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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 20.12.2005
Aktenzeichen: 19 Sa 1375/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 275
BGB § 315
Die objektive Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers berechtigt den Arbeitgeber zur Ablehnung der Beschäftigung, wenn er den Arbeitnehmer nicht leidensgerecht beschäftigen kann.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 25.05.2005 - 3 Ca 1497/04 - abgeändert und die Beklagte verurteilt, den Kläger als Arbeiter zu beschäftigen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand: Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf tatsächliche Beschäftigung. Der am 26.02.1948 geborene und verheiratete Kläger ist seit dem 12.05.1980 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der Firma G4x (Gebläsebau) als gewerblicher Mitarbeiter beschäftigt. Der Kläger ist in die Lohngruppe VIII eingruppiert. Das aktuelle Bruttomonatseinkommen beträgt 2.343,20 €. Die Beklagte stellte metallene Großventilatoren her. Sie beschäftigt etwa 300 Mitarbeiter. Die Beklagte hat den Betrieb der Firma G4x (Gebläsebau) in 1989 im Rahmen eines Betriebsübergangs übernommen. Seitdem wurde der Kläger ausschließlich als Schweißer im Gehäusebau beschäftigt. Dort hat er insbesondere Blechteile für Gebläsekomponenten verschweißt. Seine Aufgabe bestand darin, zwei Scheiben durch einen sogenannten Abstandhalter, der aus rundlich gebogenen Platten besteht, zu verbinden. Dabei lag eine Scheibe auf dem Tisch, während die andere von einem Kranzug gehalten darüber schwebte. Mit einem weiteren Kran hat der Kläger den anzuschweißenden Abstandhalter gehoben und herangeführt. Dann hat er mit einer Hand die Platte angedrückt und mit der anderen Hand den Schweißautomaten bedient. Der Abstandhalter wurde zunächst durch Punktschweißen geheftet, dann wurde die Schweißnaht gezogen. Die Bleche waren teilweise bis zu 1x1m groß und zwischen 3 und 8 mm stark. Gelegentlich musste er auch Teile mit der Flex zurechtschneiden oder schleifen. Die Tätigkeit erfolgte in Abhängigkeit von der Größe der zu verschweißenden Teile stehend oder sitzend. Der Kläger war im Schichtdienst eingesetzt. Während die Parteien im ersten Rechtszug übereinstimmend vorgetragen hatten, dass der Kläger als Schweißer beschäftigt war, ist im Berufungsrechtszug unstreitig ergänzt worden, dass der Kläger von der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Firma G4x (Gebläsebau) auch im Bereich der Montage beschäftigt wurde. Die Beklagte beschäftigt im Bereich der Endmontage 25 Mitarbeiter, die wie der Kläger in der Lohngruppe VIII eingruppiert sind. In der Endmontage wird der Motor in die gefertigten Gehäuse eingebaut und angeschlossen. Teilweise müssen Zwischenlagerungen und Antriebselemente eingebaut werden. Sodann werden die Ventilatoren versandfertig gemacht und in den Lagerbereich transportiert. Die Montage wird nach Zeichnungen vorgenommen. Die Beklagte setzt in dem Bereich Endmontage neben Schlossern nur Mitarbeiter ein, die eine Facharbeitervorbildung haben und sich die für die Wahrnehmung der Montagetätigkeiten erforderlichen Kenntnisse kurzfristig aneignen können. Der Kläger ist seit dem 31.07.2000 arbeitsunfähig erkrankt. Erst zum 31.03.2004 hat er der Beklagten seine Arbeitsleistung wieder angeboten. Ob er seine Arbeitsfähigkeit wiedererlangt hat, ist streitig. Der Kläger leidet zum einen unter Wirbelsäulenbeschwerden und zum anderen unter thrombotischen Beschwerden. Letztere werden mit dem Medikament Markumar therapiert. Durch die Markumarisierung wird die Gerinnungsfähigkeit des Blutes vermindert und damit der Thrombosegefahr entgegengewirkt. Allerdings führt die verminderte Gerinnungsfähigkeit des Blutes dazu, dass es bei Prellungen leichter zu Blutergüssen kommen kann und bei spitzen Verletzungen vermehrte oder länger andauernde Blutungen eintreten können. Bei der Beklagten gab es im Jahr 2004 18 Arbeitsunfälle, davon 6 Arbeitsunfälle im Bereich des Gehäusebaus. 