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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 09.06.2006
Aktenzeichen: 19 Sa 881/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 935
ZPO § 940
BGB § 613 a
Der Arbeitnehmer hat gegen den Betriebserwerber einen im einstweiligen Verfügungsverfahren durchsetzbaren vorläufigen Beschäftigungsanspruch, wenn

- er im arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzverfahren gegen den Betriebsveräußerer obsiegt und

- er (wegen Unkenntnis über den Betriebsübergang) keine Möglichkeit hatte, den

Beschäftigungsanspruch zeitgleich mit der arbeitsgerichtlichen Klärung der vor dem Betriebsübergang ausgesprochenen Kündigung durchzusetzen.


Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 04.04.2006 - 3 Ga 14/06 - abgeändert:

Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens LAG Hamm 19 Sa 461/06 als Druckerhelfer tatsächlich zu beschäftigten.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens

Tatbestand:

Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren über den Weiterbeschäftigungsanspruch.

Der am 13.09.1954 geborene, verheiratete und gegenüber einem Kind unterhaltsverpflichtete Kläger ist seit dem 12.01.1984 als Druckerhelfer bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten beschäftigt, wo er zuletzt einen Bruttomonatsverdienst von 2.200,00 € erzielt hat.

Die Beklagte betreibt eine Druckerei und beschäftigt etwa 95 Mitarbeiter. Es besteht ein Betriebsrat.

Die Beklagte hat zum 01.01.2006 den Betrieb von der Firma D2xxxxxxx K2xxxxxx GmbH & Co. KG übernommen.

Die Firma D2xxxxxxx K2xxxxxx GmbH & Co. KG hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 25.05.2005 zum 31.10.2005 gekündigt. Über den 31.10.2005 hinaus war der Kläger nicht mehr im Betrieb tätig.

Der Kläger hat gegen diese Kündigung vor dem Arbeitsgericht Herford unter dem Aktenzeichen 3 Ca 743/05 (jetzt LAG Hamm 19 Sa 461/06) Kündigungsschutzklage erhoben und diese mit einem Weiterbeschäftigungsantrag verknüpft.

Am 09.02.2006 hat der Komplementärgeschäftsführer der Firma D2xxxxxxx K2xxxxxx GmbH & Co. KG den Kläger auf den Betriebsübergang zum 01.01.2006 hingewiesen. Dies geschah im Rahmen des Kammertermins vor dem Arbeitsgericht Herford in dem Kündigungsschutzprozess 3 Ca 743/05. Der Kläger hat durch eidesstattliche Versicherung vom 16.03.2006, wegen deren Inhalts auf Bl. 13 d.A. Bezug genommen wird, erklärt, dass er erst am 09.02.2006 erfahren habe, dass der Betrieb der Firma D2xxxxxxx K2xxxxxx GmbH & Co. KG auf die Beklagte übergegangen ist.

Angesicht der Erklärung des Komplementärgeschäftsführers der Firma D2xxxxxxx K2xxxxxx GmbH & Co. KG erwog der Kläger in dem Kammertermin, den Weiterbeschäftigungsantrag gegen die Beklagte zu richten. Die Beklagte hat zu erkennen gegeben, sich voraussichtlich auf eine solche Klageänderung oder Klageerweiterung nicht einlassen zu wollen. Der Kläger hat vor diesem Hintergrund die angekündigten Klageanträge nicht geändert.

Das Arbeitsgericht entschied unter dem 07.03.2006, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 25.05.2005 aufgelöst wurde. Es wies den gegen die Firma D2xxxxxxx K2xxxxxx GmbH & Co. KG gerichteten Weiterbeschäftigungsantrag zurück.

Das Urteil wurde dem Kläger am 13.03.2006 zugestellt. Er forderte am 07.03.2006 schriftlich die Beklagte auf, ihn zu beschäftigen. Da bis zum 14.03.2006 die Beklagte dem Kläger keine Arbeit zugewiesen hatte, beantragte er mit Schriftsatz vom 16.03.2006, der am 20.03.2006 beim Arbeitsgericht einging, den Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Die Kündigung vom 25.05.2005 erfolgte vor einem betriebsbedingten Hintergrund. Die Beklagte hat anlässlich des Austausches zweier Druckmaschinen durch modernere und leistungsfähigere Typen entschieden, alle drei großen Bogenoffsetdruckmaschinen künftig ausschließlich mit gelernten Druckern zu besetzen. Bis dahin waren die Offsetmaschinen im Dreischichtbetrieb jeweils von einem Drucker und einem Druckerhelfer betrieben worden. Vor diesem Hintergrund hat sie die Arbeitsverhältnisse der bei ihr beschäftigten fünf Druckerhelfer - eben auch das des Klägers - gekündigt und bis Ende 2005 eine entsprechende Zahl von Druckern eingestellt.

