Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 17.12.2008
Aktenzeichen: 2 Sa 1020/08
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 102 Abs. 1 Satz 2
Betriebsbedingte Kündigung aufgrund eines Interessenausgleichs mit Namensliste in der Insolvenz.

Haben die Betriebsparteien den gekündigten Arbeitnehmer wegen einer vorgreiflichen Kündigung nicht in die Sozialauswahl einbezogen, führt dies nicht zur Sozialwidrigkeit der Kündigung, wenn der Insolvenzverwalter mit Erfolg geltend machen kann, der Kläger wäre aufgrund der mit dem Betriebsrat vereinbarten Auswahlrichtlinie in jedem Fall entlassen worden.

Kein unzulässiges Nachschieben von Kündigungsgründen gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, wenn der Insolvenzverwalter auf entsprechende Rüge des Arbeitnehmers seinen Sachvortrag zur Sozialauswahl ergänzt.


Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 11.06.2008 - 8 Ca 4752/07 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger will die Unwirksamkeit der von dem Beklagten auf der Grundlage eines Interessenausgleichs mit Namensliste ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung vom 21.08.2007 feststellen lassen.

Der am 26.07.1959 geborene Kläger, der verheiratet ist und ein Kind hat, war bei der Firma D1-H1 GmbH seit dem 16.07.1990 als technischer Angestellter unter Tage gegen eine monatliche Vergütung von 3.037,45 € brutto tätig. Über das Vermögen der Firma D1-H1 wurde am 01.06.2007 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser schloss mit dem Betriebsrat am 18.06.2007 einen Interessenausgleich über die Fortführung des Betriebes mit einer von 940 Mitarbeitern auf 340 Mitarbeiter reduzierten Belegschaftsstärke. Bezüglich der Sozialauswahl der zu kündigenden Mitarbeiter vereinbarten die Betriebsparteien eine Auswahlrichtlinie gemäß § 1 Abs. 4 KSchG, in der die sozialen Gesichtspunkte bei der Auswahl der zu kündigenden Mitarbeiter wie folgt festgelegt wurden:

Lebensalter:

Für jedes vollendete Lebensjahr 1 Punkt max. 55 Punkte

Betriebszugehörigkeit:

Für jedes vollendete Jahr der Betriebszugehörigkeit 1 Punkt

Für jedes vollendete Jahr der Betriebszugehörigkeit ab dem 11. Beschäftigungsjahr 2 Punkte

max. 70 Punkte

Unterhaltspflichten:

Verheiratet 2 Punkte

Je 0,5 Kind lt. Steuerkarte 1 Punkt

Schwerbehinderung:

Schwerbehinderung i.S.d. §§ 85 ff SGB IX oder Gleichstellung 5 Punkte

Bergmannsversorgungsschein:

5 Punkte

Liegen sowohl Schwerbehinderung oder Gleichstellung und ein Bergmannsversorgungsschein vor, bleibt es bei 5 Punkten

Als Stichtag für die Berechnung wurde der 06.06.2007 zugrunde gelegt. Bei Mitarbeitern, die eine gleichhohe Punktzahl aufweisen oder bei denen eine Differenz von bis zu 6 Punkten vorliegt, verpflichteten sich die Betriebsparteien zu einer einvernehmlichen Entscheidung im Wege einer individuellen Abschlussprüfung.

Dem Interessenausgleich war als Anlage 2 eine Aufstellung der Vergleichsgruppen beigefügt. Beigefügt war ferner als Anlage 1 eine Namensliste der zu kündigenden Mitarbeiter, auf die im Interessenausgleich unter II.2. Bezug genommen worden ist.

In Teil 1 II.5. des Interessenausgleichs heißt es, dass in die soziale Auswahl diejenigen Mitarbeiter nicht einbezogen worden seien, die nach Maßgabe des Interessenausgleichs/Sozialplans vom 15.08.2006 eine betriebsbedingte Kündigung erhalten hätten, die wegen anhängiger Kündigungsschutzklage noch nicht rechtskräftig geworden sei. Zu diesem Personenkreis gehört auch der Kläger, dessen Arbeitsverhältnis bereits vor Insolvenzeröffnung von der Insolvenzschuldnerin am 27.09.2006 fristgemäß zum 31.03.2007 gekündigt worden war. Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 16.01.2008 in dem Rechtsstreit 8 Ca 4668/06 rechtskräftig die Unwirksamkeit dieser Kündigung festgestellt.

