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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 05.06.2009
Aktenzeichen: 19 Sa 358/09
Rechtsgebiete: KSchG
Vorschriften:
KSchG § 1 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 1 b |
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 22.10.2008 - 2 Ca 802/08 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.
Die am 01.12.1968 geborene, verheiratete und keinem Kind zum Unterhalt verpflichtete Klägerin ist gelernte Rechtsanwalts- und Notarsgehilfin und seit dem 01.01.1991 bei der Beklagten beschäftigt.
Bei der der Beklagten handelt es sich um eine Genossenschaftsbank, die mit 27 Filialen das Gebiet zwischen H1 und B1 O1, R2 und V3 abdeckt. In diesen Filialen sind ca. 120 Finanzberater tätig (sog. "Marktbereich"). Im sog. "Marktfolgebereich" betreibt die Beklagte in ihrer Filiale 25 die Abteilungen Marktfolge-Aktiv sowie die Abteilung Banksteuerung, die wiederum in die Unterabteilungen Marktfolge-Passiv, Innenrevision (mit Personalabteilung), "EDV/Controlling/Orga" und den "Betriebsbereich", der zuständig für Zahlungsverkehr, Buchhaltung usw. ist, zerfällt. In dem "Bereich Marktfolge-Aktiv" befindet sich unter anderem die Kreditsachbearbeitung und auch die Rechtsabteilung, in der die Pfändungen bearbeitet werden. Insgesamt sind bei der Beklagten ca. 350 Arbeitnehmer beschäftigt, die einen Betriebsrat gewählt haben, dessen Vorsitzender Herr L2 ist.
Die Beklagte schloss unter dem 16.09.1991/23.09.1991 mit der Klägerin (damals noch unter ihrem Mädchennamen) einen schriftlichen Anstellungsvertrag. Danach sollte die Klägerin ab dem 01.10.1991 als Mitarbeiterin im Schalterbereich/Zweigstellenbereich E1 tätig sein. Sie verpflichtete sich in § 1 des Vertrages, erforderlichenfalls andere vergleichbare Tätigkeiten zu übernehmen und auch in anderen Zweigstellen tätig zu sein. In § 13 vereinbarten die Parteien die Anwendbarkeit der Bestimmungen der jeweils gültigen Tarifverträge für Kreditgenossenschaften. In § 4 des Vertrages wurde die Klägerin in die tarifliche Gehaltsgruppe 3 im ersten Berufsjahr eingestuft. (Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung des Vertrages Anlage K1, Bl. 4 f. der Akte verwiesen). Die Klägerin wurde nach einem Jahr in die Tarifgruppe 4 höhergruppiert und nach dreieinhalb Jahren von der Filiale E1 (die mit sechs bis sieben Arbeitnehmern besetzt war) in die Filiale O3 (die mit zwei Arbeitnehmern besetzt war) versetzt.
Nach einem weiteren Dreivierteljahr (1995) wechselte die Klägerin von dort in den Marktfolgebereich und ist dort seitdem durchgängig im Bereich Banksteuerung/Marktfolge-Passiv als Sachbearbeiterin für Mitgliedschaften, Kreditkarten und Kundenschließfachgebühren tätig. (Wegen der Einzelheiten der ihr übertragenen Tätigkeiten wird auf die Ausführungen im Schriftsatz der Beklagtenseite vom 04.09.2008 unter II (Bl. 31 ff. der Akte) verwiesen). In dieser Abteilung waren neben der Klägerin vier weitere Arbeitnehmer tätig, die in die Tarifgruppen 5, 6, 7 bzw. 8 eingruppiert sind.
Die Klägerin bezieht aus der Tarifgruppe 4 nach der letzten Tariferhöhung zum 01.09.2008 eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 2.743,00 €. Ihr Ehemann ist derzeit arbeitslos.
Unter dem 12.06.2007 fasste der Vorstand der Beklagten den Beschluss, dass im Privatkundenbereich als "Mindestqualifikation unseres Personals für den Einsatz in diesem Unternehmensbereich (Neueinstellung oder Versetzung) künftig die Ausbildung als Bankkauffrau/-mann" notwendig ist. (Wegen der weiteren Einzelheiten, auch der Begründung des Beschlusses, wird auf dessen Ablichtung Bl. 38 der Akte verwiesen). Dieser Beschluss betrifft den sog. "Marktbereich", also den Einsatz an den Schaltern in den Filialen.
Ende 2007 beschloss der Vorstand, ein sog. "Markt-Service-Center" (im Folgenden MSC genannt) einzurichten. Dieses soll dazu dienen, den Marktbereich zu entlasten, eine kontinuierliche Verbesserung der Datenqualität zu gewährleisten sowie ein Telefonmarketingteam zu implementieren. Die derzeitigen Back-Office-Kräfte in der Gesamtbank wurden zentral in der Filiale 19 (K7 in L3) zusammengefasst. Zu diesem Zweck schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat eine "Betriebsvereinbarung über die Errichtung und Aufrechterhaltung eines Markt-Service-Centers (MSC) für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ...". Darin verpflichtete sich die Beklagte unter § 2, denjenigen Mitarbeitern, die aufgrund der Ausschreibung vom 31.08.2007 in dem Zeitraum vom 01.12.2007 bis zum 31.07.2008 in das MSC versetzt wurden, bis zum 01.07.2011 keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen. In § 6 vereinbarten die Betriebsparteien weiter: "Im Jahre 2008 finden keine betriebsbedingten Kündigungen (Filialen) statt! ". In § 8 heißt es: "Derzeit nicht Betroffene sind die in Filiale 25 tätigen Marktfolgeabteilungen (Aktiv und Passiv)". (Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung dieser Betriebsvereinbarung Bl. 139 ff. der Akte verwiesen).