Der Kläger hat vorgetragen, dass er nach dem Obsiegen im Kündigungsschutzprozess einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung gegen die Betriebserwerberin habe. Der Verfügungsgrund ergebe sich insbesondere aus dem wegen Zeitablaufs drohenden endgültigen Rechtsverlust.

Er hat beantragt,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens ArbG Herford - AZ: 3 Ca 743/05 - als Maschinenhelfer tatsächlich zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat vorgetragen, dass die Eilbedürftigkeit durch das Verhalten des Klägers widerlegt sei. Dieser hätte nämlich schon im Kammertermin vom 09.02.2006 einen Antrag gegen die Beklagte auf Beschäftigung richten können.

Dem Kläger stehe auch kein Verfügungsanspruch zur Seite. Denn die gegen den Betriebsveräußerer gerichtete Kündigungsschutzklage sei schon unzulässig gewesen. Jedenfalls sei das Urteil nicht gegen die Beklagte ergangen und auch bisher nicht umgeschrieben worden.

Darüber hinaus könne die Beklagte dem Kläger nicht oder nur unter großen Nachteilen beschäftigen. Denn die frühere Stelle des Klägers als Druckerhelfer sei seit Ende 2005 durch einen neu eingestellten Drucker besetzt worden.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 04.04.2006 den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem Kläger der erforderliche Verfügungsgrund nicht zur Seite stehe. Der Kläger hätte schon am 09.02.2006 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Beklagte beantragen können. Sein Zuwarten bis zum 20.03.2006 widerlege die Eilbedürftigkeit.

Das Urteil wurde dem Kläger am 28.04.2006 zugestellt. Die hiergegen gerichtete Berufung und Berufungsbegründung ist am 24.05.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Der Kläger führt aus, dass er keine Möglichkeit gesehen hat, im Kammertermin vom 09.02.2006 eine Entscheidung gegen die Beklagte auf Beschäftigung zu erreichen. Denn die Beklagte habe signalisiert, sich auf einen etwaigen Parteiwechsel nicht einlassen zu wollen.

Es sei nicht zu beanstanden, dass er zunächst die Entscheidung des Arbeitsgerichts über den Kündigungsprozess abgewartet habe. Er habe dann zeitnah nach der Verkündung des Urteils den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Beklagte beantragt.

Er beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 04.04.2006 - 3 GA 14/06 - abzuändern und die Berufungsbeklagte zu verpflichten, den Berufungskläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens ArbG Herford - 3 Ca 743/05 - derzeit Landesarbeitsgericht Hamm - AZ. 19 Sa 461/06 - als Druckerhelfer tatsächlich zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, dass durch das Warten des Klägers nach der Verkündung des Urteils vom 07.03.2006 die Dringlichkeit seines Anliegens widerlegt sei. Der Kläger hätte zudem im Kammertermin vom 09.02.2006 Anträge gegen die Beklagte richten können. Das habe er unterlassen. Dadurch sei die Dringlichkeit widerlegt. Schließlich sei maßgeblich, dass die Beklagte den Kläger als Druckhelfer gar nicht mehr beschäftigen könne, da die Besetzung an den Offsetmaschinen verändert sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Insbesondere wird Bezug genommen auf die eidesstattliche Versicherung des Klägers vom 16.03.2006 (Bl. 13) und die eidesstattliche Versicherung des klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 23.05.2006 (Bl. 52). Die Akte des Verfahrens 19 Sa 461/06 wurde zugezogen.

Entscheidungsgründe:

Die nach der Beschwer (§ 64 Abs. 2 ArbGG) an sich statthafte, form- sowie fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 516 ff. ZPO) hat Erfolg. Die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens 19 Sa 461/06 LAG Hamm als Druckerhelfer weiter zu beschäftigen. Die Pflicht folgt aus §§ 935, 940 ZPO.