Eine Liste der laufenden Kündigungsschutzverfahren mit den Namen der betroffenen Arbeitnehmer, zu denen auch der Kläger gehört, ist als Anlage 3 dem Interessenausgleich vom 18.06.2007 beigefügt.

Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam und sozialwidrig. Er hat vorgetragen, eine schlüssige Unternehmerentscheidung liege nicht vor. Die Sozialauswahl sei nicht gemäß § 1 Abs. 3 KSchG ordnungsgemäß durchgeführt worden. Außerdem rügt der Kläger die nicht ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats sowie die unterbliebene Massenentlassungsanzeige.

Der Beklagte hat vorgetragen, die erforderliche Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 KSchG sei am 26.06.2007 gegenüber der Agentur für Arbeit D2 erstattet worden. Er hat das Eingangsbestätigungsschreiben der Bundesagentur für Arbeit vorgelegt. Darauf wird Bezug genommen (Bl. 77 d.A.).

Der Beklagte beruft sich auf die Vermutungswirkung gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und trägt vor, der Kläger sei in der Anlage 3 des Interessenausgleichs namentlich als zu kündigende Person benannt worden. Im Rahmen der sozialen Auswahl gehöre der Kläger zur Vergleichsgruppe der technischen Angestellten Bergtechnik Lohngruppe T03, T02. Gemäß der vereinbarten Auswahlrichtlinie ergäben sich für den Kläger insgesamt 78 Punkte. Aus dieser Vergleichsgruppe seien alle Mitarbeiter mit weniger als 89 Sozialpunkten entlassen worden. Die Kündigung des Klägers wäre daher auch dann unvermeidlich gewesen, wenn er in die soziale Auswahl einbezogen worden wäre. Die Unterrichtung und Anhörung des Betriebsrats sei mit dem Interessenausgleich verbunden worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 11.06.2008 antragsgemäß festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 21.08.2007 mit dem 30.11.2007 beendet worden ist. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kündigung sei gemäß § 1 Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt, weil bezogen auf den Kläger keine Sozialauswahl stattgefunden habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

Der Beklagte will mit seiner Berufung die Abweisung der Klage erreichen. Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt er vor, das Arbeitsgericht habe außer Acht gelassen, dass sich die Nichteinbeziehung des Klägers in die Sozialauswahl tatsächlich auf seine Kündigung nicht ausgewirkt hätte. Auch wenn er in die Sozialauswahl einbezogen worden wäre, hätte das Arbeitsverhältnis trotzdem gekündigt werden müssen. Der Kläger sei als technischer Angestellter Bergtechnik LG T02 beschäftigt worden und hätte daher zu der Vergleichsgruppe technische Angestellte Bergtechnik LG T03, T02 gehört. Aufgrund seiner sozialen Daten hätte der Kläger zu den zu kündigenden Mitarbeitern gezählt. Er sei bereits erstinstanzlich seiner Pflicht zur Auskunftserteilung durch Angabe der Namen und der sozialen Daten aller vergleichbaren Mitarbeiter nachgekommen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 11.06.2008 - 8 Ca 4752/07 - abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und tritt dem Vorbringen des Beklagten entgegen. Er trägt ergänzend vor, der Beklagte verkenne, dass die Sozialauswahl bereits anlässlich der Kündigung vom 27.09.2006 nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Sein Name stehe nicht auf der als Anlage 1 dem Interessenausgleich beigefügten Namensliste. Eine ausdrückliche Inbezugnahme der Anlage 3 als Namensliste sei nicht erfolgt. Eine ordnungsgemäße Sozialauswahl habe auch dann nicht stattgefunden, wenn er hypothetisch in die Sozialauswahl aller Mitarbeiter einbezogen worden wäre. Er rüge nach wie vor die nicht ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats, weil dieser über die betrieblichen Gründe und die Gründe der sozialen Auswahl nicht ausreichend informiert worden sei. Schließlich sei die Kündigung auch deshalb unwirksam, weil ihm der Wechsel in die betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit nicht angeboten worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Das Gericht hat den Kläger mit Schreiben vom 26.09.2008 darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Sozialauswahl bereits dann genüge, wenn das Auswahlergebnis objektiv ausreichend bzw. nicht grob fehlerhaft sei.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Die Klage ist abzuweisen. Die angegriffene Kündigung des Beklagten vom 21.08.2007 ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG aus dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen, bedingt. Eine fehlerhafte soziale Auswahl gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO bzw. § 1 Abs. 3 KSchG kann nicht festgestellt werden. Der Betriebsrat ist gemäß § 102 BetrVG ordnungsgemäß angehört worden.