Im MSC waren zunächst ab dem 01.10.2007 fünf Arbeitnehmer beschäftigt, die sukzessive mit immer mehr Aufgaben betraut wurden. Seit dem 01.04.2008 sind im MSC insgesamt sechzehn Arbeitnehmer tätig, die in einem gesonderten Auswahlverfahren im Oktober 2007 aus insgesamt 33 Bewerbern ausgewählt wurden. Davon arbeiten fünfzehn Arbeitnehmer ganzheitlich in den Bereichen Betreuungen, Nachlässe, Kundenstammvertrag, Freistellungsauftrag, VR-Umzugsservice, Bonusvereinbarungen, EBL-Nutzungen, Kontoeröffnungen jeglicher Art, Mietkautionskunden, Überweisungsrückrufe sowie Pfändungen. Aus der Abteilung Marktfolge-Aktiv, in der die Klägerin tätig war, wechselten seinerzeit die Kollegin O5 in das MSC, weil sie von einer Teilzeittätigkeit auf eine Vollzeittätigkeit aufstockte. Im MSC wird - ursprünglich befristet bis zum 31.12.2008 - auch Frau B5 B6 beschäftigt, die bei der Beklagten zuvor eine Ausbildung als Bankkauffrau absolviert hatte und dann im Anschluss an ihre Berufsausbildung einen befristeten Arbeitsvertrag in der Tarifgruppe 4 erhalten hatte.
Die Mitarbeiter des MSC arbeiten inzwischen mit 66 verschiedenen elektronischen Arbeitsaufträgen ("Tickets"). Im Bereich des MSC haben sich seit seiner Einrichtung aufgrund des Zentralisierungs-, Standardisierungs- und des permanent laufenden Optimierungsprozesses die Arbeitsabläufe derartig eingespielt, dass im Dezember 2007 fünf Vollzeitkräfte 50 "Tickets" pro Tag erledigten, während Mitte des Jahres 2008 10 Vollzeitkräfte bereits 450 "Tickets" pro Tag erledigten.
Im Frühjahr 2008 hatte die Stelle "Prozessoptimierung" dem Vorstand der Beklagten die Verlagerung der Tätigkeiten des Arbeitsplatzes der Klägerin "Bearbeitung Mitglieder/Kreditkarten/Schließfachgebühren" aus dem Bereich Banksteuerung/Marktfolge-Passiv in den Bereich Privatkundenbetreuung/Markt-Service-Center vorgeschlagen und dies mit einer weiteren Entlastung der Marktmitarbeiter von der Sachbearbeitung, kürzeren und effizienteren Arbeitsabläufen (da künftig nur noch zwei statt drei Bankstellen beteiligt sind) sowie einer weiteren Vereinheitlichung der Ablaufprozesse über das "Ticket-System" begründet. Der Vorstand schloss sich diesen Argumenten an und beschloss am 27.05.2008, dass die Tätigkeit des Arbeitsplatzes "Bearbeitung Mitglieder/Kreditkarten/Schließfachgebühren" künftig durch das MSC erledigt werden soll. Im Beschluss heißt es weiter: "Das MSC benötigt hierfür keine zusätzlichen Arbeitskräfte und hat die technischen Voraussetzungen bis spätestens 30.06.2008 geschaffen. Die Übergabe der Arbeitsunterlagen erfolgt sukzessive. Die derzeitige Stelleninhaberin in der Marktfolge-Passiv wird mangels eines geeigneten anderweitigen Arbeitsplatzes betriebsbedingt zum 31.12.2008 gekündigt". (Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung dieses Beschlusses Bl. 37 der Akte verwiesen).
Zu diesem Zeitpunkt war im Bereich der Beklagten unter anderem eine Stelle als Jugendmarktberater/in (ab Tarifgruppe 3) zu besetzen. Der nicht zur Akte gereichte Ausschreibungstext war im Wesentlichen identisch mit dem ähnlicher Stellen, die zu einem späteren Zeitpunkt in R3 und in D5 besetzt werden sollten. Danach gehörte eine Ausbildung zum Bankkaufmann m/w zum Profil des Stellenbewerbers. (Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung der Stellenausschreibung R3 Bl. 95 der Akte verwiesen).
Die Beklagte hörte unter dem 29.05.2008 den Betriebsrat über dessen Vorsitzenden Herrn L2 zur beabsichtigten Kündigung der Klägerin. In der Anhörung wies die Beklagte darauf hin, dass die Klägerin auch für die freie Stelle als Jugendmarktberaterin nicht geeignet sei, weil dort die Ausbildung zur Bankkauffrau und eine entsprechende Weiterqualifizierung notwendig seien. Auch bei den später frei werdenden Stellen zum 16.06.2008 bzw. 01.10.2008 erfülle die Klägerin nicht das Anforderungsprofil. Im Rahmen der durchzuführenden Sozialauswahl sei zu beachten, dass die Mitarbeiter/innen des MSC aufgrund der Betriebsvereinbarung vom 27.12.2007 Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen bis zum 01.07.2011 genössen. Eine Vergleichbarkeit mit den Arbeitnehmern im Marktbereich scheide aus, da die Klägerin aufgrund des Vorstandsbeschlusses vom 12.06.2007 künftig im Marktbereich nicht mehr eingesetzt werden könne. Im Betriebsbereich seien (mit Ausnahme der Hausmeister) in der Unterstützung der Firmenkundenbetreuung und in der Marktfolge-Aktiv keine Vollzeitkräfte ohne Bankausbildung in Tarifgruppe 4 beschäftigt. Zwei weitere Nichtbankkaufleute, die im Betriebsbereich in Tarifgruppe 3 tätig seien, seien entweder länger als die Klägerin im Betrieb der Beklagten beschäftigt oder tariflich unkündbar (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung der Betriebsratsanhörung nebst den drei beigefügten Anlagen "Bearbeitung Mitglieder, Anlage 1", "Bearbeitung Kreditkarten, Anlage 2", "Bearbeitung Kundenschließfächer, Anlage 3" sowie einer Tabelle über die Sozialauswahl mit den Sozialdaten der Klägerin und den Arbeitnehmerinnen C1 G5 und I1 M3, Bl. 39 ff. der Akten verwiesen).