Danach ist eine einstweilige Leistungsverfügung zu erlassen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

I.

Der danach erforderliche Verfügungsanspruch ist gegeben. Ein auf eine tatsächliche vorläufige Beschäftigung gerichteter Verfügungsanspruch besteht, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür gegeben ist, dass es eine Pflicht des Beklagten gibt, den Kläger zu beschäftigen (LAG Hamm, v. 12.12.2001 - 10 Sa 1741/01 -).

1. Der gekündigte Arbeitnehmer hat einen arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruch über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen. Dieser Anspruch ergibt sich aus Artikel 1 und 2 GG sowie dem Sozialstaatsprinzip. Der arbeitsvertragliche Beschäftigungsanspruch ist auch Teil des allgemeinen Persönlichkeitsschutzes (BAG, Großer Senat, v. 27.02.1985, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht).

Im Fall des Ausspruchs einer Kündigung begründet die Ungewissheit über den Ausgang eines Kündigungsprozesses in der Regel ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Mitarbeiters nach Ablauf der Kündigungsfrist. Dieses überwiegt in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers.

Im Fall eines die Unwirksamkeit der Kündigung feststellenden Urteils muss dieses Interesse des Arbeitgebers aber grundsätzlich gegen das Beschäftigungsinteresse des Mitarbeiters zurücktreten. Solange ein solches Urteil besteht, kann die Ungewissheit des Prozessausgangs für sich allein ein überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers nicht mehr begründen. Hinzu kommen müssen dann vielmehr zusätzliche Umstände, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen (BAG, v. 27.02.1985, a.a.O.).

2. Dieser Maßstab gilt in der Regel auch, wenn nach Ablauf der Kündigungsfrist ein Betriebsübergang erfolgt ist und der Betriebserwerber nicht Partei im Kündigungsschutzverfahren ist.

Die Interessenabwägung erfolgt im Lichte des Ausgangs des Kündigungsprozesses, da die Parteien dort im ordentlichen Verfahren die Gelegenheiten hatten, die zur rechtlichen Beurteilung der Kündigung aus ihrer Sicht erforderlichen Tatsachen vorzutragen, dafür Beweis anzutreten und ihre Rechtsauffassung darzustellen. Sie haben dort eine erste Klärung der Rechtslage erreicht (BAG, v. 27.02.1985, a.a.O.), die im summarischen Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Verfügung bei der vorzunehmenden Interessenabwägung von erheblichem Gewicht ist (Hessisches Landesarbeitsgericht, v. 03.03.2005 - 9 Sa (Ga) 2286/04 -).

Diese Klärung wirkt auch gegen die Beklagte. Zwar war (und ist) sie nicht Partei des Kündigungsprozesses. Aus den Regelungen der §§ 265 Abs. 2, 325 ZPO, die auf den Betriebsübergang Anwendung finden, ergibt sich aber, dass sie als Rechtsnachfolger das Ergebnis von Prozessen gegen sich wirken lassen muss, die der Veräußerer über den Zeitpunkt des Betriebsübergangs hinaus mit dem Arbeitnehmer geführt hat (BAG, v. 24.05.2005 - 8 AZR 246/04 -, EzA § 613 a BGB, 2002, Nr. 32). Das gilt entsprechend für die im Rahmen der Interessenabwägung zu beachtenden Wirkung eines nicht rechtskräftigen erstinstanzlichen Urteils, das gegen den Veräußerer ergangen ist.

Unstreitig hat die Beklagte den Betrieb zum 01.01.2006 in Folge eines Betriebsübergangs nach § 613 a BGB übernommen.

3. Soweit sich die Beklagte darauf bezieht, dass die gegen den Veräußerer gerichtete Kündigungsschutzklage unzulässig war, greift sie das erstinstanzliche Urteil an und beruft sich letztlich auf die Ungewissheit des Prozessausgangs. Genau dieses Argument steht ihr aber nach Vorliegen des erstinstanzlichen Urteils nicht mehr zur Verfügung. Im Übrigen hat das Bundesarbeitsgericht die Passivlegitimation des Veräußerers für die gerichtliche Klärung der Wirksamkeit einer Kündigung bejaht, wenn die Kündigung vor dem Betriebsübergang erfolgt ist (BAG, v. 18.03.1999, 8 AZR 306/98, EzA § 613 a BGB Nr. 179; BAG, v. 24.05.2005, a.a.O.).