5 der dortigen Arbeitsunfälle haben sich auf Fingerverletzungen bezogen. In der Endmontage gab es in 2004 2 Arbeitsunfälle. Dabei traten Verletzungen der Hand oder des Auges auf. Unter dem 16.01.2002 hat der Betriebsmediziner Dr. S5xxxxxxxxx ein ärztliches Attest erstellt, wegen dessen Inhalt auf Blatt 63 GA Bezug genommen wird. Er hält den Kläger danach für berufsunfähig und stellt unter anderem auf eine Phobie infolge der Markumarisierung ab. Unter dem 26.01.2002 hat der Orthopäde Dr. Y1xxx ein ärztliches Attest erstellt, wegen dessen Inhalt auf Bl. 62 GA Bezug genommen wird. Er empfiehlt die Berentung des Klägers wegen des bestehenden LWS-Syndroms. Nach der Feststellung des Radiologen Dr. W3xxxx vom 25.07.2002, wegen deren Inhalt auf Bl. 65 GA Bezug genommen wird, leidet der Kläger in Höhe des LWK 2/3 unter einem Bandscheibenvorfall und in Höhe des LWK 4/5 unter einer Protrusion. Auch in einer Kurznachricht des Fachkrankenhauses für physikalische Medizin Weserbergland Klinik vom 03.09.2003 wird die Diagnose einer Lumboischialgie mit einem Bandscheibenvorfall in Höhe des LWK 2/3 bestätigt. Auf Bl. 66 GA wird Bezug genommen. In einem Gutachten für das Sozialgericht Detmold vom 09.09.2002 ist der Psychiater Dr. D3xxxxxx zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger nur noch leichte körperliche Arbeiten verrichten kann. Er stellt dabei auf die festgestellte Funktionsstörung der Wirbelsäule und die Blutgerinnungsstörung ab, kann aber eine eigenständige psychische Störung nicht bestätigen. Die Bemühungen des Klägers um eine Berentung blieben erfolglos. Nachdem der Kläger am 31.03.2004 der Beklagten seine Arbeitsleistung wieder angeboten hatte, veranlasste diese eine betriebsärztliche Untersuchung durch Herrn Dr. B5xxxxx. Dieser teilte am 05.04.2004 mit, dass der Kläger eine chronische Erkrankung habe, die einen Einsatz in einem metallverarbeitenden Betrieb dauerhaft unmöglich mache. Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte ihn als Arbeiter beschäftigen müsse. Er hat vorgetragen, austherapiert und vollschichtig leistungsfähig zu sein. Er habe keine chronische Erkrankung, die einen Einsatz in der metallverarbeitenden Industrie unmöglich mache. Die Beklagte beschäftige auch andere Markumarpatienten. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihn als Arbeiter wieder zu beschäftigen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie behauptet, dass der Kläger entsprechend der Stellungnahme des Zeugen B5xxxxx mit einer chronischen Erkrankung behaftet sei, die einen Einsatz in der metallverarbeitenden Industrie unmöglich mache. Das gelte insbesondere für die dem Kläger obliegende arbeitsvertragliche Verpflichtung als Schweißer. Nach Rücksprache mit dem Betriebsarzt gäbe es im Betrieb der Beklagten keine anderen markumarisierten Mitarbeiter. Durch Beschluss vom 12.01.2005 hat das Arbeitsgericht Beweis erhoben und zu der Behauptung der Beklagten, der Kläger sei aufgrund von thrombotischen Erkrankungen und der damit verbundenen Einnahme des Medikaments "Markumar" sowie Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule mit einer chronischen Erkrankung behaftet, die einen Einsatz in der metallverarbeitenden Industrie - insbesondere als Schweißer - unmöglich mache, ein Sachverständigengutachten eingeholt. Wegen des Inhalts des Sachverständigengutachtens vom 24.03.2005 wird auf Bl. 27 - 71 GA Bezug genommen. In der Zusammenfassung kommt der Gutachter zu folgendem Endergebnis: "1. Im Bereich der metallverarbeitenden Industrie können leichte Arbeiten, unter Einhaltung obiger gesundheitlicher Einschränkungen vollschichtig verrichtet werden. 