Der Betriebsrat hat mit Schreiben vom 05.06.2008, das laut einem Eingangsvermerk des Vorstandes am 09.06.2008 um 12:50 Uhr dort eingegangen ist, Widerspruch erhoben. Er hält die Herausnahme der Bereiche Controlling, EDV-Systemkoordination und Organisation aus der Sozialauswahl für unzutreffend. Er verweist weiter darauf, dass die Klägerin aufgrund des dort bestehenden befristeten Arbeitsverhältnisses in das MSC wechseln könnte. Es sei der Beklagten zumutbar, die Klägerin durch Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen zu qualifizieren, um die weiteren Tätigkeiten im MSC auszuüben. Im Übrigen seien die Mitarbeiter im MSC überlastet durch die Ticket-Aufstockungen, so dass die Klägerin entweder ihre angestammte Arbeit im MSC fortsetzen könne oder dort das Mahnwesen bearbeiten könne, das im Juni 2008 in das MSC integriert wurde. Schließlich könne die Klägerin einen neuen Arbeitsplatz im MSC ausüben, wenn die Telefonzentrale dorthin verlagert werde. (Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung dieses Schreibens Bl. 8 f. der Akte verwiesen).
Die Beklagte kündigte der Klägerin mit Schreiben vom 10.06.2008 aus dringenden betrieblichen Erfordernissen fristgemäß zum 31.12.2008 und bot ihr gemäß § 1 a Abs. 2 KSchG 23.315,50 € als Abfindung an. (Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung dieses Schreibens Bl. 7 der Akte verwiesen).
Die Klägerin hat gegen diese Kündigung mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2008, am 01.07.2008 beim Arbeitsgericht eingegangen, Kündigungsschutzklage erhoben.
Sie verweist darauf, dass die von ihr bislang erbrachten Arbeiten im Betrieb der Beklagten auch weiter erbracht werden, allerdings im MSC. Damit sei davon auszugehen, dass sich vorliegend die Organisationsentscheidung der Beklagten zur Personalreduzierung (Vorstandsbeschluss vom 27.05.2008) praktisch auf den Kündigungsentschluss reduziere. Den von der Rechtsprechung aufgestellten Erfordernissen (Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 17.06.1999 - 2 AZR 141/99, 2 AZR 522/98 sowie 2 AZR 496/89) werde der Sachvortrag der Beklagten nicht gerecht. Sie könne im MSC nicht nur die bislang von ihr geleisteten Arbeiten, sondern sämtliche von den Mitarbeitern im MSC erledigten Tätigkeiten ohne Einarbeitung sofort durchführen und vor diesem Hintergrund auch die Tätigkeit der Arbeitnehmerin B6 problemlos erledigen. Sie wäre auch durchaus in der Lage gewesen, die Stelle eines Jugendmarktberaters zu übernehmen. In diesem Zusammenhang sei sie bereit gewesen, eine insoweit eventuell erforderliche Weiterbildung beim Genossenschaftsverband in M4 durchzuführen. Dies sei ihr jedoch gar nicht erst angeboten worden.
Die Klägerin bestreitet weiter, dass die Beklagte eine über sämtliche Abteilungen des Betriebes der Beklagten durchgeführte Sozialauswahl vorgenommen hat. Insoweit reklamiert sie eine Vergleichbarkeit mit den Marktmitarbeitern und verweist auf ihre Tätigkeit in den Filialen E1 und O3. Auch aktuell seien im Marktbereich noch Arbeitnehmer tätig, die keine Banklehre absolviert hätten.
Die Klägerin behauptet, dem Betriebsrat seien die in der Ablichtung der Betriebsratsanhörung beigefügten Anlagen nicht übersandt worden.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.06.2008 nicht zum 31.12.2008 beendet wird, sondern darüber hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist darauf, dass sie nicht etwa eine Verlagerung von Tätigkeiten der Klägerin in das MSC vorgenommen habe. Die Bearbeitung der Mitgliedschaften, Kreditkarten und Schließfachgebühren sei bislang in einem System belegloser und beleghafter Hin- und Hersendungen zwischen Marktmitarbeiter, MSC und der Klägerin erfolgt. Die Beklagte habe dieses System vereinfacht, die Abläufe verschlankt und die Kontroll- und Überwachungsfunktionen der Klägerin, an denen kein betriebliches Bedürfnis mehr bestand, entfallen lassen. Aufgrund der guten Erfahrungen und der sehr positiven Entwicklung des MSC, auch was die Effektivität der dort geleisteten Arbeit anging, habe die Beklagte davon ausgehen dürfen, dass die Teilverlagerung von Tätigkeiten der Klägerin dem MSC keine Schwierigkeiten bereiten würde. Im MSC hätten ausreichend freie Ressourcen bestanden, um weitere Aufgaben zu übernehmen.