4. Die Einrede der Beklagten, dass ihr die Beschäftigung des Klägers infolge der Einstellung der Drucker und deren Einsatzes auf der bisherigen Stelle des Klägers nicht mehr möglich sei, geht ins Leere. Es rechtfertigt kein überwiegendes Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung des Klägers. Hinsichtlich einer "Unmöglichkeitseinrede" ist auf dem im allgemeinen Schuldrecht geltenden Maßstab des § 275 BGB zurückzugreifen, der regelt, unter welchen Voraussetzungen ein verpflichteter Schuldner ausnahmsweise von der Leistungspflicht befreit wird.

Der sich auf die Unmöglichkeit berufene Schuldner muss also im einstweiligen Verfügungsverfahren Umstände glaubhaft machen, die eine überwiegende Wahrscheinlichkeit begründen, dass eine Unmöglichkeitseinrede nach § 275 BGB begründet ist.

Das ist nach dem Vortrag der Beklagten nicht gegeben.

4.1. Nach § 275 Abs. 1 BGB ist ein Anspruch ausgeschlossen, wenn er für den Schuldner oder für Jedermann unmöglich ist. Die Beklagte kann dem Kläger aber faktisch auch weiterhin Tätigkeiten eines Maschinenhelfers zuordnen. Letztlich macht sie geltend, dass das wirtschaftlich unsinnig ist. Dieses ist aber kein Fall der Unmöglichkeit im Sinne des § 275 Abs. 1 BGB.

4.2. Nach § 275 Abs. 2 BGB kann ein Schuldner eine Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat (§ 275 Abs. 2 Satz 2 BGB).

Die Regelung des § 275 Abs. 2 BGB ist eine eng auszulegende Sondernorm (Palandt-Heinrichs, BGB, 65 Aufl., § 275 Rz. 29). Sie zielt auf Leistungshindernisse aus der materiell-ökonomischen Sphäre und gibt dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn die Leistung angesichts der Erschwernisse von dem Gläubiger vernünftigerweise nicht erwartet werden kann (Hennsler, Graf v. Westfalen-Dedeck, Praxis der Schuldrechtsreform, § 275 Rz. 14).

Das Leistungsinteresse des Gläubigers (also des Klägers) ist erheblich, da sein auf die tatsächliche Beschäftigung gerichtetes Begehren durch Zeitablauf unwiederbringlich untergehen kann.

Das auf Seiten der Beklagten zu berücksichtigende Erschwernis besteht zunächst in der korrespondierend mit der Beschäftigung aufzuwendenden Vergütung. Indes befreit etwaiges finanzielles Unvermögen, das die Beklagte gar nicht konkret eingewandt hat, nicht von Leistungspflicht (Dedeck, a.a.O. Rz. 16). Die darüber hinaus angestellten Überlegungen der Beklagten blieben auch in der Berufungsverhandlung unkonkret. Sie sind letztlich organisatorische Aspekte der Arbeitsverteilung. Sie begründen die Leistungseinrede (§ 275 Abs. 2 BGB) nicht.

II.

Der Verfügungsgrund ist gegeben. Voraussetzung für den Verfügungsgrund im Rahmen einer Beschäftigungsverfügung ist es, dass die einstweilige Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile für den Antragsteller notwendig ist. Der Arbeitnehmer muss auf die faktische Weiterbeschäftigung zur Abwendung erheblicher Nachteile dringend angewiesen sein (LAG Hamm, v. 12.12.2001 - 10 Sa 1741/01 -).

1. Die Dringlichkeit folgt aus dem anderenfalls eintretenden endgültigen Rechtsverlust (LAG Hamm, v. 12.12.2001, a.a.O., Hessisches Landesarbeitsgericht, v. 03.03.2005 - 9 Sa (Ga) 2286/04 -). Eines weitergehenden Nachteils bedarf es grundsätzlich nicht.