I

Die Betriebsbedingtheit der Kündigung ist gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO zu vermuten, denn es liegt ein Interessenausgleich mit Namensliste vor, auf der sich auch der Name des Klägers befindet. Der Interessenausgleich ist wegen einer gemäß § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG geplanten Betriebsänderung, nämlich der Reduzierung des Betriebes auf eine Belegschaftsstärke von 340 Mitarbeitern, zustande gekommen. Die Namensliste gemäß Anlage 3 des Interessenausgleichs, die die Namen derjenigen Mitarbeiter enthält, die bereits zuvor gekündigt worden waren und die vorsorglich eine neue Kündigung erhalten sollen, ist Bestandteil des Interessenausgleichs, denn auf sie wird in II.5. des Interessenausgleichs ausdrücklich Bezug genommen. Damit ist der Kläger als zu kündigender Arbeitnehmer in den zwischen dem Betriebsrat und dem Beklagten vereinbarten Interessenausgleich aufgenommen worden. Die Anlage 3 ist von den Betriebsparteien gesondert unterschrieben worden, so dass die gemäß § 126 Abs. 1 BGB erforderliche Schriftform gewahrt ist.

1. Der Insolvenzverwalter muss im Streitfall lediglich das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO, nämlich das Vorliegen einer Betriebsänderung i.S.v. § 111 BetrVG, darlegen und beweisen (LAG Hamm vom 19.09.2007 - 2 Sa 1844/06). Sind die Voraussetzungen für das Eingreifen der Vermutungswirkung wie vorliegend erfüllt, kann der Insolvenzverwalter zur Begründung der Kündigung auf den Interessenausgleich mit Namensliste verweisen, ohne zu den betriebsbedingten Kündigungsgründen im Einzelnen vortragen zu müssen. Vielmehr obliegt es nunmehr dem Arbeitnehmer zu beweisen, dass sein Arbeitsplatz trotz der Betriebsänderung noch vorhanden ist. Die Vermutungswirkung kann gemäß § 292 Satz 1 ZPO nur durch den vollen Beweis des Gegenteils widerlegt werden (MünchK/InsO-Löwisch/Caspers, 2. Aufl., § 125 Rdnr. 83; BAG vom 07.05.1998 - 2 AZR 536/97, NZA 1998, 933; BAG vom 21.02.2002 - 2 AZR 581/00, EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 10). Da der Kläger aber keine Tatsachen dargelegt und unter Beweis gestellt hat, die der zu vermutenden Betriebsbedingtheit der Kündigung widersprechen, ist vom Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG auszugehen.

2. Die gesetzlich festgelegte Vermutung der Betriebsbedingtheit gemäß § 1 Abs. 5 KSchG bzw. § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO ist verfassungsgemäß. Sie erstreckt sich grundsätzlich auch auf das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit (BAG vom 06.09.2007 - 2 AZR 715/06, NZA 2008, 633).

II

Die soziale Auswahl ist gemäß § 1 Abs. 3 KSchG nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts führt die Nichteinbeziehung des Klägers in die soziale Auswahl nicht zu der Annahme, die sozialen Gesichtspunkte Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten seien gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO in grob fehlerhafter Weise unberücksichtigt geblieben. Es muss nämlich richtig gesehen werden, dass in bezug auf den Kläger eine soziale Auswahl bereits bei der zuvor erfolgten Kündigung vom 27.09.2006, die ebenfalls auf der Grundlage eines Interessenausgleichs mit Namensliste ausgesprochen worden war, stattgefunden hatte. Die Betriebsparteien haben in dem hier maßgeblichen Interessenausgleich vom 18.06.2007 lediglich vereinbart, dass die ausgesprochenen Kündigungen aufrechterhalten und die betroffenen Mitarbeiter, die gegen ihre Kündigung eine Kündigungsschutzklage eingereicht haben, vorsorglich erneut gekündigt werden. Die Betriebsparteien haben eine erneute soziale Auswahl für entbehrlich gehalten, weil sie bereits zuvor zu der Überzeugung gelangt waren, dass der Kläger zu dem Kreis der zum 31.03.2007 zu entlassenden Arbeitnehmer gehört.