2. Eine Tätigkeit als Schweißer, so wie auch zuletzt ausgeübt, ist aus hiesiger Sicht nicht möglich" Der Kläger hat das Gutachten nicht für überzeugend gehalten. Der Gutachter habe sich auf abstrakte Ausführungen zu dem Krankheitsbild eines Markumarpatienten und den Tätigkeitsanforderungen eines Schweißers beschränkt. Er habe sich fehlerhaft vorsorgemedizinisch orientiert und die Fragestellung sowie den Prüfungsmaßstab verkannt. Die Beklagte hat das Gutachten für überzeugend gehalten. Soweit der Kläger leichte Arbeiten vollschichtig ausüben könne, sei maßgeblich, dass es keine freien Arbeitsplätze gäbe. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 25.05.2005 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Beschäftigung. Denn er sei nicht in der Lage, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Das habe die Beweisaufnahme durch das eingeholte Sachverständigengutachten ergeben. Da es keine anderen leidensgerechten gewerblichen Arbeitsplätze gebe, könne die Beklagte den Kläger nicht beschäftigen. Das Urteil ist dem Kläger am 16.06.2005 zugestellt worden. Er hat am 12.07.2005 Berufung eingelegt und die Berufung nach Verlängerung der Frist bis zum 16.09.2005 am 16.09.2005 begründet. Der Kläger wendet ein, dass das vom Arbeitsgericht eingeholte Gutachten wertlos sei. Denn der Gutachter habe einen falschen zu vorsorglichen Ansatz gewählt. Es gebe eben keine Kündigung aus gesundheitlicher Fürsorge. Der Gutachter habe lediglich die abstrakte Schweißertätigkeit geprüft. Der Kläger arbeite aber mit Schutzhandschuhen und Arbeitssicherheitskleidung und könne sich daher nicht verletzen. Es gebe kein Verletzungsrisiko. Die Wirbelsäulenerkrankung führe zu keiner Leistungseinschränkung in der zuletzt als Schweißer erbrachten Tätigkeit. Der Betriebsmediziner Dr. S5xxxxxxxxx habe unter dem 05.09.2005 ein ärztliches Attest erstellt, wonach gegen die Tätigkeit als Schweißer in einer Fabrik aus ärztlicher Sicht keine Bedenken bestehen. Wegen des Inhalts des Attests wird Bl. 139 GA Bezug genommen. Die Beklagte beschäftige auch andere Markumarpatienten, beispielsweise den Zeugen S6xxxxx als Schweißer und einen weiteren Elektriker. Der Kläger sei gesundheitlich und nach seiner Eignung in der Lage, die in der Endmontage anfallenden Tätigkeiten zu erbringen. Die dort anfallenden Arbeitsvorgänge seien leicht erlernbar. Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 25.05.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn als Arbeiter wieder zu beschäftigen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts sei nicht zu beanstanden. Der Kläger könne insbesondere als Schweißer nicht mehr beschäftigt werden. Die Schutzkleidung könne das Verletzungsrisiko nicht ausschalten. Das neue Attest von Dr S5xxxxxxxxx sei nicht überzeugend Es widerspreche seiner eigenen Stellungnahme vom 16.01.2002. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet, den Kläger im Bereich der Endmontage zu beschäftigen. Zum einen sei dort kein Arbeitsplatz frei. Zum anderen verfüge der Kläger über die erforderliche Qualifikation nicht. Weder habe er die notwendigen elektrischen Grundkenntnisse, noch könne er Zeichnungen lesen und damit nachvollziehen. Es handele sich auch nicht um einfache Montagetätigkeiten. Vielmehr müssten die dort beschäftigten Mitarbeiter unterschiedliche Schaltungsweisen auseinanderhalten und bei der Verdrahtung berücksichtigen. Deshalb achte die Beklagte auch darauf, dort nur Fachpersonal einzusetzen. Der Kläger habe darüber hinaus erhebliche Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache. Schließlich bestehe auch in der Endmontage ein Verletzungsrisiko. Von einer Markumarisierung des Zeugen S6xxxxx wisse die Beklagte nichts. Entscheidungsgründe: A. Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht. Die Berufung ist statthaft gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 b) ArbGG. Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 517 ff. ZPO. B. Die Berufung des Klägers ist auch begründet. Sie führt zur Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils. I. Gegen die Zulässigkeit des Klageantrages bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Dieser ist insbesondere hinreichend bestimmt nach Maßgabe des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Ein Antrag ist dann hinreichend bestimmt, wenn die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann (BAG vom 24.01.2001, EzA § 253 ZPO Nr. 20; 29.04.2004, EzA § 277 BetrVG 2001 Nr. 8; 10.05.2005 - 9 AZR 230/04 -). Diesen Anforderungen wird der Klageantrag gerecht. Eine Unbestimmtheit ergibt sich nicht aus der Abstraktheit des Begriffs "Arbeiter". Damit hat der Kläger zum Ausdruck gebracht, dass er der Beklagten die Auswahl überlässt, mit welchen konkreten Arbeitsaufgaben sie ihn beschäftigen will. Damit trägt er ersichtlich dem materiellen Recht Rechnung. Denn eine vertragliche Beschäftigungsvereinbarung auf einem bestimmten Arbeitsplatz haben die Parteien nicht getroffen. Bei einer weiteren Konkretisierung des Beschäftigungsantrages liefe der Kläger daher Gefahr, dass die Klage zwar zulässig, aber unbegründet wäre, weil der Arbeitgeber ihm auch einen anderen Arbeitsplatz zuweisen dürfte. II. Der Kläger hat einen Anspruch auf Beschäftigung als Arbeiter. Der arbeitsvertragliche Beschäftigungsanspruch beruht auf §§ 611, 613 BGB i.V.m. § 242 BGB. Der Arbeitgeber ist zur Förderung der Beschäftigungsinteressen des Arbeitnehmers aus dem bestehenden Arbeitsvertrag zur Beschäftigung verpflichtet. Dies ergibt sich aus der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung der Art. 1, 2 GG, die über § 242 BGB auch im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind (BAG Großer Senat, 27.02.1985, EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9). Der Anspruch des Klägers auf Beschäftigung als Arbeiter ist nicht wegen einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit ausgeschlossen. Denn eine solche liegt nicht vor. Die diesbezügliche Einlassung der Beklagten ist als Einrede der Unmöglichkeit nach § 275 BGB zu bewerten. Sie macht geltend, dass die Beschäftigung des Klägers als Arbeiter unmöglich ist. Die Einrede geht fehl. 1. Die Einrede des § 275 BGB gilt auch für die dem Arbeitgeber obliegende Beschäftigungspflicht. Eine objektive Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers macht es dem Arbeitgeber unmöglich, diesem eine Beschäftigung zuzuordnen. Nach der zum 01.01.2002 in Kraft getretenen Neuregelung des Schuldrechts ist ein Anspruch auf eine Leistung im Sinne des § 275 BGB ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich wird. Die neue Gesetzeslage unterscheidet nicht mehr zwischen subjektivem Unvermögen und objektiver Unmöglichkeit. Auch wurde anfängliche und nachträgliche Unmöglichkeit gleichgesetzt. Unmöglichkeit ist gleichbedeutend mit Unerfüllbarkeit. Sie liegt vor, wenn die Leistung von niemandem erbracht werden kann. Dabei gibt es unter anderem die Unmöglichkeit infolge einer Zweckstörung. Unmöglichkeit liegt danach vor, wenn zwar die Leistungshandlung weiterhin möglich ist, sie aber den Leistungserfolg nicht mehr herbeiführen kann (Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 275 Rz. 18 m.w.N.). Die Leistung ist danach unmöglich, wenn der Leistungserfolg wegen Wegsfalls oder Ungeeignetheit des vom Gläubiger zu stellenden Leistungssubstrats nicht mehr herbeigeführt