2. Der Kläger hat die Eilbedürftigkeit entgegen der Meinung des Arbeitsgerichts nicht durch eigenes Verhalten widerlegt.

2.1. Er hat es zunächst nicht durch das Unterlassen einer Antragstellung gegen die Beklagte im Kündigungsprozess widerlegt. Zwar gilt die Eilbedürftigkeit grundsätzlich als widerlegt, wenn der Arbeitnehmer es unterlassen hat, den Weiterbeschäftigungsantrag in dem von ihm geführten Kündigungsprozess im Wege der objektiven Klagehäufung zu stellen (LAG Hamm, v. 03.02.1998 - 7 Sa 2318/97 -; GK ArbGG-Vossen, § 62 Rz. 71 m.w.N.). Das setzt aber voraus, dass er über den Weg der Klagehäufung einfacher und schneller sein Begehren erreichen konnte.

Daran fehlt es vorliegend. Der Kläger konnte die Verurteilung der Beklagten im Ausgangsverfahren nicht schneller als im einstweiligen Verfügungsverfahren erreichen. Denn ihm war der Umstand des zum 01.01.2006 erfolgten Betriebsübergangs bis zum Kammertermin am 09.02.2006 nicht bekannt. Das hat er durch die eidesstattliche Versicherung vom 16.03.2006 glaubhaft gemacht. Die Beklagte hat keine konkreten gegenteiligen Angaben glaubhaft gemacht.

Der Kläger konnte ohne die Zustimmung der Beklagten am 09.02.2006 den Beschäftigungsanspruch nicht gegen die Beklagte richten und eine erstinstanzliche Entscheidung erreichen. Denn eine gerichtliche Entscheidung in Form eines streitigen Urteils wäre nur möglich gewesen, wenn sich die (neue) Beklagte auf den Antrag eingelassen und selber einen Antrag gestellt hätte. Die Beklagte hat über ihren späteren Prozessbevollmächtigten indes erkennen lassen, sich nicht einlassen zu wollen. Vor diesem Hintergrund hat der Kläger keinen Antrag gegen die Beklagte am 09.02.2006 vor dem Arbeitsgericht Herford gestellt.

Es ist treuwidrig, wenn die Beklagte sich jetzt darauf beruft, dass der Kläger eine solche Antragstellung versäumt hat. Denn durch ihre vorläufige Einlassung im Kammertermin vom 09.02.2006 hat sie gerade das Unterlassen einer Antragstellung veranlasst.

Auch hätte der Kläger keine Möglichkeit gehabt, ein Versäumnisurteil gegen die Beklagte zu erreichen. Denn die Voraussetzungen für den Erlass eines Versäumnisurteils gegen die Beklagte lagen am 09.02.2006 nicht vor. Denn der Beklagten waren die Schriftsätze und Anträge nicht in der nach § 335 Abs. 1 Ziffer. 3 ZPO erforderlichen Frist des § 132 ZPO von einer Woche vor dem Termin mitgeteilt worden.

2.2. Schließlich hat der Kläger die Eilbedürftigkeit auch nicht durch eine verspätete Antragstellung widerlegt. Das wird angenommen, wenn der Arbeitnehmer sechs Monate nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichts im Kündigungsprozess hat verstreichen lassen, bevor er eine einstweilige Verfügung beantragt (LAG Hamm, v. 18.02.1986 - 11 Sa 1656/85 -). Das Landearbeitsgericht Hessen stellt darauf ab, ob die Zeit "länger" war (LAG Hessen, v. 23.03.1987 - 1 Sa (GA) 316/87 -, NZA 1988, 37). Das Landesarbeitsgericht Hamm hat in einer weiteren Entscheidung auch drei Monate Abwarten als zu lang bewertet (v. 03.02.1998 - 7 Sa 2318/07 -). Vorliegend hat der Kläger nicht unverhältnismäßig lange gewartet. Er hat am Tag der Verkündung des Urteils im Kündigungsprozess (07.03.2006) die Beklagte zur Beschäftigung aufgefordert und zwei Tage nach der mit einer Woche knapp bemessenen Frist den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gefertigt, der am 20.03.2006 - also 13 Tage nach dem Urteil im Kündigungsprozess - bei Gericht einging.

Damit hat der Kläger unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls so zügig gehandelt, dass der Eindruck der Eilbedürftigkeit nicht widerlegt ist. Nach alledem war auf die Berufung des Klägers das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO.

Gegen die Entscheidung über den Erlass einer einstweiligen Verfügung ist die Revision nicht zulässig (§ 72 Abs. 4 ArbGG). Das Urteil ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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