1. Der Arbeitgeber genügt seiner Pflicht, die gesetzlichen Kriterien ausreichend bzw. nicht grob fehlerhaft zu berücksichtigen, bereits dann, wenn das Auswahlergebnis objektiv ausreichend bzw. nicht grob fehlerhaft ist (BAG vom 17.01.2008 - 2 AZR 405/06, DB 2008, 1688; BAG vom 18.10.2006 - 2 AZR 473/05, NZA 2007, 505). Auch wenn der Arbeitgeber überhaupt keine sozialen Auswahlüberlegungen anstellt oder von unzutreffenden Bewertungskriterien ausgeht, kann das Ergebnis gemessen an den Maßstäben des § 1 Abs. 3 KSchG richtig sein. Eine Fehlbeurteilung der sozialen Gesichtspunkte durch den Arbeitgeber führt nur dann zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn sie die getroffene Sozialauswahl tatsächlich entscheidungserheblich beeinflusst hat (BAG vom 23.11.2000 - 2 AZR 533/99, NJW 2001, 3282).

a) Vorliegend wäre der Kläger auch dann entlassen worden, wenn die Betriebsparteien seine Sozialkriterien wie in der Auswahlrichtlinie festgelegt bewertet hätten. Der Beklagte hatte dazu ohne qualifizierten Widerspruch des Klägers vorgetragen, dass in der für den Kläger maßgeblichen Vergleichsgruppe der technischen Angestellten Bergtechnik T03, T02 nur Mitarbeiter mit deutlich höherer Punktzahl weiterbeschäftigt worden seien. Die dazu vom Beklagten eingereichte Namensliste belegt, dass nur deutlich sozial schutzwürdigere Arbeitnehmer mit längerer Betriebszugehörigkeit als der Kläger und einem zum Teil höheren Lebensalter nicht entlassen worden sind. Der jüngste Mitarbeiter aus dieser Liste ist 1961 geboren und hat eine Betriebszugehörigkeit seit 1979 aufzuweisen. Die nicht gekündigten Mitarbeiter waren bei der Insolvenzschuldnerin mindestens seit 1987 tätig, während der Kläger seine Tätigkeit erst am 16.07.1990 begonnen hat. Der Kläger wäre daher in jedem Fall auch bei Einbeziehung in die soziale Auswahl entlassen worden. Dies gilt selbst dann, wenn man nicht den Maßstab der groben Fehlerhaftigkeit gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO anlegt, sondern gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG prüft, ob die im Gesetz genannten sozialen Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt worden sind. Es ist anerkannt, dass nur deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer die Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG erfolgreich rügen können. Davon kann vorliegend keine Rede sein, denn der Kläger hat eine deutlich geringere Punktzahl aufzuweisen als die im Betrieb verbliebenen Mitarbeiter. Da der Beklagte im Übrigen seiner Auskunftspflicht gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. KSchG nachgekommen ist, hat der Kläger gemäß § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen. Er hätte daher namentlich Mitarbeiter benennen müssen, die er für sozial weniger schützenswert hält. Da der Kläger derartige Arbeitnehmer nicht benannt hat, kann seine Rüge der fehlerhaften Sozialauswahl schon deshalb nicht durchgreifen.

b) Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, der Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer sei falsch bestimmt worden. Der Beklagte hat dazu ohne qualifizierten Widerspruch des Klägers vorgetragen, bei der Bildung der Vergleichsgruppen sei nach den Bereichen Bergbau/Bergtechnik, Elektriker/Elektrotechnik und Maschinentechniker/Maschinentechnik unterschieden worden. Der Kläger war zuletzt im Bereich Bergtechnik tätig, so dass die Einteilung nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, nämlich nach der ausgeübten Tätigkeit, erfolgt ist. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Betriebsparteien auch die tarifliche Eingruppierung berücksichtigt und die Gruppen T02 und T03 zusammengefasst haben (vgl. BAG vom 02.03.2006 - 2 AZR 23/06, NZA 2006, 1350; BAG vom 21.01.1999 - 2 AZR 624/98, NZA 1999, 866). Im Übrigen kann die soziale Auswahl auch bezüglich der Bildung der auswahlrelevanten Gruppen und damit bezüglich der Vergleichbarkeit der zu entlassenden und der weiterbeschäftigten Arbeitnehmer nur auf grobe Fehlerhaftigkeit nachgeprüft werden (BAG vom 17.11.2005 - 6 AZR 107/05, DB 2006, 844 und vom 28.08.2003 - 2 AZR 368/02, ZIP 2004, 1271). Gibt es wie vorliegend sachliche, nachvollziehbare Gründe für die Vergleichsgruppenbildung, kann von einem evidenten, sofort ins Auge springenden schweren Fehler nicht gesprochen werden.