Die Klägerin könne sich auch nicht auf den "freien" Arbeitsplatz der Arbeitnehmerin B5 B6 berufen, da dieser Arbeitsplatz erst zu einem Zeitpunkt frei werde, in dem auch das Arbeitsverhältnis der Klägerin aufgrund des Fristablaufes enden wird. Im Übrigen sei die Klägerin aufgrund ihrer Qualifikation und ihrer Erfahrung nicht geeignet, die im MSC anfallenden Tätigkeiten zu erledigen.
Die Klägerin habe ebenfalls nicht mit der Tätigkeit des Jugendmarktberaters betraut werden können. Die Stelle sei bankintern mit guten Gründen so ausgeschrieben worden, dass sie nur für einen ausgebildeten Bankkaufmann/-frau infrage komme.
Im Rahmen der Sozialauswahl habe die Beklagte lediglich zwei mit der Klägerin vergleichbare Arbeitnehmerinnen gefunden, die jedoch sozial stärker bzw. nach dem Tarifvertrag unkündbar seien. Aufgrund des Vorstandsbeschlusses vom 12.06.2007 sei eine Vergleichbarkeit der Klägerin mit den Mitarbeiterinnen im Marktbereich nicht gegeben. Eine Vergleichbarkeit zu den Mitarbeitern im MSC scheide ebenfalls aufgrund des in der Betriebsvereinbarung vom 27.12.2007 vereinbarten Kündigungsschutzes der dort beschäftigten Arbeitnehmer aus. Im Bereich Banksteuerung werde kein mit der Klägerin vergleichbarer Mitarbeiter beschäftigt. Die Klägerin habe auch keinen vergleichbaren Mitarbeiter namentlich benannt.
Schließlich sei die Beklagte nicht verpflichtet, einen Mitarbeiter weiterzubilden, um eine betriebsbedingte Kündigung zu verhindern.
Der Betriebsrat sei mit dem Schreiben vom 29.05.2008 nebst den beigefügten Anlagen ordnungsgemäß zur beabsichtigten Kündigung der Klägerin angehört worden.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 22.10.2008 der Klage stattgegeben. Es hat seine Entscheidung unter anderem damit begründet, dass die Beklagte die Klägerin auf der freien Stelle der "Jugendmarktberater/in" hätte weiterbeschäftigen können. Die lange Kündigungsfrist hätte für Weiterqualifizierungsmaßnahmen genutzt werden können. Die Beklagte könne sich der Verantwortung gegenüber "Altarbeitnehmern" ohne eine Ausbildung zur Bankkauffrau/mann nicht dadurch entziehen, dass sie dies nunmehr durch Vorstandsbeschluss untersage.
Gegen das am ihr 05.11.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 19.11.2008, beim erkennenden Gericht am 20.11.2008 eingegangen, Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 05.02.2009 verlängerten Berufungsbegründungsfrist durch Schriftsatz von diesem Tag, am gleichen Tag per Fax vorab beim erkennenden Gericht eingegangen, begründet.
Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags ist die Beklagte nach wie vor der Auffassung, die von ihr ausgesprochene Kündigung sei wirksam. Die Argumentation des Arbeitsgerichts, die Klägerin hätte auf dem freien Arbeitsplatz des Jugendmarktberaters weiterbeschäftigt werden können, sei unzutreffend. Nach einhelliger Rechtsprechung sei anerkannt, dass es zur unternehmerischen Freiheit gehöre, die Anforderungsprofile für eingerichtete Arbeitsplätze festzulegen. Auch gehöre es zur freien Entscheidung des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern mit bestimmten Qualifikationen ausführen zu lassen. Die Klägerin sei seit dreizehn Jahren nicht mehr im Marktbereich tätig. Das Arbeitsverhältnis habe sich daher auf andere Funktionen und Orte konkretisiert.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 22.10.2008 - Az. 2 Ca 802/08 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und verweist darauf, dass die von Frau B6 besetzte Vollzeitarbeitsstelle mit Auslaufen deren Befristung bis zum 31.12.2008 nicht weggefallen sei, sondern betriebsintern November/Dezember 2008 als neu zu besetzende Vollzeitstelle ausgeschrieben wurde. Auch wenn die Klägerin bei den Testaufgaben in dem Rahmen der Bewerbung weniger Punkte erreicht habe als Frau B6, liege das am routinebedingten Einarbeitungsvorsprung der Frau B6 auf diesem Arbeitsplatz und ändere nichts daran, dass die Klägerin nach einer kurzen Anlernphase von höchstens ein bis zwei Wochen problemlos in der Lage wäre, die von Frau B6 erledigten Arbeiten durchzuführen. Auch von den übrigen Arbeitnehmern im MSC sei im Rahmen der Übernahme in das MSC nicht verlangt worden, dass sie sofort sämtliche dort anfallenden Aufgaben erledigen konnten. Auch sie seien zunächst einmal angelernt worden. Die Klägerin sei bildungsbereit und bildungswillig, dies ergebe sich bereits daraus, dass sie nach Ablauf der Kündigungsfrist an einer EDV-Weiterbildung der Deutschen Angestelltenakademie in H1 teilgenommen und dort die ersten fünf Ausbildungskomplexe sämtlich mit dem Ergebnis sehr gut bestanden hat.
Die Beklagte hat darauf erwidert, dass sich insgesamt acht Bewerber für die Stelle, die bis zum 31.12.2008 mit Frau B6 besetzt war, im MSC beworben haben, darunter auch die Klägerin. Die Beklagte habe eine Eignungsprüfung durchgeführt in deren Rahmen Frau B6 nahezu 100 von 100 der zu erreichenden Punkte erreichte und die Klägerin unter 40 von 100 der zu erreichenden Punkte blieb. Vor diesem Hintergrund sei nicht zu beanstanden, dass sich die Beklagte für Frau B6 entschieden habe.
Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
I.
Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), als Bestandsstreitigkeit unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstandes gemäß § 64 Abs. 2 c ArbGG zulässig sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§ 519 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 ArbGG, § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) und innerhalb der Frist (§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) und auch ordnungsgemäß (§ 522 Abs. 3 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG) begründet worden.
II.
In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Die ordentliche Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 10.06.2008 ist sozial ungerechtfertigt und damit nach § 1 Abs. 1 und 2 KSchG unwirksam.
1. Das Kündigungsschutzgesetz findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung, weil die Klägerin länger als sechs Monate im Betrieb der Beklagten beschäftigt war und dieser in kein Kleinbetrieb im Sinne von § 23 Abs. 1 KSchG ist. Die Klägerin hat innerhalb der Frist des § 4 KSchG Klage erhoben, sodass die Wirkungen der §§ 7 und 1 a KSchG nicht eingetreten sind.
2. Im Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ist eine ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn diese durch Gründe, die in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegen oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen, bedingt ist, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Die Beklagte stützt die streitgegenständliche Kündigung auf den Wegfall des Arbeitsplatzes der Klägerin in der Abteilung Marktfolge-Passiv aufgrund ihrer Entscheidung, die Aufgaben der Klägerin in das MSC zu übertragen, wo sie von den dort beschäftigten Arbeitnehmern mit erledigt werden sollen. Sie macht damit dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG geltend.
Es ist anerkannt, dass eine innerbetriebliche Organisationsentscheidung des Unternehmers, mit der die Arbeitsabläufe verändert werden, als Rationalisierungsmaßnahme eine betriebsbedingte Kündigung sozial rechtfertigen kann, sofern die Umsetzung der Organisationsentscheidung zum Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten führt.
Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben. Eine Kündigung ist aus innerbetrieblichen Gründen gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren innerbetrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Von den Arbeitsgerichten voll nachzuprüfen ist, ob eine derartige unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist. Dagegen ist die unternehmerische Entscheidung nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (vgl. dazu zuletzt BAG vom 10.07.2008 - 2 AZR 1111/06 m.w.N. in der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in Rdnr. 24).
Allerdings kann, worauf die Klägerin zutreffend hingewiesen hat, in Fällen, in denen die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss ohne nähere Konkretisierung praktisch deckungsgleich sind, die Vermutung, die Unternehmerentscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht in jedem Fall von vornherein greifen. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber konkrete Angaben dazu machen, wie sich die Organisationsentscheidung auf die Einsatzmöglichkeiten auswirkt und in welchem Umfang dadurch ein konkreter Änderungsbedarf besteht (BAG vom 17.06.1999 - 2 AZR 141/99). In diesen Fällen muss der Arbeitgeber darlegen, in welchem Umfang die fraglichen Arbeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand anfallen und wie diese Arbeiten von dem verbliebenen Personal ohne überobligatorische Leistungen erledigt werden können. Der Arbeitgeber muss im Kündigungsschutzprozess konkrete Angaben dazu machen, wie sich die Umsetzung seiner unternehmerischen Entscheidung auf die Beschäftigungsmöglichkeiten auswirkt: Je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss rückt, umso mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist.
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte auf Befragen der Kammer in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass es im Herbst 2008 zu überobligationsmäßigen Belastungen der Arbeitnehmer in der Abteilung MSC gekommen ist. Sie hat dies jedoch mit den Auswirkungen der Finanzkriese und den damit verbundenen Aktivitäten ihrer Kunden (Ein- bzw. Auszahlungen von Geldern) begründet. Unstreitig sind der Klägerin im Laufe der Kündigungsfrist die ihr obliegenden Aufgaben nach und nach entzogen und auf die Abteilung MSC übertragen worden. Eine überobligatorische Belastung der in dieser Abteilung beschäftigten Arbeitnehmer nach ihrem Ausscheiden hat die Klägerin nicht vorgetragen. Die Kammer neigt vor diesem Hintergrund dazu, den Vortrag der Beklagten, die Mitarbeiter der Abteilung MSC seien durch innerbetriebliche Rationalisierungsmaßnahmen in der Lage gewesen, auch die bislang von der Klägerin ausgeführten Tätigkeiten mit zu übernehmen, als hinreichend substantiiert anzusehen. Dies kann letztlich jedoch dahingestellt bleiben.
3.) Denn der Wegfall des Arbeitsplatzes der Klägerin in der Abteilung Marktfolge-Aktiv rechtfertigt nicht die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin. Die Klägerin hätte gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 b KSchG auf anderen freien Arbeitsplätzen im Betrieb der Beklagten weiterbeschäftigt werden können.
a). Eine Kündigung, die aufgrund einer zum Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes führenden organisatorischen Maßnahme ausgesprochen worden ist, ist nur dann durch ein dringendes betriebliches Erfordernis "bedingt", wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer anderweitig zu beschäftigen. Dies folgt aus dem "Ultima-ratio-Grundsatz".
Der nach der Generalklausel des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu prüfende "Ultima-ratio-Grundsatz" wird in § 1 Abs. 2 KSchG normativ konkretisiert. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 b KSchG ist die Kündigung auch sozial ungerechtfertigt, wenn in Betrieben des privaten Rechts der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. Diese Weiterbeschäftigungspflicht gilt unabhängig davon, ob ein (fristgemäßer) Widerspruch des zuständigen Betriebsrates vorliegt (vgl. dazu BAG vom 24.06.2004 - 2 AZR 326/03, m.w.N. in Rdnr. 26).
