eines dringenden betrieblichen Erfordernisses für die zweite Kündigung vom 27.11.2003 zum 30.06.2004 nicht zu prüfen, weil der von der Beklagten zur Rechtfertigung dieser Kündigung vorgebrachte Kündigungssachverhalt bereits Gegenstand des vorangegangenen Kündigungsschutzverfahrens war. aa) Die Tatsache, dass der Kläger sich auf die Präklusionswirkung der rechtskräftigen Entscheidung in dem Vorprozess im vorliegenden Verfahren nicht berufen hat, steht deren Berücksichtigung nicht entgegen. Denn die Rechtskraftwirkungen einer vorangegangenen Entscheidung stehen nicht zur Dispositionen der Prozessparteien, sondern sind in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (BAG, Urteil vom 28.12.1955 - 2 AZR 496/54, AP Nr. 1 zu § 322 ZPO; BGH, Urteil vom 26.02.1991 - IX ZR 331/89, NJW 1991, 2014, 2015; Stein/Jonas/Leipold § 322 ZPO Rdnr. 21; Gottwald in Münchener Kommentar zur ZPO, 1 Auflage, § 322 ZPO Rdnr. 36). bb) Das Landesarbeitsgericht hat die Unwirksamkeit der ersten Kündigung vom 27.06.2003 in dem Urteil vom 09.07.2004 - 15 Sa 89/04 - nicht nur wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrates nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG, sondern auch wegen einer nicht ausreichenden Darlegung des dringenden betrieblichen Erfordernisses im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG festgestellt. In dem Vorprozess ist damit die Unwirksamkeit der Kündigung nicht nur aus formellen Gründen, sondern auch nach einer materiellen Überprüfung des Kündigungssachverhalts festgestellt worden. Damit liegt eine Sachentscheidung vor, die es der Beklagten aufgrund der erweiterten Präklusionswirkung verwehrt, die erneute Kündigung auf denselben Kündigungssachverhalt zu stützen, der bereits im Vorprozess in materieller Hinsicht überprüft worden ist. Die Tatsache, dass das Landesarbeitsgericht in dem Vorprozess die Unwirksamkeit der Kündigung auch wegen Fehlens einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrates nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG festgestellt hat, steht der Präklusionswirkung des Vorprozesses nicht entgegen. Denn die Feststellung, dass die Kündigung auch aus formellen Gründen nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam ist, ändert nichts daran, dass das Landesarbeitsgericht Hamm auch eine materielle Prüfung des dringenden Erfordernisses im Sinne des § 1 Abs. 1 KSchG vorgenommen und dessen Vorliegen im Ergebnis abgelehnt hat (vgl. BAG, Urteil vom 12.02.2004 - 2 AZR 307/04, Juris, unter B II 2 c ee der Gründe). cc) Die Beklagte beruft sich zur Rechtfertigung der zweiten Kündigung vom 27.11.2003, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, nicht auf einen neuen Kündigungssachverhalt. Vielmehr trägt sie denselben Sachverhalt vor, der bereits Gegenstand der Überprüfung des Vorprozesses war und als Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG nicht anerkannt worden ist. Denn sowohl im Vorprozess als auch im vorliegenden Verfahren beruft sich die Beklagte darauf, dass die Kündigung aufgrund der beschlossenen Umstrukturierungsmaßnahmen gerechtfertigt ist, die Gegenstand des abgeschlossenen Interessenausgleichs und Sozialplanes vom 17.03.2003 waren. Sie trägt auch nicht vor, dass bis zu dem maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 27.11.2003 weitere Umstrukturierungsmaßnahmen beschlossen worden waren, die eine neue Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger rechtfertigen könnten. Vielmehr hat sie zur Rechtfertigung der zweiten Kündigung vom 27.11.2003 - wie insbesondere der schriftlichen Anhörung des Betriebsrates vom 19.11.2003 eindeutig zu entnehmen ist - denselben Kündigungssachverhalt vorgetragen, der bereits Gegenstand der Überprüfung im Vorprozess war. Dass die zweite Kündigung vom 27.11.2003 ebenfalls auf dem Anfang 2004 beschlossenen Personalabbau beruhte, der Gegenstand des Interessenausgleichs und Sozialplanes vom 17.04.2003 war, hat auch der Geschäftsführer der Beklagten in der Berufungsverhandlung vom 05.04.2005 ausdrücklich bestätigt. Dass die zweite Kündigung vom 27.11.2003 auf denselben Kündigungssachverhalt gestützt worden ist, wird auch daraus deutlich, dass die Beklagte insbesondere in den Schriftsätzen vom 02.09.2004 und 05.11.2004 die Ansicht vertritt, dass der Kläger sich auf eine fehlende Darlegung der Wirksamkeitsgründe der erneuten Kündigung nicht berufen könne, weil diese "unter Berücksichtigung einer Konkretisierung der Betriebsratsanhörung und der Sozialauswahlüberlegungen" ausreichend begründet worden sei und ihr neues Vorbringen zum Vorliegen des dringenden betrieblichen Erfordernisses im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG den Rügen des Landesarbeitsgerichts Hamm im Vorprozess Rechnung trage. Auch dieser Vortrag zeigt, dass die Beklagte die zweite Kündigung vom 27.11.2003 nicht auf einen neuen Kündigungssachverhalt stützt, sondern lediglich versucht, durch eine Nachbesserung des Sachvortrags den Kündigungssachverhalt zur Rechtfertigung der zweiten Kündigung heranzuziehen, der im Vorprozess als Kündigungsgrund nicht anerkannt worden ist. Gerade dies soll aber durch die erweiterte Präklusionswirkung eines Urteils im Kündigungsschutzverfahrens verhindert werden. Aus alledem folgt, dass die Unwirksamkeit der Kündigung vom 27.11.2003 ohne erneute Überprüfung des Kündigungsgrundes aufgrund der erweiterten Präklusionswirkung der rechtskräftigen Entscheidung im Vorprozess festzustellen war. Die Tatsache, dass die Unwirksamkeit der Kündigung aufgrund der erweiterten Präklusionswirkung des rechtskräftigen Urteils des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 09.07.2004 erstmals in der Berufungsverhandlung vom 05.04.2005 erörtert worden ist, steht einer darauf gestützten Entscheidung aufgrund dieser Berufungsverhandlung unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs nicht entgegen. Denn die Beklagte hat nach einer ausführlichen Erörterung dieser Problematik auf eine Stellungnahme dazu ausdrücklich verzichtet. II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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