III

Der Betriebsrat ist gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört worden. Die Betriebsratsanhörung unterliegt auch bei Vorliegen eines Interessenausgleichs mit Namensliste i.S.v. 125 Abs. 1 Satz 1 InsO keinen erleichterten Anforderungen. Die Verpflichtung des Insolvenzverwalters, neben den Verhandlungen über einen Interessenausgleich mit Namensliste gemäß den §§ 111, 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, 125 Abs. 1 Satz 1 InsO den Betriebsrat zu jeder einzelnen Kündigung anzuhören, führt nicht notwendig zu einer Verdoppelung des Beteiligungsverfahrens. Mit dem Abschluss des Interessenausgleichs kann wie hier geschehen das Verfahren nach § 102 BetrVG verbunden werden. Mit dem Abschluss des Interessenausgleichs kann der Betriebsrat zugleich zum Ausspruch der beabsichtigten Kündigungen angehört werden und eine abschließende Stellungnahme dazu abgeben (BAG vom 20.05.1999 - 2 AZR 532/98, NZA 1999, 1103; im Einzelnen LAG Hamm vom 15.03.2006 - 2 Sa 73/06).

1. Die Einleitung des Anhörungsverfahrens gemäß § 102 BetrVG bezüglich der zu kündigenden Arbeitnehmer ergibt sich unmissverständlich aus IV.1. des Interessenausgleichs vom 18.06.2007. Die Kündigungsgründe werden in II.1.+2. des Interessenausgleichs beschrieben und waren dem Betriebsrat daher bekannt. Gleiches gilt auch bezüglich der Auswahlgründe, die zur Erstellung der Namenslisten geführt haben. Der Betriebsrat verfügte damit über die notwendigen Informationen über die Bildung der Vergleichsgruppen und über die Gewichtung der in der Auswahlrichtlinie festgelegten sozialen Indikatoren. In der betrieblichen Regelungsabrede vom 18.06.2007 (Bl. 79 d.A.) hat der Betriebsrat noch einmal bestätigt, über die relevanten Sozialdaten aller Mitarbeiter vollständig informiert worden zu sein. Die Betriebsparteien haben deshalb zu Recht eine weitere individuelle Anhörung des Betriebsrats zu jeder einzelnen Kündigung für entbehrlich erachtet.

2. Es ist unschädlich, dass der Betriebsrat vor dem Ausspruch der Kündigung am 21.08.2007 nicht noch einmal erneut angehört worden ist, nachdem das Versorgungsamt G1 am 17.08.2007 die Zustimmung zur Kündigung erteilt hatte. Der Arbeitgeber braucht mit der Einleitung des Anhörungsverfahrens gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG nicht bis zum Vorliegen der behördlichen Zustimmung zu warten, sondern kann den Betriebsrat auch mit der Maßgabe anhören, dass die Kündigung alsbald nach der Erteilung der Zustimmung zum nächstmöglichen Kündigungstermin ausgesprochen wird (BAG vom 11.03.1998 - 2 AZR 401/97; BAG vom 18.05.1994 - 2 AZR 626/93, BB 1994, 1857; KR-Etzel, 8. Aufl., § 102 BetrVG Rdnr. 60). Die Betriebsparteien haben deshalb in zulässiger Weise unter IV.2. des Interessenausgleichs festgelegt, dass im Falle einer behördlichen Zustimmung zur Kündigung keine erneute Anhörung erforderlich ist. Es ist unschädlich, dass sich diese Regelung nur auf die Namensliste gemäß Anlage 1 zum Interessenausgleich bezieht, nicht aber auf die Anlage 3, in der der Kläger namentlich genannt wird. Da sich der Kündigungssachverhalt nicht geändert hat, brauchte der Beklagten den Betriebsrat nach Erteilung der Zustimmung zur Kündigung durch das Versorgungsamt unabhängig von der im Interessenausgleich getroffenen Regelung nicht erneut anzuhören.