Diese Weiterbeschäftigung muss aber sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber objektiv möglich und zumutbar sein. Dies setzt voraus, dass ein freier vergleichbarer (gleichwertiger) Arbeitsplatz oder ein freier Arbeitsplatz zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen vorhanden ist und der Arbeitnehmer über die hierfür erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, Nachweise in BAG a.a.O. Rdnr. 27).
Dabei soll die Gestaltung des Anforderungsprofiles für den freien Arbeitsplatz lediglich auf offenbare Unsachlichkeit zu überprüfen sein und der unternehmerischen Disposition des Arbeitgebers unterliegen. Soweit für die sachgerechte Erledigung der Arbeitsaufgabe bestimmte persönliche oder sachliche Voraussetzungen erforderlich sind, kann die unternehmerische Entscheidung, welche Anforderungen an den Stelleninhaber zu stellen sind, nur auf offenbare Unsachlichkeit überprüft werden. Die Entscheidung des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern mit bestimmten Qualifikationen ausführen zu lassen, ist von den Arbeitsgerichten grundsätzlich jedenfalls dann zu respektieren, wenn die Qualifikationsmerkmale einen nachvollziehbaren Bezug zur Organisation der auszuführenden Arbeit haben. Etwas anderes gilt hingegen bei der Festlegung rein persönlicher Merkmale ohne hinreichenden Bezug zur konkreten Arbeitsaufgabe (vgl. BAG, a.a.O. m.w.N. in seiner ständigen Rechtsprechung in Rdnr. 27).
Beruft sich der Arbeitgeber dagegen auf eine "Neubestimmung" des Anforderungsprofiles eines existierenden Arbeitsplatzes, muss er darlegen, dass hierfür ein betrieblicher Anlass besteht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich der Arbeitgeber bei der Umgestaltung eines Arbeitsplatzes zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung u. a. auf eine Neubestimmung des Anforderungsprofiles beruft. Dies beruht zum einen auf der Nähe einer solchen Unternehmerentscheidung zum Kündigungsentschluss, gilt zum anderen auch deshalb, weil eine Kündigung, die allein darauf hinaus läuft, den Arbeitnehmer bei unveränderter Aufgabenstellung durch einen anderen - ggf. sogar als besser geeignet angesehenen - Arbeitnehmer zu ersetzen, eine unzulässige Austauschkündigung darstellt (vgl. dazu BAG vom 10.07.2008 - 2 AZR 1111/06, mit weiteren Randnachweisen in den Rdnr. 30, 31 und 32).
b). Vor diesem Hintergrund hätte die Beklagte die Klägerin zum einen auf dem Arbeitsplatz der Arbeitnehmerin B5 B6 ab dem 01.01.2009 weiterbeschäftigen können.
aa). Bei diesem Arbeitsplatz handelt es sich um einen "freien" Arbeitsplatz im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 1 b KSchG.
Als "frei" sind nicht nur diejenigen Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind. Sofern der Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung mit hinreichender Sicherheit vorhersehen kann, dass ein Arbeitsplatz bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zur Verfügung stehen wird, ist ein derartiger Arbeitsplatz ebenfalls als "frei" angesehen (so BAG vom 07.02.1991 - 2 AZR 205/90, mit weiterem Nachweis in Rdnr. 21 auf die Entscheidung vom 29.03.1990 - 2 AZR 369/89, dort mit weiteren Nachweisen in Rdnr. 56 auf die Literatur). In seiner Entscheidung vom 15.12.1994 - 2 AZR 327/94 - hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts schließlich verlangt, dass auch solche Arbeitsplätze mit in die Beurteilung einzubeziehen sind, bei denen im Zeitpunkt der Kündigung bereits feststeht, dass sie in absehbarer Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist frei werden, sofern die Überbrückung dieses Zeitraumes dem Arbeitgeber zumutbar ist. Diese Auffassung sei mit einem Erst-Recht-Schluss aus § 1 Abs. 2 Satz 3 KSchG zu begründen (unter Hinweis auf Kiel, Die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im Kündigungsschutz, S. 88 f. bzw. 128 f.). (Vgl. zum Meinungsstand der Literatur Kiel in: Großkommentar zu Kündigungsrecht § 1 KSchG Rdnr. 601 und 602 mit weiteren Nachweisen).
Jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem die Klägerin "nahtlos" auf dem Arbeitsplatz der Arbeitnehmerin B6 weiterbeschäftigt werden kann, handelt es sich bei diesem Arbeitsplatz um einen freien Arbeitsplatz, auch wenn dieser Arbeitsplatz gerade erst in dem Moment frei wird, in dem die Kündigungsfrist der Klägerin abgelaufen ist.
bb). Die Beklagte ist zur Beschäftigung der Klägerin auf diesem Arbeitsplatz verpflichtet, weil dieser Arbeitsplatz mit dem bisherigen Arbeitsplatz der Klägerin vergleichbar (gleichwertig) ist (BAG Urteil vom 29.03.1990 - 2 AZR 369/89, Rdnr. 65).
Vergleichbar ist ein Arbeitsplatz, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer dort aufgrund seines Weisungsrechtes ohne Änderung des Arbeitsvertrages weiterbeschäftigen kann.