werden kann oder wenn die Leistung aus Gründen unmöglich wird, die in der Person des Gläubigers liegen (Palandt-Heinrichs, a.a.O., Rz. 18). Das Vorliegen einer objektiven Arbeitsunfähigkeit entbindet nicht nur den Arbeitnehmer nach § 275 BGB von der Pflicht zur Arbeitsleistung, sondern auch den Arbeitgeber von der Pflicht, dem Arbeitnehmer eine Beschäftigung zuzuweisen (LAG Hamm, 08.09.1995, - 5 Sa 462/95 - NZA RR 1996, 281). Das Bundesarbeitsgericht hat die Berechtigung des Arbeitgebers, die Annahme der angebotenen Arbeitsleistung - also die Beschäftigung - zu verweigern, bisher davon abhängig gemacht, dass dem Arbeitgeber ein vom Recht anerkannter Grund beiseite steht (BAG 29.10.1987, EzA § 615 BGB Nr. 54). Einen solchen Grund hat das Bundesarbeitsgericht anerkannt, wenn dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung unter Berücksichtigung der dem Arbeitnehmer zuzurechnenden Umstände nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist (BAG Großer Senat 26.04.1956, EzA § 615 BGB Nr. 1). Für den Fall einer Arbeitsunfähigkeit hat das Bundesarbeitsgericht bisher entschieden, dass ein Arbeitgeber nicht aufgrund einer ärztlichen Empfehlung über den Arbeitsplatzwechsel berechtigt ist, die Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers abzulehnen, der objektiv arbeitsfähig ist. Vielmehr käme es maßgeblich auf die objektive Arbeitsunfähigkeit an (BAG 17.02.1998, EzA § 615 BGB Nr. 89). 2. Im Falle einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit kann ein Arbeitgeber die Beschäftigung nur dann verweigern, wenn er den Arbeitnehmer nicht im Wege der Ausübung seines Direktionsrechts leidensgerecht beschäftigen kann. Dies ergibt sich zum Einen aus der Wertung des § 315 BGB. Danach muss der Arbeitgeber sein Weisungsrecht nach billigem Ermessen ausüben und dabei auch die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen. Ist es dem Arbeitgeber ohne Vertragsänderung und ohne Auswirkungen auf die Höhe des Vergütungsanspruchs möglich und organisationsmäßig zumutbar, dem krankheitsbedingt nur eingeschränkt leistungsfähigen Arbeitnehmer eine leidensgerechte Tätigkeit zuzuweisen, so ist die Zuweisung jeder anderen Arbeit unbillig (LAG Hamm 22.09.2005 - 11 Sa 323/05 -; LAG Berlin 09.12.2004 - 16 Sa 1967/04 - DB 2005, 264; BAG 06.12.2001, EzA § 1 KSchG, Interessenausgleich Nr. 9; 11.03.1999 - 2 AZR538/98 -; 18.12.1986 - AP BGB § 297 Nr. 2). Dies folgt auch aus der Wertung des § 618 BGB, wonach der Arbeitgeber zu Schutzmaßnahmen verpflichtet ist, die im Rahmen des Direktionsrechts auch die Pflicht zur Versetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz umfassen kann (Annuß in der Anmerkung zu BAG 17.02.1998, EzA § 615 BGB Nr. 89). Dies ergibt sich schließlich aus der Wertung des § 275 Abs. 2 Satz 1 BGB. Danach kann ein Schuldner die Leistung nur verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu den Leistungsinteressen des Gläubigers steht. Und schließlich folgt dies aus der Wertung des Kündigungsschutzrechts. Denn ein Arbeitgeber ist zur Vermeidung einer krankheitsbedingten Kündigung verpflichtet, einen Arbeitnehmer, der dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen weiterzubeschäftigen, falls ein solcher Arbeitsplatz frei und der Arbeitnehmer für die dort zu leistende Arbeit geeignet ist. Gegebenenfalls hat der Arbeitgeber einen solchen Arbeitsplatz durch Ausübung seines Direktionsrechts freizumachen (BAG 29.10.1998, EzA § 615 BGB Nr. 91). Eine Ausweitung der Unmöglichkeitseinrede nach § 275 BGB über diese Anforderungen zu einer krankheitsbedingten Kündigung würde systemwidrig eine "Kündigung auf kaltem Wege" ermöglichen. 