3. Schließlich rügt der Kläger zu Unrecht, dass der Betriebsrat in seinem Fall über die maßgeblichen sozialen Auswahlgesichtspunkte nicht informiert worden sei. Zunächst muss richtig gesehen werden, dass der Betriebsrat immer dann ordnungsgemäß angehört worden ist, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat (BAG vom 15.11.1995 - 2 AZR 974/04, NJW 1996, 1556; BAG vom 07.11.1996 - 2 AZR 720/95, AuR 1997, 124). Vorliegend hat der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger vorsorglich erneut gekündigt, ohne ihn in die aufgrund des Interessenausgleichs vom 18.06.2007 durchzuführende soziale Auswahl einzubeziehen. Dies entspricht der im Interessenausgleich getroffenen Regelung, denn dort heißt es unter II.5., dass die in der Anlage 3 namentlich aufgeführten Mitarbeiter vorsorglich eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung zum nächstzulässigen Termin im Sinne des § 113 InsO unter Aufrechterhaltung der vorangegangenen Kündigung erhalten. Diesen subjektiv determinierten Kündigungsgrund hat der Beklagte dem Betriebsrat mitgeteilt. Einer Mitteilung der Auswahlgesichtspunkte bedurfte es nicht, weil der Beklagte eine soziale Auswahl für entbehrlich gehalten hatte. Ein unzulässiges Nachschieben von Kündigungsgründen kann nicht darin erblickt werden, dass der Beklagte nunmehr darauf verweist, der Kläger wäre auch bei Einbeziehung in die soziale Auswahl entlassen worden. Hat der Arbeitgeber bei der getroffenen Sozialauswahl bestimmte Arbeitnehmer übersehen oder mangels Vergleichbarkeit nicht einbezogen, darf er im Prozess auf entsprechende Rüge des Arbeitnehmers seinen Vortrag insoweit ergänzen, ohne dass darin ein nach § 102 BetrVG unzulässiges Nachschieben von Kündigungsgründen gesehen werden kann (BAG vom 07.11.1996 - 2 AZR 720/95, unter B III 2 a der Gründe, AuR 1997, 124; ebenso LAG Hamm vom 26.11.1998 - 4 Sa 34/98, ZinsO 1999, 364).

Im Übrigen muss davon ausgegangen werden, dass dem Betriebsrat aufgrund der vorangegangenen Kündigung die sozialen Daten des Klägers bekannt und ihm die Personallisten aller Beschäftigten vorlagen (s. IV.2. des Interessenausgleichs vom 18.06.2007 sowie der betrieblichen Regelungsabrede vom 18.06.2007, Bl. 79 d.A.). Deshalb kann insgesamt von einer fehlenden oder unzureichenden Information des Betriebsrats über diejenigen Gründe, die zur sozialen Auswahl des Klägers geführt haben, nicht gesprochen werden.

4. Die Wirksamkeit der Kündigung scheitert nicht an einem unterbliebenen Angebot zur Übernahme in eine betriebsorganisatorisch selbständige Einheit. Es kann offenbleiben, ob ein etwaiger Verstoß des Beklagten gegen seine Verpflichtung, dem Kläger eine Vereinbarung über seinen Wechsel in die neu eingerichtete betriebsorganisatorische Einheit anzubieten, die Wirksamkeit der Kündigung beeinträchtigt hätte. In dem hier maßgeblichen Interessenausgleich haben die Betriebsparteien bezogen auf den Kläger eine derartige Verpflichtung nicht festgelegt. Gemäß III.2. des Interessenausgleichs sollten nur die in der Anlage 1 aufgeführten Mitarbeiter ein derartiges Angebot erhalten. Für die in der Anlage 3 genannten Mitarbeiter war ein solches Angebot nicht vorgesehen.

5. Die gemäß § 17 KSchG erforderliche Massenentlassungsanzeige ist wie der Beklagte nachgewiesen hat vor Ausspruch der Kündigung bei der Agentur für Arbeit eingegangen.

Nach alledem ist die angegriffene Kündigung vom 21.08.2007 wirksam und hat zur Beendigung es Arbeitsverhältnisses am 30.11.2007 geführt.

IV

Der Kläger hat gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Entscheidung weicht von der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht ab.

Ende der Entscheidung

Zurück