Nach § 1 Satz 2 ihres Arbeitsvertrages ist die Klägerin verpflichtet, erforderlichenfalls andere vergleichbare Tätigkeiten zu übernehmen. Sowohl die Tätigkeit der Klägerin in der Marktfolge-Aktiv als auch der Arbeitsplatz im MSC sind Arbeitsplätze, die nicht dem Marktbereich zuzuordnen sind. Sie sind von der Aufgabenstellung her vergleichbar (nämlich Entlastung des Marktbereiches durch Verlagerung der Abwicklung dieser Tätigkeiten in das sog. "Back-Office"). Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sich eine etwaige vielgestaltigere oder anspruchsvollere Tätigkeit der im MSC beschäftigten Arbeitnehmer in einer anderen Eingruppierung niederschlägt. In die Tarifgruppe 4 sind Arbeitnehmer eingruppiert, die Tätigkeiten ausüben, die Kenntnisse und/oder Fertigkeiten erfordern, wie sie in der Regel durch eine abgeschlossene Berufsausbildung oder durch eine um entsprechende Berufserfahrung ergänzte Zweckausbildung oder längere Einarbeitung erworben werden, wobei in der Tarifnorm beispielhaft aufgeführt sind: "Sachbearbeiter in der Belegaufbereitung, im Zahlungs-, Überweisungs- und Abrechnungsverkehr, Arbeitnehmer in der EDV-Arbeitsnachbereitung mit Kontrolltätigkeit".
Ob ein Arbeitnehmer den tätigkeitsbezogenen Anforderungen eines bestehenden Arbeitsplatzes gewachsen ist, ist durch einen Vergleich zwischen dem Anforderungsprofil dieses Arbeitsplatzes und dem Eignungsprofil des unmittelbar kündigungsbedrohten Arbeitnehmers zu ermitteln. Die Vergleichbarkeit setzt voraus, dass der Arbeitnehmer dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, die Funktion des anderen Arbeitnehmers übernehmen kann, was nicht nur bei identischen Tätigkeiten der Fall ist, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Fähigkeiten und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausüben kann. In diesem Zusammenhang ist eine Austauschbarkeit nur anzunehmen, wenn aufgrund der fachlichen Qualifikation des unmittelbar betroffenen Arbeitnehmers oder aufgrund der Art des Arbeitsplatzes eine alsbaldige personelle Einsetzbarkeit nach einer relativ kurzen Einarbeitungszeit gegeben ist. Wenn dagegen die Einarbeitungszeit erheblich ist, entfällt eine Vergleichbarkeit der beiden Arbeitsplätze.
Die Beklagte kann nicht damit gehört werden, die Klägerin sei konkret im MSC nicht einsetzbar. Die Behauptungen der Beklagten, die Klägerin sei aufgrund ihrer Qualifikation und ihrer Erfahrung nicht geeignet die im MSC anfallenden Tätigkeiten zu erledigen, sind in dieser Form zu pauschal und unsubstantiiert, als dass sich die Klägerin hierauf einlassen könnte. Die Beklagte konnte der Klägerin daher eine Tätigkeit im MSC im Rahmen des Direktionsrechts zuweisen.
Für die Auffassung der Beklagten spricht auch nicht, dass die Klägerin im Eignungstest deutlich schlechter abgeschnitten hat, als Frau B6, die bisherige Stelleninhaberin. Der Umstand, dass sich die Arbeitnehmerin B6 nach ihrer Ausbildung im Betrieb der Beklagten sich nach ihrer Übernahme in das MSC bis zum Befristungsablauf auf ihrem Arbeitsplatz sukzessive und umfassend - ebenso wie die anderen Arbeitnehmer, die Ende 2007, Anfang 2008 in das MSC übernommen worden waren - , mit den Arbeitsabläufen im MSC vertraut machen konnte (was sich nach Ansicht der Kammer auch aus der zunehmend rationelleren Bearbeitung der "Tickets" ergibt), kann der Klägerin nicht entgegengehalten werden. Mangels eines entgegenstehenden substantiierten Vortrages der Beklagten geht die Kammer davon aus, dass es sich bei den Ergebnissen der Arbeitnehmerin B6 in dem Eignungstest um routinebedingte Einarbeitungsvorsprünge handelt, die die Klägerin in angemessener Zeit durch eine entsprechende Weiterqualifikation ausmerzen kann. Dass die Klägerin bildungswillig und bildungsfähig ist, hat sie durch ihren Kurs bei der Deutschen Angestelltenakademie im Jahre 2009 unter Beweis gestellt.
Die Beklagte ist auch dann zur Beschäftigung der Klägerin im MSC verpflichtet, wenn sich die Beklagte Frau B6 als Idealbesetzung für die Position vorgestellt hat. Denn die Obliegenheit der Beklagten zur Prüfung der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit beschränkt sich nicht auf die Suche und Findung der geeignetsten, idealen Besetzung. Sie hat sich vielmehr auf alle freien Arbeitsplätze zu erstrecken, für die der zu kündigende Arbeitnehmer eben "nur" geeignet ist. So weicht die Weiterbeschäftigungsobliegenheit nicht einer Art Bestenauswahl, sondern es muss aus kündigungsrechtlicher Sicht im Gegenteil das Bedürfnis nach einer Bestenauswahl ggf. hinter die Weiterbeschäftigungsobliegenheit zurücktreten (vgl. dazu LAG München, vom 12.01.2006 - 3 Sa 790/05, Rdnr. 35). Dies hat die Beklagte - offensichtlich vor dem Hintergrund ihrer rechtsirrigen Auffassung, der Arbeitsplatz der Arbeitnehmerin B6 sei im rechtlichen Sinne kein freier Arbeitsplatz, weil er erst nach Ablauf der Kündigungsfrist frei wird - nicht beachtet.
Die Kammer teilt auch nicht die Auffassung der Beklagten, sie sei nicht verpflichtet, die Klägerin ggf. für eine Tätigkeit im MSC weiterzuqualifizieren. Das Gegenteil ergibt sich aus dem KSchG. Denn zu einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem freien Arbeitsplatz ist der Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 2 Satz 3 KSchG auch dann verpflichtet, wenn die Weiterbeschäftigung nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist. Nach der Gesetzesfassung ist die Existenz eines freien Arbeitsplatzes zum Zeitpunkt der Beendigung der Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahme maßgebend (vgl. dazu nur BAG vom 07.02.1991 - 2 AZR 205/90, Rdnr. 23).