3. Eine Arbeitsunfähigkeit besteht nicht nur, wenn ein Krankheitsgeschehen den Mitarbeiter außer Stande setzt, die geschuldete Arbeit zu verrichten, sondern auch, wenn der Mitarbeiter die Arbeit nur unter der Gefahr fortsetzen könnte, dass sich sein Zustand in absehbarer Zeit verschlimmert oder wenn der Mitarbeiter die Arbeit infolge seiner Krankheit nur unter Umständen fortsetzen kann, die ihm vernünftiger Weise auf Dauer nicht zuzumuten sind (BAG 01.06.1983 - AP Nr. 54 zu § 1 LFG). Eine Arbeitsunfähigkeit in diesem Sinn muss im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung die Zuweisung einer Beschäftigung im Rahmen der vertraglich geschuldeten Leistungen ausgeschlossen haben. Die Darlegungs- und Beweislast für diese die Einrede der Unmöglichkeit tragenden Umstände hat die Beklagte. 4. Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben ist es der Beklagten nicht unmöglich, den Kläger als Arbeiter zu beschäftigen. Zwar kann sie ihn krankheitsbedingt nicht mehr als Schweißer einsetzen. Sie kann ihn aber leidensgerecht in der Endmontage beschäftigen. a) Nach dem Ergebnis der vom Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme ist die Kammer davon überzeugt, dass der Kläger krankheitsbedingt die Tätigkeit eines Schweißers nicht mehr ausüben kann. Das Arbeitsgericht hat das Sachverständigengutachten von Dr. K4xxxxxxx vom 24.03.2005 zutreffend gewürdigt. Hierauf wird nach § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen. Die in der Berufung seitens des Klägers erhobenen Einwände gegen das Gutachten überzeugen nicht. Der Gutachter hat überzeugend die erhöhte Verletzungsgefahr durch den Umgang mit scharfkantigen und bewegten Blechen sowie den Umfang mit Schweißelektroden am Arbeitsplatz des Klägers beschrieben. Er hat festgestellt, dass infolge der Markumarisierung des Klägers eine ausreichende Reduzierung der Gerinnungsfähigkeit des Blutes nicht besteht. Damit ist für den Kläger im Fall einer Verletzung ein erhebliches Gesundheitsrisiko verbunden. Das stellt einen Umstand dar, den man dem Kläger objektiv auf Dauer vernünftigerweise nicht zumuten kann. Daran ändert auch die neue Stellungnahme von Dr. S5xxxxxxxxx nichts. Es ist nämlich nicht erkennbar, auf welchen Erkenntnissen sie beruhen soll. Der Kläger selber hat keine Veränderung seines Gesundheitszustandes seit der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. K4xxxxxxx vorgetragen. b) Es besteht aber keine generelle Arbeitsunfähigkeit für die Tätigkeit eines Arbeiters. Vielmehr ist der Kläger nach dem Ergebnis des Gutachtens in der Lage, "leichte Arbeiten" im Bereich der metallverarbeitenden Industrie vollschichtig auszuüben. Vorliegend kommt ein Einsatz in der Endmontage in Betracht. Denn zum einen ist die Beklagte über ihr Direktionsrecht befugt, dem Kläger eine Tätigkeit in der Endmontage zuzuweisen und zum anderen ist eine Unmöglichkeit der Beschäftigung in diesem Bereich seitens der Beklagten nicht substantiiert beschrieben worden. aa) Das Direktionsrecht ist wesentlicher Inhalt eines jeden Arbeitsverhältnisses. Es ermöglicht dem Arbeitgeber, die in einem Arbeitsverhältnis nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht nach Zeit, Ort und Art zu bestimmen (BAG 23.09.2004, EzA § 611 BGB 2002 Direktionsrecht Nr. 1). Vorliegend gibt es weder einen schriftlichen Arbeitsvertrag noch eine schriftliche Tätigkeitsbeschreibung bzw. einen Nachweis im Sinne des Nachweisgesetzes, aus dem der Inhalt der vereinbarten Leistungspflicht abgeleitet werden könnte. Allerdings kann auch aus der praktischen Handhabung im Arbeitsverhältnis abgeleitet werden, was die Parteien gewollt und vereinbart haben. Der Kläger war nach den unstreitigen Erklärungen in der Berufungsverhandlung im Verlauf des Arbeitsverhältnisses mit Schweißer- und Montagetätigkeiten beschäftigt. Er hat als gewerblicher Mitarbeiter Anlerntätigkeiten in diesen Bereichen ausgeführt. Danach ist die Beklagte befugt, dem Kläger solche Tätigkeiten zuzuordnen. Die Arbeitspflicht des Klägers hat sich nicht auf die Tätigkeit eines Schweißers konkretisiert. Zwar können sich nur rahmenmäßig umschriebene Arbeitspflichten im Laufe der Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren. Dazu gehört jedoch nicht schon der bloße Zeitablauf. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzutreten, aus denen sich ergibt, dass der Arbeitnehmer nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll (BAG 07.12.2000, EzA § 611 BGB Direktionsrecht Nr. 23). Solche besonderen Umstände sind weder ersichtlich noch vorgetragen. bb) Die Beklagte kann sich vorliegend nicht mit Erfolg darauf berufen, dass es ihr unmöglich sei, den Kläger in der Endmontage zu beschäftigen. Insoweit sind - wie bereits ausgeführt - die Grundsätze anzuwenden, die das Bundesarbeitsgericht im Fall einer Kündigung wegen dauerhafter Leistungsunmöglichkeit entwickelt hat. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht die Anwendung dieser Grundsätze auf eine vorübergehende Beschäftigungspflicht während der Kündigungsfristdauer in Frage gestellt (BAG 29.10.1998 - 2 AZR 666/97 - EzA § 615 BGB Nr. 91), dies greift aber vorliegend nicht. Denn vorliegend geht es um die Frage der Beschäftigungsmöglichkeit an sich und nicht nur für die Dauer einer Kündigungsfrist. Die Beklagte hat nicht substantiiert dargelegt, dass die Arbeitsplätze in der Endmontage unter Berücksichtigung der bekannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers nicht leidensgerecht sind. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die Verletzungsgefahren, die im Gehäusebereich durch "schwebende Bleche" oder "Schweißtätigkeiten" verursacht werden, in der Montage bestehen. Der bloße Hinweis auf die zwei Arbeitsunfälle in 2004 ersetzt die Beschreibung einer spezifischen arbeitsplatzbezogenen Verletzungsgefahr nicht. Das hat die Beklagte versäumt. Insoweit hätte es nahe gelegen, Gefährdungsbeurteilungen im Sinne der §§ 5 ff Arbeitsschutzgesetz vorzulegen.

Der Hinweis der Beklagten, dass kein Arbeitsplatz in der Endmontage frei ist, verkennt, dass es darauf nicht ankommt. Ein Arbeitsplatz muss nicht frei sein. Nach den dargestellten Grundsätzen, die das Bundesarbeitsgericht im Fall der Kündigung wegen dauerhafter Leistungsunmöglichkeit entwickelt hat, hat der Arbeitgeber vielmehr im Wege der Direktion gegebenenfalls einen Arbeitsplatz freizumachen. Vorliegend hat die Beklagte nicht dargelegt, dass und gegebenenfalls warum das nicht möglich sein soll. Schließlich sind die Bedenken der Beklagten gegen die Eignung des Klägers für die Arbeit in der Endmontage nicht substantiiert. Es handelt sich ersichtlich um Anlerntätigkeiten, die einfache handwerkliche Fähigkeiten erfordern. Eine Einarbeitung des Klägers in eine veränderte Anlerntätigkeit ist der Beklagten grundsätzlich zuzumuten. Sprachliche Defizite schließen eine erfolgreiche Einarbeitung auch nicht per se aus. Sie können durch den kurzfristigen Dolmetschereinsatz oder durch die Teilnahme an einem fremdsprachigen Einarbeitungskurs ausgeglichen werden. Insoweit ist maßgeblich, dass die Sprachdefizite nur ein Problem im Rahmen der Einarbeitung darstellen, aber nicht während der Dauer der Tätigkeit in der Endmontage. Denn die Beklagte selbst hat vorgetragen, dass es dort insbesondere auf die Fähigkeit ankommt, Zeichnungen zu lesen und danach die Motoren zu verdrahten. Nach alledem war das Urteil des Arbeitsgerichts unter Verurteilung der Beklagten abzuändern. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Für die Zulassung der Revision bestand nach § 72 Abs. 2 ArbGG kein Grund.

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