Den Gesetzesmaterialien kann zwar nicht eindeutig entnommen werden, was der Gesetzgeber unter dem Begriff der zumutbaren Umschulung oder Fortbildung verstanden hat (a.a.O., Rn. 30). Nach Auffassung der Kammer war der Beklagten eine Fortbildung oder Umschulung zumutbar, die sich jedenfalls über den Zeitraum der Kündigungsfrist der Klägerin erstreckte und zwar reziprok in dem Umfang, in dem die bisher von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten in das MSC übertragen wurden und die Klägerin über entsprechende zeitliche Freiräume verfügte. Nach Ansicht der Kammer wäre es auch rein praktisch möglich gewesen, die Klägerin vor Ablauf der Kündigungsfrist in das MSC zu versetzen und dort nach und nach mit den dort anfallenden "Tickets" vertraut zu machen. Hätte sich in dieser Zeit herausgestellt, dass die Klägerin den Anforderungen einer Tätigkeit im MSC nicht gewachsen wäre, hätte die Beklagte substantiiert vortragen können, dass eine Weiterbeschäftigung auf dem Arbeitsplatz der Arbeitnehmerin B6 nicht möglich ist.
bb) Als weiterer freier vergleichbarer Arbeitsplatz nach den obigen Ausführungen kommt auch der Arbeitsplatz "Service und Jugendmarktberatung" (ab TG 3) in Betracht.
Die Kammer teilt nicht die Auffassung der Beklagten, der Arbeitsplatz der Klägerin habe sich auf den sog. "Back-Office"-Bereich konkretisiert. Arbeitspflichten können sich zwar nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren. Dazu genügt jedoch nicht schon der bloße Zeitablauf. Immer müssen besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer der Arbeitnehmer erkennen kann und vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll. Dass ein Arbeitnehmer sich im Laufe der Zeit bezüglich der Gestaltung seines persönlichen Umfeldes an der ausgeübten Tätigkeit und insbesondere den Ort seiner Arbeitsleistung ausrichtet, ist nur eine Folge der langjährigen Tätigkeit und begründet, ohne dass weitere Umstände hinzutreten, keine Konkretisierung auf einen bestimmten Arbeitsort oder eine bestimmte Arbeitstätigkeit. Auch aus dem Umstand, dass ein Vertragspartner auf das Bestehen eines vertraglich vereinbarten Rechts (hier eine vorformulierte Zuweisungsklausel) über einen längeren Zeitraum nicht hinweist, darf der andere Vertragspartner nicht den Schluss ziehen, sein Vertragspartner werde von seinem Recht keinen Gebrauch mehr machen (zuletzt BAG vom 13.03.2007 - 9 AZR 433/06). Die Beklagte hat keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass sich die Klägerin über den bloßen Zeitablauf hinaus auf besondere Umstände berufen könnte, sich einer Tätigkeit in einer der Zweigstellen - wie dies in § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages der Parteien vereinbart ist - zu widersetzen.
Die Beklagte hat auch nicht in Abrede gestellt, dass die Klägerin, die zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn knapp fünf Jahre im Marktbereich tätig war, für eine derartige Tätigkeit nicht (mehr) qualifiziert ist.
Sie hat sich vielmehr allein darauf berufen, dass der Vorstand der Beklagten am 12.06.2007 beschlossen hat, im Marktbereich nicht nur bei Neueinstellungen, sondern auch bei Versetzungen die Ausbildung als Bankkauffrau/-mann als Mindestqualifikation vorauszusetzen. Sie hat sich in der mündlichen Verhandlung u. a. auf Haftungsprobleme, die auch im Rahmen der Finanzkrise zutage getreten seien, berufen.
Auch dieser Vortrag der Beklagten ist zu unsubstantiiert. Die Beklagte hätte substantiiert vortragen müssen, aufgrund welcher rechtlichen Regelungen oder Auflagen ihres genossenschaftlichen Prüfverbandes es ihr zukünftig untersagt ist, Arbeitnehmer, die über keine abgeschlossene Banklehre verfügen, im Marktbereich einzusetzen, und zwar auch hinsichtlich solcher Arbeitnehmer, die in der Vergangenheit in diesem Bereich beanstandungsfrei gearbeitet haben. Zudem hält die Kammer das Haftungsrisiko im Jugendmarktbereich, in dem Kunden standardisierte Produkte wie Bausparverträge oder Riester-Verträge verkauft werden, für übersichtlich. Die Beklagte hat auf Befragen der Kammer eingeräumt, diese Verträge fielen in die Risikogruppe 1 (in einer Bandbreite bis 5).
c) Da die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin auf einem anderweitigen freien Arbeitsplatz - ggf. nach einer entsprechenden Fortbildung oder Umschulung - weiterzubeschäftigen, kann dahinstehen, ob die Beklagte die bei der Auswahl der Klägerin die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhaltspflichten der Klägerin nicht ausreichend berücksichtigt hat bzw. Personen, die in die soziale Auswahl einzubeziehen waren, unzutreffenderweise nicht in die soziale Auswahl einbezogen hat.
d) Ebenso kann dahinstehen, ob die Beklagte den in ihrem Betrieb gewählten Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört hat.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Danach hat die Beklagte die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.
IV.
Gründe, die Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht ist der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefolgt. Eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.
Ende der Entscheidung
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